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siehe Bildunterschrift

George Brummel.
Kupferstich nach einer Miniatur von John Cook

Beau Brummell

Gestern abend, am 20. Mai des Jahres 1838, hat meinen Herrn, George Brummell Esq., der Schlag getroffen. Da ihm nun die barmherzigen Schwestern, die er im Bon Sauveur gefunden hat, nötiger sind als ein Kammerdiener, bin ich heute morgen in ein kleines Haus vor der Stadt gezogen, wo ich, da es ernstere Dinge zu tun nicht mehr gibt, meinen Erinnerungen leben und den stillen Ablauf meiner Tage genießen will. Diese Erinnerungen möchte ich mir nicht verderben lassen. Ich will nicht sehen müssen, wie meinem Herrn der Speichel aus den Mundwinkeln läuft, wie er sein Jabot mit Wein begießt und Schlimmeres noch – nein, das weiß Gott, ich habe gar keine Lust und Eignung, den melodramatischen Diener zu spielen, der mit seinem Herrn idiotisch wird. Es war die letzte Zeit an Sentimentalitäten schon mehr, als sich mit der Bedeutung meines Herrn und meiner Stellung als sein Diener verträgt. Es gab schon Momente, wo seine unangebrachte Intimität unser einzig mögliches Verhältnis, das in Distanz begründet ist, arg bedrohte. Da legte ich jeden Samstag zehn Gedecke auf und zündete alle Kerzen an, denn wir erwarteten große Gesellschaft. Um sieben kamen die Gäste, und ich meldete die Herzoginnen von Devonshire und Rutland, Lord Berwick, Lord Bosborough, K. H. Herzog von York, Lady Stanhope, Lord Erskine, Lord Melbourne, Mr. Sheridan, Lord Northumberland. Mein Herr kam jedem seiner Gäste ein paar Schritte entgegen, begrüßte, sprach von diesem und dem. Man ging zur Tafel, ich schob den Herrschaften den Stuhl unter das Gesäß, und mein Herr unterhielt, während ich servierte, alle aufs beste. Um zehn Uhr leuchtete ich den Herrschaften die Treppe hinunter und ließ die Wagen vorfahren. Oben saß, wenn ich zurückkam, um die Lichter zu löschen und unser Sèvres wegzuschließen, mein Herr am Kaminfeuer und weinte. Denn es war ja gar niemand da gewesen als wir beide, mein Herr und ich und neun leere Stühle, die wir zusammen dieses Spiel aufführten an jedem Samstag von sieben bis zehn Uhr abends.

Wirklich mit seiner Person besuchte uns nur Monsieur Leveux ziemlich häufig, der seine Miete haben wollte, die wir ihm nie bezahlen konnten.

Majestät haben wir vergeblich erwartet, als sie durch Caen fuhr. Sie hatte es nicht vergessen, daß Herr Brummell sie einmal, als sie noch Prinz war, bei Watiers geheißen hat, dem Diener zu läuten. Und daß er nach dem Bruch, der darauf erfolgte, Lord Erskine, der mit dem Prinzen promenierte, über die Schulter fragte: »Was hast du da für einen dicken Freund?«

Ja, Majestät fuhr durch, ohne uns zu besuchen, und wir hatten schon den Maraschinopunsch zubereitet und schickten ihn schließlich ins Hôtel Angleterre, in dem König Georg abgestiegen war.

siehe Bildunterschrift

George Brummel.
Nach der farbigen Lithographie eines unbekannten englischen Meisters

Als es dann sogar passierte, daß sich mein Herr eigenhändig und in lächerlicher Hast ankleiden mußte, da man ihn frühmorgens aus dem Bette in den Schuldturm holte, da war es ja wohl eigentlich zu Ende, und wir waren nahe daran, gewöhnlich zu werden, und nichts sonst zu haben als eine Vergangenheit. Aber dies muß ich festhalten: wir scheiterten nur an den gemeinen Natürlichkeiten des Lebens, die sich mit dem Altern einstellen, und die zu überwinden nicht mehr in unserer Kraft liegt. Aber unsere moralische Idee, die Idee, deren Geste wir nur sind, blieb davon ganz unberührt. Wir haben unsere Aufgabe erfüllt und hinterlassen ein Werk. Napoleon eroberte auf Sankt Helena immer noch die Welt, denn er hatte seine Macht aus sich selber, und nicht aus den andern geschaffen. Genau wie wir.

