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Beilagen

Beilage A.

Taufschein. Ich Endesgefertigter bezeuge hiermit, daß von dem Herrn Caspar Herwig einem Apotheker Subjekt, wohnhaft in Nr. 446 auf der Wieden mit seiner Frau Ehegattin Barbara Widtmann, Zeit ihres Ehestandes eine Tochter erzeugt worden, welche den zweiten Tag des Julimonats im Jahre Eintausendachthundertundfünf (do. 2ten Julius 1805) von dem Pfarr-Vikär Herrn Maximilian Baron v. Sommerau in Gegenwart der woledlen Katharine Moser, bürgl. Apothekers-Frau als Pathin, dem christkatholischen Gebrauche nach die heil. Taufe empfangen hat und welcher der Name Maria beigelegt worden ist.

Wien, am 24. Jänner 1838. Anton Erhart, Consistorialrath und Pfarrer.

Taufschein. Aus dem Taufbuche der hiesigen Pfarre wird hiemit bezeuget, daß Johann Nep. ehelicher Sohn der Anna Mar. geb. Anzengruberin und des Jakob Anzengruber Bauer am Obermayrhofer Gut zu Weng Ortschaft Mayrhof Nr. 2 am 21. März Ein Tausend achthundert und zehn (1810) geboren und an eben diesem Tage von dem hochw. Herrn Johann Bapt. Oelschuster Benef. in Beyseyn des Joseph Mittendorfer, Niedermüller allda, als Pathen nach christkath. Gebrauche getauft worden.

Hofkirchen a. d. Trattnach, 1. November 1832. Philipp Schmid, Coop.

Taufschein. Endesgefertigter bezeuget aus dem hiesigen Taufbuche, daß am 29. November 1839 (neunundzwanzigsten November Ein Tausend achthundert neununddreißig) geboren und am 30. November 1839 nach christkatholischem Gebrauche getauft worden ist

TAufschein

Trauungsschein. Endesgefertigter bezeuget hiemit, daß der Herr Johann Anzengruber, Ingrossist bei der k. k. Gefällen- und Domänen-Hofbuchhaltung, led. Standes, kath. Rel., 28 Jahre alt, wohnhaft auf der Landstraße 270, von Weng, in Ob. Oest. geb., des Jakob Anzengruber, eines Bauers alldort und dessen Gattin Anna M. geb. Anzengruber ehel. Sohn; – mit seiner Braut Maria Herwig led. Standes, kath. Religion, 32 Jahre alt, wohnhaft in der Alservorstadt Nr. 138, von Wien geb., des Hr. Kaspar Herwig, Apotheker-Subjektens und dessen Gattin Barbara geb. Widtmann ehel. Tochter; – in der hiesigen Pfarrkirche nach dreymahligen vorschriftmäßigen Verkündigungen und keinem entdeckten gesetzlichen Ehehindernisse in Beyseyn des Hr. Franz Maar, k. k. Gef. u. Dom. Hofbuchhalt.-Rechnungs-Offizial, in der Leopoldstadt Nr. 599 und des Hrn. Stephan Widtmann, Bürgers und Hausinhabers in der Alservorstadt Nr. 138 als Zeugen und Beistände, den Dreyzehnten Februar im Jahre Eintausend Achthundert Achtunddreißig (13. Februar 1838) von dem Gefertigten dem christkatholischen Gebrauche gemäß ehelich eingesegnet worden sey.

Urkund dessen die pfarrämtliche Fertigung. Wien, Pfarre Alservorstadt den 5. Oktober 1838.

Emanuel Kastlunger, Pfarrer.


Beilage B.

(Gütigst von der Besitzerin des Originals, Frau Hofrätin von Holzinger, mitgeteilt.)

Weng, am 16. August 1843. Meine gute, herzlich geliebte Marie! Du wirst hoffentlich meinen Brief von Krems erhalten haben und mir über mein extravagantes Reiseziel ein wenig böse seyn! Thu' es nicht, süsses Herzensweibchen, zürne mir nicht! Meine Reise ging glücklich von Statten und ich bin heute früh bei meinen Eltern angelangt. Du hättest die Freude, die Überraschung sehen sollen, die ich da angerichtet, gewiß Du könntest mir nimmer böse seyn. Die lieben, alten Eltern freuten sich so innig, so herzlich daß ich und sie nur Eines noch zur vollen Befriedigung heischen konnten, nämlich Dich und den kleinen Ludwig in unserer Mitte zu haben. Die Eltern, der Rudolph und meine Geschwisterte, die Dich und die liebe Schwiegermutter aufs herzlichste grüßen lassen, Alle sind frisch und gesund und sonst auch zufrieden, was meinem und gewiß auch Deinem Herzen, Liebstes Weib, zur Freude gereicht. Ich habe wider mein erstes Vornehmen, zuerst die Eltern statt den Schwager Schrammel besucht, weil ich nach Neufelden am Tag der Ankunft in Linz keine Reisegelegenheit finden konnte; ich werde daher die Schrammel zuletzt besuchen, am Montag oder Dienstag denke ich, so daß ich spätestens künftigen Donnerstag wieder in Wien eintreffe und Dich, Liebstes Frauchen aller Frauchen und das Liebste aller Lieben Buberln, mein Ludwigchen, wieder umarmen und herzen kann! Der Schwager Rudolph ist ganz wolgemut und sieht prächtig aus, wenn's der gute Himmel so mit ihm fortmacht, wird er ein Seitenstück der Sänger werden. Morgen werde ich das neue Ehepaar, Fanny und Gemalin, besuchen und mich an seinem Glücke recht herzlich weiden. Ich bin, Dir zur Befriedigung zu melden, ganz wol und selbst während meiner ganzen Reise von Kopfweh befreit und hoffe es auch bei der Rückreise zu bleiben. Von meinen Reiseabentheuern (: sämtlich ganz gemütlich-unschuldiger Art:) will ich Dir, Liebstes Herz, lieber mündlich berichten.

