Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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3. Pervonto

Alle legten große Freude über das dem Prinzen unerwartet zuteil gewordene Glück und die den bösen Weibsbildern auferlegte Strafe an den Tag; endlich aber ließ das Schwatzen nach, und da Meneca an der Reihe war, fing sie an zu erzählen wie folgt:

Das Gute bleibt nie unbelohnt; wer Dienste sät, erntet Erkenntlichkeit; wer Freundlichkeit pflanzt, sieht Liebe emporsprossen; das einem empfänglichen Herzen erwiesene Wohlwollen ist nie unfruchtbar, sondern gebiert Dankbarkeit und erzeugt betätigte Gunst. Beweise hievon sieht man im Menschenleben alle Tage, und ein Beispiel werdet ihr in der Erzählung vernehmen, die ich schon auf den Lippen habe, um sie euch mitzuteilen.

Eine wackere Frau in Casoria, namens Ceccarella, hatte einen Sohn, welcher Pervonto hieß und der größte Schöps, der einfältigste Tölpel und der ausgemachteste Dümmling war, den die Welt jemals hervorgebracht. Hierüber nun erschien der armen Mutter alles so schwarz wie ein Küchenhandtuch, und tausendmal des Tages verwünschte sie die Knie, welche diesem Erzgimpel die Türe zu dieser Welt aufgemacht hatten; denn er taugte auch nicht einmal, den Hund vom Ofen zu locken, und die unglückliche Frau mochte rufen und schreien soviel sie wollte, der Bärenhäuter rückte und rührte sich nicht, um ihr auch nur den allergeringsten Dienst zu verrichten. Endlich jedoch, nachdem der Blitz tausendmal auf seinem Schädel eingeschlagen, sie ihm tausendmal den Kopf gewaschen, und nach tausendfachem Hinundherreden und Zanken brachte sie ihn eines Tages dazu, nach einem Reisbündel in den Wald zu gehen, indem sie zu Ihm sagte: »Es ist jetzt Zeit, daß wir einen Bissen zu uns nehmen, lauf daher, hole Holz und vergiß unterwegs nicht, was du vorhast, und komme bald wieder; denn wir wollen ein paar aufgeklaubte Kohlstrünke kochen, um unser ärmliches Leben zu fristen.« Der Faulpelz von Pervonto ging zwar fort, ging aber wie einer, der nichts zu versäumen hat; freilich ging er, bewegte sich aber so langsam, als wäre er eine Elster, als träte er auf Eier und als zählte er die Fußtritte, indem er ganz gemächlich und bedächtig und Schritt vor Schritt einhertrödelte und den Weg nach dem Walde zur Beherzigung des Sprichwortes benutzte: »Langsam kommt man auch zum Ziele.« Als er nun so auf einem freien Felde anlangte, das von einem Fluß durchströmt wurde, der über die Unbescheidenheit der ihm den Weg hindernden Steine murrte und brummte, traf er drei junge Leute an, die sich den Rasen zur Matratze, einen Feldstein zum Kopfkissen genommen hatten und unter der Mittagsglut der Sonne, die sie mit senkrechten Strahlen durchbriet, wie tot schliefen. Sobald Pervonto diese armen Menschen erblickte, welche sich inmitten eines feurigen Kalkofens zu einer Wasserquelle verwandelt hatten, fühlte er Mitleid mit ihnen und hieb einige Baumzweige ab, aus denen er ihnen eine hübsche Laube machte. Bald darauf erwachten die Jünglinge, welche Söhne einer Fee waren, und indem sie die Freundlichkeit und Dienstfertigkeit Pervontos wahrnahmen, verliehen sie ihm die Zauberkraft, daß alles, was er wünschte, erfüllt würde. Hierauf setzte Pervonto seinen Weg nach dem Walde fort und machte daselbst ein so ungeheuer großes Reisbund, daß es eine Winde erfordert hätte, um es fortzuschleppen. Da er nun sah, daß gar nicht daran zu denken war, es auf den Schultern wegzubringen, so hockte er rittlings darauf nieder, indem er ausrief: »Tausend noch einmal, wenn dieses Bund mich doch wie ein Pferd forttragen möchte.