Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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6. Die drei Kronen

Die Erzählung Popas fand den größten Beifall, und es war niemand in der ganzen Gesellschaft, der nicht über das endlich günstige Schicksal Porziellas große Freude empfunden hätte, so wie aber auch niemand sie um das durch so viele Leiden erkaufte Glück beneidete, da sie fast in die Nacht des Todes gesunken wäre, ehe sie den Tag des königlichen Glanzes erlebte. Als nun Tolla sah, daß die Leiden Porziellas die frohe Stimmung des Prinzen getrübt hatten, wollte sie ihn wieder ein wenig aufheitern und begann also:

Die Wahrheit, meine Herren und Damen, schwimmt immer gleich dem Öl obenauf, die Lüge aber ist ein Feuer, das nicht verborgen bleiben kann, eine neumodische Flinte, die den tötet, der sie abschießt; nicht mit Unrecht heißt man Lügen auch Verkohlen; denn wer in seinen Worten unwahr ist, der legt wie ein Köhler Feuer nicht nur an alle Tugenden und guten Eigenschaften, die er in der Brust trägt, sondern sogar an die Hülle, in der sie enthalten sind, wie ihr nach Anhörung der folgenden Geschichte selbst gestehen werdet. Es war einmal ein König von Stoßumsonst, der ganz kinderlos war und daher zu jeder Zeit, und wo er auch sein mochte, ausrief: »O gütiger Himmel, schicke mir doch einen Erben meines Reiches und lasse mein Haus nicht gar so verödet.« Als er sich nun eines Tages im Garten befand und mit lauter Stimme wieder in dieselben Klagen, in dieselben Worte ausbrach, hörte er aus einem Dickicht eine Stimme, die also sprach:

»Was willst du, o König, lieber? Eine Tochter, die dich flieht?
Oder wünschest einen Sohn du, der dich ins Verderben zieht?«

