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IV

Der Winter war noch nicht vorüber, doch die Sonne brannte schon so stark, dass der Rektor und Tonet den Schatten eines aufs Trockene gezogenen Bootes aufgesucht hatten. Zeit genug, geröstet zu werden, wenn es wieder in See ging!

Der Anblick des leuchtenden Strandes und die Wärme machten sie schläfrig, träge schleppte sich die Unterhaltung hin. Ein herrlicher Tag! Kaum glaubhaft, dass man sich erst kurz vor der Osterwoche befand, einer Jahreszeit, die sonst stets Regen und plötzlich einsetzende Stürme mit sich zu bringen pflegte. Das in Licht gebadete Firmament zeigte ein ganz helles Blau. Wie unregelmässig verstreute Schaumflocken segelten spärliche Wölkchen am Himmel, und von dem warmen Sande erhob sich ein feiner Dunst, der alles einhüllte und die Umrisse in der Ferne erzittern liess.

Der Strand ruhte aus. Das »Ochsenhaus«, in dessen Ställen die riesigen Tiere, die die Barken ans Land zogen, unruhig brüllten, reckte sein rotes Dach und seine blauen Wände über die langen Reihen hochgezogener Boote, die eine Nomadenstadt mit Strassen und Kreuzungen bildeten, ähnlich einem griechischen Heerlager der Heroenzeit.

Die mit ihren dicken, stumpfen Enden graziös gegen den Bug geneigten lateinischen Maste glichen einem Walde von Lanzen, in dem sich die geteerten Taue wie Lianen verschlangen. Unter den eingezogenen Segeln wimmelte es von Menschen mit nackten, braunen Beinen und bunten Mützen, damit beschäftigt, Netze zu flicken oder die leckere Fischsuppe zu kochen, während die dickbäuchigen, weiss und blau bemalten Kiele auf dem Sande wohlverdiente Rast hielten, wie Meeresungeheuer, die ihren Wanst wollüstig von der Sonne bescheinen lassen.

In dieser improvisierten Ortschaft, die sich vielleicht schon nachts auf der ungeheuren, vom Horizont begrenzten blauen Fläche zerstreuen würde, herrschte die symmetrische Ordnung einer nach der Schnur gezogenen, modernen Siedelung.

Die äusserste Reihe – dort, wo die Wellen auf den Arabesken des Sandes in eine feine Spitze ausliefen – bildeten die kleinen Fahrzeuge, die mit dem Volantí, der langen Angelschnur, fischten. Diese zierlichen Boote machten den Eindruck, als seien sie die Brut der grossen Barken hinter ihnen, die – alle von derselben Höhe, auch gleichfarbig gestrichen – immer paarweise ein Schleppnetz zogen. In der letzten Reihe lagen die Veteranen, durch deren geborstene Planken man die morschen Rippen sehen konnte. Mit trauriger Miene, ganz wie die Pferde der Stierkämpfe, schienen sie über die Undankbarkeit des Menschen nachzudenken, der sie im Alter im Stich liess.

An den Masten schwankten rote, zum Trocknen aufgehisste Netze, Flanellhemden und gelbe Hosen. Sonnentrunken kreisten die Möven über dieser prächtigen Flaggengala, um sich plötzlich in das blaue, schwachbebende Meer fallen zu lassen.

Die gutmütigen Kalbsaugen des Rektors wanderten über den glänzenden, unter der Glut der Mittagssonne flimmernden Spiegel, folgten den spitzen Segeln, die langsam am Horizont hinzogen und blieben dann an der Küste hängen, deren weitgeschwungener, von grünen Flecken und weissen Häusermassen umsäumter Bogen den Golf von Valencia einschliesst. Die ganze Landschaft war ihm vertraut: die Hügel des Puig, riesige Beulen auf einem tiefgelegenen Strande, den das Meer bei Sturmzeiten überschwemmte; das Schloss von Sagunt, dessen unregelmässige Bastionen den Gipfel eines Berges, braun wie Kandis, krönten, und landeinwärts die bis in den Himmel ragende Gebirgskette aus rotem Granit.

