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Der Pfarrer von Azay-le-Rideau

Dermalen konnten die Pfaffen schon nicht mehr Frauen ehelichen, sondern nahmen sich Beischläferinnen natürlich möglichst hübsche. Wie man weiß, wurde das hernach durch die Konzilien ebenfalls verboten, erstlich, weil es unerwünscht war, daß die Beichtgeheimnisse einer Vettel zu Ohren kamen, die sich darüber lustig machte, und dann aus vielen anderen kirchenpolitischen Gründen. Der letzte Pfaffe, der hierzulande sein legitimes Weib mit scholastischen Liebesbeweisen beglücken durfte, war ein Pfarrer zu Azay-le-Rideau. Ehrlich gesagt: in unsere Zeit hätte dieser Pfarrer nicht über die Maßen hineingepaßt; er war ein Kerl von echtem Schrot und Korn, sonnengebräunt, groß und stark, und aß und trank als ginge es ums Leben (womit er wohl recht hatte; denn als er später die Kirchengesetze einzuhalten suchte, schnitt er sich damit selbst den Lebensfaden ab). Im übrigen war er dunkelhaarig wie ein echter Turaner, flammenäugig genug, um alle Herdfeuer zu entzünden, und kurz und gut – nie hat Azay je wieder so einen prächtigen, freudewiehernden, lustigen, frommen und vielseitigen Pfarrer gehabt.

Ach, was für Späßlein hat man nicht alles von ihm erzählt! Er war es, der bei der Hochzeit des Herrn von Valesme alle so zum Lachen brachte. Damals war die Mutter selbigen Ehemannes voll Eifer, die Gäste, die meist weit her kamen, auch reichlich zu atzen. Just nun, wie der Pfarrer von einem Abstecher in den Festsaal zurückkehrt trifft er einen kleinen Küchenjungen, der seiner Gnädigen kund tun wollte: es sei nun alles zur Füllung der leckeren Wurst bereit, welchselbige die Hausfrau als besonderen Wonneschmaus für die Gäste ob der selbsterprobten knifflichen Vorschriften auch selbst überwachen wollte. Mein Pfaff gibt dem Töpfepfuscher einen Katzenkopf und sagt ihm: in solch schmierigen Aufzuge könne er sich nicht vor der Gesellschaft sehen lassen, und er wolle daher den Auftrag für ihn ausrichten. Damit geht der Spaßvogel in den Saal, krümmet die Finger der linken Haud zu einer Scheide und stopft in diese mehrmals ausdrucksvoll den Mittelfinger der rechten; und dabei blickt er die Hausfrau verständnisinnig an und spricht: »Kommt, alles ist bereit!« Stracks brachen die Gäste in fröhliches Gelächter aus, als sie sahen wie die Gnädige aufstand und mit dem Pfarrer hinausging. Denn sie wußten ja nicht, wie jene, daß es sich um die Wurst handelte und keineswegs um etwas anderes!

Wahr ist auch die Geschichte, die von dem kläglichen Ende seines Eheweibes berichtet, der er auf erzbischöfliche Weisung hin keine legitime Nachfolgerin geben durfte, womit nicht gesagt sein soll, daß er deshalb fortan des nötigen Hausgeschirres ermangelt hätte: denn seine Pfarrkinder machten sich eine Ehre daraus, ihm alles nötige zu leihen. Also eines Abends kam der Pfarrer gar traurig heim und erzählte seinem Weibe: »Weißt du, ich bin noch ganz zerschmettert von der Art, wie der arme Pächter, der Saukopf, daran glauben mußte...«