« Kaum hatte er dies gesagt, so setzte das Bund sich in Trab wie ein Andalusier und machte, vor dem Palast des Königs angelangt, Volten und Kurbetten zum Erstaunen. Als die Hoffräulein, die am Fenster standen, dieses Wunder erblickten, so riefen sie rasch die Töchter des Königs, namens Vastolla, herbei, welche, vom Fenster aus die Touren des Reisbundes und die Sprünge der Holzknüppel wahrnehmend, in ein lautes Lachen ausbrach, obwohl sie stets so trübsinnig zu sein pflegte, daß sich niemand erinnerte, sie jemals lachen gesehen zu haben. Sobald Pervonto bemerkte, daß man ihn verhöhnte, rief er aus: »Zum Teufel, Vastolla, ich wünschte, daß du von mir schwanger werden möchtest«, und dies sagend, setzte er dem Reisbund die Fersen in den Leib und langte bald darauf im Türkengalopp zu Hause an, indem eine so große Schar von Straßenbuben mit Heulen und Hohngeschrei hinter ihm her lief, daß, wenn seine Mutter nicht rasch die Türe des Hauses zugemacht hätte, er einem Hagel von Zitronen und Kohlstrünken erlegen wäre. Vastolla aber merkte an gewissen seltsamen Gelüsten und Übelkeiten, daß es mit ihr nicht richtig stände, und bemühte sich, ihre Schwangerschaft so lange als möglich zu verheimlichen; da sie indes den Leib, der da anschwoll wie eine Tonne, nicht mehr verbergen konnte, so merkte der König den Braten, und nachdem er ein Höllenspektakel gemacht, berief er seinen Rat und sprach: »Ihr wisset gewiß, daß der Mond meiner Ehre Hörner bekommen und daß, um die Chronik oder vielmehr Hornik meiner Schande zu schreiben, meine Tochter mich mit endlosem Stoff versehen hat, daß mit einem Wort sie, um mir das Herz zu beschweren, sich hat den Leib beschweren lassen; darum sprechet, ratet mir. Ich wäre der Meinung, daß man sie lieber das Leben von sich zu geben zwänge, bevor sie einen Bankert von sich gibt; ich hätte Lust, sie eher die Schmerzen des Todes als die der Geburt empfinden zu lassen; ich wünschte lieber, daß sie aus der Welt reise, ehe sie ein Reis und Sprößling in die Welt setzt.« Die Räte, welche wohl mehr Öl als Wein genossen haben mochten, erwiderten hierauf folgendes: »Allerdings verdient sie eine große Strafe, und aus dem Horn, das sie Euch aufgesetzt, müßte man den Griff des Messers machen, womit man ihr das Leben nähme. Wenn wir sie aber jetzt während ihrer Schwangerschaft töten, so wird zugleich jener Freche der Strafe entwischen, der, um Euch mit Kummer jeder Art zu hetzen, sich solcher Hörner gegen Euch bedient; um Euch in einen Kampf von Leiden zu stürzen, Euch zu einem gehörnten Kämpen gemacht und um Euch einen wahren Traum der Schande träumen zu lassen, Euch durch das Tor von Horn geführt hat. Wir wollen also das Ende abwarten und zu erfahren suchen, welches die Wurzel dieser Schmach gewesen ist, dann aber haargenau bedenken und beschließen, was wir zu tun haben.«

Als der König sie auf so vollständige und einleuchtende Weise reden hörte, ließ er sich ihren Rat gefallen. Er bezwang daher seinen Zorn und sprach: »Wir wollen in der Tat das Ende des Dinges abwarten.« Dem Willen des Himmels gemäß aber kam endlich die Stunde der Geburt heran, und nach einigen leichten Wehen warf sie bei dem ersten Blasen der Hintertrompete, bei dem ersten Wort der Hebamme, bei dem ersten Druck des Leibes der Wehmutter zwei Knaben wie goldene Äpfel in den Schoß. Der König, welcher noch immer voll Unwillen war, rief jetzt wiederum die Räte zusammen und sprach zu ihnen: »Meine Tochter hat nun endlich geboren, und es ist Zeit, ihr mit Knüppeln beizustehen.« – «Nein«, erwiderten diese weisen Greise (und zwar immer, um Zeit zu gewinnen), »wir wollen warten, bis die Schelme heranwachsen, um an ihnen die Physiognomie des Vaters zu erkennen.