Der König, der bei dieser Frage ganz verwirrt dastand, wußte anfangs nicht, was er antworten sollte; endlich beschloß er aber, sich mit den weisesten Männern seines Hofes darüber zu beraten, begab sich daher in den Palast zurück, und nachdem er seine Räte hatte zusammenrufen lassen, befahl er ihnen, diese Sache reiflich zu erwägen. Der eine war der Meinung, daß man die Ehre höher achten müsse als das Leben; der andere, daß man das Leben als inneres Gut höher schätzen müsse als die Ehre, die nur etwas Äußerliches und daher von geringerem Wert sei; wieder ein anderer sagte, daß, da das Leben wie ein Wasser hinströme, es kein großer Verlust sei, wenn man es wie auch alle anderen Güter verliere, die gewöhnlich als die Säulen des Lebens betrachtet werden, aber nur auf dem gläsernen Rade des Glückes ruhen; die Ehre aber sei etwas Dauerhaftes, da sie die Spuren des Ruhmes und die Denkmale eines großen Namens zurücklasse; man müsse daher seine größte Freude an ihr haben und sie eifersüchtig bewachen; ein vierter hingegen argumentierte, daß das Leben, durch das das Menschengeschlecht überhaupt bestände, und die Güter, durch die die Größe der Familien erhalten würde, höher zu halten seien als die Ehre, weil diese, ganz anders als die Tugend, nur in der Meinung bestehe, und daß der durch die Schuld des Schicksals und nicht durch eigenes Versehen verursachte Verlust einer Tochter der Tugend des Vaters nicht zu nahe trete und die Ehre seines Hauses nicht beflecke; endlich aber hielten einige Räte dafür, daß die Ehre nicht im Hemd einer Frau bestehe, abgesehen davon, daß ein gerechter Prinz mehr das allgemeine Wohl als sein besonderes Interesse berücksichtigen müsse, und daß eine weggelaufene Tochter dem Hause ihres Vaters wohl einige Schande bereite, ein böser Sohn aber nicht nur sein eigenes Haus, sondern das ganze Reich ins Verderben stürze; da er nun also einmal Kinder zu haben wünsche und ihm die Wahl gelassen würde, so solle er lieber eine Tochter verlangen, da diese weder sein Leben noch den Staat in Gefahr bringen würde. Die letzte Meinung gefiel nun dem König am besten; er kehrte daher in den Garten zurück, fing an, wie gewöhnlich zu jammern, und als er wieder dieselbe Stimme vernahm, antwortete er: »Eine Tochter, eine Tochter!« Hierauf begab er sich wieder in den Palast, ging dann des Abends, als die Sonne die Tagesstunden einlud, die krummen Knirpse von Antipoden in Augenschein zu nehmen, mit seiner Frau zu Bett und bekam nach Verlauf von neun Monaten ein schönes Töchterlein, das er gleich nach dessen Geburt in einen festen, wohlbewachten Palast einschloß, um seinerseits keine irgend mögliche Vorsicht zu unterlassen, durch die er das ihm durch die Tochter drohende Leid vermeiden könnte. Als er sie nun in allen schönen und nützlichen Dingen, die sich für ein Königskind ziemen, hatte unterrichten lassen und sie herangewachsen war, beschloß er, sie mit dem König von Ohnesinn zu vermählen, und ließ sie nach Vollziehung des Heiratskontraktes aus dem Palast, den sie niemals verlassen hatte, hervorkommen, um sie ihrem Bräutigam zuzuschicken. Plötzlich jedoch erhob sich ein gewaltiger Sturmwind, der die Prinzessin hoch emporhob, sie den Blicken aller entzog und, erst nachdem er sie eine Zeitlang durch die Luft geführt, vor dem Hause einer Hexe in einem Walde niedersetzte, der der Sonne, weil sie den giftigen Python getötet, wie einer Verpesteten den Eingang verwehrte. Eine alte Frau, die die Hexe zur Bewachung ihrer Wohnung zurückgelassen hatte, rief der Prinzessin, als sie sie erblickte, mit lauter Stimme zu: »Unglückselige, wohin hast du deinen Fuß gesetzt? Wehe dir, wenn die Hexe, die Besitzerin dieses Hauses, dich hier antrifft! Nicht drei Pfennige gäbe ich dann für dein Fell; denn sie nährt sich von nichts anderem als von Menschenfleisch, und mein Leben ist nur deswegen sicher, weil sie meiner Dienste bedarf und mein gebrechlicher Körper, der voll Hinfälligkeit, Ohnmächten, Gicht und Flüssen ist, von ihren Hauern verschmäht wird. Weißt du aber, was du tun sollst? Hier sind die Schlüssel des Hauses, gehe hinein, bringe die Stuben in Ordnung, mache alles rein, und wenn die Hexe kommt, verstecke dich, so daß sie dich nicht sieht; denn ich werde es dir nicht an Essen fehlen lassen. Inzwischen schickt der Himmel vielleicht Hilfe; kommt Zeit, kommt Rat; sei nur verständig und habe Geduld; denn Geduld überwindet alles, kommt über jeden Abgrund und widersteht jedem Sturm.« Marchette (so hieß nämlich die Prinzessin) machte aus der Not eine Tugend, nahm die Schlüssel und begab sich in die Stube der Hexe, woselbst sie zuerst einen Besen ergriff und dann das ganze Haus so rein fegte, daß man auf dem Fußboden hätte Makkaroni essen können; hierauf nahm sie eine Speckschwarte und putzte die nußbaumenen Kasten dergestalt ab und machte sie so glänzend, daß man sich darin spiegeln konnte, und als sie endlich das Bett in Ordnung gebracht und die Hexe kommen hörte, verkroch sie sich in ein leeres Getreidefaß. Als diese ihr Haus nun so ungewöhnlich nett aufgeräumt sah, rief sie die Alte und sprach zu ihr: »Wer hat hier alles so schön aufgeräumt?« Und als die Alte erwiderte, daß sie es getan, versetzte sie: »Wer das tut, was er zu tun nicht pflegt, hat dich betrogen, oder doch die Absicht hegt. Meiner Treu, du hast einmal über die Schnur gehauen und dich über die Maßen angestrengt und verdienst daher eine Belohnung.« Nach diesen Worten nahm sie ihr Mahl zu sich, ging dann wieder fort und fand bei ihrer Rückkehr allen Ruß von den Balken gekehrt, alles Kupfergeschirr blank gescheuert und zierlich an den Wänden aufgehängt und alle schmutzige Wäsche gewaschen, so daß sie darüber ein unsägliches Vergnügen empfand, der Alten tausend Dank sagte und zu ihr sprach: »Der Himmel segne dich immerdar, meine allerliebste Frau Niedlich, und mögest du immer gedeihen und glücklich sein, die du mir durch dein sorgfältiges Aufräumen soviel Freude machst, da ich ein Haus wie eine Puppe und ein Bett wie das einer Jungfer vorfinde.« Die Alte geriet außer sich vor Entzücken, daß sie in der Gunst jener so hochstieg, und ließ Marchetta immer die besten Bissen zukommen, indem sie sie anstopfte wie eine Hühnerpastete. Als nun die Hexe wieder ausging, sprach die Alte zu Marchetta: »Halte dich nur ganz ruhig, wir wollen die Hexe schon kriegen und dein Glück versuchen. Darum mache irgend etwas mit deinen eigenen Händen, was ihr ganz besonders zusagen mag, und wenn sie dann auch bei den sieben Planeten schwört, so glaube ihr nicht, wenn sie aber bei ihren drei Kronen schwört, dann komm hervor und laß dich von ihr sehen, denn dann bist du im Schoße des Glückes und wirst erkennen, daß ich dir geraten habe wie eine Mutter.«