»Die gute Witterung wird jetzt anhalten,« meinte er – und in Cabañal wusste man, dass seine Wetterprognose sich mit derselben Sicherheit erfüllte, wie die seines früheren Patrons, des alten Borrasca. »Vielleicht bringt die kommende Woche noch etwas Sturm, aber nichts von Bedeutung. Gott sei Dank, dass man nun wieder ohne Furcht sein Brot auf dem Meer suchen kann!«

Nach diesen Worten versank er abermals in Schweigen, nachdenklich an einem schwarzen, geschmuggelten Giftstengel weiterkauend.

Manchmal ertönte in das sanfte Rauschen der Wogen eine ferne Mädchenstimme, die ein melancholisches Lied sang, oder das langsame »oh … oh, isa!« einiger Burschen, die im Takt an einem schweren Mast zogen. Auf dem Deck der Barken erschienen Frauen und riefen zum Essen. Zwischendurch erklangen in monotoner Regelmässigkeit die schweren Hammerschläge der Schiffszimmerleute. Und alle diese Geräusche ertranken in der majestätischen Ruhe einer vom Licht gesättigten Atmosphäre.

Tonet blickte seinen Bruder fragend an, in der Hoffnung, dass er ihm nun endlich seinen Plan auseinandersetzen würde, von dem er schon verschiedentlich Andeutungen gemacht hatte. Schliesslich bequemte sich der Rektor zum Sprechen:

»Mit einem Wort, ich bin es satt, das Geld so langsam zu verdienen und will jetzt einen grossen Schlag versuchen. Auf der See gibt es Brot für alle. Aber die einen finden nur schwarzes und nicht einmal das ohne viel Schweissvergiessen, während andere den Kuchen herausfischen, weil sie den Mut haben, etwas zu riskieren. Verstehst du mich, Tonet?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er bis zum Heck des Kutters, um auf der anderen Seite nachzusehen, ob sich vielleicht jemand in der Nähe befände.

Sie waren allein; keine Menschenseele zeigte sich auf dem langgedehnten, im Sommer mit den bunten Kabinen der Badegäste aus Valencia besäten Strande, der sich bis zum Hafen von Grao hinzog mit seinem Gewirr von Masten und Rahen, wehenden Flaggen, roten oder schwarzen Schornsteinen und Kränen, die wie Galgen in die Luft ragten. Weit in das Meer hinaus schob sich der Wellenbrecher der Levante, eine scheinbar vom Zufall aufeinandergetürmte Zyklopenmauer aus roten Felsblöcken, an deren anderem Ende sich riesige Lagerschuppen, stattliche Gebäude mit den Büros der Reeder, Schiffsagenturen oder Banken drängten. Und wie ein langer Schweif, der immer dünner wurde, je weiter er sich vom Hafen entfernte, schlossen sich hintereinander die bunten Flecken von Cabañal, Cañamelar und Cap de Fransa an, zuerst nur anmutige Landhäuser mit schlanken Türmchen, die allmählich weissgestrichenen Hütten mit windzerzausten Strohdächern Platz machten.

Beruhigt kehrte der Rektor zurück.

»Meine Frau,« begann er, sich wieder an der Seite seines Bruders niederlassend, »meine Frau hat mir einen Plan in den Kopf gesetzt, der mir nach reiflicher Überlegung ausführbar erscheint. Es handelt sich um eine Reise nach Algier … Tabak! … Ich will dort einen Kutter bis an die Toppen mit dem besten ›Flor de Mayo‹ laden. Cuerpo de Dios, es ist das einzig wahre Geschäft! Und wie oft ist es unserm armen Vater nicht geglückt! … Was sagst du dazu, Tonet?«

Und der grundehrliche Rektor, unfähig, eine Anordnung des Dorfpolizisten oder Hafenmeisters nicht zu befolgen, lachte glücklich beim Gedanken an diesen Tabak, der ihm schon seit einiger Zeit im Kopf spukte.

