Giambattista Basile
Das Pentameron
Giambattista Basile

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10. Die drei Feen

Die Erzählung Ciommetellas wurde für eine der schönsten gehalten, die man bisher gehört hatte, so daß, als Ghiacova alle vor Entzücken außer sich sah, sie also begann:

Wenn der Befehl des Prinzen und der Prinzessin mich nicht gleich einer Winde fortrisse und wie ein Magnet anzöge, so würde ich mit meinem Geplauder ein Punktum machen, indem es mir zu anmaßlich scheint, das zerbrochene Brummeisen meines Mundes auf die Harfe der Worte Ciommetellas folgen zu lassen; da unser Gebieter es jedoch so verlangt, so will ich mich bemühen, euch ein kleines Stückchen vorzuspielen, von der Strafe eines neidischen Weibes nämlich, das ihre Stieftochter in den Abgrund stürzen wollte und sie bis zu den Sternen emporhob.

Es lebte einmal in dem Flecken Marcianise eine Witwe, namens Caradonia, die man als die wahre Mutter des Neides betrachten konnte, da sie nie einer Nachbarin etwas Angenehmes widerfahren sah, das ihr nicht in der Kehle steckengeblieben wäre, nie von dem Glück einer Bekannten hörte, worüber sie sich nicht schwer geärgert hätte, und nie weder Mann noch Frau froh und zufrieden sehen konnte, ohne daß sich ihr der Hals zuschnürte.

Diese Witwe nun besaß eine Tochter, namens Grannizia, die die Quintessenz der Häßlichkeit, die Königin der Scheusale und die Zier aller Wechselbälge war; sie hatte einen Kopf voll Nisse, verfilzte Haare, kahle Schläfen, eine Stirn voller Beulen, Augen so rot wie Feuer, eine Nase voll Blattern, Zähne so schwarz wie Kohlen, einen Rachen wie ein Werwolf, ein Kinn so spitz wie ein Dreieck, einen Hals wie ein Rabe, Brüste wie die Schrotbeutel, Schultern so gewölbt wie eine Kuppel, Arme wie die Bohrer, Beine wie die Türkensäbel, Füße wie ein Affe, sie war, mit einem Wort, vom Wirbel bis zur Zehe eine Vogelscheuche, eine widerliche Fratze, eine abscheuliche Hexe, besonders aber ein wahrer Zwerg von einem kurzen, dicken Knirps; und dennoch erschien sie ihrer Mutter trotz all dieser Gebrechen so schön wie ein Püppchen. Es geschah nun aber, daß diese Witwe sich wieder mit einem gewissen Micco Antonio verheiratete, einem steinreichen Landmann aus Panecuocolo, welcher zweimal Schulze und Anwalt dieses Dorfes gewesen und bei allen Panecuocolesen sehr angesehen und hochgeachtet war. Auch Micco besaß eine Tochter, namens Cecella, welche für das größte Wunder an Schönheit in der Welt gehalten wurde; sie hatte ein lockendes Auge zum Bezaubern, einen Kußmund zum Entzücken, einen milchweißen Hals, um außer sich zu geraten, und war, mit einem Wort, so lieblich und anmutig, so reizend und tändelnd, so voll Mutwillen, Scherz und Spiel, so voll Gekose und Schmeichelei, daß sie die Herzen aus der Brust stahl. Wozu aber soviel Worte? Es genügt, wenn ich sage, daß sie wie mit dem Pinsel gemalt schien und man keinen Fehl an ihr finden konnte. Als daher Caradonia wahrnahm, daß Cecella gegen ihre Tochter sich ausnahm wie ein Samtkissen gegen einen Scheuerwisch, wie ein venezianischer Spiegel im Vergleich zu einem rußigen Tiegel, wie die Fee Morgana neben einer Hexe, so fing sie an, Cecella mit scheelen Augen anzusehen und sie herzlich satt zu bekommen. Sie hatte deshalb kaum im Hause festen Fuß gefaßt, als das Geschwür an ihrem Herzen aufplatzte, und da sie nicht länger diese Folter ertragen konnte, fing sie an, das unglückliche Mädchen auf jede mögliche Weise zu quälen; denn ihre eigene Tochter ließ sie in einem ausgezackten Kleide von Sarsch und einem Mieder aus Samt, die arme Stieftochter aber in den ärgsten Lumpen und Fetzen des ganzen Hauses einhergehen; der Tochter gab sie Brot so weiß wie Schnee, der Stieftochter ein Stück vertrockneten und verschimmelten Brotes; die Tochter ließ sie den ganzen Tag die Hände müßig in den Schoß legen, die Stieftochter aber immerfort arbeiten wie ein Pferd, indem sie allein das Haus fegen, die Teller abscheuern, die Betten machen, die Wäsche waschen, die Schweine füttern, den Esel striegeln und die Nachttöpfe ausgießen mußte, welches alles das wackere fleißige Mädchen ohne Rast und Ruh und, ohne irgendeine Mühe zu sparen, gern verrichtete, um nur der bösen Stiefmutter ihren Willen zu tun.