 

1. Juni 1838

So in Ruhe hingebracht, werden die Tage lang und von einer angenehmen süßen Schwere wie reifende Früchte. Das Nichtstun bekommt auf einmal den Sinn einer stillen, aber beziehungsreichen Tätigkeit. Des Nachmittags faul in der Sonne sitzen, die schon recht warm scheint, wird Werk und Verrichtung. Und was man dann so wirklich tut, und wozu man Füße und Hände in Bewegung bringt, kommt einem vor wie törichte Zeitvergeudung und macht verdrießlich.

Gestern kam Lord Abercon auf der Reise nach Paris durch dieses Nest und schenkte mir seinen Besuch. Er gehörte in unserer besten Zeit zu den Schülern meines Herrn und lernte da nicht wenig. Wir sprachen natürlich von meinem Herrn, und Seine Lordschaft meinten, ich müßte doch wie niemand sonst imstande sein, das Leben meines Herrn aufzuschreiben, das Handwerk sei mir ja nicht so fremd – womit er auf eine fast schon Legende gewordene Sache anspielte – und zudem würden neuerer Zeit die Leben der Helden doch meist von deren Kammerdienern geschrieben, was der Zeit so sehr passe. Angenehmer als diese gute Meinung von meinem Schreibtalente waren mir die zehn Pfund, die mir Seine Lordschaft gaben, als sie wieder ihren Reisewagen bestiegen.

Als ob an dem Leben etwas gelegen wäre! Als ob nicht die Geschichte jedes großen Lebens die Geschichte einer Idee wäre. Und die schreibt man nicht mit Anekdoten, wie Seine Lordschaft meinen. Als wir, mein Herr und ich, um einer gewissen Sache den notwendigen Schluß zu geben, mit Miß Sarah F. übereingekommen waren, sie zu entführen, da wurde nichts daraus, weil Miß F. darauf bestand, ihren schwarzen Pudelhund mitzunehmen, welchen Köters Gesellschaft wir im Wagen auf keine Weise dulden wollten, und Miß F. wieder nicht wollte, daß das Vieh nebenher liefe, weil es Nacht war und regnete. Die junge Dame ging mit dem Pudelhund wieder zu Mama zurück, und wir fuhren von dem verabredeten Orte wieder zu uns nach Hause, Chesterfieldstreet. Das ist, wie man sieht, eine Geste, in der die Idee sinnfällig wird. Anekdoten aber sind ein anderes Kapitel, das vielleicht die Lebensgeschichte eines Postkutschers ziert, aber nicht in einen moralischen Traktat gehört; und ein solcher und nichts anderes wäre die Biographie meines Herrn.

 

