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XII. Capitul. Kommt auf das Schloß seines Vetters und trifft daselbst wider Verhoffen zwei artige Abenteuren an.

Die Esel haben einen Brauch;
Der alte farzt, der junge auch.

»Diese Furcht machte mir mehr Füße, als ich sonsten gehabt, dahero ereilete ich unser Gut gar bald, hatte aber das Herz nicht, mich bei dem Vater anzugeben, sondern lief in den nächst angelegenen Meierhof, in welchem ich auf ein Pferd saß und so geschwind, als es sein konnte, damit fortritt. Ich wußte weder Weg noch Steg, derohalben rannte ich hin, wohin mich das Pferd trug, und reuete mich je länger je mehr, daß ich dem armen Küsterer eine solche Suppe zugerichtet, an der er genug würde zu dauen haben.

Bei untergehender Sonne kam ich vor ein Schloß, darinnen ich einen Vetter hatte. Ich erkannte mich an dem Turm, daß ich einsmals mit meiner Frau Mutter dar gewesen, denn der Besitzer dieses Schlosses war ihr leiblicher Bruder und ein ziemlich verlebter Mann. Dazumal war ich etwan in dem funfzehenten Jahre meines Alters, und als ich in den Hof geritten kam, empfing mich seine Tochter, welche in die Küche gegangen, daselbsten das Essen zuzurichten. Sie verwunderte sich über mich, und als ich nach ihrem Herrn Vater fragte, sagte sie mir, daß er mit ihrer Frau Mutter auf eine Hochzeit verreiset wäre und erst morgen wieder zurückgelangen würde. Indessen hieß sie mich absteigen und das Pferd in den Stall führen und so lange auf dem Schloß bleiben, bis ihr Herr Vater wieder zurückkäme. Ich war noch voll Sorgen und Schrecken, der mich daher in das abgelegene Schloß getrieben, welches sie mir wohl anmerkte. Aber ich wollte mit der Sprache nicht heraus, sondern sagte zu ihr, daß ich eine Post an den Herrn Vater abzulegen hätte, welchen ich auch erwarten wollte.

Mit diesem führte sie mich über eine Treppe hinauf in eine kleine Stube, allwo ich in einem Erker auf die Straße sehen können, wer etwan in das Schloß aus und ein ginge. Sie schickte mir kurz darauf durch eine Magd ein Licht samt einem kurzweiligen Buch, darinnen ich mich bis um Tischzeit umsehen und die Zeit passieren könnte. Aber meine Gedanken hatten nicht viel Zeit, in dem Buche herumzublättern, sondern ich besorgte mich immer, jetzt würde ein Scherg kommen und dann bald wieder darauf würde wieder einer kommen, die mich anfesseln und zurückführen würden. Aber es geschah doch nicht, so sehr ich mich auch darum geforchten habe.

Als es nun fast sieben Uhr war und man das Zeichen zum Essen gab, hörete ich jemand auf der Schloßbrücke reiten. Ich wendete mich behend um und sah über dem Erker, daß es ein Kerl sei, welcher ganz vermummet war. Dieses verursachte, daß ich ihn bald vor einen Henker, bald vor was anders hielt, weil mir die Furcht seine Person wohl hundertfältig vorgemalet, und dannenhero sperrete ich das Zimmer zu, willens, sofern es ein solcher sein sollte, der mich zu fangen hergeschickt wäre, mich über den Erker abzulassen, auf die Brücke zu springen und in das nächstgelegene Holz zu laufen.