Nun fügte es aber einmal ihr guter Stern, daß, als sie eines Tages aus dem Hause ging, um den Kehricht an einen Ort zu werfen, wo sich eine großmächtige Grube befand, ihr der Korb herunterfiel, und während sie nachsann, auf welche Weise sie ihn aus der gewaltigen Tiefe herausfischen könnte, sie ein schwarzes Ungeheuer erblickte, von dem man nicht recht sagen konnte, ob es das Original oder die Kopie der häßlichsten Scheusale sein mochte. Dies war nämlich ein wilder Mann, der Haare hatte, pechschwarz wie Schweinsborsten, die ihm bis auf die Fersen reichten, eine runzelige Stirn, von der jede Falte eine mit dem Pflug gemachte Furche schien, gewölbte und buschige Brauen, schielende und tiefeingesunkene triefende, verklebte Augen, die zwei schmutzigen Läden unter großen Regendächern von Wimpern glichen, ein schiefes, geiferndes Maul, aus dem wie bei einem Wildschwein ein paar Hauer hervorragten, eine blättrige Brust mit einem Haarwald, von dem man eine Matratze hätte anfüllen können; außerdem noch einen hohen Buckel, einen dicken Wanst, dünne Beine und krumme Füße, so daß ein anderer vor Furcht in Ohnmacht gefallen wäre; Cecella jedoch, obwohl sie solch ein entsetzliches Ungeheuer vor sich sah, faßte sich ein Herz und sprach: »Wollt Ihr nicht, lieber Mann, mir den Korb, der mir da hinuntergefallen ist, heraufreichen, Ihr sollt auch eine recht reiche Frau bekommen.« Worauf der wilde Mann antwortete: »Steig herab, meine Tochter, und hole dir ihn selbst.« Und das wackere Mädchen stieg auch wirklich, indem sie sich an den Baumwurzeln anhielt und an die Steine anklammerte, in die Tiefe hinunter, woselbst sie (man sollte es kaum glauben!) drei Feen fand, eine immer schöner als die andere, die Haare hatten von gesponnenem Gold, Gesichter wie der Vollmond, Augen, die redeten, einen Mund, der mit lieblicher Musik zu zuckersüßen Küssen einlud, und – was kann man weiter sagen – einen zarten Hals, eine mollige Brust, eine weiche Hand, einen zierlichen Fuß, und, mit einem Wort, eine Anmut, daß man sie einen mit lauter Schönheiten vergoldeten Rahmen nennen konnte. Diese nun erwiesen Cecella so viele Schmeicheleien und Liebkosungen, wie man sie sich kaum auszudenken vermag, faßten sie darauf bei der Hand, führten sie in ein Haus, das zwischen Schlupfwinkeln verborgen lag und einem gekrönten Haupt hätte zur Behausung dienen können. Als sie es aber betreten und sich auf