« Der König, welcher, um nicht krumm zu schreiben, auch nicht eine Zeile ohne das Lineal des Rates zu machen pflegte, zuckte die Schultern, hatte Geduld und wartete, bis die Enkel sieben Jahre alt waren, zu welcher Zeit die Räte, von neuem aufgefordert, die Sache gehörig zu erwägen und den Nagel auf den Kopf zu treffen, durch einen unter ihnen antworteten:. »Da Ihr, Herr König, Eure Tochter nicht habet ausforschen und erfahren können, wer der Falschmünzer gewesen, der an Eurem Bilde die Krone verfälscht hat, so wollen wir bald den Makel fortschaffen. Befehlet also, daß ein großes Gastmahl veranstaltet werde und daß bei ihm jeder Vornehme und Edle unserer Stadt erscheine. Wir wollen dann wohl aufpassen und mit Luchsaugen danach spähen, zu wem die Kleinen von der Natur getrieben, sich am liebsten wenden; denn der ist ohne weiteres der Vater, und wir schaffen ihn dann so schnell beiseite wie einen Haufen Kot.« Dieser Rat gefiel dem König; er veranstaltete ein Gastmahl, lud alle Personen von Geburt und Stand ein, und nachdem man gespeist, ließ er sie in eine Reihe stellen und ihnen dann die Kinder vorbeiführen. Diese aber kümmerten sich so wenig um jene Leute wie der Esel um die Leier, so daß der König sich schwer erboste und in die Lippen biß, und obwohl es ihm nicht an andern und weitern Schuhen fehlte, dennoch, da ihn gerade dieser Schuh des Ärgers sehr drückte, mit dem Fuß auf den Boden stampfte. Die Räte aber sprachen zu ihm: »Nur Geduld, Ew. Majestät, bezähmet Euren Unmut; denn morgen veranstalten wir ein anderes Gastmahl, laden aber keine Leute von hohem Range mehr, sondern nur von niedrigem Stande. Vielleicht werden wir, da die Weiber sich immer an das Schlechte hängen, unter Messerschmieden, Paternosterhändlern und Kammachern die Wurzel Eures Zorns entdecken, da wir sie nicht unter den Kavalieren ausfindig gemacht haben.« Die Rede gefiel dem Könige, und er befahl ein zweites Bankett zu veranstalten, bei welchem vermöge öffentlicher Bekanntmachung alles Gesindel und gemeine Pack, alle üblen Subjekte, Schelme, Galgenstricke, Taugenichtse, Herumtreiber, Lumpenkerle, Halunken, Bettelhunde und Leute mit Schurz und Holzschuhen, die nur irgend in der Stadt waren, sich zusammenfanden und wie die Grafen an einer langen, langen Tafel Platz nehmend anfingen, tüchtig einzuhauen. Ceccarella nun, welche die Bekanntmachung gleichfalls vernommen hatte, drang ohne Unterlaß in Pervonto, daß er sich bei dem Festgelag einfinden sollte, und brachte ihn auch wirklich endlich dazu, daß er sich zu der Fresserei hergab. Kaum aber war er daselbst angelangt, als jene zwei hübschen Buben sich zu beiden Seiten an ihn klammerten und ihn über alle Maßen mit Schmeicheleien und Liebkosungen überhäuften. Als der König dies wahrnahm, so fing er an, sich den Bart auszuraufen, daß der Gewinn dieses Leckerbissens, der Treffer dieses großen Loses einem gar so häßlichen Fratzengesicht zuteil geworden, welches, wenn man es nur sah, Ekel und Brechen erweckte; denn außerdem, daß Pervonto einen struppigen Kopf, triefige Augen, eine Papageinase und ein gewaltiges Maul hatte, war er auch noch barfuß und so zerlumpt, daß man auch, ohne Ärztebücher zu lesen, eine Meinung über das, was an ihm nicht sichtbar war, haben konnte, weswegen der König nach einem tiefen Seufzer also sprach: »Was hat nur das Nickel von meiner Tochter veranlaßt, daß sie sich an dieses abscheuliche Ungeheuer gehängt? Was hat sie nur angewandelt, daß sie sich mit diesem Lumpenhund eingelassen? O du infame, verschmitzte Bestie, was sind das für Metamorphosen? Du machst dich um eines Schweines willen zur Sau, damit ich zum Widder werde? – Jedoch wozu warte ich, wozu zögere ich noch? Sie werde bestraft wie sie es verdient; sie leide die Züchtigung, die Ihr ihr auferleget, und schaffet sie mir aus den Augen; denn ich kann sie nicht länger ansehen.«