In diesem kommt die adelige Jungfer an meine Stube, und weil sie zugeschlossen, sperrete sie mit einem Hauptschlüssel, welchen sie nebst andern an der Seite trug, dieselbe auf. Ich erblaßte gänzlich, und sie fragte mich so lang, bis ich ihr vertrauete, wasgestalten mir das Unglück über den Hals gefallen und ich aus lauter Mutwillen dem Küsterer das Haus angezündet hätte. Nun aber wäre jemand hereingeritten, den hielte ich vor einen Landknecht, der mich fangen sollte, bäte sie deswegen herzinniglich, mich nicht zu verraten, daß ich in dem Schlosse gegenwärtig wäre. Ich wollte morgen noch vor Tages mich auf das Pferd setzen und immer damit zum Lande ausreiten. Die Jungfer entsatzte sich über meine Relation, und sie erschrak nicht wenig, als ich ihr von demjenigen sagte, welchen ich hatte zu dem Tor einreiten gesehen. Weil ich aber in dem Wahn stund, als wäre solcher ein Landknecht gewesen, ließ sie mich hierinnen und in dieser Meinung ganz unberücket und versprach mir, meine Gegenwart keinem Menschen zu vermelden, der mich hier auf dem Schlosse suchen würde. Und damit ging sie fort und sagte, sie wollte mir in diesem Zimmer ganz alleine zu essen geben und hernach in eine Kammer weisen lassen, darinnen ich die Nacht schlafen sollte.

Hiermit ging sie mit einem brennenden Wachsstock ihre Wege, und kurz hernach kam die vorige Magd mit einem Tischkorb und deckte mir auf. Sie brachte eine gesottene Henne mit Petersilchen und Erdäpfeln samt einem Viertel von einer gebratenen Spansau nebenst einem Salat. Das verzehrte ich unter unzähligen Sorgen und Grillen mit Furcht und Zittern, weil ich nicht wußte, ob das Feuer noch mehr Schaden getan hätte oder nicht. Bald sah ich zu diesem, bald zu einem andern Fenster aus, ob ich nicht die Flamme an dem Himmel könnte gewahr werden. Aber weil ich mich dazumal wenig auf die Landkarten verstund, wußte ich nicht, um welche Gegend der Ort lag, da ich ein so saubers Feuerwerk angerichtet hatte. Als ich meine wenige Mahlzeit verrichtet, leuchtete mir diejenige Magd, so mir zu essen gebracht, in eine Kammer, darinnen vier große Betten stunden, und da gab sie mir freien Willen, mich hinzulegen, wo es mich am besten zu sein gedünken würde. Sie brachte mir auch einen kleinen Becher Brandewein mit einem bißchen Semmel. Damit löschte ich das Licht aus und legte mich bald zu Bette.

Die Sorgen sind die besten Instrumenten, einen Menschen wachbar zu machen, dahero konnte ich unmöglich einschlafen, weil ich dazumal von denselben dermaßen eingenommen war wie ein Hund von den Flöhen in Hundestägen. Bald wälzte ich mich auf diese, bald auf eine andere Seite, aber es war alles umsonst und vergebens. Endlich kam etwas an die Kammer, welches ich in der erst vor ein Gespenst gehalten, weil es die Tür ganz leise eröffnet und mit großem Geräusche hereingeschlichen. Ich fing schon an, das Oberbett mit den Zähnen zu fassen und mich unter dasselbe zu verstecken, als ich eine leise Stimme hörete, welche ich kennen sollte. Ich stackte das Ohr etwas weiter hervor und wurde bald gewahr, daß es die Jungfer Muhme war, welche denjenigen mit sich hereinführte, der zuvor ganz vermummet über die Schloßbrücke geritten. Sie hatten ein verdecktes Licht bei sich und konnten mich so wenig als meine Kleider erblicken, weil ich in dem hintersten Bett ganz verborgen lag.

Dazumal wurde ich gewahr, wieviel es geschlagen und warum dieser ehrliche Vogel so ganz vermummet angekommen. Ich hörete und sah mich fast zum Narren, wie sehr ihm meine Muhme zugetan war, denn sie hießen einander nichts als Schatz, Kind, Herz, Engelchen und solche ehrbare Phrasiologien, darob ich mich nicht wenig zu verwundern Ursach hatte.