Somit schliesse ich mein eiliges Schreiben und bitte Dich nur, recht sorgfältig über Dein und meines süssen Knaben Wolsein zu wachen. Daß Ihr mir gesund, liebend und herzlich ergeben bleibt, daß Ihr mir den entfernten Vater, der alle Minute auf Euch denkt, daß Ihr ihn nicht vergeßt; daß ich nicht etwa wie weiland Ulysses, homerischen Angedenkens, das Herzensweib von Freiern (: sage galanthommes:) umlagert und meinen Herzensjungen dem Vater entfremdet sehe, wenn ich wiederkehre! Doch Scherz beiseit: meine Lieben, meiner Augen Sterne, Herzkammern meiner Brust, Athemzüge meiner Seele, Seraphsschwingen meiner Gedanken – bleibt mir wol, bleibt liebend ergeben

Eurem
Vater Joh. Anzengruber.

Grüße an Schwager Karl, Onkel Widtmann, an Sänger, doch versteht sich vor Allem an unsere liebe gute Schwiegermutter.


Beilage C.

Nach einer gütigen Mitteilung von Gustav Freytag.

Herr Peter Wilhelm Müller (gest. 1881 zu Frankfurt a. M.) hat ein Kapital von 1,500,000 M. zu einer Stiftung »für Wohlthätigkeit und Förderung von Kunst, Wissenschaft und Gewerbe« bestimmt, welche durch einen Stiftungsrat verwaltet wird. Zwei Dritteile der Jahreszinsen sollen verschiedenen wissenschaftlichen und Kunstzwecken dienen, und ein abgezweigter Teil dieser Zinsen soll jedes dritte Jahr als Ehrenpreis von 9000 M. und einer großen goldenen Medaille für höchste Leistungen auf einem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, welche innerhalb der letztverflossenen 15 Jahre zur Geltung gekommen sind, erteilt werden. Die Reihenfolge, in welcher die einzelnen Künste und Wissenschaften berücksichtigt werden sollen, ist festgesetzt; jedes 12. oder 15. Jahr fällt der Preis einem Dichterwerke zu. Die Erteilung des Preises wird durch den Stiftungsrat in die Hände von drei Sachverständigen gelegt. Der Auszeichnung können teilhaftig werden: Angehörige des deutschen Reiches, Deutsch-Österreichs und der deutschen Schweiz. Im Jahre 1888 fiel der Preis zum ersten mal der Poesie zu. Die Kommission der Sachverständigen bestand aus Geh. R. Prof. Constantin Rößler in Berlin, Geh. Reg. R. Prof. Anton Springer in Leipzig und Dr. Gustav Freytag. Die Kommission erhielt die Zustimmung des Stiftungsrates dafür, daß von der Preisverteilung an ein einzelnes Dichterwerk abzusehen sei, und daß der Preis an hervorragende Dichter in den drei von dem Stifter genannten deutschen Landgebieten verteilt werden könne. Die Gründe für diese Art der Verteilung wurden nicht aus dem Wunsche hergeholt, möglichst Viele zu beteiligen, aber sie erwiesen sich als unabweisbar. Bei dieser Anordnung des Preises erhielt Paul Heyse die goldene Medaille, den Geldpreis zu gleichen Theilen der Thüringer Rudolph Baumbach, der Oesterreicher Anzengruber, der Schweizer Conrad Ferdinand Meyer.


Beilage D.

( Selbkritik des » Schandfleck«.)

Anzengruber an Julius Duboc (Wien, 4. März 1877). Dieser mir von Duboc gefälligst mitgeteilte Privatbrief des Dichters war die Antwort auf die Kritik des »Schandfleck« (»Reben und Ranken«, Studienblätter von Julius Duboc; S. 141 ff.).

»Ihr Haupteinwand besteht darin, daß solche Naturen wie die Reindorfer Magdalene nicht in solchen Lebenslagen vorzuführen wären, aus denen eigentlich tragische Conflikte hervorgehen müßten, daß ich daher die Heldin nicht in dieser Situation oder die Situation nicht mit dieser Heldin vorführen durfte. Mir lag es nun vom Anbeginne ferne, die Situation für eine solche zu halten, aus welcher tragische Conflikte, beidteilige nämlich, hervorgehen müßten. Wie leicht wäre es mir sonst geworden, einen tragischen Abschluß herbeizuführen und einige Bogen früher, vielleicht um so »effektvoller« zu schließen.

Aber nicht etwa darum, weil es im Plane des Werkes nicht gelegen hat, konnte mir das nicht beifallen, sondern weil mein unmittelbares Gefühl, mein schriftstellerischer Instinkt dagegen war, ich hätte es jeden modernen Liebhabers wegen zulässig gefunden, nur des Bruders wegen nicht.