Die Räte beratschlagten also und kamen endlich darin überein, daß sowohl sie als der Übeltäter und die beiden Kinder in ein Faß gesteckt und ins Meer geworfen würden, damit sie, ohne daß der König sich die Hände mit seinem eigenen Blute befleckte, den Schlußpunkt ihres Lebens machen sollten. Das Urteil war nicht so bald gefällt, als auch das Faß schon erschien, in welches man sogleich alle vier hineinpackte; ehe man es jedoch zumachte, hatten einige Kammerfräulein der Vastolla, welche weinten, als ob sie der Bock gestoßen, ein Tönnchen mit Rosinen und trockenen Feigen hineingeworfen, damit sie, wenn auch nur auf kurze Zeit, etwas zu leben hätte. Kaum war aber der Deckel des Fasses aufgenagelt, so wurde es auch fortgeschafft und ins Meer geworfen, in welchem es vom Winde getrieben, bald da, bald dort umherschwamm. Vastolla inzwischen weinte aus ihren Augen ununterbrochene Tränenströme und sagte zu Pervonto: »Wie groß ist doch unser Unglück, daß wir die Wiege des Bacchus zum Sarge bei unserem Tode haben! Ach, wenn ich doch nur wenigstens wüßte, wer meinen Leib vorgehabt und mich so in diesen Kerker gebracht hat! Ach, leider bin ich angebohrt worden, ohne auch nur zu wissen, wie. Sprich, Krokodil, sprich, welchen Zauber und welche Rute hast du gebraucht, mich in die Reifen dieses Fasses einzusperren? Sage, sage mir doch, welcher Teufel dich trieb, mir den unsichtbaren Zapfen einzuschrauben, damit ich keine andere Öffnung vor Augen habe als ein schwarzes Spundloch?« Pervonto, welcher bis dahin sich taub gestellt hatte, antwortete endlich: »Gib mir Feigen und Rosinen, so will ich dir dienen.« Um nur etwas aus ihm herauszubringen, gab ihm Vastolla eine Handvoll von beiden. Und als er nun den Kropf voll hatte, erzählte er ihr haarklein, wie es ihm mit den drei Jünglingen, dann mit dem Holzbund und zuletzt mit ihr selbst ergangen war, daß nämlich, weil sie ihn behandelt als Gauch, er ihr gefüllt den Bauch. Sobald das arme Ding dies vernahm, faßte sie wieder Mut und sagte zu Pervonto: »Wollen wir denn, Freund, unser Leben in diesem Fasse auslaufen lassen? Warum machst du denn nicht, daß sich dieses Gefäß in ein schönes Schiff verwandle, damit wir dieser Gefahr entrinnen und in einen sichern Hafen einlaufen?«, worauf Pervonto erwiderte: »Gib mir Feigen und Rosinen, so will ich dir dienen«; und Vastolla füllte ihm alsdann den Schlund, damit er öffne den Spund, und gleich einer Fischermaske im Karneval fischte sie ihm mit Feigen und Rosinen die Worte frisch aus dem Munde, worauf mit einem Male, indem Pervonto das sagte, was Vastolla wünschte, das Faß sich in ein Schiff verwandelte, mit allem zur Fahrt notwendigen Tauwerk und allen Matrosen, die zur Bedienung des Fahrzeugs erforderlich waren, und alsbald sah man den einen die Brassen anziehen, einen andern die Taue schießen, einen dritten das Steuer regieren, einen vierten die Segel stellen, einen fünften den Mast erklettern, einen sechsten »Links 'rum«, einen siebenten »Rechts 'rum« rufen, einen achten ins Sprachrohr rufen, einen neunten das Geschütz abfeuern und einen das, den andern jenes tun, so daß Vastolla sich ganz über Bord fühlte und in einem Freudenmeer schwamm. Da es nun schon um die Zeit war, wo der Mond mit der Sonne »G'vatter leih mir d'Scher« zu spielen anfängt, sagte Vastolla zu Pervonto: »Mache doch, schöner Jüngling, daß dieses Schiff sich in einen schönen Palast verwandle; denn wir werden dann sicherer sein. Du weißt ja, daß man zu sagen pflegt: ›Lobe das Meer und halte dich ans Land.