Theodor Birt
Frauen der Antike
Theodor Birt

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Dreizehntes Kapitel

Die Römerin und die Ehe

»Wie selten ist reines Glück zu Haus zu finden«, klagt Seneca.Seneca De remed. fort. (ed. Haase), Schlußsatz. In der Tat, tausend Häuser stehen in den Städten nebeneinander, und jedes hofft, daß das Glück heimisch sei in ihm, und wie häufig ist die Enttäuschung und das Verfehlen, da die Kunst fehlt, eine Ehe recht zu führen! In der römischen Antike ging es nicht besser zu als in unserer problemreichen Gegenwart. Die griechische Hausfrau konnte allerdings mit einigem Neid auf die römische blicken; denn die Matrone in Rom stand freier als sie da und mächtiger. Die Zeit war längst vergessen, als die Frau dort noch wie eine Sache als Eigentum des Mannes galt. Man erzählte davon, daß einst der Mann die Gattin schon verstieß, wenn sie mit unverhülltem Haupt über die Gasse ging,Valerius Maximus II 3, 10. oder von einem andern, der wie rasend seine Frau, weil sie Trinkerin war, mit dem Knüttel erschlug; denn das Weintrinken war den Römerinnen in alter Zeit verboten.Valerius Maximus VI 3, 9; dazu Plinius n. h. 14, 89.

Derartiges war längst unmöglich. Vielmehr stand die Frau schon seit langem wirtschaftlich selbständig und ebenbürtig mit eigenem Vermögen neben dem Gatten, hatte als Vermögensverwalter ihren eigenen Prokurator und war imstande, vor Gericht zu klagen, ja, auch die Scheidung im Ehekonflikt zu bewirken.

244 Trotzdem herrschte dabei nachweislich vielfach Achtung und Liebe und nützliches Gemeingefühl. Der Römer teilte seinen Tag in Pflichtstunden und Ruhestunden (negotium und otium), war mithin häuslicher als der Athener, und es ergab sich daraus ein wirklich familiäres Zusammenleben. Auch der Verkehr von Haus zu Haus war in Rom freier, und zu Gastereien bei Bekannten, aber auch in die Wirtshäuser nahm der Mann seine Frau unbedenklich mit.s. Nepos praef.; dazu carm. epigr. 2054.

Die Mutter hütet und erzieht die Töchter, aber auch die Söhne; bis in ihr 17. Jahr stehen auch die Söhne unter »der Hut der Mutter«.custodia matris; ist die Mutter Witwe, so heißt dies tutela matris; vgl. Livius I 3, 1; dazu Rhein. Museum 70 S. 269; »Aus dem Leben der Antike« S. 235. Und der Ehrgeiz der Mütter, die Söhne hochzubringen, war groß; die Söhne sind ihr Ruhm, und sie kämpfen darum. So ging die Kaiserin Agrippina durch List und Verbrechen, um ihren einzigen Sohn Nero, den 17jährigen, zum Kaiser zu machen. Vespasia war eine schlichte Landfrau aus den sabinischen Bergen; aber sie trieb ihre Knaben, bis der eine, Sabinus genannt, Stadtpräfekt der Hauptstadt, der andere, Vespasianus, Kaiser Roms und des Nero besserer Nachfolger war.

Heiratete in der Familie der Sohn, so blieb er mit seiner jungen Frau im Haus seiner Eltern, und bei wachsender Familie lebten so Eltern, Kinder und Enkel dauernd in häuslicher Vereinigung; die Großmutter gab allmählich die Führung des Hauses an die Schwiegertochter ab, war aber Gegenstand geziemender Ehrfurcht und hatte Zeit, die Enkel mit zu hüten und zu erziehen. So wurde durch sie der stark ausgeprägte 245 Familiensinn gesichert, der stolze Geist des Hauses an den Nachwuchs mit mahnenden Worten weitergegeben.So erzog die Großmutter den Ausonius, die übrigens dunkelrassig wie eine Marokkanerin aussah (Auson. Parentalia 4). Bei Persius II 31 ist sie es, die von den Göttern für die Enkel alles Gute erbittet.