türkische Teppiche und Kissen von glattem Samt mit Troddeln aus gesponnenem oder gedrehtem Golde niedergesetzt hatten, ließen sich die Feen von Cecella die Haare kämmen, und während sie mit einem durchsichtigen Kamm aus Büffelhorn dies Geschäft höchst sorgfältig und vorsichtig verrichtete, fragten sie die Feen: »Liebes Töchterlein, was findest du auf dem Köpfchen?« Worauf sie mit feiner Manier antwortete: »Ich finde Nißchen und Läuschen wie Perlen und Granaten.« Den Feen gefiel die Artigkeit Cecellas über alle Maßen, und nachdem diese trefflichen Frauen sich die zerstreuten Haare aufgesteckt hatten, führten sie Cecella mit sich umher und zeigten ihr nach und nach alle Herrlichkeiten jenes Zauberpalastes; bald sah man Schreine, sorgfältig mit Kastanien- und Hagebuchenholz ausgelegt, bald Kästchen mit Roßleder überzogen und mit zinnernen Verzierungen geschmückt, bald Tische aus Nußbaumholz, so blank, daß man sich darin spiegeln konnte, bald Truhen mit messingnen Beschlägen, von deren Glanz man geblendet wurde, bald Himmelbetten mit Vorhängen aus grüngeblumtem Stoff, bald lederne Lehnstühle und noch viel andere Pracht, daß jeder andere bei diesem Anblick vor Staunen außer sich geraten wäre; Cecella jedoch betrachtete die Herrlichkeiten jenes Palastes mit größter Gleichgültigkeit, ohne sich irgendwie darüber zu wundern oder zu gaffen. Als sie zuletzt in eine mit den kostbarsten Gewändern dicht angefüllte Kleiderkammer getreten waren, zeigten die Feen ihr Frauenröcke aus spanischem Brokat, Roben mit Hängeärmeln aus dem schwersten Samt und goldverziertem Saum, Überwürfe aus Flor, mit Schmelzspitzen besetzt, Leibchen aus stärkstem Taft, Stirnbänder aus natürlichen Blümchen und Zieraten in Gestalt von Eichenlaub, Muscheln, Halbmonden und Schlangenzungen; ferner blaue und weiße Spangen mit gläsernen Spitzen, Kornähren, Lilien und Federbüsche, alle, um als Kopfputz zu dienen, künstliche Granaten, mit Silber eingelegt, und endlich noch tausend andere Figürchen und Schmucksachen, die man um den Hals zu tragen pflegt. Indem nun die Feen alle diese Pracht Cecella zeigten, sagten sie ihr, sie solle ganz nach ihrem Wunsche von diesen Sachen wählen und sich davon nehmen, so viel sie wollte; Cecella jedoch, demütig und anspruchslos wie ein Veilchen, überging alle Sachen von größerem Werte und ergriff nur einen zerlumpten Frauenrock, der keine sechs Pfennige wert war.