Sie zogen sich beide aus, und meine Muhme bat ihren Buhler, nicht so laut zu reden, sonst dörften sie von der Amme erhöret werden, welche unter der Kammer ihr Schlafgemach hätte. Auf solches legten sie sich nach ausgelöschtem Licht zu Bette, und ich muß gestehen, daß ich wegen Ehrbarkeit denjenigen Discurs verschweige, welchen sie mit meinem großen Ärgernis eine geraume Zeit miteinander in demselben geführet. Wenn wir alleine wären, so wollte ich es endlich noch sagen, aber es stehen dort hinter dem Ofen und dem Bette etliche junge Gelbschnäbel, denen muß man ebendergleichen Arcana nicht auf die Nase binden noch die Läuse in den Pelz setzen, weil sie wie das dumme Vieh den fleischlichen Lüsten nachstreben und ihnen die Abscheulichkeit eines Lasters nicht zur Besserung, sondern vielmehr zu einem angenehmen Angedenken dienen lassen, dadurch sie sich selbst verderben und oft um den besten Teil ihrer Wohlfahrt bringen. Ich hätte es meiner ehrlichen Muhm' nimmermehr angesehen, daß sie so verschameriert wäre, aber nun wurden mir beide Augen aufgetan, und kann es wohl hoch beteuren, daß mir seitdem wenig dergleichen Handlungen zu Gesichte gekommen, die mich in eine so unerhörte Verwunderung gestürzet haben. Ich wollte mich zwar dazumal melden, aber ich forchte, der Kerl dörfte mich um das Leben bringen, weil ein mit Sünden befleckter Mensch sich von einem Laster in das andere zu stürzen keinen Scheu trägt.

In solchen Gedanken schlief ich ein, und es träumte mir die ganze Nacht von nichts als Henken und Köpfen, also daß ich oftermalen aufwachte und mir selbst nach dem Kopfe fühlete, ob er noch an seiner alten Stelle stünde oder nicht. Endlich wurde es Tag, aber ich konnte von den zwei Personen niemand mehr in der Kammer sehen, ohne daß das Bett ganz zerwühlet war. Ich stund auf und kleidete mich an, als die Muhme zu mir hereinkam und mich fragte, wo ich heute nacht geschlafen hätte. Ich sagte, daß ich hier in dem Bette gelegen und überaus schwere und artige Träume gehabt hätte, darob sie blutrot unter dem Gesicht wurde. Sie fragte mich weiter, ob ich bald eingeschlafen wäre und ob ich niemanden in der Kammer gehöret hätte, aber ich antwortete hinwiederum, daß ich keine Maus, geschweige einen Menschen vernommen und warum sie solches zu wissen verlangte. Hierüber ward sie etwas lustiger, denn sie glaubte, daß ich nichts von ihrer verübten Schelmerei würde gehöret noch vernommen haben, und ging wieder hinweg. Aber darunten in der Stube gab sie der Magd, welche mich in die unrechte Kammer geführet hatte, eine Ohrfeige hin, die andere wieder her und sagte ihr kurz und rund den Dienst auf. Die Magd schrie und sagte, wo sie nicht würde zu schlagen aufhören, so wollte sie alles sagen, was sie von ihr und dem Musicanten wüßte, darüber meine Muhme noch zorniger wurde und noch mehr Stöße austeilete. Endlich kam ich selbst hinunter und brachte sie mit gutem voneinander. Aber die Magd schwätzte in dem Zorn solche Sachen heraus, daß ich mir schier ein Gewissen machte, ob ich meine Muhme noch ferners dörfte eine Jungfer heißen oder nicht.

›Ihr garstiger Lausekittel‹, sagte die Magd zu ihr, ›habt von dem Monsieur Julian um keiner andern Ursach willen auf dem Instrument schlagen lernen, als daß Ihr mit ihm desto ungehinderter charisieren könntet! Oh, ich habe es schon gesehen, wie ers mit Euch gemacht hat, schweigt nur still, ich wills Eurer Frau Mutter alles bei einem Pünktlein schon erzählen, so wahr ich ehrlich bin. Ich will sehen, ob Ihr Ursach habt, ihm in den Schubsack Confect und Reichstaler zu stecken. Der Teufel reute Euch,Ihr Hurenvieh, und kein guter Geist!‹ – ›Was,‹ sagte die Muhme, ›du vermaledeites Donneraas, hast du nicht vor sechs Jahren gar mit einer um einen Kerl gefochten, weißt du nicht, wie du mit deiner Mitbuhlerin mit Degen zusammengegangen und du Erzvettel in ein Bein gestochen worden? Ha, schweige nur still und laß dir die Weil nicht lang werden, ich will mir ein Loch lassen durch die Nase stechen, so ich dir dieses schenken will. Meinest du denn nicht, daß ichs weiß, wie du es mit des Gutschers seinem Stalljungen getrieben? Denkest du noch daran, wie du das Teller gestohlen und dem Juden verkauft hast? Warte, warte, ich will dirs Capitel lesen, daß es gelesen heißen sollte.‹