Indessen lag der Frau vornehmlich ob, für das Behagen und Wohlbefinden des Mannes zu sorgen. Ein Beispiel ist uns die Terentia des Cicero. Während Cicero von Rom abwesend, ist in den Bürgerwirren sein schönes Wohnhaus auf dem Palatin schmählich demoliert worden. Terentia ist es, die allein das Schreckliche erlebt und nun für ein neues Hauswesen sorgen muß. Als Cicero alsdann heimkommen will, schreibt er an sie auf einem kurzen Anmeldezettel als Hausherr nur die Anweisung: »sorge, daß im Badezimmer eine Wanne nicht fehlt, aber auch, daß ich etwas zu essen bekomme und was ich sonst zum Wohlbefinden brauche; und bleibe mir gesund«.Cicero ad famil. XIV 20. Der letztere Wunsch fehlt in seinen Briefen an sie nie; das warme Bad aber war das erste, was man nach der Reise brauchte.

So fehlt denn bei den Römern auch gänzlich der giftige Hohn, mit dem die griechische Männerwelt über das weibliche Geschlecht herfiel. Der Unterschied ist groß. Auch daß die beste Frau die sei, über die man schweigt, sprach der Römer dem Perikles nicht nach. So kritisch veranlagt und zu sarkastischem Spott aufgelegt er sonst auch war, so haben doch die Satiren des Lucilius, Horaz und Persius bemerkenswerterweise keine Frau aus der Gesellschaft verhöhnt. Nur freilich den alten Vetteln, die noch verliebt tun, und den bösen Zauberinnen, die im Liebesleben der Jugend eine unheimliche Rolle spielten, ging 246 es übel. Die Hexe sagt zu Horaz: »Da du mein Todfeind, werde ich auf deinem Rücken reiten und die Erde wird unter mir versinken, wenn ich so im Übermut hochgehe.«Horaz Epod. 17, 75. Denn die Zauberinnen der Antike konnten auch fliegen.Vgl. Lucians Hetärengespräche, 1 fin. Ebenso bringt die Dichtkunst von den Altweibern uns Karikaturen, wie Martial sie liebt, wie wenn er schreibt:Martial I 19.

Vier Zähne hattest du, Aelia, wie ich glaube.
Der Husten kam; ihm fielen sie zum Raube.
Zwei warf der erste Anfall heraus; beim zweiten
Sah'n wir die letzten deinem Mund entgleiten.
Jetzt brauchst du dich nicht weiter zu bezähmen.
Ein dritter Husten kann dir nichts mehr nehmen.

Das ist noch zahm, so schnöde es ist, und man kann lachen. Gräßlich dagegen, wenn jemand bei HorazHoraz Epod. 8. Daran, daß diese oder irgendeine Matrone des Hochadels sich mit Horaz in der hier vorausgesetzten Weise einließ, ist schwer zu glauben. Der Dichter läßt hier sich irgendeine unbekannte Stimme genau so erheben, wie dies oft bei Martial der Fall ist (vgl. L. Friedländer's Ausgabe S. 14). auf eine vornehme Matrone losfährt, die schwer reich ist, viele Ahnenbilder und dazu Perlen im Ohr wie keine andere aufzuweisen hat. Aber ihre Zähne sind schwarz, ihr Busen verdorrt, ihre Hüften zu schmal, ihre Waden zu dick, und sie verlangt noch, daß ich sie liebe? Ein abgebrühtes Publikum muß es gewesen sein, das sich an solchen Poesien freute. Aber der Name der Frau fehlt zum Glück. Man vermied die Namen oder setzte nur Pseudonyme.

Jedes Geschlecht hat seine Tugend, der Mann die Mannhaftigkeit, lateinisch virtus; denn vir ist der Mann; das Weib kann also keine virtus haben; ihr gebührt statt dessen die Keuschheit; die pudicitia ist also das Äquivalent, und durch sie ist das Weib dem Manne gleichwertig. Dies sagt uns Livius, ebenso Seneca;Livius X 23; ebenso Seneca De matrimonio 78 (ed. Haase); auch Catull 61, 224 f.; am ausführlichsten Valerius Maximus VI 1 praef. denn auch zu 247 dieser Tugend gehört Tapferkeit, innerer Kampf und Selbstüberwindung, die jedes Ruhmes wert schien. Sind doch die Reize, die Verlockungen groß, wo Schönheit blüht und Jugend.