12. September 1838

Als ich durch dreiundzwanzig Jahre nichts sonst trieb als das Wirtschaftsbuch und das Schuldenbuch unseres Haushaltes – wer mir da gesagt hätte, daß ich mir noch einmal zu einem andern Zwecke Federn schneiden würde, ich hätte ihn ausgelacht. Eigentlich wollte ich auf die Blätter dieses Kalenders nur jeden Tag hineinschreiben, ob es ein schöner Tag war oder nicht, ob's Regen gab, oder ob die Sonne schien. Es ist wohl das Alter und nichts weiter, und ich schreibe, wie andere Leute Tobak schnupfen. Einmal war es ja anders, um auf Lord Abercons Anspielung zurückzukommen. Bevor das Schicksal oder der Zufall, ohne den, wie einer sagte, nichts Edles passiert, mein Leben zur Bedeutung wandte, meinte ich wunders was zu tun, da ich sonst nichts trieb als meine Laune. Ich dachte, ließe ich die nur recht eigenmächtig schalten, so führte sie mich schon auf die rechte Bahn. Ich brachte es in der Verkennung des Lebens so weit, daß ich, vom Beispiele des Lord Byron verlockt, Gedichte anfertigte. Wenn ich sie hinschrieb, tat ich das nicht sitzend, sondern kniend auf meinem Stuhle, so sehr und über die Maßen andachtsvoll kam mir dieses verlorene Geschäft vor, und muß man es wohl auch mit solchem großen Respekt treiben, um in solcher Vertäuschung des Lebens ohne Scham und innern Verdruß zu leben. Ich verkehrte damals in der Gesellschaft wohlerzogener Leute, deren Tag keine solchen ekstatischen Höhepunkte wie der meine hatte, die ihn aber dafür gleichmäßig temperiert in spielendem Verbrauch der Kraft hinbrachten und abends, bevor sie sich hinlegten, nicht sinnend und benommen auf dem Bettrand saßen und, einen Tag überdenkend, Fäden aus dem Nachthemd zogen. Ich merkte bald, daß man mich in dieser Gesellschaft merkwürdig auszeichnete und eigentümlich sonderte, und daß man meiner Rede in den wichtigsten Dingen, zum Beispiel vom rechten Gebrauch eines doppelseitigen Spanners, nur ein lächelndes Recht gab: man widersprach mir nicht und stimmte mir nicht zu; es war so, als ob ich mit meinen Worten den Dingen etwas von ihrer Güte und Schönheit nähme, so daß es andern damit auf einmal sonderbar wertlos und fremd wurde. Und so besann ich mich auf meine Gedichte, zog mir diese Besonderheit wie einen Eisenstab durchs Rückgrat und ging so sehr aufrecht woanders hin. In die Tavernen, wo die Dichter unter sich saßen mit ihren eigentümlichen Sitten und Bräuchen, die so ruchlos stolz aussehen. Das war eine gute Schule, und ich empfehle sie jedem jungen Mann, dem der Verlust droht. Ich fand da unter Übeln Manieren eine sehr schamlose Freude an den eigenen Defekten um so breiter ausgelegt, je schlechter das Gewissen, das heißt je besser der Dichter war. Alle schworen zum Leben, und da keiner recht wußte, was das war, das Leben, so brachten sie es von außen als Abenteuer an und stritten untereinander über die Kraft ihres Gebisses und die Blutfülle des Stückes, in das sie die Zähne schlagen wollten. Es waren die beliebtesten Dichter der Zeit. Man sprach von ihnen in der Gesellschaft fast ebensoviel wie von den Hunden, die sich die Herzogin von York hatte aus Afrika kommen lassen. Es wurde mir da ganz deutlich, daß auf dem Wege des Gedichtes das Leben sich mit einer gemeinen Leichtigkeit ordnen ließe, versteht man sich nur dazu, das Defekte, das man hat, sich frenetisch auswirken zu lassen. Ich besaß wohl davon nicht genügend, als daß es mich zu dem verzweifelten Mute, als ein Dichter zu leben, legitimiert hätte. Ich war guten Leibes, und meine Phantasie ging keine Wege, die mich bestürzten. Also kaufte ich mir – ich war noch sehr jung – fünf luftgefüllte Schweinsdärme, band meine Gedichte daran und ließ das Ganze dorthin fliegen, woher es, wie die Poeten sagen, gekommen ist: zu den Sternen.

Die Därme gingen mit ihrer Fracht aber schon auf einem Landgute in Berkshire nieder, das gerade Mr. Brummell als Gast beherbergte. Es war übrigens kein sehr gut geführtes Haus. Mr. Brummell fand ein Spinnweb in seinem Nachtgefäß, was Anlaß war, daß er von da ab immer seine eigene Vase auf Reisen mitnahm. Den Umstand mit den Gedichten und diesen andern mit dem Geschirr erfuhr ich von Mr. Brummell selber, acht Tage später. Bei Davidson & Meyer, Regentstreet, wo wir beide arbeiten ließen und uns trafen – wie zufällig schien es, war aber göttliche Fügung. Mr. Brummell probierte den von ihm geschaffenen Frackrock, und während der drei Stunden, da dieses geschah, wurde mir der Sinn des Lebens klar; ich wußte nun, was ich zu tun hatte. Vier Tage später stand ich in den Diensten meines Herrn. Das war am 12. September des Jahres 1813 – heute vor fünfundzwanzig Jahren, und fünfundzwanzig Jahre war ich damals alt.