»Was ist denn nur geschehen?«

»Denke dir: Saukopf hatte auf dem Markt sein Korn und zwei Mastschweine verkauft und ritt auf seiner hübschen Stute heim; aber die war seit Azay brünstig, wovon er allerdings nichts ahnte. Wie er nun so des Weges trabte und seinen Verdienst nachrechnete, kam er dort an die Kreuzung der alten Heeresstraße, allwo in einer Koppel ein Deckhengst des Herrn de la Carte graste, ein Prachttier, schön, groß und riesenstark. Kaum witterte nun der verteufelte Hengst das Stütlein, da legt er schon die Ohren zurück, setzt über ein Rebstück mit wohl vierzig Weinstöcken, und jagt hinterdrein. Der Boden dröhnte unter dem Stampfen der Hufe, und sein Liebesgewieher ging einem durch Mark und Bein: bis nach Champy hörte man's und auch dem Mutigsten mußte dabei angst und bange werden. Saukopfen wird es schwummerig, aber er vertraut auf seiner Stute flinke Beine, lenkt stracks in die Heide, gibt die Sporen, und vorwärts geht es wie der Wind, ihm nach der Hengst mit seinem beängstigenden Trabtrab! Der Pächter spürt den Tod im Genick und als er endlich zum Hofe kommt, ist er totenbleich. Aber er findet die Stalltür zu, schreit: »Zu Hilfe, Frau, zu Hilfe!«, dreht wieder um, jagt um den Teich und sucht immer nur dem Hengst zu entrinnen, der vor Brunst rast und sich immer toller gebärdet. Die Hofleute trauen sich nicht die Stalltür zu öffnen, weil sie des verliebten Hengstes Huftritte fürchten; aber endlich macht die Pächtersfrau auf: die Stute stracks hinein, aber schon an der Tür ist der Hengst hintendrauf, wirft die Beine um sie, quetscht, stößt, tobt und zerstampft und zermalmt dabei den armen Saukopf, der am Ende nur mehr eine formlose Masse war, just wie ein ausgepreßter Nußkuchen. Es war herzzerreißend, sein Wehegeschrei zu hören, und mitten hinein immer das Liebesgewieher des Gaules.«

»Ach, die Stute!« rief die Pfarrersfrau.

»Und was?« fragte er verwundert.

»Ach, als ob ihr Männer auch nur eine Pflaume zerdrücken könntet.«

»Wart nur, das werde ich dir gleich zeigen!« Damit warf er sie grimmig aufs Bett und ließ sie einen Liebesgesang vernehmen, davon sie glatt auseinanderbarst und verstarb, ohne daß die Ärzte für die Risse in Muskeln und Sehnen eine Erklärung finden konnten. Weiß Gott, der Pfarrer war ein verteufelter Prachtkerl! Aber nicht nur bei dieser Gelegenheit bewies der hochgemute Mann seine gewaltige Kraft. Schon früher leistete er sich ein Stücklein, das allen Spitzbuben die Lust verdarb, bei ihm ihr Glück zu versuchen. Saß er da eines Abends, nachdem er sich an einer Gans, seinem Weibe und einem herzhaften Trunke gütlich getan hatte, in seinem Lehnstuhl, als ein Bote ihm vermeldete, der Herre von Sacché ließe ihn eilig rufen, maßen er am Verscheiden sei und noch rasch mit seinem Gotte sich versöhnen wolle. »Gut, ich komme!« ruft er, eilt in die Kirche, holt das silberne Ciborium, und um den Messner nicht zu wecken, läutet er selbst das Glöcklein, derweile er rüstig fürbaß schreitet. Aber wie er zum Brücklein über die Grad-Furt kommt, sieht er einen Wegelagerer, der auf die wertvolle Silberbüchse lauerte.

»Ei, ei,« meint unser Pfaff und setzt das Ciborium auf den Brückenkopf: »bleib du hier und wart' ein bissel!« Daun geht er stracks wider den Strolch, gibt ihm einen Mordstritt, reißt ihm den eisenbeschlagenen Stock aus der Hand, und wie jener erneut anspringt, haut er ihm eins aufs Gedärm, daß ihm für immer die Luft ausgeht. Dann nimmt er das Viatikum wieder und sagt: »Hätte ich auf deinen heiligen Schutz vertraut, dann wär' ich verratzt.« Damit gedachte er nämlich eines Falles, wo er die faulen Bauern heruntergekanzelt hatte: eine gute Ernte käme nicht sowohl durch Gottes Gnade als durch fleißige Arbeit zustande; und darob war er vom Erzbischof als gar ketzerisch angefahren worden. Und nun noch eine Geschichte, die erweist, wie eifrig er nach der Heiligen Vorbilde besorgt war, auch die Ärmsten zu beglücken. Einst ritt er auf seinem Maultier fröhlich von Tours heim. Sieht er da dicht vor Ballan ein hübsches Mägdelein des Weges schreiten, das dem Gange nach weidlich müde schien. Darob krampft sich sein mitleidig Herz, flugs holt er sie ein und heißt sie sänftiglich mit aufzusitzen. Erst zierte das Mädel sich natürlich, aber dann stieg es doch gern hinten auf, und weiter trabt das Maultier mit Hirt und Schäflein auf dem Rücken. Maßen die Dirn' aber allezeit hin und her rutschte, so riet er ihr, als sie Ballan hinter sich hatten, sich hübsch an ihm festzuhalten, worob sie bereitwilligst ihre prallen Arme um seine Brust legte.