Der Familienstolz war eben allmächtig; allein schon die Ahnenbilder, die im Vorhaus, im Atrium, standen und bei jedem Familienbegräbnis mit im Zuge zur Schau getragen wurden, redeten prahlend von dem ununterbrochenen Blühen und Gedeihen des Hauses von Geschlecht zu Geschlecht, und das war das Verdienst der Mütter, die in der Ehe von ihren Eltern sich lösten, ihr eigenes Stammhaus, ihre eigene Herkunft preisgaben, um in Treue die Fortpflanzung des Namens ihres Gatten zu sichern.

Der Gott Amor aber, der bei der Eheschließung der Griechen fehlt, zeigt sich doch oft als freundlicher Vermittler im römischen Leben. Denn die Bewegung der Jugend und ihr Verkehr war freier; man fand sich schon im Schulunterricht zusammen; die Koedukation war zugelassen,So geht bei Livius III 44, 6 Virginia zur Schule, die am Forum liegt. Auch Horaz gibt ein Beispiel der Koedukation in seinen Römeroden; s. »Horaz' Lieder«, Heft 1, S. 126. und die Mädchen auch aus besseren Familien gingen in die Knabenschulen.Vgl. auch H. Blümner, »Röm. Privataltertümer« S. 312 f. Da war es wohl für die Eltern und den im Haus angestellten Erzieher, den Pädagogen, oft schwer, Liebeleien zu verhüten.

Nichts liebelustiger als die Jugend Pompejis, der Nachbarstadt Neapels. Da reden in den ausgegrabenen Häusern die Wandanschriften zu uns, und heißeres Blut rinnt da in den Adern. »Heil dem, der liebt,« steht an einer der Wände,Carm. epigr. 945. »doch Unheil dem, der niemals geliebt hat. Doppeltes Unheil dem, der uns zu lieben verwehrt.« Hübscher noch die Verse, die ein junges Mädchen 248 während einer Wagenfahrt selbst gedichtet und danach im Hof ihres Hauses mit dem Griffel eingekritzelt hat.Carm. epigr. c. 44; die lateinischen Verse sind hier und da fehlerhaft; das ließ in der Übersetzung sich nicht verdeutlichen. Sie war auf der Reise, will jetzt nach der Stadt zurück und ermahnt den Kutscher, dem sie gleichwohl auch einen Trunk gönnt, schnell loszufahren:

Du Kutscher kennst nicht Amors Glut; sonst würdest du
Mehr eilen, eilen, daß du deine Venus säh'st.
Ich lieb' den wonnigen Jüngling. – Trink erst. Nun voran!
Den Stachel nimm, die Zügel auch und schüttle sie.
Süß in Pompeji ist die Liebe. Bring' mich hin.

Von Römern, die, wenn die Frau stirbt, sich töten, hören wir freilich nur aus alter Zeit; die Wonne der Honigmonde in der Ehe dagegen blieb denn doch auch in den Zeiten der schlimmsten Sitten nicht unbekannt. Keine Stunde kann er, der beglückte junge Ehemann, ohne sein süßes Frauchen sein. Sie trinken immer nur aus demselben Becher und setzen die Lippe da an, wo der andere getrunken, und er nimmt ihr gar das Busenband, das noch warm ist, weg und schlingt es sich selbst um.Vgl. Seneca De matrimonio 83–85.

Solche Zärtlichkeit währt freilich nicht lange; der Mann springt leicht ab; die Jahre vergehen, und stirbt die Frau, so mischen sich jetzt in seine Trauer oft doch ganz andere Gefühle. Denn er beerbt sie, kann nun ganz anders leben, neue Pläne machen, und so scherzt der Dichter Martial, der in seiner Komik immer alles übertreibt :Martial X 43.