Kaum hatte nun Marchetta diese Rede vernommen, so schlachtete sie eine fette Gans, machte aus dem Gekröse ein Ragout, die Gans selbst aber spickte sie gehörig mit Speck, Beifuß und Knoblauch, steckte sie dann an einen Spieß, und nachdem sie zum Braten noch ein paar delikate Beilagen gemacht hatte, setzte sie alles auf den Tisch, den sie außerdem noch mit Rosen und Zitronenblüten ausschmückte. Als aber die Hexe nach Hause kam und den so herrlich angerichteten Tisch vorfand, geriet sie vor Vergnügen und Staunen fast außer sich, und nachdem sie die Alte herbeigerufen, sprach sie zu ihr: »Wer hat mir diesen Liebesdienst erwiesen?« – ,,Iß«, erwiderte jene, »und frage nicht weiter; sei damit zufrieden, daß du nach Wunsch bedient wirst.« Indem nun die Hexe aß und der Wohlgeschmack der guten Bissen ihr bis in die Fußspitzen drang, begann sie also zu sprechen: »Ich schwöre es bei den drei Worten Neapels, daß, wenn ich wüßte, wer mir dieses Mahl bereitet hat, ich ihn auf Händen tragen würde!« Dann fuhr sie fort: »Ich schwöre es bei drei Bogen und drei Pfeilen, daß, wenn ich ihn wüßte, ich ihn stets in meinem Herzen tragen würde; ich schwöre es bei den drei Lichtern, die man anzündet, wenn man des Nachts einen Kontrakt macht; bei den drei Zeugen, die da hinreichen, um einen Menschen an den Galgen zu bringen; bei dem drei Spannen langen Strick, an dem der Gehängte tanzt; bei den drei Dingen, die den Menschen aus dem Hause jagen, Gestank, Rauch und ein böses Weib; bei den drei Dingen, die ein Haus zugrunde richten, Pfannkuchen, warmes Brot und Makkaroni; bei den drei Frauen, die einen Markt machen; bei den drei F des Fisches: ›Frisch, fest und fett‹; bei den drei Hauptsängern Neapels Giovan de la Carrejola, Gevatter Junno und dem König der Musik; bei den drei Ei, die ein Liebhaber sein muß: ›Eifrig, einzig und einsam‹; bei den drei Dingen, die der Kaufmann nötig hat: ›Kredit, Mut und Glück‹; bei den drei Arten Leute, die sich jede Hure hält: ›Raufbolde, hübsche Burschen und Tölpel‹; bei den drei Dingen, deren der Dieb bedarf: ›Augen zum Leuchten, Finger zum Mausen und Füße zum Ausreißen‹; bei den drei Dingen, die die jungen Leute ruinieren: ›Spiel, Weiber und Wirtshäuser‹; bei den drei Haupteigenschaften des Häschers: ›Sehen, verfolgen und packen‹; bei den drei Dingen, die dem Hofmann von Nutzen sind: ›Verstellung, Geduld und Glück‹; bei den drei Dingen, die der Kuppler braucht: ›Courage, viel Gerede und Unverschämtheit‹; und bei den drei Dingen, die der Arzt untersucht: ›Puls, Gesicht und Leibschüsser.‹ Die Hexe hätte aber bis in alle Ewigkeit schwören können; den Marchetta, die wußte, woran sie war, rückte und rührte sich nicht. Als sie aber endlich die Hexe ausrufen hörte: »Bei meinen drei Kronen schwöre ich es, daß, wenn ich wüßte, wer die gute Wirtin gewesen ist, die mir so viele freundliche Dienste erwiesen hat, ich ihr so viele Schmeicheleien und Liebkosungen erweisen würde, als sie sich kaum denken kann.« So kam sie endlich zum Vorschein und sprach: »Hier bin ich!« Worauf die Hexe, Marchetta erblickend, versetzte: »Du bist mir vollkommen gewachsen und klüger als ich; du hast dich meisterhaft benommen und es dir erspart, in den Backofen meines Magens geschoben zu werden; da du nun aber so pfiffig gewesen bist und mir soviel Freude gemacht hast, will ich dich lieber haben als eine Tochter. Daher nimm hier die Schlüssel zu allen Stuben und schalte und walte ganz nach deinem Belieben, mit der einzigen Bedingung jedoch, daß du unter keinen Umständen das hinterste Zimmer, zu dem dieser Schlüssel hier paßt, aufmachst; denn dann würde es dir ganz verteufelt schlimm ergehen; wohingegen, wenn du mir treu und sorgfältig dienst, dein Glück gemacht hast, da ich dir bei meinen drei Kronen zuschwöre, dich über die Maßen reich zu verheiraten.«