Ich werde es mir nicht beifallen lassen, in Ihrer »Psychologie der Liebe« etwa nach Belegstellen zu fahnden, dieses Werk ist aus einem Gusse, Satz für Satz logisch aufgebaut, man fürchtet jede Stelle bei dem Herausnehmen in ihrem Satz- und Gedankengefüge zu verrenken und nur zu Mißverständnissen Anlaß zu geben; überdem hat es nicht in dem Plan Ihres Werkes gelegen, sich über solche Beziehungen auszusprechen, wie deren eine im Romane vorlag.

Ich kann hier nur meine diesbezügl. Gedanken niederschreiben, auf die Gefahr hin, daß sie mit den Ihren nicht übereinstimmen; übrigens habe ich ja auch nur die Absicht, über meine Gedanken Rechenschaft zu geben und Ihnen die Abwägung derselben anheimzustellen.

Ich müßte aber Ihr Werk sehr mißverstanden haben, wenn wir nicht in zwei Punkten einig wären, erstens, daß nur einer ethischen Beziehung beider Geschlechter die Bezeichnung Liebe zukommt und zweitens, daß sobald das Ethische eines Geschlechtsverhältnisses derart in Wegfall kommt, daß es von den Beteiligten wahrgenommen wird, auch die Liebe als solche entfällt, aufgehoben wird.

Tragische Konflikte können sich nun nur ereignen, dünkt mich, bei sogen. unglücklicher Liebe, wo dieses Gefühl verhindert werden, unbefriedigt bleiben soll, jedoch fortwirkend bestehen bleibt.

In dem Roman nun (nicht umsonst grübelt das Mädchen, daß man von den Heiden sage, da hätten Bruder und Schwester geheiratet) liegt der Entfall des Ethischen in dem Verhältnis scharf angedeutet, und der Greuel der Blutschande, vor dem beide Teile zurückscheuen, hebt die Liebe auf.

Ich komme nun auf das Verhalten der beiden Hauptpersonen in der Folgezeit zu sprechen. Ich war nicht nur der Denkweise nach, die ich ihnen unterlegen mußte, sondern auch der zeitgenössischen Anschauung nach gebunden, die Blutschande als ein die Liebe aufhebendes Motiv zu Recht bestehen zu lassen. Einigten sich auch zwei Personen gegen diese Beschränkung sich zu empören, vermöchten sie das, wir würden ja doch ihrer Beziehung nicht mehr die Bezeichnung »Liebe« einräumen können, schön fänden weder wir noch sie selbst ihr Verhältnis, wir hätten nur mehr den Ausdruck »wilde Leidenschaft« dafür.

Ich muß mich hier als Autor an den speziellen Fall halten, ob solche wilde Leidenschaft in den gezeichneten Charakteren gelegen und da lautet die Antwort einfach nein. In der Liebe, der Liebe willen, leiden, sterben, das treffen Viele, den Tod der Liebe überleben die Meisten, denn ist dieses Gefühl erloschen, so tritt gewöhnlich ein Umsatz in ein anderes möchte ich es nennen ein, der aktivere Naturen durch irgend eine Bethätigung, passivere durch resignirende Fassung auf die Wunden, welche ihnen das Ereignis schlug, vergessen läßt.

Wie die beiden Hauptpersonen Liebe und z. in bestem Sinne fühlten, das liegt klar (es fehlt die Idealbildung nicht), daß aber diese Liebe aufgehoben wird durch den Eindruck, den die Entdeckung ihrer Herkunft auf sie macht, daß sie stirbt, da ihr in den Schauern vor der Blutschande gleichsam der Athem stockt, das scheint mir ebenfalls wahrhaft zu sein. Dadurch spielt sich die Entdeckung eines tragischen Ausganges auf ein anderes Gebiet hinüber, wenn ich den Vergleich wagen darf, an der Krankheit können sie nicht sterben, die ist vorüber, werden sie es an dem Folgeübel? Es läßt sich eben nicht leicht ein paralleler Fall auffinden, wo das Gefühl der Liebe durch eine so starke Einwirkung aufgehoben würde, könnte man sie durch irgendeine andere Ursache aufgehoben denken, so wäre das so gänzlich, daß von einem Folgeübel gar nicht die Rede sein könnte, das nur hier unter Einwirkung der großen seelischen Erschütterung eintritt, mehr der Art wegen, in welcher die Liebe ertötet worden, als überhaupt um des Todes derselben willen.

Im Roman selbst ist die Folge schärfer gekennzeichnet, als ich es so vermöchte. Der Bursche leidet und geht unter am Mangel jeden ethischen Lebens- und Liebesinhaltes, bei ihm tritt kein Gefühl mehr vermittelnd ein, er stirbt nicht an noch nach der Liebe. Er stirbt an der Leere seines Innern. Er wird wüst. Die Innigkeit und Anhänglichkeit, die er von seiner Mutter ererbte, wird von dem Ereignisse zurückgedrängt, die Sinnlichkeit, die er vom Vater überkommen, bekommt die Oberhand, an dieser geht er zu Grunde. Ganz entgegengesetzt ist es bei Magdalenen durch die Entdeckung, daß sie unerlaubter Liebe (sei hier der euphemistische Ausdruck gestattet) ihr Leben verdanke und, erschüttert durch die Gefahr, in welche sie selber die Liebe versetzt, ist sie mißtrauisch gegen das Gefühl überhaupt geworden, in ihr vollzieht sich, vom Mitgefühl und Mitleid begünstigt, ein Umsatz der Liebe in die schwesterliche, das benimmt dem Stachel seine Schärfe.