Es ist fast übertrieben:
Der Reichen Frauen sieben
Hat Phileros bis jetzt
Im Erdreich beigesetzt.
Gewiß ein harter Schlag. 249
Allein der Ärmste kann sich sagen:
Das Erdreich bringt Ertrag.
Die Saat wird siebenfältig Früchte tragen.

*

Fragen wir die Grabsteine, die der Römer seiner Hausfrau setzte, so reden sie natürlich immer freundlich. Wir machen es heut nicht anders. Zahlreiche solche Steine konnte man sehen, wenn man die Gräberstraße, die aus der Stadt führte, entlang ging, und als Lob stand da immer zu lesen, wie fleißig zu Haus sitzend (domiseda) und wie treu und keusch die geliebte Frau gewesen. Daß die Treue besonders erwähnt werden mußte, mutet uns freilich bedenklich an. Dafür aber, daß die Witwer, die solche Inschriften setzen ließen, auch ihrerseits die Treue hielten, fehlt leider jede Garantie; denn die Steine schweigen.

Beruhigend wirkt, daß uns von einigen vornehmen Frauen die Vortrefflichkeit des Gatten denn doch ausdrücklich bezeugt wird, und man sammelte sorgsam ihre Äußerungen. Die eine Witwe antwortet auf Befragen: »ich finde keinen Mann wieder, der wie der Verstorbene nur mich und nicht mein Vermögen wünschte.« Die zweite, die sich gegen eine Wiedervermählung sträubt: »fände ich wieder einen zweiten so guten Mann, so würde ich auch noch zittern müssen um sein Leben; fände ich einen schlimmeren, wozu noch solches Übel?« Die dritte aber, Valeria, aus dem Hause der Messalae, sagte kurz, als sie ihren Mann Servius verlor: »Servius lebt mir immer!«Seneca De matrimonio § 72, 75, 77.

Solche »Einmännerfrau«, univira genannt, stand 250 hoch in Ansehen. Die rechte Hausmutter heiratet nicht zum zweiten Male.

Lebendiger wird uns dieses Gefühlsleben vergegenwärtigt, wenn uns der Dichter ProperzProperz IV 3. Ich gebe hier den Inhalt des Gedichtes verkürzt wieder. die Sehnsucht der jungen Ehefrau schildert nach dem Gatten, dem sie noch keine Kinder gegeben, der schon öfter im Krieg war und nun als junger Offizier weit weg ins Feld gegen die Parther gezogen ist. Einen Brief schreibt sie an ihn und netzt das Blatt mit ihren Tränen: »Schon das viertemal mußte ich dir den Kriegsrock weben und weiß, daß du zart bist. Der harte Riemen wird dich drücken; die Lanze zerreibt die Haut deiner zarten Hand. Auch berichtet man, dein Gesicht sei eingefallen: hoffentlich nicht durch Darben, sondern nur aus Sehnsucht nach mir! Einsam lieg' ich, und du vergißt mich vielleicht. Die Waffenstücke, die du bei mir zurückgelassen, küsse ich nachts umwandelnd im Haus. Die Landkarte nehme ich, um zu sehen, wo der Parther wohnt und der Araxes fließt. Meine Schwester sitzt bei mir, auch die alte Amme, und doch alles so still im Haus! Auch kein Gottesdienst; nur am Anfang jedes Monats wird das Schränkchen, darin die Hauslaren stehen, geöffnet, und dann schmücke ich draußen den Altar mit Blumen. Deine Hündin jault; denn auch sie denkt an dich. Ich höre es gern, und das Tier schläft auf dem Pfühl an deiner Stelle. Dürften wir römischen Frauen nur mit hinaus ins Feldlager! Ich käme zu dir. Alle Liebe ist groß, größer als alle die Liebe zum Gatten! Venus selbst schwingt unsere Hochzeitsfackel, so daß sie noch heute 251 glüht. So kehre du mir wieder, doch nur, wenn du mir treu geblieben.«