»Die Idee ist gut,« erwiderte Tonet. »Du weisst, ich habe früher zwei solche Fahrten mitgemacht und bin gern bereit, dich zu begleiten.«

»Das passt ausgezeichnet,« sagte der Rektor erfreut. »Übrigens, das Wichtigste, eine eigene Bark habe ich schon: La Garbosa La Garbosa = die Anmutige

Und als Tonet bei diesen Worten überrascht auffuhr, ging er näher auf Einzelheiten ein:

»Ich weiss, dass der alte Kutter ziemlich aus den Fugen gegangen ist. Die Rippen halten nicht mehr zusammen, auch das Deck hat sich gesenkt, und wenn diese Ruine auf den Wellen schaukelt, quiekt sie wie eine kaputte Guitarre. Dreissig Duros habe ich für sie gezahlt – den Wert als Brennholz! Aber ein paar tüchtige Kerle können immer noch die Überfahrt auf dem morschen Kahn wagen. Ausserdem« – hier zwinkerte er listig mit einem Auge – »bietet die Garbosa den Vorteil, dass man wenig verliert, wenn die Zollkutter uns in ihre Klauen bekommen sollten.«

Dieses mehr als naive Argument war für den Rektor ausschlaggebend gewesen. Auch nicht eine Sekunde kam es ihm in den Sinn, dass er bei diesem verwegenen Unternehmen sein Leben aufs Spiel setzte.

»Zwei zuverlässige Männer ausser dir sind genug als Mannschaft,« fuhr er fort. »Doch jetzt muss ich vor allem mit Onkel Mariano Rücksprache nehmen. Der Alte hat noch von der Zeit her, als er selbst das Geschäft machte, die besten Beziehungen drüben.«

Und als ein Mann, der es nicht liebt, irgend etwas auf die lange Bank zu schieben, brach er sofort auf, um diese gewichtige Persönlichkeit aufzusuchen, deren Neffen zu sein sich beide als grosse Ehre anrechneten.

Von Tonet begleitet, schlug er den Weg zum Café Carabina ein, wo der Onkel Mariano um diese Zeit seine Pfeife zu rauchen pflegte.

Nahe beim Dorf rupften einige magere Schafe an dem nur spärlich auf dem Sandboden wachsenden Grün; Frösche mischten ihr monotones Quak-Quak in das leiser werdende Rauschen des Meeres, und zwischen den aufgespannten, korkbesetzten Netzen stolzierten Hähne, deren Federn in der Sonne grünlich schillerten.

Am Gaskanal spülten Frauen Wäsche oder Geschirr in dem übelriechenden Wasser, von dessen schwarzem, morastigen Grund dicke Blasen aufstiegen. Seiler gingen, die Hanfstränge um ihren Oberkörper gewickelt, rückwärts am Ufer entlang und drehten zwischen ihren geschickten Fingern einen endlosen Faden.

In Cabañal mussten die Brüder zuerst das eigentliche Dorf durchqueren. So schnurgerade die Strassen liefen, so unregelmässig war das Trottoir aus roten Ziegelsteinen, das sich je nach der Höhe der betreffenden Haustürschwelle hob oder senkte. Von dem Fahrdamm, auf dem noch die grossen Regenpfützen der letzten Tage standen, war es durch eine Reihe krüppeliger Olivenbäume getrennt, zwischen denen sich Leinen mit lustig flatternder Wäsche spannten.

Neben weissgetünchten Hütten sah man mehrstöckige Häuser, zweifarbig gestrichen wie die Fischerbarken, als wollten ihre Eigentümer sogar auf dem Lande an die Wasserlinie der Schiffe erinnert sein. Über den meisten Türen befanden sich hölzerne, den Galionfiguren gleichende Schnitzereien. Wohin man schaute, überall verriet sich die enge Verbindung der Bevölkerung mit dem Meer.

Vor einigen Häusern erhoben sich stattliche Maste, – ein Zeichen, dass dort der Besitzer von einem Paar Schleppnetzbooten wohnte – an denen stolz, wie eine Konsulatsflagge, allerhand Schifferzeug wehte, das zum Trocknen hochgezogen war. Neidisch blickte der Rektor nach ihnen hin.

»Santo Cristo del Grao! Wann werde ich wohl mit deiner Hilfe meiner Dolores solchen Mast vor die Tür pflanzen können?«

Hinter dem Gaskanal kamen sie in den vornehmen Teil von Cabañal, der den wohlhabenden Familien Valencias als Sommerresidenz diente.

