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Viertes Kapitel.
Auf dem See

Bild: Hans Baluschek

Tiefblau lag der große See unter dem klaren Himmel im grünen Kranz seiner Wälder. Ein zarter Windhauch flüsterte im Schilf an den Ufern, und kleine Wellen wiegten leise die Blätter und Blüten der großen Seerosen.

Ein Fest wurde im Reich der Libellenprinzessin Zimbla gefeiert.

Großer Hofstaat von Libellen und bunten Schmetterlingen war auf den Seerosenblättern und Blüten versammelt um seine kleine Herrscherin, die im Kelche der größten, voll erblühten, weißen Wasserrose ihren Blumenthron gefunden hatte.

Der Fuchsfalter und der Trauermantel, Adjutant und Hofgelehrter der Prinzessin, hatten links, das Pfauenauge und der Zitronenfalter, ihre Zeremonien- und Schatzmeister, hatten rechts hinter ihr auf den höchsten Blätterspitzen der Seerosenblüte Platz genommen. Der Kohlweißling stand als Speisemeister mit seinem silbernen Kännchen voll Blütensaft in würdigster Amtshaltung neben ihr, und ein Chor von bunten Libellenmädchen tanzte zur Musik eines Grillenorchesters auf dem größten Seerosenblatt seinen reizenden Reigen vor dem Blumenthron der kleinen Insektenfürstin.

Alle Flügelchen schwangen, alle Schwänzchen wippten, und alle kleinen Köpfchen nickten fröhlich im Tanz zu der niedlichen Melodie des Rillipilliwalzers, der von dem Grillenkapellmeister Zirp eifrig von einem Schilfrohrblatt aus dirigiert wurde.

Drei häßliche Regentage waren gewesen, und heute, nach Wiederkehr des schönen Sonnenscheins, feierten die kleinen Licht- und Blumenfreunde das Freudenfest.

* * *

Als der Tanz beendet war, neigte sich Zimbla mit freundlichem Lächeln zu den zierlichen Tänzerinnen und sagte mit einem silberfeinen Stimmchen:

»Sehr schön, meine lieben Libellenkinder,
Sehr reizvoll habt Ihr den Reigen geführt;
Und ich bestimme, daß einer jeden
Besonders süße Belohnung wird.«

Dabei gab sie dem Speisemeister Kohlweißling einen feinen Wink, von dem dieser mit tiefer Verneigung Kenntnis nahm, dann zu den kleinen Tänzerinnen flog und jeder von ihnen in das weit aufgesperrte Libellenmäulchen einige Tropfen süßen Blumensaftes aus seinem Silberkännchen goß.

Darauf wandte sich Zimbla zum Grillenchor und sagte, indem sie dem Zeremonienmeister Pfauenauge einen Wink gab:

»Und auch die Musik meines Grillenchores
War überaus lieblich zu diesem Tanz;
Kapellmeister Zirp erhält für die Leistung
Den Orden zum silbernen Seerosenkranz.«

Mit großer Würdewichtigkeit verließ der Zeremonienmeister seinen Blumenblattsitz, flog zu dem, sich tief verneigenden Kapellmeister Zirp und hängte ihm den Orden um den Hals.

Während das geschah, verneigten sich auch die übrigen Grillen tief, und Zimbla sagte zum Schatzmeister:

»Den Musikern aber, als Lohn für ihr Spiel,
Einen Extra-Dukaten ich schenken will.«

Der Zitronenfalter flog nun, so würdig wie seine Amtsgenossen Kohlweißling und Pfauenauge, zum Grillenchor und schob jedem der kleinen Musiker aus seinem mächtigen Geldbeutel einen goldgelben Honigdukaten in den Mund.