Aber auch die letzten Gedanken einer sterbenden jungen Matrone enthüllt uns eine Elegie desselben Dichters, und sie sind rührsam, vornehm, edel und herzgewinnend. Diese Frau, Cornelia genannt, hat sich darein gefunden, daß Paulus, ihr Gatte, damit den Kindern die Obhut nicht fehle, vielleicht noch einmal heiraten wird, und so sind die Worte, die sie spricht, an ihn und auch an die Kinder gerichtet:

»Du, Paulus, mußt nun, da ich von euch gehe, an Zärtlichkeit mich vertreten und, wenn du die Söhne und Töchter küßt, zu deinen Küssen die meinen hinzufügen. Ihr Kinder aber sollt zur Stiefmutter lieb und freundlich sein und mich nicht offen vor ihr loben; denn es könnte sie kränken. Bleibt aber der Vater unvermählt, so lindert ihm das kommende Alter und laßt ihn keine Sorgfalt vermissen. So viele Lebensjahre mir geraubt sind, um so viel länger möget ihr unter der Sonne wandeln, und wenn er auf euch blickt, soll Paulus Freude daran haben, alt zu werden.Properz IV 11, von mir schon »Aus dem Leben der Antike« S. 19 mitgeteilt.

*

Es ist wertvoll, sich solcher Eindrücke zu vergewissern; denn nur zu laut sind die Stimmen, die uns verraten, wie sich die Eheverhältnisse, und zwar schon seit langem, verschlechtert hatten. »Die alte Tugend findet man kaum noch in Büchern,« klagt Cicero,Cicero pro Caelio 40. und die Klagen enden nicht. Schon das ist verräterisch, daß es seit des Kaisers Augustus ZeitAber noch nicht bei Catull 68, 68. Mode wurde, die 252 Ehefrau domina zu nennen, aber nicht nur sie; auch die Hetären beanspruchten dieselbe Anrede, und sie verrät uns das Dominierende, die freie Herrscherstellung, die die Frau jetzt endgültig neben dem Mann inne hatte oder beanspruchte; und darin steht sie der Hetäre gleich. Es ist die Anrede,So z. B. bei Martial XII 97, 6. von der sich die »donna« der Italiener und unsere »Dame« herleitet. Eine galante Unterwürfigkeit steckt deshalb noch immer in dem Worte.

Wer als Jüngling in die Ehe nur aus sexuellem Triebe geht und auch als Ehemann den Liebhaber seiner Frau spielt, so predigt Seneca,Seneca De matrimonio 84. der hat nur zu oft verspielt; wer heiratet, soll nur »mit Urteil lieben«. Das lehrt die Erfahrung, und so hörten wir denn schon, wie im alten Volksstück, der Togata, die enttäuschte Frau dem Gatten vorwarf, daß er sie nicht mit Verständigkeit geliebt.s. oben S. 225. Die Scheidung ist dann nur zu leicht das Ergebnis. In diese ältere Zeit ist auch die Anekdote, die die Römerinnen arg belastet, verlegt, wo zum Scherz die Frage aufgeworfen wird, ob es besser sei, daß der Mann zwei Frauen habe oder die Frau zwei Männer. Die Frauen nahmen die Frage ernst und wollten den hohen Senat der Stadt einhellig bestürmen, für das letztere, das ihnen so sympathisch, einzutreten.Gellius I 23.

Die Scheidung war nach den Ehekontrakten nur zu leicht durchzusetzen, noch leichter, als dies heute der Fall. Schon das ganze erste Jahrhundert v. Chr. gibt davon eine erstaunliche Fülle von Beispielen aus den Kreisen der Aristokratie: Pompejus heiratete fünfmal, Ciceros Tochter 253 Tullia, obwohl sie so jung starb, dreimal. Man verlange keine weitere Aufzählung. Nicht nur Überdruß war der Anlaß; rein geschäftliche, auch parteipolitische Gründe waren, so oft es opportun schien, in eine andere Familie hineinzuheiraten, entscheidend.