Was nun den Abschnitt betrifft, in welchem der geschwätzige Fuhrmann die Magdalen' nach der Kreisstadt bringt, über welchen Sie so ungehalten sind, so ist das nur der vorbereitende Scenenwechsel für den Leser, der bei der Einsilbigkeit des Mädchens ja nach eigener Disposition an deren Erlebnisse zurückdenken mag oder auch von dem Fuhrmann sich bis zur Amtsstadt schwatzen lassen kann. Ich hielt es für angezeigt, ohne Sprung und Riß dem Leser die Entfernung des Mädchens und die Entfremdung aus gewohnten Verhältnissen fühlbar zu machen, gleichsam unter seinen Augen geschehen zu lassen.

Ich komme nun zum Schlusse; daß gleichwohl es ganz ohne Folge für Magdalene nicht abläuft, es ist auch das erzählt, daß es gut abläuft, das ist in den Umständen gelegen. »Wenn sie sich zu trösten weiß«, so muß wohl das Bedürfnis eines Trostes vorher angenommen werden. Und ob sie wohl so lieben kann, wie früher? Vielleicht auch nicht. Diese zweite Liebe ist auch als eine andere geschildert – und dürfte nach Ihrer Anschauung streng genommen keine solche mehr genannt werden, wenigstens ganz sicher nicht von Seite Magdalenens. Ich aber durfte, um dem Leser nicht durchaus unverständlich zu werden, keinen anderen Ausdruck wählen. Der »Zweite« kommt ihr allerdings in ihrem Sinne und Verstande noch immer als der Erste und Einzige – was sich auch auf ihre Jungfräulichkeit bezieht – aber das Bindeglied zwischen den beiden Letzten (er ist ja auch Wittwer) ist das Kind, ist die Familie. Hier ist letztere geradezu das Ideal, das erstrebt wird, des Wünschens Ziel, und eben, weil das dann doch auch eine ethische Beziehung darstellt, so befriedigt sie auch die Beteiligten.

Ich ermüde Sie wohl schon. Ich resumiere also kurz das meinerseits Aufgebrachte: Liebe war es, was die Beiden fühlten, unter gewöhnlichen Umständen hätte diese wohl zu tragischem Abschlusse führen können, unter den gegebenen aber wurde eben das Gefühl der Liebe haltlos zerstört, sohin entfällt der zwingende Grund eines tragischen Abschlusses, bleibt sohin nur die Möglichkeit eines solchen, je nach dem Charakter der Beteiligten. Die Möglichkeit trifft ein bei dem einen Teile, bei dem anderen jedoch nicht, an welchem aber auch die Folgen des Ereignisses aufgewiesen sind.

Sie haben vielleicht darauf auch schon während des Lesens die stichhaltigsten Einwände gefunden, und wenn Sie Ihren Haupteinwand damit aufrecht erhalten, so muß ich ihn als schwerwiegend erkennen. Eines aber hoffe ich Ihnen doch dargelegt zu haben, daß ich in der Composition nicht schleuderhaft gewesen, daß ich gewissenhaft war und sohin auch meinen Fehlschuß nicht gethan habe, ohne dabei rechtschaffen zu zielen.«


Beilage E.

Anzengruber und der Maximiliansorden.

München, 17. 5. 93. Sehr geehrter Herr! In der Kapitelsitzung des Maximiliansordens vom 29. Okt. 1886 stellte ich den Antrag, da Scheffel gestorben war, Anzengruber an seiner Statt in den Orden zu wählen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen, die Bestätigung aber durch den Ordensmeister, Prinz Luitpold, blieb aus. Durch eine Indiscretion war mein Antrag in die Öffentlichkeit gedrungen und die ultramontanen Münchener Blätter hatten Lärm geschlagen, daß der Orden, den der katholische König Max gestiftet, dem übelberufenen Dichter des Pfarrers von Kirchfeld und anderer gottlosen Dramen und Novellen verliehen werden sollte. Minister von Crailsheim fühlte sich dadurch veranlaßt, dem Prinz-Regenten eine Statutenänderung vorzuschlagen. In Zukunft sollte nicht wie bisher das Kapitel allein die Vorschläge machen, die dann zur – nie versagten – Bestätigung dem Ordensmeister vorgelegt werden sollten, sondern dem Ordensmeister sollte die Initiative zustehen und das Kapitel, das sich sonst alljährlich auf die Einladung des Vorsitzenden versammelt hatte, warten, bis ihm die allerhöchsten Vorschläge vorgelegt werden würden.

Es leuchtete allen Mitgliedern ein, daß durch diese Änderung der Satzungen die ganze Institution ihres entscheidenden Charakters entkleidet wurde. Es waren nicht mehr die Meister der einzelnen Künste und Wissenschaften, die einen hervorragenden Genossen durch ihre Wahl in ihren – im Ganzen 70-80 Mann zählenden – Kreis aufnahmen, ähnlich wie die Ritter des preußischen Ordens pour le mérite, sondern der Monarch verlieh diese Auszeichnung nach eigenem Gutdünken, als einen Hoforden unter vielen anderen und dem Kapitel blieb nur die beratende Stimme, die nicht den Ausschlag geben konnte, während die Verantwortung ihm nach wie vor zur Last fiel, da man im Publikum über die veränderte Stellung desselben keine klare Vorstellung haben konnte.