Hierauf fragten die Feen Cecella: »Durch welche Tür willst du aus dem Hause gehen, liebes Herzchen?«, und diese, sich bis auf die Erde verneigend und gleichsam im Staub wälzend, versetzte: »Für mich ziemt es sich, durch den Stall hinauszugehen.« Da umarmten sie die Feen auf das allerfreundlichste, küßten sie tausendmal, zogen ihr ein nagelneues, ganz mit Gold gesticktes Gewand an und machten ihr den Scheitel auf schottische Weise in Form eines Körbchens und mit so vielen Löckchen und Bändern, daß er wie eine blumige Flur aussah, das Stirnhaar mit einem Toupet und Knöpfen, die Flechten aber ließen sie ihr hinten herabhängen; alsdann begleiteten sie Cecella bis an die Tür, die aus massivem Gold und ringsherum mit Karfunkeln besetzt war, und sprachen zu ihr: »Gehe jetzt, liebe Cecella, begleitet von unseren Wünschen, dich bald verheiratet zu sehen; gehe also jetzt, Und wenn du aus dieser Tür getreten bist, so schlage die Augen auf und sieh, was da droben ist.« Cecella machte hierauf tiefe Verbeugungen und ging fort; sobald sie aber zur Tür hinausgetreten war, hob sie den Kopf empor, und ein goldener Stern fiel ihr auf die Stirn, der gar herrlich anzusehen war, so daß sie, gestirnt wie eine Fee, langsamen Schrittes nach Hause zurückkehrte und vor die Stiefmutter trat, der sie alles Vorgefallene von Anfang bis zu Ende erzählte. Dies war jedoch für die boshafte Frau nichts Angenehmes, sondern vielmehr nur ein Stich ins Herz, weshalb sie sich gar nicht zufriedengeben konnte und sich endlich den Wohnsitz der Feen von Cecella bezeichnen ließ, wohin sie denn unverweilt das Scheusal von Tochter schickte. Sobald diese den Zauberpalast betreten und jene drei Edelsteine von Feen daselbst angetroffen hatte, erhielt sie zuerst und vor allen Dingen den Auftrag, ihnen den Kopf zu durchsuchen und befragt, was sie fände, antwortete sie: »Jede Laus ist so groß wie eine Faust und jede Nisse wie ein Ei.« Zwar ärgerten sich hierüber die Feen gar sehr, und das unartige Benehmen der groben Liese fuhr ihnen heftig in die Nase; jedoch schwiegen sie ganz stille, indem sie an dieser Probe das ganze Stück erkannten, führten sie hierauf in die Zimmer, wo sich die kostbaren Gewänder befanden, und sagten daselbst zu ihr, daß sie sich das Allerbeste auswählen sollte. Grannizia nun, welche sich einen Finger anbieten sah, wollte die ganze Hand ergreifen und nahm sich daher das schönste Kleid, das sich in den Schränken befand. Als die Feen Grannizia etwas so Kostbares ergreifen sahen, grollten sie ihr noch viel mehr, indes wollten sie abwarten, wie weit ihre Unverschämtheit gehen würde, und fragten sie daher: »Durch welche Tür willst du aus dem Hause hinausgehen, liebes Jüngferchen, durch die goldene oder durch die Hintertür?« Worauf Grannizia mit kecker Stirn versetzte: »Durch die beste, die da ist.« Die Feen konnten nun nicht länger die Frechheit dieser Vettel ertragen und gaben ihr daher auch nicht das allergeringste, sondern schickten sie mit leeren Händen fort, indem sie zu ihr sagten: »Sobald du aus der Stalltür trittst, hebe dein Gesicht in die Höhe und sieh zu, was dann herabfallen wird.« Kaum war daher Grannizia über die Misthaufen hinweg hinausgetreten, so hob sie den Kopf empor, und alsbald fiel ihr ein Eselshoden auf die Stirn, der unverzüglich mit deren Haut zusammenwuchs und so aussah, als ob ihre Mutter während der Schwangerschaft ein sonderbares Gelüst gehabt hätte. Mit diesem schönen Geschenk kehrte nun Grannizia ganz langsam zu ihrer Mutter zurück, so daß diese wütend wie eine Hündin, die geworfen hat, und mit schäumendem Munde Cecella sich sogleich ausziehen ließ und sie mit ein paar Lumpen, die ihr kaum die Blöße deckten, fortschickte, die Schweine auszutreiben, während sie ihre eigene Tochter mit deren Kleidern herausputzte, welch unbarmherzige Behandlung Cecella jedoch mit großer Ergebenheit und wahrer Hiobsgeduld ertrug. O mitleidlose Grausamkeit, die die Steine auf dem Felde hätte erweichen müssen, daß jener Mund, den die Natur nur für Liebesgekose gebildet hatte, sich gezwungen sah, das Horn eines Sauhirten zu blasen und »husch, husch, holla ho« zu rufen, daß jene Schönheit, die für Freier geschaffen war, sich stets im Freien und unter Schweinen umtreiben mußte, daß jene Hand, deren Zartheit Hunderte von Herzen hätte in Fesseln schlagen können, statt dessen Hunderte von Säuen mit einem Knüppel vor sich her jagte. Hätte doch lieber die Pest jene Fratzengesichter geholt, die sie in die Wälder hinausgejagt, wo unter dunklem Laubdach Furcht und Schweigen Schutz gegen die Sonne suchten.