Darauf nahmen alle ihre Plätze wieder ein, und Zimbla selbst erhob sich von ihrem Thrönchen, breitete die kleinen Silberflügel aus und sagte:

»Nun möchte ich selber – es ist ja so schön –
Mich, tanzend, im Lichte der Sonne dreh'n!
Laßt singen die lieben, grünsilbernen Geigen
Den süßen Sang vom Prinzessinnenreigen!«

Dann flog sie aus dem Kelch ihrer Thronrose auf das große Seerosenblatt, und mit ihr flogen ihr Adjutant und ihr Zeremonienmeister; die Grillen begannen wieder zu spielen, und sie tanzte zwischen den beiden Schmetterlingen und mit ihnen einen leichten und sehr lieblichen Tanz.

* * *

Plumps! … fiel plötzlich Pips, wie eine kleine Kugel, hoch aus der Luft mitten auf das große Seerosenblatt, auf dem die kleine Libellenprinzessin tanzte.

Alle Festteilnehmer stoben höchst erschreckt auseinander; denn auf so plötzlichen und ganz unbekannten Besuch aus heiterem Himmel hatte niemand gerechnet. Auf den umliegenden Schilf- und Blumenblättern ließen sie sich aber nach kurzem Schwirrflug übers Wasser alle wieder nieder und guckten ein wenig ängstlich, aber mehr noch neugierig, zu dem kleinen, sonderbaren Eindringling herüber.

Pips selbst saß inmitten dieser verwunderten Gesellschaft ebenso verwundert, mit ausgebreiteten Beinen, auf dem Blatt und guckte sich mit aufgerissenen Äugelchen um.

Eine Zeitlang war großes Schweigen, und nur die kleinen Wellen plätscherten zwischen den Blumen.

Dann quietschte Pips, da ihm ja hier niemand etwas tat, plötzlich ganz vergnügt auf, strich sich mit den Händchen über den Kopf, guckte noch einmal ringsum und meinte: »Ach ja, hier ist es schön; schöner als in der Luft oben, wo der böse Falke das liebe Täubchen tot gemacht hat!« – – –

Und wieder war es still ringsum; denn unter den anwesenden Festteilnehmern wagte noch niemand, den so seltsamen Besuch anzureden oder gar, sich ihm zu nähern. Alle wippten nur mit Schwänzchen und Flügeln und guckten ihn an. Eben hatte er etwas von einem Täubchen gesagt, das er lieb hatte; wenn er aber Tauben lieb hatte, dann war er gefährlich; denn Tauben waren doch große Feinde der Insekten.

Von einem bösen Falken hatte er auch gesprochen. Falken waren aber gar nicht böse; wenigstens nicht zu den Libellen, den Schmetterlingen und Grillen.

Nein, diesem seltsamen Fliegewesen gegenüber mußte man sehr vorsichtig sein!

Und so sagte noch niemand etwas, sondern alle guckten nur mit ihren großen Augen neugierig wie vorher und wippten mit Flügeln und Schwänzchen.

Bild: Hans Baluschek

Die Ankunft auf dem See

Pips aber, dem die große Schar von bunten Tierchen gar keine Furcht einflößte nach seinen bisherigen Erlebnissen, schon, weil sie alle doch viel kleiner waren als er, stand nach kurzer Zeit auf, guckte sich ganz vergnügt im Kreise um und sagte noch einmal: »Ja, hier ist es wirklich sehr schön! Fräulein Gurr hat gesagt, daß dies ein See ist, und dann hat der böse Falke sie gebissen. – Ein See gefällt mir! Ein See ist wirklich sehr schön!«

Darauf verbeugte er sich nach allen Seiten, besonders zu der Prinzessin hinüber, um die sich der engere Hofstaat gruppiert hatte, und die ihm darum schon besonders auffiel, und fragte die Anwesenden, wer sie denn seien, die hier auf dem See wohnten und so bunt aussähen.

* * *

Als sich der unbekannte Fremde so höflich verbeugte, gab nun die kleine Zimbla, schon etwas von ihrer vorherigen Sorge befreit, dem Pfauenaugeschmetterling, ihrem Zeremonienmeister einen Wink mit einem ihrer zierlichen Beinchen. Dieser faßte sich ein Herz, klappte seine schönen, großen Flügel auseinander, flog zum Fuchsfalteradjutanten und flüsterte ihm etwas zu.