Ich ersuchte den damaligen Vorsitzenden, Döllinger, eine Kapitelsitzung anzuberaumen, in der ich meinen Entschluß erklärte, unter diesen Umständen aus dem Kapitel auszutreten. Sämtliche übrigen Mitglieder schlossen sich mir an und das Gesuch um Auflösung des Kapitels wurde dem Minister überreicht. Zu dieser Zeit nötigte mich ein Geschäft, die Stadt auf 14 Tage zu verlassen. Während meiner Abwesenheit versammelte Se. Excellenz das Kapitel und gab demselben eine »authentische Interpretation« der neuen Satzungen, die darauf hinauslief, daß im wesentlichen alles beim Alten bleiben sollte, zumal die Männer der Wissenschaft sollten auch fernerhin auf Vorschlag des Kapitels gewählt werden. Bei Dichtern und Künstlern behalte Se. Königl. Hoheit sich die Ernennung aus eigener Macht unter dem Beirat des Kapitels vor, »da ja in Sachen der Kunst und Poesie auch der Laie sich ein Urteil zu bilden imstande sei.« Daraufhin hatten die Übrigen ihre Entlassung zurückgenommen. Außer mir beharrte nur Graf Schack auf dem Austritte.

Zur Strafe aber ward in jenem Jahr überhaupt keiner der Vorgeschlagenen bestätigt.

König Ludwig II. hatte gleich nach seinem Regierungsantritt Redtwitz den Orden verliehen, ohne das Kapitel zu befragen. Der damalige Vorsitzende, Justus von Liebig, stellte dem Könige in aller Ehrerbietung vor, daß dadurch die Satzungen verletzt seien und der König erklärte, er bedaure, hiervon keine Ahnung gehabt zu haben, und werde in Zukunft das Kapitel in seinen statutenmäßigen Rechten nicht beeinträchtigen. Trotz des starken Gefühls seiner Macht und Würde hat er auch sein Wort gehalten.

Sie haben vollkommene Freiheit, wertester Herr, von dieser historisch genauen Darstellung jener Vorgänge schon vor dem Jahre 1900 Gebrauch zu machen. Mit freundlichem Gruß Ihr

sehr ergebener
Paul Heyse.


Beilage F.

Anzengrubers letzte Zeilen.

An Heinrich Jacobsen.

(Bleistiftzettel – unsichere Schrift – ohne Datum.)

Hochgeehrter Herr! Ich bitte Sie, sich mit dem Übersatz zu helfen, mir fällt nichts ein, ich bin ein armes Hunderl. Mit bestem Gruß Ihr sehr ergebener

L. Anzengruber.

 

An Ernst Juch.

Verehrter Meister! Mir fallt nix ein, vielleicht zeichnen Sie ein Bildet eigener Fexung für Figaro. Beste Grüße

L. A.
(9. Dezember 1889.)


Beilage G.

Anzengruber-Denkmal

Das Anzengruber-Denkmal auf dem Central-Friedhofe.
[fehlt in unserem Exemplar. Re]
Bildquelle: de.m.wikipedia.org

(Rechenschafts-Bericht, erstattet im Auftrage des Anzengruber-Curatoriums, zuerst 1893 gedruckt von R. von Waldheim, im Verlage des Curatoriums.)

Am Todestage Ludwig Anzengrubers, 10. Dezember 1889, äußerte fein nächster Verwandter, Herr Präsident Dr. Ferdinand Ritter von Holzinger, den Wunsch, vertraute und sachkundige Freunde des Dichters mögen dem Curator bei der Versorgung der Kinder, der Herausgabe der Werke, der Sichtung des Nachlasses, sowie beim Abschlusse von Theater-Verträgen mit Rat und That zur Seite stehen. Die zunächst Geladenen – Heinrich Jacobsen, Ludwig Martinelli, Friedrich Schlögl, Rudolf von Waldheim und der Schreiber dieser Zeilen – willfahrten dieser Anregung sofort mit der größten Bereitwilligkeit unter der Voraussetzung, ihren Kreis durch eine Reihe von anderen, bewährten Freunden und Verehrern Anzengrubers verstärkt zu sehen. Ihr Vorschlag fand die volle Billigung des Herrn Präsidenten von Holzinger und des Vormundes, Herrn Karl Gründorf, so daß wenige Tage nach dem Begräbnis des Dichters die erste Zusammenkunft des Anzengruber-Curatoriums stattfinden konnte, dessen Mitglieder ( Rudolf Alt, Dr. Anton Bettelheim, Emmerich von Bukovics, Vincenz Chiavacci, Karl Gründorf, Dr. Ferdinand Ritter von Holzinger, Heinrich Jacobsen, Ernst Juch, Ludwig Lobmeyr, Ludwig Martinelli, V. K. Schembera, Friedrich Schlögl, Rudolf von Waldheim) die persönlichen und litterarischen Angelegenheiten Anzengrubers dauernd wahrnehmen und betreuen sollten. Zum Obmann des Curatoriums wurde Professor Rudolf Alt, zum Obmann-Stellvertreter der Direktor von Bukovics, zum Säckelwart Ludwig Lobmeyr, zum Schriftführer V. K. Schembera gewählt; die Ordnung des Nachlasses Dr. Bettelheim, Chiavacci und Schembera übertragen. Vor Allem wurde für die Erziehung der drei unmündigen Kinder Vorsorge getroffen, sodann binnen Jahresfrist die erste Gesamtausgabe der Werke Anzengrubers im Verlage der J. G. Cotta'schen Buchhandlung veröffentlicht, endlich das Vorhaben verwirklicht, dem Dichter auf dem von der Stadt Wien gewidmeten Ehrengrabe ein würdiges Grabdenkmal zu errichten.