Der Himmel aber, der die Hochmütigen in den Staub tritt und die Demütigen emporhebt, sandte Cecella einen vornehmen Herrn, namens Cuosemo, auf ihrem Wege entgegen, der nicht sobald diesen Edelstein im Kot, diesen Phönix unter den Schweinen, diese herrliche Sonne unter den zerrissenen Wolken der sie umhüllenden Lumpen erblickte, als er auch schon so verschossen in sie war, daß er sie alsbald fragen ließ, wer sie wäre und wo sie wohnte, und sich dann sogleich zu ihrer Stiefmutter begab und sie zur Frau begehrte, wobei er ihr eine ungeheure Summe als Morgengabe verhieß, worauf Caradonia, die diesen Braten für ihre Tochter zu erhaschen wünschte, ihm erwiderte, er möchte nur des Abends wiederkehren, denn sie wolle ihre Vettern zu sich einladen, um sich mit ihnen zu beraten. Cuosemo kehrte hierauf voll froher Hoffnungen nach Hause zurück, obwohl ihm die Zeit bis zu dem Augenblick, wo die Sonne sich ins silberne Bett legt, das ihr der indische Strom bereitet, tausend Jahre lang schien, indem er sich selbst mit der Sonne, von der ihm das Herz entflammt war niederzulegen sehnte. Caradonia hatte unterdessen Cecella in ein Faß gesperrt, in der Absicht, ihr ein warmes Bad zu bereiten, und weil sie die Schweine verlassen, sie wie ein Schwein mit heißem Wasser abzubrühen, während Cuosemo, der sich in immerwährender Ekstase befand und vor Verlangen starb, durch das Andrücken der geliebten Schönheit seine Leidenschaft auszudrücken. Als sich die Luft endlich verdunkelt hatte und der Himmel wie ein Wolfsrachen aussah, sprach er: »Dies ist die Stunde, wo ich den Baum, den Amor mir in die Brust gepflanzt hat, einkerben kann, um das Manna der Liebessüßigkeit hervorzulocken; dies die Stunde, wo ich den Schatz, den Fortuna mir versprochen, ausgraben kann; darum keine Zeit verloren, Cuosemo; wenn man dir ein Schwein versprochen, komm gelaufen, nicht gekrochen. O Nacht, glückliche Nacht, Freundin der Liebenden, die du sie in einen Leib und ein Leben, in ein Herz und eine Seele verwandelst, und du, o Amor, eilet, eilet über Hals und Kopf herbei, damit ich unter dem Zelt der Dunkelheit mich gegen die Glut, die mich verzehrt, schützen kann.« Indem er also sprach, langte er im Hause Caradonias an und fand Grannizia statt Cecella, eine Eule anstatt einer Nachtigall, eine Distel statt einer aufgeblühten Rose; denn wenngleich Grannizia sich die Kleider Cecellas angezogen hatte und man zu sagen pflegt: »Kleider machen Leute«, sah sie dennoch aus wie ein Mistkäfer auf Brokat, und weder die rote und weiße Schminke, noch die Schönpflästerchen, noch irgendein anderer Aufputz, den die Mutter an ihr vorgenommen, konnten ihr die Schuppen vom Kopfe, die Butter aus den Augen, die Sommersprossen aus dem Gesichte, den Brand aus den Zähnen, die Warzen vom Halse, die Geschwüre von der Brust und den Bock unter den Achseln bannen, dessen Gestank man auf eine Meile weit merken konnte. Als Cuosemo dieses Scheusal vor sich sah, wußte er gar nicht, wie ihm geschah, und indem er zurückfuhr, als war ihm der Gottseibeiuns erschienen, sprach er zu sich selbst: »Bin ich wach oder hat mir eine Schwalbe in die Augen gemacht? Bin ich's oder bin ich's nicht? Was siehst du da vor dir, unseliger Cuosemo? Du bist da gehörig angeführt! Das ist das Gesicht nicht, das mich heute früh so plötzlich beim Wickel kriegte; das ist das Bild nicht, das ich im Herzen umhertrage! Was soll das bedeuten, o Schicksal? Wo ist die Schönheit, wo der Haken, der mich enterte? Die Winde, die mich an sich zog? Der Pfeil, der mich durchbohrte? Wohl weiß ich, daß weder Leinwand noch Weiber bei Licht besehen werden dürfen, aber die da wählte ich mir ja am hellen Tage! Weh mir, das Goldstück von heute früh hat sich mir in Kupfermünze, der Diamant in Glas, der Wein in Essig verwandelt.« Diese und noch viele andere Worte brummte und murmelte er in den Bart; zuletzt jedoch, von der Notwendigkeit gezwungen, gab er Grannizia einen Kuß, aber als ob er einen alten Nachttopf küssen sollte, näherte und entfernte er mehr als dreimal seine Lippen, bevor er den Mund seiner Braut berührte, und als dies endlich geschah, glaubte er sich an dem Ufer der Chiaja zu befinden, um die Stunde, da, mangels richtiger Kanäle, die wackeren Frauen dem Meere den Tribut von was anderem als arabischen Wohlgerüchen entrichten.