Das Café Carabina war gefüllt. Sogar unter dem Zeltdach vor der Tür drängten sich die bronzenen Gesichter der Stammgäste in blauen Jacken. Laut klapperten die Dominosteine, und trotzdem die Tische im Freien standen, verbreitete sich ein starker Geruch nach Wacholderschnaps und beissendem Tabak. Wie gut kannte Tonet diesen Ort, an dem er in der ersten Zeit seiner Ehe grosse Triumphe gefeiert hatte …

Der Onkel Mariano sass allein an seinem Stammtisch und wartete auf das Erscheinen des Herrn Alkalden und anderer Honorationen. Während er seine Shagpfeife rauchte, lauschte er mit verächtlicher Herablassung dem alten Tischler Gôri, der seit zwanzig Jahren jeden Nachmittag im Café zubrachte, um den Fischern die Zeitung von der ersten Zeile bis zum letzten Inserat vorzulesen, wobei er besonderen Wert darauf legte, die Parlamentssitzungen zu kritisieren.

»Die Sitzung ist eröffnet. Der Herr Ministerpräsident Sagasta hat das Wort …«

Sofort unterbrach er sich, um seinem Nachbar zu erklären:

»Dieser Sagasta ist ein grosser Schuft!« Und seine Brille zurechtrückend, fuhr er ohne irgendeine Erklärung für dieses harte Urteil fort: »Meine Herren, in Beantwortung der gestrigen Anfrage des …«

Aber bevor er noch dazu kam, vorzulesen, wessen Anfrage beantwortet wurde, liess er die Zeitung sinken, schaute mit Überlegenheit auf seine blöde Zuhörerschaft und äusserte energisch:

»Der von gestern ist ein Schwindler!«

Schon manchmal hatte der Rektor hier gesessen, um die Weisheit des Alten zu bestaunen; doch heute ging er, ohne ihn zu beachten, durch den rauchgefüllten Raum gleich zu seinem Onkel, der sich herabliess, die Pfeife aus dem Munde zu nehmen, sie mit einem »Holla, Jungens!« begrüsste und ihnen erlaubte, sich auf die für seine hohen Freunde reservierten Stühle zu setzen.

Tonet drehte sich sogleich zur Seite, weil der Nachbartisch, an dem man mit Leidenschaft würfelte, sein Interesse erregte. Von da wanderten seine Augen zur Wirtstochter hinter dem Büfett – der Hauptattraktion des Lokals.

Trotz seiner sechzig Jahre hielt sich der Señor Mariano sehr aufrecht. In seinem kupferroten Gesicht mit dem steil aufwärts gedrehten Schnurrbart lag die ganze Überhebung eines Dummkopfes, dem es geglückt ist, ein Vermögen zu machen.

Immerhin war er eine Persönlichkeit, mit der man rechnen musste. In der glücklichen Zeit, als niemand, vom Hafenkommandanten bis zum letzten Zollwächter, sich um den Schmuggel kümmerte, hatte er ihn mit Erfolg betrieben, und auch heute noch nahm er eine günstige Gelegenheit zur Beteiligung wahr. Aber die grössten Einnahmen flossen ihm aus seinen Werken der Nächstenliebe zu, denn er lieh den Fischern Geld zu zwanzig Prozent monatlich, wodurch er diese elende Herde so in seine Gewalt brachte, dass sie bei allen Wahlen nach seinem Willen abstimmen mussten. Ganz Cabañal sah daher voller Ehrfurcht, wie er mit dem Alkalden auf du und du stand, häufig auch in seinem Staatsrock mit anderen Säulen des Dorfes nach Valencia fuhr, um dem Gouverneur Wünsche der Gemeinde vorzutragen.

Sein Geiz hinderte ihn jedoch nicht, zur rechten Zeit eine Peseta auszugeben, und so wurde er ebenso bewundert wie gefürchtet. Seine Neffen, die eine leise Hoffnung hegten, bei seinem Tode etwas zu erben, hielten ihn jedenfalls für den achtbarsten und gutmütigsten Menschen im ganzen Dorf. Nur selten war es ihnen allerdings vergönnt, den Onkel in seinem schönen Hause in der Calle de la Reina zu besuchen, wo er mit einer stattlichen Magd in reiferem Alter lebte, die ihn duzte und sich, nach Meinung der Leute, einer gefährlichen Intimität erfreute. Wusste sie doch sogar, wo der Herr Mariano seine Geldkatze verwahrte!