‹« Pervonto erwiderte: »Gib mir Feigen und Rosinen, so will ich dir dienen«; worauf sie sogleich ihm das Verlangte zukommen ließ und Pervonto, den Mund sich füllend, auch ihren Wunsch erfüllte. Da mit einem Male stieß das Schiff ans Land und verwandelte sich in einen vollständig ausgeschmückten Palast, welcher mit so vielem Gerät und so großer Pracht angefüllt war, daß er nichts zu wünschen übrigließ, weswegen Vastolla, die unlängst ihr Leben für einen Dreier hingegeben hätte, nun nicht mit der vornehmsten Dame in der ganzen Welt getauscht haben würde, indem sie sich wie eine Königin empfangen und bedient sah. Als Schlußstein ihres ganzen, so günstigen Glückswechsels drang sie nun noch in Pervonte, sich die Gnad' auszubitten, daß er schön und jung werde, damit sie einander hinfort in Freuden genießen könnten; denn obwohl das Sprichwort sagte: »Besser ein Schwein zum Manne als einen Kaiser zum Geliebten«, so würde sie es doch für das größte Glück auf Erden halten, wenn seine äußere Gestalt sich verwandelte; worauf sowohl Pervonto dieselbe Bedingung stellte wie früher und sprach: »Gib mir Feigen und Rosinen, so will ich dir dienen«, als auch Vastolla alsbald der Hartleibigkeit der Worte Pervontos durch das Laxiermittel der Feigen Abhilfe leistete, und kaum hatte er das Wort gesprochen, so verwandelte er sich aus einem Wiedehopf in eine Nachtigall, aus einem Popanz in einen Narziß, aus einer Vogelscheuche in ein Püppchen. Da Vastolla dies sah, geriet sie vor Freude fast außer sich, und indem sie ihn fest in die Arme schloß, lief ihr vor Wonne der Mund über.

Um dieselbe Zeit geschah es, daß der König, welchen von dem Tage an, wo ihm jenes Unglück widerfahren war, jede Fliege an der Wand geärgert hatte, von seinen Hofleuten zur Zerstreuung auf die Jagd geführt wurde. Auf dieser überfiel ihn die Nacht, und indem er durch ein Fenster jenes Palastes ein Licht schimmern sah, schickte er einen Diener ab, um anzufragen, ob man ihn beherbergen wolle. Er erhielt die Antwort, daß er nicht nur einer Flasche den Hals brechen, sondern, wenn es ihm beliebte, ein ganzes Faß ausleeren könne, so daß er sich alsobald mit seinem Gefolge in den Palast begab. Während er nun die Treppe hinaufstieg und die Zimmer durchschritt, sah er auch nicht ein einziges lebendiges Wesen, ausgenommen die beiden Knaben, die um ihn herumsprangen und dabei riefen: »Großvater, Großvater, Großvater!« Der König verwundert, erstaunt und verdutzt, stand da wie bezaubert, und nachdem er sich vor Müdigkeit bei einem Tische niedergesetzt, sah er alsbald von unsichtbarer Hand ein damastenes Tischgedeck auflegen und Schüsseln voll Braten und Zubehör erscheinen, so daß er wie ein wirklicher König speiste und trank, während jene zwei hübschen Knaben ihn bedienten, und solange er bei Tische war, eine Musik von Pfeifen und Schellentrommeln ununterbrochen ertönte, deren Lieblichkeit ihn bis in die Fußspitzen durchdrang. Kaum war er nun mit dem Essen fertig, so stand plötzlich vor ihm ein Bett aus lauter Goldschaum, in das er, nachdem er sich die Stiefeln hatte ausziehen lassen, sich unverweilt legte, welchem Beispiel auch seine sämtlichen Hofleute folgten, die gleichfalls an hundert in den übrigen Zimmern aufgestellten Tafeln tüchtig zugegriffen hatten. Als aber der Tag anbrach und der König beim Fortgehen die beiden Kleinen mit sich nehmen wollte, so erschien Vastolla nebst ihrem Manne, warf sich ihm zu Füßen und bat ihn um Gnade, indem sie ihm ausführlich erzählte, wie es ihr von Anfang an ergangen war. Da nun der König sah, daß er zwei Enkel wie die Perlen und einen Schwiegersohn wie ein Feenkind gefunden, so umarmte er beide, trug sie fast schwebend in die Stadt und veranstaltete daselbst große Feste, welche um dieses großen Fundes willen viele Tage dauerten, wobei er wider seinen Willen gestand, daß

Der Mensch denkt, Gott lenkt.


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