Rudolf Baumbach
Zlatorog
Rudolf Baumbach

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            In der Soča-Herberg' summt's wie Bienen,
Klirren Becher, schwirren Mandolinen,
Und im Takt, getragen von den Tönen,
Schweben auf und ab des Thales Schönen,
Schwebt auch Jerica, wie auf der Welle
Leichtbeschwingt die flinke Bachlibelle.
Und die Tänzer sind gar schmucke Knaben,
Haben wirre Locken, schwarz wie Raben,
Bleich die Wangen, doch die Lippen blühend
Und die Augen hell wie Sterne glühend.
Aus Venedig kamen sie gezogen,
Wo Paläste schwimmen auf den Wogen;
Vor der Herberg steh'n mit edlem Gut
Hochbeladen in der Knechte Hut
Ihre Rosse, fünfzig oder mehr,
Und die Gaffer stehen rings umher.

Rastend von dem Tanz ergreift die Hand
Jericas ein schöner schlanker Fant,
Führt sie an den Tisch und schenkt ihr ein
Goldigbraunen, süssen Cyperwein.
Wie des Sprossers Ton, wies Schall der Glocken
Klingt in ihrem Ohr des Wälschen Locken:

»Schönes Mädchen mit den gelben Haaren,
»Muss vor Abend noch von hinnen fahren,
»Aber denken werd' ich oft zurücke
»An das Mädchen von der Soča-Brücke,
»An die Aeuglein, an die saphirblauen,
»An die rothen Lippen, anzuschauen
»Wie Karfunkel, zart und kühn gezogen
»Gleich der Wölbung an Cupidos Bogen.
»Gieb, o Holde, eh' ich weiter fahre,
»»Eine Blume mir aus deinem Haare,
»Dass ich sie wie einen Talisman
»Ewig auf dem Herzen tragen kann.«

So der Fremde, und die hocherglühte
Jungfrau reicht ihm lächelnd eine Blüthe,
Reicht ein Sternlein ihm, ein silberweisses,
Zartes Kind des ewigen Gletschereises.

Hastig jener nach der Blüthe greift,
Von der Rechten dann ein Ringlein streift,
Und das Kleinod mit dem rothen Stein
Steckt er Jerica an's Fingerlein.

»Denken sollst du mein bei diesem Reife,
»Wenn ich fern von dir die Welt durchstreife.«

Eh' sich Jerica noch recht besann,
Zieht ein Kettlein vor der fremde Mann,
Knüpft ihr um den Hals das blanke Ding,
D'ran von feinem Gold ein Pfennig hing;
Stand ein Heiliger darauf geprägt
Und ein Löwe, welcher Flügel trägt.

»Sollst das Kettlein um den Nacken tragen
»Und gedenken mein in fernen Tagen.
»Horch! Die Lauten locken und die Geigen,
»Schönes Mädchen komm' zum frohen Reigen!«

Spricht's und fasst die Jungfrau an der Hand,
Aber plötzlich steht er fest gebannt.
Denn ein Jäger, trotzig und verwegen
Tritt mit festem Schritt dem Paar entgegen,
Spricht zu Jerica mit finstrem Blick:
»Gieb dem Krämer seinen Schmuck zurück!
»Niemand soll von meinem Mädchen sagen,
»Dass es fremder Männer Gold getragen.«

Still im Saale wird's, die hellen Geigen
Und die Mandolinen plötzlich schweigen.
Rings im Kreis die fremden Gäste steh'n,
Höhnisch lächelnd auf die beiden seh'n.

Aber Jerica, vor Scham erglüht,
Tritt zurück, ihr Auge Funken sprüht.
»Trentajäger,« ruft sie spöttisch aus,
»Sprich, seit wann denn bist du Herr im Haus?
»Darfst du's wagen, und du hast's gewagt,
»Auszuschelten mich wie eine Magd?
»Darfst du, Jäger aus dem Trentathal,
»Mich beschimpfen hier in meinem Saal?
»Will doch sehen, ob ein fremder Mann
»Mir befehlen und mich meistern kann!«

Drauf in ernstem Ton der Jäger spricht:
»Was im Zorn du sprachst, ich hört es nicht.
»War wohl selber allzu barsch und hart.
»Als ich fremden Schmuck an dir gewahrt,
»Stieg zu Häupten mir das heisse Blut,
»D'rum vergieb und sei mir wieder gut.
»Jerica, du meines Lebens Glück,
»Gieb dem wälschen Herrn sein Gold zurück!
»Will dafür dir Felsenblumen bieten;
»Sieh, die rothen und die weissen Blüthen
»Pflück' ich droben auf dem Triglav nächten.
»Schmücke dir damit die blonden Flechten,
»Aber, meine süsse Augenweide,
»Gieb zurück dem Fremden das Geschmeide!«

Also spricht der Jäger, und die Stirne
Schweigend senkt die hoch erregte Dirne,
Denn bei ihres Liebsten Schmeichellaut
Wird's ihr warm um's Herz, ihr Auge thaut,
Und schon greift sie nach dem gold'nen Reifen
Um ihn von dem Finger abzustreifen,
Als zu ihrem Ohr ein Kichern dringt,
Das wie Lachen einer Trude klingt.
Špela war es, und die Andre sieht,
Wie sie höhnisch ihren Mund verzieht,
Und mit Hast und ohne Ueberlegen
Ihrem Jäger sprudelt sie entgegen:

»Meinst du, dass ich gegen Blum' und Blättlein
»Meinen Goldreif tausche und mein Kettlein?
»Schwarzer Undank wär' es, wenn ich kränkte
»Also den, der Kett' und Ring mir schenkte,
»Höflich muss der Wirthin Töchterlein
»Gegen jeden Gast des Hauses sein;
»Gegen diese aber doppelt gern
»Bin ich's, denn es sind die wälschen Herrn
»Fein von Sitten und versteh'n die Kunst
»Zu gewinnen schöner Frauen Gunst
»Besser als ein andrer, der mir täglich
»Seufzend schwört: ich liebe dich unsäglich;
»Der die Rojenice Mütter nennt,
»Der den gold'nen Hort im Berge kennt,
»Dem's ein leichtes wär', mit Perlenschnüren
»Statt mit – Edelweiss sein Lieb zu zieren.
»Lass' mich wieder zu den Gästen geh'n.
»Lebewohl, bis wir uns wiederseh'n.«

Spöttisch lachend wendet sich die Dirne,
Und der Jäger greift sich nach der Stirne,
Wankt hinaus, die Hand zur Faust geballt;
Hinter ihm ein lautes Lachen schallt.

Schwindelnd lehnt er draussen an der Wand,
Da berührt ihn eine welke Hand,
Und Frau Barba, die ihm nachgegangen,
Streichelt ihm wie einem Kind die Wangen.

»Nimm dir ihre Worte nicht zu Herzen!
»Mädchenlaune gleicht dem Schnee im Märzen;
»Kältend fällt er heut auf Baum und Kraut,
»Morgen hat die Sonn' ihn weg gethaut,
»Und vom Zweig, der heute starrt von Eis,
»Pflückst du morgen Blüthen silberweiss.«

Grollend spricht der Jäger zu der Alten:
»Gut vergleichst du Märzenschnee, dem kalten,
»Ihre bösen Worte, aber Schnee,
»Schnee im Frühling thut den Blüthen weh!
»Einer jungen Knospe, zart und weich,
»War des Trentajägers Liebe gleich.
»Morgen ist der Sonnenschein verloren
»An der Blüthe, über Nacht erfroren.«

Leise wiegt das graue Haupt die Alte,
Lächeln spielt um ihres Mundes Falte.
»Hör' ich«, spricht sie, »meinen wilden Jungen,
»Der den Bären und den Wolf bezwungen,
»Der den Luchs erlegt mit kaltem Blut
»Und dem Adler raubt die junge Brut,
»Oder hör' ich einen Tauber klagen,
»Dem der Fuchs das Weibchen fortgetragen?
»Wirst am End', du kühner Trentajäger,
»Noch ein bleicher Mandolinenschläger,
»Der sein Liebesleid dem Monde klagt,
»Wenn sein Schatz die Lieb' ihm hat versagt?
»Mond-Ansingen mit verdrehten Augen
»Mag für jene wälschen Krämer taugen,
»Aber schlecht steht einem Jägersmann,
»Den der Wald gebar, das Klagen an.
»Hoch den Kopf und keck und stolz den Blick,
»Geh du zu dem jungen Volk zurück.
»Musst nicht deinen Schmerz und Kummer zeigen,
»Misch' dich lustig in der Gäste Reigen,
»Schau' mit keinem Blick nach Jerica,
»Sind ja andre schmucke Dirnen da.
»Führ zum Tanz die Špela, thu' ihr schön,
»Wird das Lachen deinem Schatz vergeh'n;
»Thränen kommen dann – ich kenn' die Dirnen –
»Und in Klagen wendet sich ihr Zürnen.
»Anfangs grollst du noch zum Schein, am Schluss
»Folgt – ich weiss es – der Versöhnungskuss.«

D'rauf der Jäger finster blickend spricht:
»Lachen soll ich, wenn das Herz mir bricht?
»War in Gift getaucht der spitze Pfeil,
»Wird die Wunde niemals wieder heil.
»Was geschehen ist, das ist geschehen.
»Lass' mich, Mutter Barba, lass' mich gehen.
»Eilig scheiden will ich von dem Dach,
»Wo in Scherben all' mein Hoffen brach,
»Wo begraben liegt mein junges Glück,
»Aber, Jerica, ich kehr' zurück!
»Gelbes Gold, nicht Blumen soll ich bringen,
»Gut, ich will den Schatz im Berg erringen.
»Staunen sollst du, wenn auf weissem Pferde
»Ich vor deiner Thüre halten werde,
»Wenn ich dir für einen Becher Wein
»Hände gelben Goldes werde streu'n.
»Wenn du dann dein Aug' an Glanz und Glast,
»Schöne Jerica, gesättigt hast,
»Will ich stolz mein Ross von hinnen treiben,
»Und du magst der Wälschen Liebchen bleiben!«

Also ruft der Jäger aus, und schnelle
Ueberschreitet er des Hauses Schwelle,
Eilt den Bergen zu mit Ungestüm,
Lust'ge Saitenklänge folgen ihm.


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