Mit zusammengekniffenen Augen hörte er Pascualo an.

»Junge, Junge … die Sache ist nicht schlecht, doch die Zeiten sind anders geworden. Früher konnte man ruhig diesen kleinen Geschäften nachgehen, aber heute werden die Küstenwachtschiffe von jungen, ehrgeizigen Offizieren befehligt, die der Anzeige jedes hergelaufenen Spitzels nachgehen. Niemand hält mehr die Hand hin, um für ein Dutzend Goldunzen eine Stunde lang blind zu sein.

Erst im vergangenen Monat wurden bei Cap Oropesa drei mit Leinwand von Marseille kommende Segler aufgebracht. Man muss also mit grosser Vorsicht handeln; die ganze Welt ist verdorben, und es wimmelt von Denunzianten. Wenn du entschlossen bist, bin ich der letzte, der dir abrät. Ausserdem freut es mich, dass die Familie endlich in die Höhe kommen will. Wäre nur dein armer Vater beim Geschäft geblieben! …

Was brauchst du für das Unternehmen? Du kannst offen mit mir reden. Wenn es sich um die Fischerei handeln würde, gäbe ich nicht einen Real! Dieser vermaledeite Beruf, bei dem die Männer sich zu Tode schinden, um schlecht zu essen, ekelt mich an. Aber für das richtige Geschäft – soviel wie du willst! Ich kann mir nicht helfen, diese Vorliebe für verbotene Ballen klebt an mir.«

Und als der Rektor schüchtern und stotternd, immer mit der Angst zuviel zu erbitten, von dem Geld für den Tabak sprach, unterbrach ihn der Onkel:

»Es genügt, dass du ein Fahrzeug hast; alles andere übernehme ich. Ich werde an meine Freunde beim Zoll in Algier schreiben, damit sie dir für meine Rechnung eine gute Ladung geben. Glückt es dir, die Ware hier an Land zu bringen, so will ich dir auch beim Verkauf behülflich sein.«

»Danke, lieber Onkel,« murmelte der Rektor mit bewegter Stimme, »wie gut du zu mir bist!«

»So schlimm ist es nicht,« wehrte Mariano ab, »schliesslich sind wir doch Verwandte … Übrigens, vom Gewinn gebe ich dir dreissig Prozent ab. Geschäft ist Geschäft!«

Auch dieses schlagende Argument leuchtete dem Neffen ein.

Ein Weilchen sassen sie schweigend da, bis der Alte fragte:

»Wann soll die Reise losgehen? Sehr bald? Ich muss nämlich rechtzeitig die Briefe an meine Freunde schreiben!«

»Am Samstag der Karwoche, Onkel. Am Karfreitag muss ich die Juden in der Prozession des ›Encuentro‹ führen. Du weisst, dass die Familie seit vielen Jahren diesen Ehrenposten inne hat.«

Señor Mariano, den man im Dorfe für ungläubig hielt, weil er dem Pfarrer nie etwas zu verdienen gab, nickte.

»Richtig, mein Lieber, alles zu seiner Zeit.«

Da die Freunde des Onkels sich dem Stammtisch näherten, standen der Rektor und sein Bruder auf. Der Alte lud sie noch zu einem Schnaps ein, den sie aber ablehnten, weil sie noch nicht gegessen hatten.

»Dann guten Appetit und auf Wiedersehen, Jungens!«

Langsam kehrten die Brüder durch die einsamen Strassen nach Hause zurück.

»Also alles in Ordnung!« sagte Tonet. »Hoffentlich wirst du durch diese Reise ein reicher Mann.«

Den gutmütigen Rektor rührte die Anteilnahme seines Bruders. Im Grunde hatte der Tonet doch ein gutes Herz, besonders auch für Dolores und den kleinen Pascualet sehr viel übrig! Wenn nur die beiden Frauen sich besser vertragen wollten …

Dieser Skandal in der Fischhalle, über den er nichts Bestimmtes in Erfahrung bringen konnte, machte dem Rektor grossen Kummer.


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