Ich glaube, sie hätten noch länger fortgefahren, so nicht in dem Schloßhof ein Gerassel erschallet, durch welches sie an gegenwärtigem Zank zurückgehalten worden. Die Muhme sprang geschwind hinaus, und ich stellete mich in Postur, meinen Herrn Vetter zu empfangen, welcher mir noch in dem Wagen mit dem Stocke drohete und sagte, was vor ein ehrlicher Kerl ich wäre und wie köstlich ich mit dem Feuerwerk umspringen könnte. Ich erschrak über seiner Rede und bildete mir gänzlich ein, nun müßte ich ungezweifelt hängen, aber ein Laquay stieß mich in die Seite und sagte mir heimlich, wenn ich ihm etwas schenken wollte, so sollte ich bald wissen, wie es um die Sach beschaffen sei.

Ich versprach, ihm einen silbernen Knopf von meinem Rocke zu spendieren, er solle mir nur sagen, wie sie es erfahren und wie großen Schaden es getan habe. Da sagte er mir, daß weiter nichts als der Giebel von des Küsterers seinem Hause hinweggebrannt, und heute wären sie durchgefahren, weil sie der Weg von der Hochzeit dahin getragen hätte. Und also blieb es vor dieses Mal dabei. Mein Vetter selbst war froh, daß er mich in seinem Schlosse gefunden, weil er unterweges bei meinen Eltern abgestanden und die Mutter wegen meiner weinend gefunden, weil sie geglaubet, ich wäre mit dem Pferd schon in Nova Zembla geritten.

Der Vetter hieß mich mit sich in sein Zimmer kommen, und dort erzählte er mir gar mit wenigen Umständen, daß ich mich wegen des Feuers nicht fürchten dörfte, sondern sollte heute bei ihm verbleiben, und morgen wollte er mich durch einen Diener heim auf unser Gut bringen lassen. Und damit war die ganze Furcht verschwunden, welche mich bis daher so jämmerlich und unsäglich gequälet hatte. Blieb auch durch den ganzen Tag auf dem Schlosse, und in folgender Nacht trug sich noch eine wunderlichere Abenteuer zu als in der vergangenen, werde es derowegen gar mit wenigem erzählen.«

Gleich als Monsieur Ludwig diese Worte vollendet, gab man das Zeichen zum Abendessen. Weil wir aber noch voll Begierde staken, die folgende Nachtsgeschicht anzuhören, schickte man in die Küche und befahl den Köchen, mit dem Anrichten noch eine Viertelstund innenzuhalten, indessen fuhr Ludwig fort und sagte: »Nach der Ankunft meines Vetters ging die Frau Muhme in die Küche und fragte, ob in ihrem Aussein niemand wäre in dem Schlosse gewesen, und weil eben die abgeprügelte Magd zu allem Unglück am nächsten stund, führte sie die Frau ein wenig auf die Seite und sagte ihr heimlich in das Ohr, daß der Musicant Julian dagewesen und bei der Tochter geschlafen hätte. ›Was?‹ sagte die Frau Muhme, ›du ehrvergessenes Rabenaas, solltest du von meiner Tochter solche Sachen ausgeben? Ach, daß dich der Teufel zum Kamin hinaushole, du Donner- und Strahl-Hexe! Geschwinde, packe deine Lumpen zusammen und eile damit zum Schlosse aus, ehe ich dich mit dem Schergen in der Fiedel herumführen und hernachmals in das Wasser werfen lasse.

