Otto Julius Bierbaum
Die Schlangendame
Otto Julius Bierbaum

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11. Kapitel

Ich bin doch nicht Dein Alter!

Paul ließ sich gar nichts merken. Sei fragte an jenem Tage der Enthüllung Herrn Ewald Brock, wie er zu Tische kam, harmlos und wie voll Mitgefühl: »Na, wieder was dazugelernt, mein Dickes?«

Und Herr Ewald Brock hatte wirklich die Frechheit, mit der Miene eines auf dem Roste gebratenen Heiligen zu antworten: »Den Kopf wird mir's zersprengen nächstens.«

Und Paul, ganz Mitleid und güteheißes Erbarmen: »Armes, geplagtes Dickes! Zur Belohnung sollst Du auch Stilpen wieder sehn. Ich hab ihn für Sonntag zum Mittag eingeladen. Siehst Du, wenn Du brav bist, giebt's auch immer was Extra's.«

Herr Brock gab ein Gemurmel von sich.

Am nächsten Tage aber, als Paulchen Herrn Ewald vor dem Institut für Geburtshilfe abgeladen hatte, ging sie nicht in die Markthalle, sondern lief, was sie konnte, um den Garten des Institutes herum und stellte sich hinter eine Anschlagsäule, die dem hinteren Ausweg des Gebäudes gegenüber steht. Und es dauerte nicht lange, siehe, da schritt aus dem offenen Portale mit fröhlichen Schritten Herr Ewald Brock. Das Monstrum war so fröhlich, daß es vor sich hin pfiff. Auch schlug er mit seinem Spazierstock eine steile Terz in die Luft. »So ein Aas!« dachte sich Paulchen und trat ihm in den Weg.

Sie sagte weiter nichts als »Na?«, aber es war ein »Na?«, das Herrn Ewald in die Gedärme fuhr.

»Paulchen!« sagte er, »Du hier?«

»Ja, ich hier. Aber Du? Wo bist denn Du?«

»Ich? Ja, weißt Du, hä, ich war bloß mal . . .«

»Was warst Du bloß mal? Schäme Dich, Dickes! Ich bin doch nicht Dein Alter, daß Du denkst, Du kannst mir was vorschwindeln! Nein, Ewald das ist wirklich gewöhnlich von Dir. Wie ein Schuljunge, der hinter die Schule läuft! Weiß Gott, Du, ich gehe zu Deinen Professoren, reihum geh ich, und erkundige mich, ob Du regelmäßig kommst. Ich blamier Dich, wenn nichts anderes hilft. Es ist ja . . . Pfuiteufel nochmal! Das hätt ich nicht von Dir gedacht!«

Herrn Ewald Brock wurde ganz blümerant, wie er sie so reden hörte, so bestimmt und so besorgt, so . . . Es war ja wahrhaftig wie die guten Lehren seiner Mutter. Bloß in den Worten war der Unterschied. Im Tone war es ganz dasselbe. Es packte ihn. Er kam sich ganz miserabel vor.

Und er sprach, indem er sich auf die Unterlippe biß: »Na ja, hä, ja, Du . . . . Du hast recht. Hä, wirklich. Du hast . . . Ja . . . recht hast Du. Es ist nicht, hä, schön von mir. Positiv recht hast Du. Ganz positiv! Ich hab mir's, hä, auch schon selber gesagt, weißt Du. Positiv selber . . . Ja. Es ist wirklich elend von mir, daß ich so . . . Aber laß gut sein! Wirklich! jetzt will ich . . . siehst Du . . . Jetzt geh ich sofort zurück ins Institut!«

»Ja, und vorne wieder raus!«

»Nein, Paul, nein, Du kannst Dich darauf verlassen. Warte! Ich werde Dir mein Wort darauf geben. Mein Wort! Siehst Du, hä, dann kann ich ja nicht anders! Mein Wort also!«

»Gut; das wirst Du ja wohl halten. Ich glaube Dir. Aber das Wort gilt nicht bloß für heute!«

»Nein, nein, natürlich, das gilt, hä, das gilt für immer. Wirklich! Du brauchst auch gar nicht mal mehr mit bis hin zu gehen. Positiv, mein Wort! Für immer!«

»Na, so geh also, infames Dickes, Du! Geh! Mach! Schnell!«

Und sie lachte ihn so glücklich an, daß er selber wieder fidel wurde und sprach: »Hakschebaksche, Paul, ich habe eine rasende Lust auf Gynäkologie!«

Sie sah ihm vergnügt nach und schickte ihm hinter der Anschlagsäule her eine Kußhand.

In ganz Europa gab es keinen fröhlicheren Gynäkologen heute, als Herrn Ewald Brock.


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