Der Adjutant klappte auch seine Flügel auseinander, und beide flogen gemeinsam auf das große Blatt zu Pips hinüber.

Dort angekommen, näherten sie sich ihm sehr vorsichtig; der Zeremonienmeister setzte seine würdigste Amtsmiene auf und fragte feierlich:

»Mein Herr, wer sind Sie und was hat dies zu bedeuten?« –

»Ich bin Pips und bin hierher geflogen, weil ich sehr klug werden will!« antwortete er ihnen fröhlich unbefangen.

Alle sahen einander sehr erstaunt an, und der Zeremonienmeister gab dem Adjutanten einen leisen Wink mit den Fühlhörnern. Darauf zog dieser seinen kleinen Säbel, beide flogen noch etwas näher an den vergnügten Pips, und der Zeremonienmeister sagte streng:

»Mein Herr, mir scheint, daß dies eine außerordentlich dunkle und sehr gefährliche Antwort ist. – Sie sind hierher geflogen, weil Sie sehr klug werden wollen? – Mein Herr, in wessen Auftrag und Amt haben Sie es gewagt, hier zu erscheinen? Ich werde Sie verhaften lassen, wenn Sie sich nicht augenblicklich ausweisen können über den Grund Ihres äußerst gefährlich erscheinenden, plötzlichen Eindringens in den Hofkreis unserer allerlieblichsten und geliebtesten Herrin, der strahlenden Prinzessin Zimbla dieses glücklichen Rosenreiches.«

Pips ließ sich aber durch diese Strenge der klemm Schmetterlinge gar nicht einschüchtern und meinte vergnügt, daß er sich sehr freue, nun in einem Rosenreich zu sein und auch eine Prinzessin zu sehen. Eine Prinzessin sei wirklich etwas sehr Schönes.

Adjutant und Zeremonienmeister wechselten noch einen kurzen Blick; darauf wandte sich der Fuchsfalter mit militärischem Salut an die Prinzessin und sagte: »Ich bitte die allerlieblichste Prinzessin, mir im Sinne der Sicherheit ihres strahlenden Thrones und des blühenden Rosenreiches umher, die Verhaftung dieses unheimlichen Wesens zu genehmigen, auf daß ich es von klauenfesten Wasserkäfern in den Sumpfkerker werfen lassen kann.«

* * *

Der kleinen Zimbla gefiel der Eindringling schon ein wenig. Er hatte doch eben gesagt, daß sie sehr schön sei und so sagte sie, daß man doch eigentlich erst, ehe man ihn verhafte, zu erfahren suchen müsse, woher er eigentlich sei. Vielleicht sei er gar nicht gefährlich für das Insektenreich.

Damit wandte sie sich an ihren Hofgelehrten, den Trauermantel und bat ihn, dies doch einmal aus seiner wissenschaftlichen Erfahrung festzustellen.

Der Trauermantel bewegte seine Fühlhörner höchst amtswürdig und meinte, daß man zunächst wohl erforschen müsse, welcher Klasse von lebenden Wesen er überhaupt der Art nach anzugliedern wäre.

Auf diesen Vorschlag erfolgte allgemeine Zustimmung durch Schwänzchenwippen.

Darauf flog der Trauermantel auch zu Pips auf das große Blatt hinüber und besah ihn fachwürdig von allen Seiten. Dann meinte er: »Vielleicht ist er ein Reptil?« – –

Alle erschraken. Pips aber, der natürlich nicht wußte, was ein Reptil ist, grinste vergnügt.

»Vielleicht ist er ein ausländisches Insekt?« fragte der Zeremonienmeister; aber alle verneinten diese Frage sofort sehr bestimmt, und der Hofgelehrte erwiderte, daß er dies in keinem Falle annehmen möchte. Dazu habe der Fremde in seinem Wesen viel zu wenig Grazie; auch seien seine Augen zu winzig und seine Beine zu dick.

Alle lächelten und nickten.

»Vielleicht ist er ein Vogel, ein unbekannter?« warf der Adjutant plötzlich ein, trat einen Schritt zurück und richtete seine Säbelspitze auf Pips.