Marchetta küßte ihr hierauf für so viel Güte die Hände und versprach ihr, pünktlicher zu dienen als eine Sklavin. Als jedoch die Hexe wieder fortgegangen war, fühlte sich Marchetta von der Neugier, zu wissen, was sich in dem verbotenen Zimmer befände, gar zu sehr gekitzelt, und nachdem sie es geöffnet, sah sie darin drei ganz in Gold gekleidete Jungfrauen, die auf ebenso vielen Thronen saßen und zu schlummern schienen. Es waren dies nämlich die von der Mutter bezauberten Töchter der Hexe, und da sie wußte, daß ihnen eine große Gefahr bevorstände, wenn sie nicht von einer Königstochter wieder aufgeweckt würden, so hatte sie sie in dem Zimmer eingeschlossen, um sie vor dem ihnen drohenden Unheil zu bewahren. Kaum war nun Marchetta hineingetreten, so empfanden die Jungfrauen bei dem Geräusch, das Marchetta mit den Füßen machte, ein Gefühl, als wenn sie erwachten, und baten letztere alsbald um etwas zu essen. Marchetta nahm sogleich für jede drei Eier, ließ sie unter der Asche hart werden und gab sie ihnen dann, worauf die Jungfrauen, auf diese Weise etwas gestärkt, eben aus dem Zimmer treten wollten, um ein wenig frische Luft zu schöpfen, als die Hexe nach Hause zurückkehrte, welche durch das Vorgefallene so erzürnt wurde, daß sie Marchetta eine derbe Ohrfeige gab. Voll Verdruß hierüber forderte diese sogleich von der Hexe ihre Entlassung, um aufs Geratewohl in die weite Welt zu gehen und ihr Glück zu suchen, und wie sehr auch die Hexe sich bemühte, sie durch gute Worte zu besänftigen, indem sie sagte, sie hätte nur gescherzt und wolle es nicht wieder tun, so beharrte Marchetta dennoch fest auf ihrem Sinn, so daß die Hexe sich gezwungen sah, sie gehen zu lassen. Vorher jedoch gab sie ihr einen Ring und sagte zu ihr, daß sie ihn mit dem Stein nach der inneren Seite der Hand gekehrt tragen und nie auf ihn achten solle, außer wenn sie sich in großer Not befände und den Namen der Hexe vom Echo erwidern höre; außerdem aber schenkte sie Marchetta auch noch eine Männerkleidung, um welche diese sie bat.