 

18. September 1838

Ja, die Thesen! Als ich im Winter 1829 für meinen Herrn nach London mußte, zeigte man mir vor dem Café des Milles Colonnes Herrn Romeo Coates. Man nannte ihn einen Dandy, während er ein Narr war, der einen blaßblauen Surtout trug, betroddelte Kurierstiefel bis ans Knie, und einen Dreimaster, und sich in einer Schubkarre von der Form einer vergoldeten Muschel fahren ließ. Man nannte den närrischen Jungen einen Dandy, und doch waren es erst drei Jahre her, daß wir London verlassen hatten – Zeit, schien es, genug, daß die Menschheit verfiel, da sie unser Beispiel nicht mehr sah. Das machte mich nachdenklich und befestigte meine Meinung, daß zwischen dem einzelnen und der Menge ein dauernder moralischer Bezug nicht statthat. Wieder nach Calais, wo wir damals residierten, zurückgekehrt, erzählte ich meinem Herrn, daß man ihn in London schon zweimal totgesagt hätte. Er meinte, das seien Börsenmanöver. Aber ich dachte, einmal totgesagt hätte schon genügt, um die Wahrheit zu treffen, da man Romeo Coates Esq. einen Dandy nannte.

 

19. September

Ja: wir brauchten sechs Stunden für die dreimalige Toilette des Tages, aber wir verwandten diese Zeit nicht darauf, eine Exzentrizität zustande zu bringen, sondern zu nichts Einfacherem, als uns so anzuziehen, daß wir nicht auffielen; und um dies zu erreichen, muß man sich nichts als gut anziehen in den Grenzen der herrschenden Mode. Wer auffällt, so oder so, der tut das immer auf eigene Gefahr und wird nie die Genugtuung spüren, zu herrschen, sondern immer den Schmerz, beherrscht zu werden, und wäre es auch nur vom zudringlichen Auge der andern. Wer sein eigentümliches Geheimnis nicht kennt und gar nichts davon weiß, der ist ein guter Mensch und wird im niedern Frieden leben. Wer es kennt und auf den Markt läuft, es zu verkünden, den plagt die böse Lust: er ist ein Dichter, ein Narr oder ein Heiliger. Wer es kennt und davon schweigt, oder bloß affektiert davon spricht, weil ausweichendes Schweigen lauter als Ausschreien sein kann in bestimmten Situationen, der ist ein Dandy, solange er unter Menschen lebend seine Pflicht zur höchsten eigenen Energie spürt. Wir sind seit dem 16. Mai 1818, da wir fehlenden Kredites wegen London verließen, ein pensionierter Dandy, und so etwas gibt es nicht. Unsre Existenz wird eine philosophische Abstraktion, denn sie verlor ihr Wesentliches: das Gegenspiel der anderen. Man muß sich gegen die andern behaupten durch das Mittel, gegen sie nicht aufzufallen. Ein Eremit ist kein Kunststück. Der einzelne, der sich vor sich selber behauptet, hebt sich auf; was immer er auch prestiert; denn er wird sich selber auffallend und schreibt solche Sätze in seinen Kalender, wenn es gerade regnet. Ja, wenn es gerade regnet – das ist nur Anlaß und keine irgendwelche Beschwerde. Was wichtig war, das habe ich gelebt und lebe es weiter, lasse nichts davon übrig, das aufzuschreiben mir notwendig schiene, Not wendend.

 

4. August 1839

Hier draußen ist eine ruhige Gegend. Nicht als ob es etwa in der Rue Royale von Caen sehr lebhaft wäre: aber es läuft da doch manchmal eine Katze über die Straße, als ob sie auf der andern Seite höchst wichtig zu tun hätte. Hier draußen ist die Ruhe wie für sich selber da. Wie zu ihrem eigenen Genusse. Die Nachbarn gehen früh fort ihren Geschäften nach in die Stadt, kommen abends heim. Links wohnt ein Invalide aus den Kriegen, der sich den Pariser Moniteur hält, den er mir jeden Abend herüberbringt. Wir verstehen uns vortrefflich. Rechts wohnt eine Wäschermamsell mit ihrer Mutter, die ich jeden dritten Tag besuche. Wir verstehen uns vortrefflich. Vor meinem Fenster wächst Goldregen und umgibt es mit seinem Gerank aus Grün und Gelb. Da seh' ich in das weite Land, und sehe auch die Silhouetten der Blätter und Blüten, und sehe dies und das Land, das Nahe und das Ferne gleichzeitig auf einmal. Das dünkt mich, habe ich von meinem Herrn, daß ich dieses beides auf einmal sehen kann.