Gedenke doch ein Mensch, was die Erz-Hure von meiner Tochter ausgibt! Packe dich aus meinem Gesicht, oder ich stoße dir die Ofengabel in den Bauch hinein, du schandloses Blunder-Vieh, du Hagel-Hure, du Bauernknechts-Hure, du Teufels-Hure!‹ Unter und zwischen solchen Tituln lief die Magd immer, was sie konnte, zu dem Schlosse aus, und die erzürnte Frau Muhme ließ ihr das übrige Gewand, was sie nicht in der Eil zusammenraffeln können, durch einen Jungen nachschicken und sagen, wo sie sich mehr würde auf ihrem Schlosse blicken lassen, so wollte sie dem Jäger befehlen, daß er sie totschösse. Ich bekenne die Wahrheit, daß ich mich über dem schnellen Zorn meiner Frau Muhmen sehr verwundert, indem sie doch sonsten ein Weibesbild von absonderlicher Bescheidenheit war. Aber es stunden nicht vierundzwanzig Stunden an, so wußte ich mir ohne große Mühe aus allem Zweifel zu helfen, und ihr werdet bald hören, worinnen der Knack gestecket.

Weil es nunmehro schon Essenszeit ist, so werde ich meiner Erzählung so viel abbrechen, als es die Materia leiden wird. Den Tag brachte ich meistens darinnen zu, indem ich die Mägde in dem Kühestall unversehens und hinterrücks überfallen und sie mit Rock und Hemd über und über gepurzelt habe. Ich schnitt die Kühe von den Stricken los, und was ich sonst nur anfangen konnte, das die Leute verdroß, darzu war ich trefflich beflissen. Ich habe auch sonsten etwas mit einem Kindermägdchen vorgehabt, welches ich wegen der Fräulein Anna nicht gern erzählen mag, ob es schon die hinter dem Ofen und das Fräulein Kunigunda trefflich gern hörten. Darum so eile ich geschwinde zu der Hauptsache, auf daß wir zum Essen kommen.

Nach der Abendmahlzeit führte mich ein Laquay in eine andere Kammer, welche ziemlich altväterisch gebauet war. Es stund in derselben ein ganzer Hausrat von Spinnrädern, Küchengeschirr, Satteln, Gabeln und andrer Lumperei, daß ich die Kammer viel eher vor einen Roßstall als ein Schlafgemach sollte angesehen haben. Es kam mir fast eine Furcht an, daß ich in diesem Lumpennest alleine schlafen sollte, und dahero schwieg ich so lange still, bis der Diener wieder hinweg war. Ich hatte das Schloß und die Gelegenheit desselben ziemlich innen, derohalben war ich willens, mich in einen sicherern und säuberern Ort zu legen, und schlich also heimlich über den Gang hinüber, woselbst ich mich in eine Kammer logieret, nächst welcher ich wußte, daß der Herr Vetter seine Lagerstatt hätte. Es war zwischen solcher und der meinen nur eine hölzerne Wand, mit Kalk angestrichen, darzwischen, und derohalben forchte ich mir da nicht den vierten Teil so viel als in der vorigen und legte mich also zu Bette. Nach einer Viertelstund kamen zwei Weibsbilder in des Herren Vetters seine Kammer, und weil sie ein Licht bei sich hatten, stund ich heimlich auf, zuzusehen, was ihr Tun wäre, weil ich es vor Mägde gehalten. Die ausgehöhlerten Äste gaben mir zu meinem Vorhaben gar gute Gelegenheit, aber ich dachte gleich des ersten Augenblickes, ich müßte mich zu Heber-Tafel sehen, wie sehr sich diese zwei Weibesbilder aneinander zerherzet und zerküsset haben.