Da nun aber inzwischen der Himmel, um jung auszusehen, sich seinen weißen Bart schwarz gefärbt hatte und die Wohnung Cuosemos sehr weit entfernt war, sah er sich gezwungen, Grannizia für jene Nacht in ein nicht weit von Panecuocolo gelegenes Haus zu bringen, in das er einen Strohsack auf ein paar Kisten warf und sich dann mit seiner Braut darauflegte. Wer könnte aber beschreiben, welch böse Nacht beide zubrachten! Denn obwohl es Sommer war und sie daher kaum acht Stunden dauerte, schien sie ihnen doch länger als die längste Winternacht. Die lüsterne Braut freilich kratzte, hustete, stieß zuweilen mit den Füßen, seufzte und forderte mit stummen Worten den Zins für das vermietete Haus. Cuosemo jedoch tat, als ob er schnarche, und retirierte sich an den Rand der Lagerstätte, um Grannizia nicht zu berühren, so daß er vom Sack herab auf den Nachttopf fiel und sich ein schmählicher Gestank erhob. O wie oft verwünschte Cuosemo die Grausamkeit der Sonne, die so endlos zauderte, um ihn desto länger auf diese Folter gespannt zu halten, und wie innig flehte er, daß die Nacht den Hals brechen und die Sterne verschwinden möchten, damit er durch die Ankunft des Tages sich diese bösen Stunden vom Halse schaffen könnte. Kaum war aber endlich die Morgendämmerung erschienen, um die Gluckhenne zu verscheuchen und die Hähne aufzuwecken, so sprang auch Cuosemo vom Lager und eilte, ohne sich auch nur die Hosen gehörig festgeknöpft zu haben, in das Haus Caradonias, um sich von ihrer Tochter loszusagen und ihr das Reugeld mit einem Besenstiel zu bezahlen. Als er jedoch bei ihr anlangte, fand er sie nicht zu Hause, da sie nach einem Bündel Holz in den Wald gegangen war, um ein heißes Bad für die Stieftochter zu bereiten, die in Bacchus' Grab, einem Weinfasse, eingesperrt war, obwohl sie eher in der Wiege Amors mit aller Bequemlichkeit hätte ruhen sollen. Indem nun Cuosemo Caradonia überall suchte, sie aber nirgends finden konnte, und daher anfing zu rufen: »Heda, wo seid Ihr?«, erhob eine schwarze Katze, die in der Asche kauerte, plötzlich und ganz unerwartet ihre Stimme und sprach: »Miau, miau, deine Braut ist ins Faß gesperrt.« Alsbald näherte Cuosemo sich dem Fasse und hörte ein dumpfes, leises Wimmern, worauf er hurtig eine Axt vom Kamin nahm und die Reifen des Fasses zerhieb, so daß beim Niederfallen der Dauben der Vorhang einer Schaubühne auseinanderzugehen und eine Göttin, die den Prolog spräche, sichtbar zu werden schien. Nur wie durch ein Wunder geschah es, daß Cuosemo bei so großem Glanz nicht plötzlich blind wurde; nachdem er aber eine Zeitlang dagestanden, als wenn er einen Hauskobold gesehen, und endlich wieder zu sich gekommen war, schloß er sie in seine Arme und rief: »Wer hat dich in diesen finsteren Kerker gesperrt, Juwel meines Herzens? Wer hat dich mir so lange verborgen, Hoffnung meines Lebens? Was ist das? Ein holdes Täubchen in einem Käfig von Reifen und ein Basilisk mit mir im Bette? Was ist hier vorgegangen? Sprich, süßes Mäulchen, tröste mich in meinem Leid und lege Balsam auf mein wundes Herz!«