 

5. August 1839

Die Alte von rechts besorgt im Bon Sauveur meinem Herrn die Wäsche, die junge Mamsell, ihre Tochter, plättet sie. Die fragte mich gestern, ob er wohl schön war, Herr Brummell, und ob er es viel mit den Frauen gehabt hätte. Ich sagte ihr darauf: Nein, mein Kind, er war nicht so schön wie Monsieur Frédéric, dein junger Perückenmacher, aber er hatte eine Physiognomie. Dafür war er aber so schön gewachsen, wie du es dir immer vorstellen magst. Wie wir es mit den Frauen hatten, da möchte ich dir gern den Gefallen tun, dir sehr romantische Geschichten zu erzählen, wie sie bei Herrn Sue stehen, aber ich müßte sie erfinden, und das verträgt die Bedeutung der in Betracht kommenden Personen nicht, nicht die meines Herrn, noch die der Damen. »Sie sind ein Palast in einem Labyrinth«, sagte uns eine von ihnen. Sie war nämlich ungeduldig wie alle, weil wir keinen Wert darauf legten, im Pathos gemeinsamer Gefühle zu schwelgen, und geärgert darüber, daß sie schauen mußte ohne zu sehen, und suchen ohne zu finden. Wir blieben immer an jener Grenze stehen, die uns die Frauen setzen, damit wir sie überschreiten. Da glaubten sie dann, wir machten uns über die Gefühle lustig und verlangten uns, anders, nur noch stärker. Das gab uns viele Macht. Wir mißbrauchten sie aber anderswo. Geliebt und gefürchtet haben uns alle, gehaßt hat uns nur eine, weil sie verstand. Das war Henriette Wilson, eine sehr berühmte Kokotte. Der Schlüsselbund ihres Herzens war sehr umfangreich. Darauf fing die kleine Mamsell an, von ihrem Frédéric zu erzählen, und von ihrer Angst, daß es mit der Liebe einmal aus sein könnte. Ich wußte ihr darauf nichts Gescheiteres zu sagen, als daß man beim Beginn einer Liebesgeschichte sich nicht mit der Art ihres Endes beschäftigen solle. Das nehme schon das Leben auf sich, und das kenne da gar viele Arten.

 

12. Dezember 1839

Ich habe es mir von meinen Nachbarinnen verbeten, daß sie mir von Mr. Brummell erzählen, und gestern muß mir ein Mensch, der sich Schneider nennt, weil er geduldiges Tuch zu schlechten Röcken zerschneidet, in den Weg laufen und mit einem lächerlich unglücklichen und wichtigen Gesicht anfangen: J'avais honte, de voir un homme si célèbre et si distingué et qui s'était créé une place dans l'Histoire, dans un état si malheureux, und so fort, immer neben mir herlaufend und schwatzend, bis ich ihm sagte, es müsse ein Irrtum sein, denn Mr. George Brummell sei schon lange tot, und der Herr, der im Spittel läge und Löcher in den Hemden habe, sei wahrscheinlich ein harmloser Verrückter, der sich für Mr. Brummell halte. Den Augenblick, den Monsieur Robinson verdutzt stehenblieb, benutzte ich, mich so rasch zu entfernen, als es mir die kleine Gicht im linken Bein erlaubt.

 

1. April 1840

Mit großem Gefolge kam heute die Herzogin von S. durchgereist. Sie war immer auf unsern Samackbällen gewesen, und als die Schönste. Sie ließ vor dem Hôtel d'Angleterre halten, um eine Limonade zu trinken, und fuhr dann gleich weiter. Sie hatte für einen Augenblick den Schleier zurückgeschlagen. Die Frauen sind meistens nicht so jung, wie sie sich schminken, aber die Herzogin hatte sich in den Jahren und Farben doch etwas stark vergriffen. Der gute Geschmack scheint in England endgültig verschwunden zu sein, wenn so etwas sogar dieser süperben Dame passiert. Ich will nicht vergessen aufzuschreiben, daß man an demselben Tage, am 1. April 1840, George Bryan Brummell, dem ich in unsern großen Tagen diente, begraben hat, nachdem er vor einer Reihe von Jahren gestorben war, als der größte Mann seiner Zeit.


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