Die Kosten für das Monument sollten nach dem einmütigen Beschlusse des Curatoriums nicht durch öffentliche Sammlungen, sondern – wie seinerzeit beim Schubert-Denkmale – vornehmlich durch Musterausführungen der eigenen Werke des Meisters aufgebracht werden. Die Wahl des rechten Entwurfes für das Grabmal blieb dem Ergebnis eines Wettbewerbes vorbehalten. An: 20. Juni 1890 erließ der »Club der Plastiker der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens« im Einvernehmen mit dem Anzengruber-Curatorium ein Preisausschreiben, betreffend »eine Konkurrenz unter den Clubmitgliedern«, dessen wesentliche Bedingungen lauteten, wie folgt:

1. Das Denkmal wird auf dem Ehrengrabe des Dichters errichtet und für die vollendete Herstellung desselben in allen seiner: Teilen ein Maximalbetrag von 5000 Gulden bestimmt, welcher nicht überschritten werden kann. 2. In Bezug auf die Gestaltung des Denkmales ist dem Künstler volle Freiheit gelassen, nur soll er in würdiger Weise die Bedeutung des Dichters zum Ausdrucke bringen und sich den Dimensionen des gegebenen Raumes anpassen. Bei der Ausführung darf nur solides, wetterbeständiges Material zur Verwendung gelangen. 3. Das Ehrengrab Anzengrubers ist eine Eckgrabstelle, zwischen den Gräbern von Uchatius und Brestel, 2 Meter breit und 3-3,3 Meter lang. 4. Geldpreise kommen nicht zur Verteilung. 5. Das von der Jury mit der größten Stimmenzahl, zum mindesten mit absoluter Majorität der Abstimmenden aus der Wahl hervorgegangene Projekt gelangt unbedingt zur Ausführung. 6. Für jene 2-3 Entwürfe, auf welche die nächstmeisten Stimmen entfielen, sind künstlerische Anerkennungs-Geschenke in Aussicht genommen, welche von Verehrern des Dichters zu diesem Zweck gespendet werden, u. s. w.

Es zeugt für die außerordentliche, uneigennützige Verehrung, die Anzengruber auch von den Jüngern der bildenden Kunst entgegengebracht wurde, daß in der verhältnißmäßig kurzen Zeit von: 20. Juni bis 22. November nicht weniger als 18 um den Preis werbende Entwürfe vollendet und eingeschickt wurden. Am Geburtstage des Dichters, 29. November, wurde der Spruch der Preisrichter, genau nach den Satzungen des Preisausschreibens, gefällt.

Zur Ausführung angenommen wurde der Entwurf, Motto: » Kreuzelschreiber«, vom Bildhauer Johann Scherpe.

Von den drei nächstbesten Entwürfen erhielt:

den ersten Preis (ein Aquarell von Rudolf Alt, »Brunnen in Bruck an der Mur«), der Entwurf, Motto: » Wahrheit«, von Professor Stephan Schwartz;

den zweiten Preis (Federzeichnung von Ernst Juch, »Apotheose Anzengrubers«) der Entwurf, Motto: »Dem Volksdichter die Muse des Volkes«, von Professor Otto König,

den dritten Preis (Oelbild von Adolf Obermüllner, »Herbstabend am Arlberg«) der Entwurf, Motto: » Volksmuse«, von Johannes Benk.

Auf Grund dieses Preisurteils verpflichtete sich Herr Scherpe, seinen Entwurf mit Einsetzung seines ganzen Könnens unter den‹ in der Preisausschreibung angeführten Bedingungen um den Preis von fünftausend Gulden auszuführen. (Die Überschreitung dieses ursprünglich festgesetzten Höchstbetrages erfolgte auf Grund eines späteren, einstimmigen Beschlusses des Curatoriums, das auf Wunsch des Künstlers ein etwas edleres und kostspieligeres Material für den Bildstock wählen und anschaffen ließ.)