Alle erschraken und guckten ängstlich.

Der Hofgelehrte ging darauf in vorsichtiger Entfernung wieder um den kleinen Fremden herum, schüttelte dann den Kopf und erwiderte, daß er weder Schnabel noch Federn bei ihm entdecken könne; auch hätten die kleinen Vögel unbedingt zierlichere Haltung und Körperbau.

Pips betrachtete seine dicken Beine, die er doch so sehr liebte und lächelte noch immer freundlich, obgleich er im Innern eigentlich ein wenig gekränkt war durch diese Bemerkung.

Da äußerte sich der Schatzmeister zu der wissenschaftlichen Erörterung, daß es auch wohl möglich sein könne, der sonderbare Gast im Rosenreich sei ein Blümchen; freilich ein sehr sonderbares, wohl ausländisches. –

Vorsichtig flog darauf der Kohlweißling als Speisemeister hinzu, beroch Pips, fuhr aber sofort entsetzt zurück und rief mit zusammengerolltem Rüsselchen: »Oh nein, er ist kein Blümchen! Er stinkt sehr!« –

* * *

Nun war Pips beleidigt. Immer wurde ihm gesagt, daß er stinke und zornig quietschte er auf: »Ich stinke?! – Sie scheinen keine Ahnung zu haben, was gut riecht! Außerdem brauchen Sie gar nicht so hin und her zu raten. Ich habe schon gesagt, daß ich »Pips« bin! Ich bin Pips, der »Pilz!« – Und in sehr stolzer Haltung verschränkte er die Ärmchen.

Nach einer kleinen Zeit verwunderten Schweigens aller äußerte der Hofgelehrte bedächtig, daß das wohl eine Lüge sei; denn laufende und fliegende Pilze gäbe es nicht. Pilze säßen auf ihren Stühlchen und warteten, bis sie von den Maden gefressen würden. Allerdings seien Pilze häßlich, und das träfe für diesen Fall zu.

Pips stampfte mit den Füßchen auf. Er war entrüstet, wie man wohl verstehen kann. Er sollte lügen? Er sollte häßlich sein? Er sollte stinken und von Maden gefressen werden? – – Das war zu viel! – Entrüstet schrie er: »Ich lüge nicht! Ich bin doch ein Pilz! Aber ich bin kein häßlicher Pilz und stinke nicht und werde auch nicht von den Maden gefressen, weil ich so dumm bin, daß ich immer nur auf meinem Stühlchen sitze! Ich bin ein schöner Pilz! Darum hat mich der Mooskönig und das Taumariechen so lieb, daß sie mir ein Wunschkleeblättchen geschenkt haben, damit ich mir alles wünschen kann, damit ich laufen und fliegen kann, um durch die ganze Welt zu reisen und, um alles zu sehen, was es gibt; denn ich will schrecklich klug werden, viel klüger als alle anderen Pilze!«

So, nun hatte er ihnen gründlich Bescheid gesagt und sah sich stolz in dem mit Recht verblüfften Kreise um.

* * *

Nachdem die Insekten auch diesen Energieausbruch des Kleinen als ungefährlich erkannt hatten, äußerte der Zeremonienmeister lächelnd, daß es ihm scheine, als ob der Fremdling wirklich noch recht wenig welterfahren sei und viel lernen könne; denn sein Benehmen in Gegenwart eines Hofes sei wenig weltgewandt.

Alle wippten zustimmend mit den Schwänzchen; nur der Hofgelehrte warnte zur Vorsicht, da man doch nicht wisse, ob es nicht höchst verderbliche Verstellung sei, was den Fremdling veranlasse, den Anwesenden in dieser Weise zu erscheinen.

»Du sollst still sein, du alter Schwarzer!« schrie ihn Pips an; »dich kann ich gar nicht leiden! Du sagst immer nur Häßliches!« Und dann winkte er der Prinzessin mit beiden Händchen zu und versicherte ihr, daß er sie sehr gut leiden könne. Sie habe noch gar nichts Häßliches zu ihm gesagt und sei beinahe so schön wie das Taumariechen. Das Taumariechen aber wäre so schön, daß man es gar nicht beschreiben könne.