Marchetta machte sich nun in dieser Tracht auf den Weg und gelangte endlich in einen Wald, wo die Nacht tagsüber Holz zu sammeln pflegte, um sich von der erduldeten Kälte zu erholen. Dort begegnete Marchetta einem König, der sich auf der Jagd befand und beim Anblick des schönen Jünglings (denn ein solcher schien die Prinzessin) ihn fragte, woher er käme und was er vorhätte; worauf Marchetta versetzte, sie sei der Sohn eines Kaufmannes, nach dem Tode der Mutter hätten die Mißhandlungen der Stiefmutter sie zur Flucht gezwungen. Da dem König die Offenheit und der Anstand Marchettas sehr wohl gefielen, nahm er sie in seine Dienste und führte sie mit sich in seinen Palast. Kaum aber sah die Königin den neuen Pagen, so wurden durch den Anblick des schönen Jünglings sogleich alle ihre Lüste entfesselt, und obschon sie sich einige Tage lang teils aus Furcht, teils aus Stolz, der immer mit der Schönheit Hand in Hand geht, ihre Glut zu verheimlichen und dem Sporn der Liebe, der sie in die Seiten des Verlangens stachelte, zu widerstehen bemühte, so vermochte sie es dennoch nicht, da sie nur sehr schmale Fersen hatte, gegen die Angriffe ihrer zügellosen Wünsche auf die Dauer standzuhalten, daher sie eines Tages Marchetta beiseite rief und ihm ihr Liebesleid entdeckte, indem sie ihm auf das lebendigste schilderte, welche Qualen sie erdulde, seitdem sie seine Schönheit erblickt hätte, so daß, wenn er sich nicht entschlösse, das Erdreich ihres Verlangens zu bewässern, ganz gewiß ihr Leben ohne alle Hoffnung vertrocknen müßte. Außerdem pries sie aber auch die Reize seines Angesichtes und stellte ihm vor, daß es einen schlechten Schüler in der Schule der Liebe verraten würde, einen Klecks der Grausamkeit in ein Buch von so vieler Anmut zu machen, und daß er darüber bittere Reue empfinden würde. Zu den Schmeicheleien fügte sie nun noch Bitten, indem sie ihn bei allen sieben Himmeln beschwor, daß er doch ein Weib, die sein Bild als Schild an dem Laden ihrer Gedanken umhertrüge, nicht in einem Glutofen von Seufzern und in einem Pfuhl von Tränen umkommen lassen sollte. Hierauf folgten die Versprechungen, indem sie ihm jeden Zoll Vergnügen mit Ellen von Belohnungen zu vergelten und das Magazin der Dankbarkeit für jedes Belieben eines so schönen Kunden jederzeit offenzuhalten verhieß; endlich erinnerte sie ihn daran, daß sie eine Königin sei und daß, während sie schon das Schiff bestiegen hätte, er sie nicht ohne Hilfe auf diesem sturmbewegten Meere lassen dürfe; denn sie würde zu seinem Schaden auf irgendeine Klippe stoßen.

Als Marchetta diese Schmeicheleien und Keckheiten, diese Versprechungen und Drohungen, diese Komplimente und trotzigen Reden vernahm, hätte sie gern geantwortet, daß, um ihren Wünschen die Tür zu öffnen, ihr der Schlüssel fehlte, und hätte ihr gern geoffenbart, daß sie, um ihr den gewünschten Frieden zu gewähren, kein Merkur wäre, der den Heroldstab trüge; da sie sich jedoch nicht entdecken wollte, so antwortete sie, sie könne es gar nicht glauben, daß die Königin einem so trefflichen Manne, wie ihr Gemahl wäre, Hörner aufsetzen wolle; wenn aber auch wirklich jene ihre und ihres Hauses Ehre geringachte, so könne und wolle sie doch nicht einem Gebieter, der sie so sehr liebe, eine derartige Schande antun. Sobald jedoch die Königin diese erste Replik auf die Insinuation ihrer Wünsche hörte, sprach sie also: »Nun wohlan denn, überlege wohl, was du tust, und sieh dich vor; denn wenn Personen meines Standes bitten, so befehlen sie, und wenn sie hinknien, so treten sie mit Füßen; darum mache deine Rechnung sehr genau und siehe zu, was aus diesem Handel entstehen kann. Und hiermit sei es genug; nur eine Sache will ich dir noch sagen, ehe wir uns trennen, und zwar wenn eine Frau meines Ranges sich verspottet sieht, so ruht sie nicht eher, als bis sie mit dem Blut ihres Beleidigers den Fleck aus ihrem Angesicht weggewaschen hat.« Indem sie dies sagte, kehrte sie Marchetta mit einem Gesicht, daß einem hätte angst werden mögen, den Rücken zu, so daß die Ärmste ganz verwirrt und erschrocken stehenblieb.