Sogar Cicero selbst mußte, anscheinend wegen geldgeschäftlicher Differenzen, seine alte Terentia, die mit ihm brav alle Schicksale geteilt, preisgeben. In den Briefen redete er sie »du mein Leben« an oder: »ich möchte ersterben in deiner Umarmung.« Jetzt war die klägliche Abkühlung da und dazu seine Geldnot groß. Während die Frau ihm nur alle Schlüssel des Hauses herauszugeben brauchte,Übrigens war die Scheidungsformel tuas res habeto oder tuas res agito gebräuchlich; daher das res suas procuret bei Titinius v. 53. Nach Martial XI 104 hieß es auch wohl vade joras. mußte er ihr dagegen die ganze Mitgift wieder auszahlen. Da heiratete er als Dreiundsechzigjähriger noch die etwa siebzehnjährige Publilia, deren Vormund er war. Sie war vermögend, und nun konnte er zahlen. Als man ihn tadelte, daß er in so hohem Alter keine Witwe, sondern eine unerfahrene Jungfrau heimführe, sagte er seelenruhig: »keine Sorge! Morgen schon ist sie ja Frau.«Quintilian VI 3, 75. Auch Terentia aber wußte sich zu trösten; sie war immer noch flott und rüstig genug, um zweimal wieder zu heiraten.Erst den Sallust, dann den Messalla Corvinus; s. Seneca De matrimonio 61.

Nicht nur die Männer trugen an alledem die Schuld, sondern auch das Herz der Frauen ist leider wandelbar; es ist mobile, wie es nicht nur in Verdis Oper »Rigoletto« heißt; just dasselbe mobile galt von den Frauenherzen auch schon im Mund der Römer.Seneca De remed. fort. 16, 4 (ed. Haase): nihil enim tam mobile quam feminarum voluntas. Sprichwörtlich sagte man übrigens auch hübsch anschaulich: »Den Weibern 254 entfällt ein Versprechen so leicht, wie der Apfel ihnen aus dem Schoß fällt, wenn sie vom Stuhl aufstehen.«s. A. Otto, »Die Sprichwörter der Römer«, S. 231.

Je häufiger nun also die Ehescheidungen wurden und je unsicherer sich die Frau darum in dem Hause, in das sie geheiratet hatte, fühlen mußte, je freier und unternehmungslustiger wurde sie in ihrem eigenen Verhalten, indem sie nicht nur selbst die Scheidung veranlaßte.Vgl. »Aus dem Leben der Antike« S. 5 nach Caelius bei Cicero ad famil. 8, 7, 2. Es gab noch die andere, interessantere Möglichkeit: der Freund kam zu ihr ins Haus, und der Ehebruch war da; der Freund oder die Freunde; denn auch Abwechslung war erwünscht, und man konnte mehr als einen brauchen. Die Damen verstanden zu werben. Kein Zufall ist es wohl, daß sich in des Cicero Zeit in Rom eine Malerin etablierte, die Frauenporträts auf Elfenbein lieferte und sich auf diese Aufgabe beschränkte. Sie machte Fortune; ihr Erfolg war erstaunlich; so viele Damen ließen sich malen;s. Plinius n. h. 35, 148. offenbar verschönte ihre Kunst noch die Schönen, und die Auftraggeberinnen werden gewußt haben, wozu diese handlichen Porträts dienen sollten. Das Bild als werbender Liebesbote hat oft seinen Zweck erfüllt.

Berechtigt muß nun doch wohl die furchtbare Anklage gewesen sein, die Horaz erhobHoraz carm. III 6; vgl. auch Horaz Sat. II 3, 238 u. 5, 75.: »Nicht nur unsere Weiber sind käuflich; der Gatte selbst verhandelt sie heut sogar an den ersten besten, der zahlen kann, sei es auch nur ein Kapitän, der eben aus Spanien kommt und Gold zeigt. Welche Schande! Absturz von Generation zu Generation! Unsere Nachkommen werden noch tiefer stehen.«

255 In der männlichen Jugend aber nahm gleichzeitig rapide das Junggesellentum zu. Wozu noch heiraten? Die Eheflucht, die längst bei den Griechen Mode geworden, drang jetzt auch in Roms Aristokratie durch, und es gab auch für sie zwei Wege: man ging im Hetärendienst unter, oder man schlich sich in den Häusern als der begehrte Hausfreund ein. Das letztere aber wurde mehr und mehr Sache des Ehrgeizes. Es gehörte zum großen Leben.