Natürlich war Zimbla wieder sehr geschmeichelt, obwohl der Fuchsfalteradjutant einwarf, daß man die allergnädigste Prinzessin des Insektenreiches mit niemand an Schönheit vergleichen dürfe.

»Ja, ja,« meinte Pips versunken; »sie sei noch schöner als Piperchen, seine Braut, mit der er schon fast verheiratet gewesen wäre.

»Ist Piperchen ein schöner Schmetterling?« fragte Zimbla neugierig.

Auf seine Antwort, daß Piperchen kein Schmetterling, sondern eine Spitzmaus sei, erfolgte natürlich wieder allgemeines Entsetzen.

»Pfui!« rief Zimbla; »eine Spitzmaus ist doch nicht schön?!«

Pips verteidigte aber seine Ansicht sehr energisch damit, daß auch Doktor Schwarz, der Rabe, gesagt habe, daß Piperchen sehr schön sei; und Doktor Schwarz habe die ganze Welt gesehen und wäre schrecklich klug.

»Oh, der Rabe hat es gesagt? Der Rabe ist ja ein fürchterliches Tier!« rief Zimbla.

Pips meinte darauf, daß er das nicht finden könne. Zu ihm sei der Rabe sehr nett gewesen. Er habe ihn mit Piperchen verheiraten wollen und wäre nur beleidigt fortgeflogen, als Swinhans, der Igel kam. Swinhans sei aber ein sehr greuliches Tier; denn er habe Piperchen fressen wollen, gerade, als sie sich mit ihm verheiraten wollte. Darauf habe er, Pips, es Doktor Schwarz nachgemacht und wäre auch durch die Luft fortgeflogen. Nein, Doktor Schwarz sei ein sehr guter Vogel! Den müsse man lieb haben!

Damit verschränkte er die Ärmchen energisch und sah sehr kühn aus.

* * *

Natürlich rief dies Benehmen des kleinen Lauffliegepilzes bei allen wieder eine große Besorgnis hervor. Die Hofbeamten flüsterten miteinander, und auch Zimbla war jetzt wieder recht ängstlich.

Als sich daher plötzlich der Adjutant mit militärischem Gruß und der Bitte an sie wendete, die Verhaftung dieses seltsamen, häßlichen und plumpen Wesens, aus Gründen der Sicherheit des Reiches doch zu genehmigen, nickte sie eifrig ihre Zustimmung.

Nun näherte sich der Fuchsfalter wieder mit gezogenem Säbelchen dem kühnen Kleinen und rief ihm zu, daß er ihn auf Befehl Ihrer allerlieblichsten Majestät, der Herrin des Libellen- und Schmetterlingsreiches auf dem Rosensee, hiermit verhafte.

Harmlos fröhlich fragte Pips, was »verhaften« sei und, ob er dann dort oben sitzen könne bei der schönen Prinzessin? –

Allgemeine Empörung war natürlich die Folge einer solchen Frage, und sehr hochmütig äußerte sich der Zeremonienmeister dahin, daß diese Frage der Beweis von einer fast unbegreiflichen, unanständigen und daher gemeingefährlichen Dummheit des Eindringlings sei; oder, daß ihm eine Frechheit innewohne, wie sie unter den Insekten nicht einmal von den Mistkäfern auch nur annähernd erreicht werde, die wegen ihrer schlechten Manieren und ihres üblen Geruches schon dauernd vom Verkehr bei Hofe ausgeschlossen wären. Es sei hiermit klar, daß solche Wesen wie er ohne jede Daseinsberechtigung im Seerosenreich wären und entfernt werden müßten durch Verhaftung und Abführen in den Sumpfkerker.

»Folgen Sie mir gutwillig, damit ich nicht gezwungen werde, Sie fesseln zu lassen!« rief der Adjutant und flog um ihn herum, immer den Säbel auf ihn gerichtet.