Nachdem nun aber die Königin eine Zeitlang diese schöne Festung bestürmt hatte und endlich einsah, daß sie sich vergeblich bemühte, umsonst anstrengte, nutzlos schwitzte, ihre Worte in den Wind redete und ihre Seufzer verloren waren, so zog sie andere Saiten auf, indem sich ihre Liebe in Haß und das Verlangen, den Gegenstand ihrer Zuneigung zu genießen, in Rachlust verwandelte. Sie begab sich daher eines Tages mit tränenden Augen zu ihrem Gemahl und sprach zu ihm: »Wer hätte es uns wohl je gesagt, daß wir eine Schlange in unserem Busen nährten? Wer hätte es wohl je gedacht, daß so ein Naseweis, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist, solch eine Frechheit besäße? Aber die übergroße Gunst, die du ihm erwiesen, trägt ganz allein die Schuld; denn wenn man dem Bauern den Finger gibt, nimmt er die ganze Hand; mit einem Wort, der Kamm ist ihm jetzt gewaltig geschwollen, und er dünkt sich schon so viel wie wir. Wenn du ihm daher nicht die verdiente Züchtigung gibst, so kehre ich in das Haus meiner Eltern zurück und will fortan dich weder mehr sehen noch nennen hören.« – »Was hat er dir denn getan?« versetzte der König. – »Eine Lumperei«, erwiderte die Königin. »Der Schelm wollte bloß haben, daß ich die eheliche Schuld, die ich gegen dich habe, an ihn bezahle; und ohne Respekt, ohne Furcht, ohne Scham hat er die Stirn gehabt, vor mich zu treten, und Worte gefunden, von mir freien Eintritt in das Saatfeld zu fordern, das du in Ehren bestellst.«

Als der König dies vernahm, wollte er, um die Ehre und das Ansehen seiner Gemahlin nicht zu verletzen, erst keine anderen Zeugen vernehmen, sondern ließ Marchetta auf der Stelle von den Häschern ergreifen, und ohne ihr eine Verteidigung zu gestatten, verdammte er sie sogleich dazu, daß sie probieren sollte, wie schweres Gewicht die Schnellwaage des Henkers wohl trüge. Marchetta, die über Hals und Kopf nach der Richtstätte gebracht wurde und gar nicht wußte, wie ihr geschah, noch sich erinnern konnte, irgend etwas verbrochen zu haben, fing an auszurufen: ,,O Himmel, was habe ich denn begangen, daß ich das Leichenbegängnis meines unseligen Halses vor dem Begräbnis meines unglücklichen Körpers verdiene? Wer hätte es mir wohl je gesagt, daß ich, ohne mich unter die Fahne der Diebe und Räuber anwerben zu lassen, von Wachen umgeben mit einem drei Spannen langen Halsband um die Kehle diesen Palast des Todes betreten würde? Weh mir, wer tröstet mich in dieser Not? Wer steht mir bei in so großer Gefahr? Wer befreit mich von dem Galgen? Wer errettet mich von diesem bösen Dreibein?« – »Hexlein!« versetzte das Echo, und Marchetta, die sich auf diese Weise antworten hörte, erinnerte sich des Ringes, den sie am Finger trug, und der Worte, die die Hexe beim Scheiden zu ihr gesagt hatte, und indem sie nun ihre Augen auf den Stein richtete, den sie bis dahin noch nicht betrachtet, vernahm man plötzlich eine Stimme in der Luft, die dreimal hintereinander ausrief: »Laßt sie gehen, sie ist ein Mädchen!« Und dieser Ruf ertönte so furchtbar, daß weder Häscher noch Henkersknechte auf der Richtstätte blieben. Auch der König hörte diese Worte, die den Palast bis in seine Grundfesten erbeben machten; er ließ daher Marchetta vor sich kommen und sagte zu ihr, sie solle ihm die Wahrheit sagen, wer sie sei und wie sie in sein Land gekommen wäre; worauf Marchetta, von der Notwendigkeit gezwungen, alle Ereignisse ihres Lebens erzählte, wie sie geboren wurde, hierauf in den festen Palast eingeschlossen und dann von dem Sturmwind fortgeführt worden, wie sie in dem Hause der Hexe angelangt und alsdann von ihr geschieden war, was die Hexe zu ihr gesagt und was sie ihr gegeben, was zwischen ihr und der Königin vorgefallen und wie sie endlich, ohne zu wissen, was sie begangen, sich in Gefahr gesehen hatte, mit den Füßen an der dreibeinigen Galeere zu rudern. Als nun der König dies alles vernahm und es mit dem, was ihm einst sein Freund, der König von Stoßumsonst mitgeteilt hatte, verglich, erkannte er Marchetta als die, die sie in der Tat war, zugleich aber auch durchschaute er die Bosheit seiner Frau, die Marchetta ein so schweres Verbrechen angedichtet hatte. Er befahl daher sogleich, daß sie mit einem Stein um den Hals ins Meer gestürzt würde, und nachdem er die Eltern Marchettas hatte herbeiholen lassen, heiratete er ihre Tochter, so daß man an dem Beispiel dieser wiederum sah:

Ist die Not am grössten,
ist die Hilf' am nächsten.


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