Sie wollten immer vor großer Liebe aneinander auffressen, und als sie sich gegen mir gewendet, sah ich, daß es meine Frau Muhme und ihre Köchin waren. Ihr könnt gedenken, was ich mir hierüber einbilden können, und wußte nicht, ob ich glauben sollte, daß solches aus einer Liebe oder Freundschaft entstünde. ›Monsieur Fido,‹ sagte meine Muhme zu der Köchin, ›Er ziehe sich nur kecklich aus. Mein Herr schläft heute in seinem kleinen Stüblein alleine, deswegen sei Er ohne Sorgen und lasse mich vor die Sache stehen, so es anders und wider unsern Willen ausschlagen sollte.‹ – ›Madam,‹ gab die Köchin zur Antwort, ›ich traue Ihrer Person und Worten nicht nur mich allein, sondern auch mein ganzes Vermögen. Auf Ihren Geheiß ziehe ich mich aus, und ich bin wohl so klug, der größten Gefahr zu entrinnen. Kommt Ihr Herr etwan unversehens mit dem Licht, so sehe Sie zu, wie Sie solches am ersten auslöschen – ›Ach nein,‹ sagte meine Frau Bas, ›er glaubet nicht anders, als sei Monsieur meine Köchin, und ich habe ihm auch schon gesagt, daß ich in Ermanglung seiner wolle die Köchin bei mir schlafen lassen, dessen er wohl zufrieden war.‹ In solchem Gespräche zogen sie sich beide aus, und ich sah mit Verwunderung, daß die Köchin unter ihrem Rock mit Mannskleidern, und zwar mit den allerschönsten seidenen Hosen, angetan war. Dazumal merkte ich, wieviel es auf der Uhr war, und nachdem sie sich niedergeleget, erzählte ihr Monsieur Fido ganz weitläuftig, wie ihr heute der Schreiber einen Buhlbrief geschrieben, darüber sich beide dergestalten hinter der Decke zerlachet, daß michs selbst verdrossen hat. Ich lag die ganze Nacht vor Verwunderung ohne Schlaf und gedachte auf tausend Mittel, dieses schändliche Leben offenbar zu machen, weil ich einen solchen verteufelten und giftigen Betrug all mein Lebtag nicht auf diesem Schlosse gesuchet. Derohalben, als es fast begunnte Tag zu werden, stund ich heimlich auf, machte das Bett so viel zurecht, als ich wußte und konnte, damit nahm ich meinen kleinen Puffer aus der Ficke, welchen ich blind geladen. Das Rohr steckte ich in einen ausgehöhlerten Ast und brannte also in die Kammer hinüber los, über welches sie vor Schrecken beide aus dem Bette gesprungen und geglaubet, daß sie verraten wären.

Ich aber hatte mich geschwinde wiederum in die andere Kammer gefunden, daselbst ich die Kleider vom Leibe gerissen und mich eilends ins Bette geworfen, nachdem ich den Puffer zuvor in den Wassergraben des Schlosses geschmissen, weil ich solches zu tun durch ein Fenster dieser Kammer gute Gelegenheit hatte. Dieser Schuß hat gar viel Schlafende und halb Traumende erwecket. Derohalben entstund bald ein Gelaufe in dem Schloß, und etliche meinten gar, es wären Diebe und Mörder vorhanden. Ich Selbsten rufte diejenige, so bei meiner Kammer vorübergeloffen, zu mir hinein und fragte, was der Tumult bedeutete. Aber es wußte keiner gewissen Bericht zu tun, und ich mußte vor Gelächter in den Bettzipfel beißen, sonst dörften sie die Abenteuer ausgekundschaftet haben.

Monsieur Fido konnte das Kleid nicht so geschwinde an den Leib bringen, als schon ein Diener an der Kammer war, und es fehlete nicht viel, so hätte er die vermeinte Köchin in Mannshosen dastehen gesehen, wenn sich nur meine Frau Muhme mit dem Aufschließen nicht so gar lange aufgehalten hätte. Der Herr Vetter selbst wurde von dem Tumult ermuntert, und mich reuete nichts, als daß die Kammer nicht offen gewesen. Denn solchergestalten wäre die Sache wunderlich eröffnet worden, welche aber dermalen verschwiegen geblieben, indem Monsieur Fido von allen vor ein natürlich Weibesbild und die Köchin ist gehalten worden, welcher doch ohne allen Zweifel muß ein junger Lecker gewesen sein, welchen sie in dieser Gestalt zu ihrem Buhlen gebrauchen können, sooft es ihr beliebet und angestanden hat. Hiermit will ich vor dieses Mal schließen, weil sonsten die angesteckte Spanferkel gar zu sehr verbraten dörften, und was noch übrig ist, will ich hernachmals erzählen.« Hiermit leuchtete man uns durch zwei Fackeln in die Tafelstube, und nach genommenem Handwasser satzte man sich zu Tische.


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