»Wie? – was? – fesseln? – fortführen?« – rief Pips; »ich will aber hierbleiben und, wenn Sie noch einmal sagen, daß ich dumm bin, dann werde ich ganz grimmig! Ich bin nämlich schon sehr klug!« –

»Man muß ihn fesseln lassen, denn er beginnt sich jetzt in seiner wahren Natur zu entpuppen;« meinte der Zeremonienmeister, und der Hofgelehrte bemerkte mit weisem Fühlhörnerneigen, daß er zu der Ansicht komme, daß ein fliegender Pilz ganz gewiß unter die ungebildeten und gefährlichen Raubtiere zu rechnen sei.

Alle nickten; der Adjutant aber winkte nach dem Schilfwald herüber und rief, daß einige klauenfeste Wasserkäfer mit Spinnwebseilen kommen sollten, um den gefährlichen Banditen zu fesseln und sofort abzuführen.

Fünf dicke, platzbeinige Wasserkäfer brummten gleich darauf heran.

Sie hatten sich aber noch nicht auf der Blattkante bei Pips niedergelassen, als plötzlich ein lautes »Uaaaaaar!« ertönte. – –

Schwirrrr! … waren im Augenblick alle Anwesenden, wie von einem Windstoß, fortgeblasen, und Pips stand allein auf seinem großen Blatt.

* * *

Uaaaaaaar!« … schrie es noch einmal und, als der erstaunte Kleine sich umdrehte, sah er »Pamps«, den Frosch, aus dem See heraus plump und mühsam auf die Blattkante kriechen.

»Weg sind sie wieder alle, die verdammten Libellen! Sie schmecken doch so gut; aber sie fliegen mir zu schnell! Ich kann lauern, wie ich will; es wird nichts daraus!« – So blubberte er enttäuscht und dann sah er Pips.

»Nanu!? – Wer ist denn das? Sind Sie auch ein edles Wassertier? Ist vielleicht hier Ihr Jagdrevier? – Dann entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie gestört habe! – Mein Name ist Pamps; Pamps, der Frosch!« quakte er, kroch ganz auf das Blatt und verbeugte sich höflich.

»Mein Name ist Pips!« erwiderte der kleine Reisende mit gleich höflicher Verbeugung und fügte hinzu, daß hier nicht sein Jagdrevier sei, sondern, daß er hierher geflogen sei, um die Welt kennen zu lernen und sehr klug zu werden.

»Ach!« meinte Pamps und sperrte erstaunt sein großes Maul auf; »ich dachte, Sie wollten Libellen fressen!«

Pips schüttelte entsetzt das dicke Köpfchen.

* * *

Nun bemühte sich der fette Pamps, dem Pips auseinanderzusetzen, daß Libellen sehr schön schmecken. Ihm flögen sie nur zu schnell. Eben habe er gedacht, eine erwischen zu können; aber sie merkten immer, wenn er auftauche. Er müsse nämlich erst Luft holen, ehe er springen und schnappen könne und, dann wären sie immer schon fort. Sehr schade wäre das, weil er sich immer mit den kleinen Fliegen begnügen müsse, die er, ohne zu springen gleich aus dem Wasser schnappen könne. Sie wären zwar auch recht gut für den Magen; aber so eine feiste Libelle sei doch noch viel besser.

Pips lauschte seiner Auseinandersetzung sehr aufmerksam und fragte dann neugierig, was denn das sei, ein »Magen.«

Natürlich war diese Frage für den dicken Pamps, der ja fast nur aus Maul und Bauch bestand, ganz unbegreiflich, und er lachte so unbändig, daß das ganze Blatt schwankte.

Bild: Hans Baluschek

»Warum lachen Sie denn eigentlich so sehr?« fragte Pips erstaunt und schon ein wenig beleidigt.

Mühsam faßte sich Pamps, stellte sich dann breitbeinig vor den kleinen Unwissenden, klatschte sich mit seinen breiten Klauen auf den dicken Froschbauch und quakte: »Das ist der Magen! Oh, oh, oh, uaaaaaar … ein schönes Ding, wenn er voll ist, natürlich! Wenn er nämlich leer ist, macht er Beschwerde; aber er ist selten leer bei mir, sehr selten, sehr selten, dank meiner Geschicklichkeit im Fliegenschnappen, – uaaaaar!« … Und wieder lachte er unbändig.