Hierauf begann Cecella ihm alles, was vorgefallen war, ohne daß sie auch nur ein Titelchen überging, ausführlich zu erzählen, was sie nämlich von ihrer Stiefmutter, seitdem diese ihren Fuß ins Haus gesetzt, bis zu dem Augenblicke erduldet hatte, wo sie sie in ein Faß begraben, um ihr das Lebenslicht auszublasen. Sobald Cuosemo dies vernahm, hieß er Cecella, sich hinter der Tür zusammenkauern und dort versteckt halten, worauf er das Faß wieder zusammenschlug, dann Grannizia herbeiholte und, nachdem er sie hineingepackt, zu ihr sagte: »Halte dich hier drinnen eine kurze Zeit ganz ruhig, bis ich einen gewissen Zauber ausgeführt habe, damit dir keine Behexung etwas anhaben kann.« Alsdann machte er das Faß fest zu, umarmte Cecella, und indem er sie hinter sich auf ein Pferd nahm, eilte er mit ihr spornstreichs nach Pascarola, woselbst er wohnte. Kaum war nun Caradonia mit einem großen Bund Holz nach Hause zurückgekehrt, so machte sie ein großmächtiges Feuer, setzte einen gewaltigen Kessel mit Wasser über, und sobald dies zu sieden anfing, ließ sie es durch das Spundloch in das Faß laufen, so daß Grannizia, über und über verbrüht, mit den Zähnen knirschte, als wenn sie Krampfkraut gegessen hätte, und die Haut sich ihr ablöste wie einer Schlange, wenn sie ihren Balg wechselt. Als es aber Caradonia erschien, daß Cecella gehörig abgesotten sein und alle viere von sich gestreckt haben müßte, zerschlug sie das Faß, und indem sie nun (o Himmel, welch ein Anblick!) ihre eigene Tochter vor sich sah, die von ihrer leiblichen Mutter auf so grausame Weise war abgekocht worden, riß sie sich die Haare aus, zerkratzte sich das Gesicht, zerfleischte sich die Brust, zerbiß sich die Hände, rannte mit dem Kopf an die Mauer, stampfte mit den Füßen und machte ein solches Geschrei und Getöse, daß der ganze Ort zusammenlief. Nachdem sie sich nun so lange Zeit wie eine Wahnsinnige gebärdet hatte, dergestalt, daß kein Trost sie beruhigen und kein Zureden sie besänftigen konnte, rannte sie mit einem Male spornstreichs nach dem Brunnen und – plumps! – stürzte sie sich mit dem Kopfe voran hinunter, indem sie auf diese Weise die Wahrheit des Sprichwortes bewies:

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.

Kaum war dieses Märchen beendet, als Giallaise und Colajacovo, der eine der Hofkoch und der andere der Hofkellermeister, auftraten und ein Zwiegespräch hersagten, das allen so sehr gefiel, daß sie kaum wahrnahmen, daß die Sonne, müde davon, den ganzen Tag hindurch in den Gefilden des Himmels allein einen Ringeltanz zu halten, die zu dem Fackeltanz gejagt, sich selbst aber zurückgezogen hatte, um ein anderes Hemd anzuziehen. Als sie aber denn doch endlich bemerkten, daß die Luft sich verdunkle, begab sich ein jeder nach Hause und zur Ruhe.


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