Rudolf Baumbach
Zlatorog
Rudolf Baumbach

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              Es hat des Triglavs dreifache Kron'
Die Nacht mit Nebel umwoben;
Jetzt steigt sie grollend von ihrem Thron,
Die Sterne erzittern droben,
Denn leuchtend über den Felsengrat
Erhebt sich das brennende Sonnenrad;
Da muss die Nacht entweichen.

In flücht'ge Flocken sich zertheilt
Der wallende Nebelschleier,
Und wie ein Taubenschwarm enteilt,
Gescheucht von einem Geier,
So fliehen sie vor dem Taggestirn,
Und goldigroth erglänzt der Firn
Auf König Triglavs Scheitel.

Da schüttelt den Thau der Tannenbaum
Vom grauen Flechtenbarte,
Da hebt das Köpfchen aus duft'gem Traum
Aurikula die zarte.
Der kecke Enzian küsst geschwind
Das holde, braune Bauernkind,
Kohlröschen heisst's mit Namen.

Es koset mit dem Edelweiss
Im weichen Sammetkleide
Der Junker Rhododendron leis,
Er prangt in rother Seide.
Der steife Germer sieht's von fern,
Er möchte thun wie jener gern,
Doch wehrt's ihm seine Würde.

Und was da Flügel und Füsse hat,
Beginnt sich zu rühren und regen.
Es schwingt sich der Falter vom thauigen Blatt
Und flattert dem Lichte entgegen;
Behaglich wärmt sich auf dem Stein
Die schillernde Natter im Sonnenschein;
Es summen die bunten Käfer.

Sein Morgenlied der Finke singt
Aus dunkelgrünen Arven;
Dazwischen des Waldbachs Rauschen klingt
Wie ferne Aeolsharfen.
Mit hartem Schnabel klopft und hackt
Der grüne Weidmann Specht den Takt
Am harzigen Tannenstamme.

Das Eichhorn fährt in grosser Hast
Am Stamm hinauf, herunter;
Es springt der Bilch von Ast zu Ast
Gar flink, gelenk und munter;
Die Bergmaus pfeift nach ihrer Art,
Macht Männchen, putzt sich ihren Bart
Und gräbt und wühlt nach Wurzeln.

Und hoch an schwindelnder Felsenwand
An unersteiglicher Stelle,
Da äst auf smaragdenem Rasenband
Die flüchtige Berggazelle. –
So athmet Freud' und Frieden nur
Die schlafgestärkte Kreatur
Am Morgen auf der Höhe.

*           *
*
Was schwebt dort droben im Aetherfrei
In Kreisen enger und enger?
Das ist der wilde Gesell, der Weih.
Nun hütet euch wohl, ihr Sänger!
Durchs Dickicht schleicht der Wolf, der Fuchs
Es kauert im Gabelast der Luchs
Die Beute zu erhaschen.

Es klimmt ein Mann an der Wand empor,
Er springt von Zinken zu Zinken,
Er trägt auf dem Rücken ein Feuerrohr,
Ein Messer an seiner Linken.
Nun berge sich, wer sich bergen kann!
Der Fried' ist aus, jetzt hebet an
Das Würgen und das Morden.


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