Und der Eheherr? Es kam wohl kaum noch vor, daß er dem ehebrecherischen Eindringling eigenhändig zu Leibe ging, ihn totschlug oder kastrierte.Beispiele hierfür stellte Valerius Maximus VI 1, 13 zusammen. Diese gewaltsamen Racheakte waren vor der Ehegesetzgebung des Augustus zulässig; daher sind sie zwar noch bei Horaz Sat. I 2, 40 u. II 7, 67 als möglich vorausgesetzt, späterhin ausgeschlossen. Man lernte vielmehr Nachsicht und hielt es für praktisch, beide Augen zuzudrücken.

Die Vorsicht aber ist besser als die Nachsicht; so dachten andere. Es galt das Anknüpfen von verbotenen Beziehungen zu erschweren, und es ist hübsch zu sehen, daß dies sogar in den Verkehrslokalen geschah, wohin die Ehepaare zum Speisen gingen. Der Gastwirt wollte jedem Skandal vorbeugen. In einer Kneipenwirtschaft Pompejiscella vinaria. hat sich an der Wand die warnende Anschrift gefunden: »Fixiere die Frau nicht eines anderen.«carm. epigr. 2054. Man suche heut nach etwas Ähnlichem.

Umsonst erließ Kaiser Augustus, um der Eheflucht zu steuern – denn es galt die Fortpflanzung der alten Familien zu retten – seine rigorosen Ehegesetze. Man wußte die Vorschriften hundertfach zu umgehen, und der Bruch der ehelichen Treue wurde vielmehr im ganzen ersten Jahrhundert der Kaiserzeit Sache des Ehrgeizes und geradezu Ehrenpflicht für jede Dame, die 256 für etwas gelten wollte, und so auch ein Lieblingsthema der Literatur, in der sich das Leben spiegelt. Armselig die Frau, die nicht mitmachte.

Der Vermögensverwalter, den sie sich wählt, ist gemeinhin ihr Cicisbeo, oft auch der Arzt,Martial VI 31. der sich, wenn sie krank oder scheinkrank, teilnahmsvoll an ihr Bett setzt, um den Puls zu fühlen. Aber auch ein Tänzer von der Bühne, ein Gladiator konnte es sein. Schon die Tochter des großen Sulla dachte so; sie trieb Liebschaft mit einem Kleiderreiniger und zugleich mit einem jungen Mann, der »Fleck« hieß (lateinisch Macula), was natürlich Anlaß zu Witzen gab; ihr Bruder sagte: »Wie kann man zugleich einen Kleiderreiniger und einen Fleck haben?«Macrobius Sat. II 2, 9. Schließlich galt der Liebhaber, der wie eine Klette dauernd sich festsetzt, geradezu als zweiter Ehemann, und es schien dem Hausherrn dann doch lieber, wenn die Frau mit den Freunden wechselte, als wenn es immer derselbe war.s. Friedländer zu Martial III 92; Röm. Charakterköpfe S. 343, Anm. 11. So kam es dahin, daß Martial, der Freund der Scherze, zu einem seiner wohlhabenden Freunde ernstlich und annähernd ohne Übertreibung sagen konnteMartial III 26; ich gebe das Gedicht verkürzt wieder.:

Den Geist und den Verstand
Und sonst noch allerhand,
Dein Geld und deine Weine
Hast du für dich alleine.
Eins will mir nicht gefallen:
Dein Weib teilst du mit allen!

Und der Betrogene selber nährt böse Gedanken. Er hört, daß da eine Dame ist; sie heißt Lykoris; die trauert, weil sie alle ihre Freundinnen durch den Tod verloren hat, und 257 er seufzt: »schlösse sie doch auch Freundschaft mit meiner Frau!«Martial IV 24. Man muß ergänzen: das Trauern um sie würde ich der Lykoris gerne überlassen.

Martial konnte wohl seine Späße machen, die höhnenden Randglossen zum Gesellschaftsleben in Rom; er selbst hatte keine Frau und stand im großen Ehekrieg außer Schußweite. 258

 


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