Pips tippte und drückte nun mit seinen Händen vorsichtig an seinem Leib herum und äußerte sich schließlich mit einem Seufzer dahin, daß er glaube, gar keinen Magen zu haben. Er habe noch nie etwas davon gemerkt, daß er einen habe.

»Was?« fuhr Pamps auf; »was? – Das ist unmöglich! Ohne Magen kann man nicht leben!« Damit watschelte er dicht an den kleinen Pilz, tätschelte ihm mitleidig auf dem Kopf herum und unkte dazu: »Ich glaube, daß Sie wirklich sehr dumm sind; das dümmste Tier, das mir begegnet ist. Ein Tier ohne Bauch? – Uaaaaar … ha, ha, ha, ha! – So was gibt es gar nicht!« – Und wieder lachte er unbändig.

»Ich bin aber kein Tier!« rief Pips entrüstet; »ich bin Pips der Pilz!« –

* * *

Nun war der dicke Frosch fassungslos über das eben Gehörte.

»Was? Ein Tier sind Sie nicht? Ein Pilz sind Sie? Ein Pilz, der herumläuft und herumfliegt und vielleicht auch noch schwimmt? – Das wäre ja – uaaaaar! … etwas sehr Wunderbares! – Das muß ich mal Ulu, dem Karpfenururgroßpapa erzählen. Der ist nämlich schon hundert Jahre alt und – uaaaaar! … gewaltig klug. Ich muß ihn mal fragen, ob er so etwas kennt!«

Patsch! patsch! hopste er nach der Blattkante, um unterzutauchen, besann sich aber plötzlich und fragte Pips, ob er nicht mitkommen wolle, er fliegender Laufpilz; Ulu verlöre gewiß Luftblasen vor Freude, wenn er ihn sähe.

Pips fragte ihn neugierig, aber etwas unsicher, wo denn das wäre.

»Na, da unten, auf dem Waldseegrunde, im dicken Schlamm!« unkte Pamps. »Kommen Sie nur mit; denn da ist es sehr schön.«

Für Pips war es ja überall bis jetzt nicht besonders schön gewesen, und so meinte er, daß er schon gar gern mitkommen würde, wenn es dort sehr schön sei, und, vor allen Dingen, wenn Herr Ulu so sehr klug sei. Die Klugen müsse er alle kennen lernen, weil er nämlich selbst schon sehr klug wäre.

Pamps tätschelte ihm auf den Kopf, versicherte noch einmal, daß Ulu schrecklich klug sei und gab sein Paddenehrenwort darauf, daß es unten im Grundschlamm so mollig wäre, wie nirgends sonst auf der Welt.

Pips wußte nun natürlich nicht, was »mollig« ist.

»Kommen Sie mit, junger Mann, dann wissen Sie es!« unkte der Frosch und saß schon halb im Wasser.

* * *

Der Forschertrieb regte sich wieder gewaltig in der Pipsseele. Kurz entschlossen schwang er sein Kleeblättchen und wünschte sich, mit Herrn Pamps auf den Seegrund zu kommen, damit er wisse, was »mollig« ist.

Als Pamps ihn groß anglotzte und fragte, was denn das nun zu bedeuten habe, erklärte er ihm wichtig die Notwendigkeit des Kleeblättchens auf seiner Weltentdeckungsreise.

Pamps schüttelte grinsend den dicken Schädel.

»Geben Sie mir die Klaue! Sie muß Ulu kennen lernen! So was hat er sicher noch nicht gesehen in seinem ganzen Urgroßvaterdasein!« –

Pips reichte ihm ein Händchen und kniff die Augen zu; denn etwas ängstlich war er doch vor dem Sprung ins Wasser.

»Uaaaaaaar, uaaaaaaaar!« … quakte der Frosch und – – – pantsch! ging es herunter ins Mollige. –

Bild: Hans Baluschek


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