Nicht minder befriedigend, als diese künstlerische Lösung der Denkmalsfrage, gestaltete sich, Dank dem Entgegenkommen der Verehrer, Mitarbeiter und Kunstgenossen Anzengrubers, die Erledigung des Kostenpunktes. Die Durchsicht der Listen in dem Rechnungs-Abschlusse des gegenwärtigen Kassiers unseres Curatoriums, Heinrich Jacobsen, zeigt, mit welcher Freude Dichter und Vorleser um die Wette mit den namhaftesten Bühnen Oesterreichs und Deutschlands, mit den Verlagshandlungen von Cotta und Waldheim, mit Künstler- und Schriftsteller-Vereinen das edle Werk zu fördern bestrebt waren. Den ersten Betrag sandte das »Deutsche Theater« des Herrn L'Arronge in Berlin (Erträgnis einer Anzengruber-Vorstellung); den zweiten der »Wiener Albrecht Dürer-Verein«; den dritten Ludwig Fulda (Autorenhonorar für seinen Prolog zu einer Fest-Aufführung der »Kreuzelschreiber« im Berliner »Lessingtheater«); die Wiener Bürgerschaft stellte sich mit Ehrengaben der Buchhändler-Corporation, des Brauherren-Vereines und mehrerer Patrizierfamilien ein; aus dem Abgeordnetenhause, von der Wiener und Prager »Concordia«, dem Verein und der Direktion des »Deutschen Volkstheaters« in Wien gingen dem Curatorium namhafte Widmungen zu. Treffliche, mundartliche Vorlesungen von Rosegger, Schlögl, Martinelli und Chiavacci förderten unsere Sache ausgiebig. Unübertreffliche Meister-Aufführungen, zumal der »Kreuzelschreiber«, mit Frau Katharina Schratt als Gelbhofbäuerin und Martinelli als Steinklopferhans im »Deutschen Volkstheater« und des »Pfarrers von Kirchfeld« mit den Damen Schratt und Schönchen, den Herren Lewinsky, Reimers und den Münchenern im Carltheater, gestalteten sich zu unvergeßlichen Huldigungen für das Andenken Anzengrubers, dessen Dichtergeist also gleichsam auch nach seinem Heimgang Stein um Stein zu seinem Ehrenmal herbeitrug, wie er im Leben nur durch seine eigene Kraft ein unvergängliches Denkmal in seinen Werken auserbaut hat. Seinem Genius gebührt also das Hauptverdienst an dem Gelingen unseres Grab-Monumentes, mit und neben ihm aber Allen, die hilfreiche Hand geboten haben zu der Vollendung von Scherpes Werk, das am 29. Oktober 1893, am Morgen nach der ersten siegreichen Aufführung des »Meineidbauer« im Burgtheater, von dem Obmanne des Anzengruber-Curatoriums dem Vertreter der Stadt Wien, Stadtrath Dr. Vogler, überantwortet wurde.

Milde Spätherbstsonne leuchtete der Anzengruber-Feier auf dem Centralfriedhofe, zu der die Kinder des Dichters, Karl, Marie und Hans mit dem Vormund, Dr. Vogler und Dr. Glossy in Vertretung des Bürgermeisters, Ferdinand von Saar, Karl Millöcker, Professor Minor, Hermann Hango, C. Karlweis, Adam Müller-Gutenbrunn, Hofschauspieler Reimers und Winds, Direktor von Vukovics mit den meisten Mitgliedern des »Deutschen Volkstheaters«, der Obmann der »Concordia«, Professor Warhanek, der Präsident des »Männergesangvereins« Dr. von Olschbaur, Maler Greil, die Bildhauer Lax, Härtel, von Hosmann, die Jugendfreundin des Dichters, Frau von Krakowski, sein Jugendfreund, nachmals sein Schwager, Herr Franz Lipka, endlich die Mitglieder des Curatoriums (Alt, Jacobsen, Juch, Martinelli, Edmund Mayer, Ludwig von Waldheim und der Schreiber dieser Zeilen) sich eingefunden hatten. Mit Krankheit oder Abhaltung entschuldigten Ada Christen, Marie Geistinger, Professor Wilhelm Bolin (Helsingfors), Direktor Burckhard, Chiavacci, Lewinsky und Lobmeyr ihr Fernbleiben. Meister Rudolf Alt übergab das Denkmal dem Vertreter der Stadt Wien – die nicht nur das Ehrengrab gestiftet, sondern auch die Untermauerung des Monumentes auf sich genommen hatte – mit einer des Anlasses und des Sprechers würdigen Rede. Alt gab in Kürze die Geschichte des Denkmales und sparte die herben Wahrheiten nicht für Alle, die Anzengruber das Dasein schwer gemacht, solang er schaffensfreudig war, und heute an seiner Gruft wehklagen. Der Wiener Künstler – so sagte Alt streng – hat bei Lebzeiten allzuoft eine graue Wand vor sich, an der ein goldenes Herz aus Goldpapier angebracht ist; die graue Mauer ist die Wiener Indolenz, das papierene Herz das sogenannte »goldene Wiener Herz«! Nach dieser harten, doch nicht unverdienten Rüge der falschen Freunde und lauen Gönner fand Alt Worte herzlichster Anerkennung für die reichsdeutschen und heimischen Förderer des Grabmales; er vergaß dabei auch eines der ersten Spender nicht, eines Wirtes aus der Josefstadt, in dessen bescheidenem, altwienerischem Gasthause »zum goldenen Löwen« Anzengruber gelegentlich eingesprochen hatte. Auch diese Anekdote stimmte zu dem nicht ausdrücklich angeführten, doch unverkennbaren Grundtext der Rede Alt's: »Merk's Wien«. Stadtrath Dr. Vogler übernahm sodann das Denkmal in die Obhut der Vaterstadt mit dem Ausdruck dauernder Verehrung für den Dichter; wie sein Denkmal eine Zierde des Friedhofs, werden seine Werke ein Ruhm des Vaterlandes bleiben. Martinelli legte hierauf bei: Kranz des Curatoriums im Namen der Freunde nieder mit schlichten Worten, die in Anzengrubers Verse am Grabe Raimunds ausklangen. Markig feierte noch Professor Warhanek die Kernnatur des Dichters, dessen Mitgliedschaft zu den höchsten Ruhmestiteln der »Concordia« zählte und zahlen werde. Für die deutschen Bühnen und insbesondere für das »Deutsche Volkstheater« sprach schließlich Direktor von Bukovics warme Worte, in denen er mit dankenswertem Takte der Thatsache gedachte, daß am Vorabend der Feier unser Dichter »wie ein Triumphator« im Burgtheater, der ersten deutschen Bühne, eingezogen sei. Wundervoll sang nun der »Männergesangverein« Feuchterslebens-Mendelssohns: »Es ist bestimmt in Gottes Rat«. Dann wurden die Kränze niedergelegt: von der Reichshauptstadt Wien, der Wiener und der Prager »Concordia«, dem »Deutschen Volkstheater«, dem »Raimundtheater«, der Redaktion des »Figaro«, anderen Körperschaften und nahen Freunden.