Das tat ihm über die Maßen wohl; deun solcherart ward sein Rücken von zwei Halbkugeln gar köstlich erwärmt und die Hitze breitete sich mählig auch weiter aus, kurz, nach einer Weile war den beiden Reitern wohliger eingeheizt als des Maultiers sanstes Wiegen zustande bringen konnte, und so kam es, daß jeder der beiden des andern Gedanken erriet. Darob wandte sich der Pfarrer um und meinte: »Was denkst du von dem Busche da?«

»Er liegt zu nahe am Weg und wird seine Zweige bald verlieren.«

»Bist du nicht verheiratet?« fragte er und ritt weiter. – »Nein.« – »Nicht einmal ein kleines bischen?« – »Nein.« – »Ei, welche Schande in deinem Alter.«

»Freilich, Herr Pfarrer! Aber wenn so ein armes Mädel ein Kind weg hat, dann taugts schlecht zum Haustier.« Ob solcher Unwissenheit ward der gute Pfaff von tiefem Mitleiden erfüllt und sintemalen die Kirchenregeln fordern, daß ein Seelenhirte seine Lammlein wohl unterweise, um sie auf ihre Pflichten vorzubereiten, so hub er alsbald mit sanften Worten an: sie möge sich ohne Bangen seiner Gewissenhaftigkeit anvertrauen und eine eheliche Kostprobe machen, die niemand erfahren würde. Natürlich entgegnete sie trotz besagter lüsterner Seelenwärme eindringlichst: »Wenn Ihr so redet, steige ich ab!« Aber er setzte seine sanften Ermahnungen fort, bis sie zum Walde von Azay kamen, wo sie mit dem Absteigen Ernst machte. Ihm war das sehr lieb, denn im Sattel konnte er seine Absichten nicht wohl zu Ende führen. Zwar lief der tugendsame Schalk flink ins dichte Gesträuch und rief: »Etsch, nun sucht mich, Herr Schelm!« Aber schon war sie gestolpert und der Pfarrer sprang herzu, und dann nahmen beide einen großen Vorschuß auf die Wonnen des Paradieses. Er war dabei wohl bedacht darauf, sie bis ins kleinste richtig zu unterweisen, und sie zeigte sich recht gelehrig, denn ihre Seele war nicht minder zart denn ihr Leib. Maßen sie aber schon nahe bei Azay waren, mußte er sich doch ziemlich kurz fassen, und das betrübte ihn, denn wie jeder gewissenhafte Lehrer hätte er die Lektion gern noch einmal wiederholt. »Ach, mein Schmuckchen, warum hast du dich nur so lange geziert, bis wir nun Azay vor der Nase haben?!«

»Ja, weil ich in Ballan zuhause bin,« lachte sie. Bei solcher Herzensgüte war's begreiflich, daß sich bei des wackern Pfarrers Tode ein trostloses Wehklagen in Azay erhob und nicht nur die jüngeren, nein alle unter Tränen riefen: »Wehe, wir haben unsern Vater verloren.« Und zumal die Weiblein, jung wie alt, greinten: »Der war mehr denn ein Pfarrer, er war ein Mann!«

Ach, heute ist diese Saat vom Winde verweht nnd alle Seminare der Welt werden uns solche Pfarrer nicht mehr wiedergeben!

Der wohltätige Pfarrer

Der wohltätige Pfarrer


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