Allgemeine Bewunderung fand das (in unserem Titelbild wiedergegebene) Denkmal, dessen künstlerisches Verdienst zu würdigen wir zwar nicht berufen sind, dessen reiner, wahrhaft volkstümlicher Wirkung aber kein Unbefangener sich verschließen kann. Ein Bauernmädchen, das man getrost als Doppelgängerin der Anna Birkmeier oder der Magdalew Reindorfer ansehen mag, erfährt unterwegs jählings durch ein »Marterl« den Heimgang des Dichter und klammert sich laut aufschluchzend an den Pfahl des Bildstockes, dessen Votivbild porträttreu die Züge Anzengrubers vergegenwärtigt. Die Gestalt des von tiefstem Schmerz durchdrungenen Dirndls greift ins innerste Gemüt, und das Reliefbild des Dichters überrascht durch überzeugende Ähnlichkeit. Der Bildstock ist aus Karst-Marmor, der Felsblock aus Lindabrunnerstein; die Höhe des Denkmales beträgt 4,5, die Breite 2,14, die Tiefe 1,23 Meter. Um das Gelingen des Gusses haben sich Herr Ciseleur Waschmann und Herr Frömmel verdient gemacht.

Mit einem poetischen Festgruß zur Enthüllung des Grabdenkmals hatte sich P. K. Rosegger in der »Deutschen Zeitung« eingestellt; die Verse des steirischen Volksdichters galten:

Dem Andenken Anzengrubers.

Ein Weihgesang, ein Frohgesang springt heut‹ aus meiner Leier;
Am Grabe des Unsterblichen gibt's keine Todtenfeier.
Ihr seht mit Stolz und Dank des Meisters herrliches Vollbringen,
Ich wüßt' von seinem Menschentum ein rührend Lied zu singen.
Sein Haupt ist schön, auch wenn ich es des Lorbeerzweig's entblöße;
Wohl Dichter können preis‹ ich hoch, noch höher Menschengröße.
Die Freunde denken herzbewegt an dieser Stätt' auf's Neue
An seines Wesens schlichte Art, an seines Herzens Treue.
Die Wahrheit, die im Worte er gefeiert und gespiegelt,
Im Leben durch Wahrhaftigkeit hat er sie traun besiegelt.
Sein Leben war ein Heldenstreit! Sein plötzliches Erliegen
Hat erst uns aufgeweckt zu ihm: Sein Fallen war sein Siegen.
Zu seines Geistes hehrem Bild, das er uns selbst erschlossen,
Sei jetzund auch sein Angesicht in ew'ges Erz gegossen.
Zu diesem Bild des Volkes Seele blickt in Lust und Schauern;
Ein Jauchzen hat sie, daß er kam, und daß er ging, ein Trauern.
O späte Liebe, die wir anders nimmer stillen können,
Als daß wir, sein gedenkend, diese Weihestätte krönen.
Und aus dem Grab ein Blümlein steht, statt Allerseelenkerzen,
Das lacht uns zu: Er ist nicht hier, er lebt in Euren Herzen!

Die ersten und wichtigsten Aufgaben des Anzengruber-Curatoriums sind erfüllt. Ausgezeichnete Mitglieder unseres Freundesrates, Friedrich Schlögl und Rudolf von Waldheim, sind uns durch den Tod entrissen worden; andere, die Herren Karl Gründorf, Dr. von Holzinger, Ludwig Lobmeyr und Schembera (der seither am 4. Dezember 1891 aus dem Leben geschieden) haben im Laufe der Jahre ihren Austritt angemeldet; neu berufen wurden die Herren Josef Lewinsky, Edmund Mayer, Notar Dr. C. Quandt und Ludwig v. Waldheim in den Kreis des Curatoriums, das seine Thätigkeit noch nicht als beendigt betrachtet. Die Herausgabe der » Letzten Dorfgänge und Kalendergeschichten« des Dichters wird sich demnächst der 1892 erfolgten Veröffentlichung des Volksstückes » Brave Leut' vom Grund« anschließen. Seither erfolgt bei Cotta; Stuttgart 1894. Und früher oder später, hoffen wir, daß nach der Vollendung des Raimund-Denkmales nicht nur auf dem Friedhof, sondern auch inmitten unserer Vaterstadt ein zweites, größeres Anzengruber-Monument sich erheben wird, das der größte Dramatiker des neuen Österreich um seine Landsleute und die deutsche Kunst so redlich verdient hat, wie der größte Dramatiker des alten Österreich; ein Denkmal, das schwerlich eine bessere Stätte finden kann, als angesichts des Grillparzer-Denkmales im Volksgarten. 1897 wurde von der Leitung des Deutschen Volkstheaters die Errichtung eines Anzengruber-Denkmales im Umkreis dieses Schauspielhauses in Aussicht genommen.

Zum Grundstock eines solchen Denkmalfonds hat das Anzengruber-Curatorium den Überschuß bestimmt, den sein Rechnungs-Ausweis verzeichnet.

Wien, Mitte November 1893.
Anton Bettelheim.

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