Honoré de Balzac
Eine dunkle Geschichte
Honoré de Balzac

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Der Wald von Nodesme gehörte zu einem Kloster namens Notre Dame, das erobert, geplündert, zerstört wurde und völlig verschwand, die Mönche wie der Besitz. Der Wald, ein Gegenstand der Habgier, fiel den Grafen der Champagne zu, die ihn später verpfändeten und ihn verkaufen ließen. In sechs Jahrhunderten bedeckte die Natur die Ruinen mit ihrem reichen und starken grünen Mantel und tilgte sie derart aus, daß von dem Dasein eines der schönsten Klöster nur noch eine ziemlich schwache Bodenerhebung zeugte, die von schönen Bäumen beschattet und von undurchdringlich dichtem Gebüsch umschlossen war. Michu hatte es seit 1794 selbst noch dichter gemacht, indem er dornige Akazien in die buschlosen Zwischenräume pflanzte. Am Fuße dieser Erhebung lag ein Sumpf, das Zeichen einer versickerten Quelle, die zweifellos einst die Anlage des Klosters bestimmt hatte. Der Inhaber der Eigentumsurkunden des Waldes von Nodesme hatte allein die Herkunft dieses achthundert Jahre alten Wortes erkannt und daraus schließen können, daß einst ein Kloster mitten im Walde gelegen hatte. Bei den ersten Donnerschlägen der Revolution hatte der Marquis von Simeuse sich wegen einer Besitzanfechtung auf diese Urkunden berufen müssen und so diese Besonderheit durch Zufall erfahren. Nun begann er in einem leicht begreiflichen Hintergedanken die Stätte des Klosters zu suchen. Der Waldhüter, dem der Wald so gut bekannt war, hatte seinem Herrn natürlich dabei geholfen und in seinem Försterscharfsinn die Lage des Klosters erkannt. Indem er die Richtung der fünf Hauptwege des Waldes verfolgte, von denen mehrere verschwunden waren, erkannte er, daß alle zu dem Hügel und dem Sumpfe führten, wohin man früher von Troyes, aus dem Tal von Arcis, dem Tal von Cinq-Cygne und von Bar-sur-Aube kommen mußte. Der Marquis wollte den Hügel untersuchen lassen, konnte zu dieser Arbeit jedoch nur landfremde Leute verwenden. Unter dem Druck der Verhältnisse gab er seine Nachforschungen auf, doch in Michus Geist blieb der Gedanke rege, daß die Bodenerhebung Schätze oder die Grundmauern der Abtei berge. Michu setzte diese Altertumsforschung fort; er merkte, daß der Boden hohl klang, selbst in Höhe des Sumpfes, zwischen zwei Bäumen, am Fuße der einzigen steilen Stelle der Anhöhe. In einer schönen Nacht ging er mit einem Spaten an die Arbeit und legte eine Kelleröffnung frei, in die man auf Steinstufen hinabstieg. Der Sumpf, der an seiner tiefsten Stelle drei Fuß tief ist, hat die Form eines Spatels, dessen Griff aus dem Hügel zu kommen scheint. Man könnte glauben, daß aus diesem künstlichen Felsen eine verlorene Quelle kommt, die durch den weiten Wald versickert. Dieser Sumpf, der von Wasser liebenden Bäumen, von Erlen, Weiden und Eschen umsäumt wird, ist der Treffpunkt der Pfade, die von den alten Straßen und den heute verödeten Waldalleen übriggeblieben sind. Das frische, scheinbar stehende Wasser, das mit großblättrigen Pflanzen und Kresse bedeckt ist, zeigt eine völlig grüne Fläche, die sich kaum von den Ufern mit ihrem feinen dichten Gras unterscheidet. Es ist zu fern von allen Wohnstätten, als daß außer dem Wild irgendein Tier dort zur Tränke käme. In der Überzeugung, daß unter diesem Sumpfe nichts sein könne, und von den unzugänglichen Rändern des Hügels abgeschreckt, hatten die Waldhüter oder Jäger diesen Winkel, der zum ältesten Schlage des Waldes gehörte, nie untersucht noch durchforscht, und Michu hatte ihn, als er geschlagen werden sollte, als Hochwald stehen lassen. Am Ende des Kellers liegt ein gewölbtes Verließ, rein und gesund, ganz aus Quadersteinen erbaut, nach Art des sogenannten In pace, des Kerkers der Klöster. Der gesunde Zustand des Kerkers, die Erhaltung des Treppenrestes und des Gewölbes erklären sich durch die Quelle, die bei der Zerstörung verschont geblieben war, und durch eine wahrscheinlich sehr dicke Mauer aus Ziegeln und Zement nach Art der römischen Mauern, die das Wasser von oben abhielt. Michu schloß den Eingang dieses Schlupfwinkels mit großen Steinen; und um das Geheimnis für sich zu behalten und es undurchdringlich zu machen, machte er es sich zur Pflicht, die bewaldete Anhöhe hinanzusteigen und über den steilen Abfall in den Keller hinabzugehen, statt ihn von dem Sumpf aus zu betreten.

In dem Augenblick, da die beiden Flüchtlinge dort anlangten, lag das silberne Mondlicht auf den uralten Bäumen des Hügels und spielte in den prachtvollen Gruppen der von den dort einmündenden Wegen mannigfach ausgeschnittenen Waldzungen: die einen abgerundet, die andern spitz, die eine in einem einzelnen Baum endend, die andre in einem Waldstück. Von hier verlor sich der Blick unwiderstehlich in fliehende Perspektiven und folgte bald der Biegung eines Pfades, bald dem prächtigen Durchblick einer langen Waldallee, bald einer fast schwarzen Laubwand. In dem durch das Astwerk dieser Wegekreuzung sickernden Lichte blickten an den offnen Stellen zwischen der Kresse und den Seerosen ein paar Diamanten des stillen, unbekannten Wassers auf. Das Quaken der Frösche störte die tiefe Stille dieses holden Waldwinkels, dessen wilder Duft die Seele mit Freiheitsgedanken erfüllte.

»Sind wir wirklich gerettet?« fragte die Gräfin Michu.

»Ja, gnädiges Fräulein. Aber wir haben beide noch unsre Aufgabe. Binden Sie unsre Pferde oben auf dem kleinen Hügel an Bäume, und knüpfen Sie jedem ein Tuch ums Maul«, sagte er, ihr seine Halsbinde reichend. »Sie sind alle beide klug und wissen dann, daß sie still sein müssen. Sind Sie fertig, dann steigen Sie über diesen Abhang gerade zum Wasser herab; bleiben Sie nicht mit Ihrem Reitkleid hängen; Sie finden mich unten.«

Während die Gräfin die Pferde versteckte, anband und knebelte, wälzte Michu die Steine fort und legte den Eingang zum Keller frei. Die Gräfin, die den Wald zu kennen glaubte, war aufs höchste erstaunt, sich unter einer Kellerwölbung zu sehen. Michu legte die Steine, geschickt wie ein Maurer, wieder gewölbt über den Eingang. Als er fertig war, hallten der Hufschlag der Pferde und die Stimmen der Gendarmen durch die nächtliche Stille, aber er schlug ruhig das Feuerzeug an, entzündete einen kleinen Fichtenast und führte die Gräfin in das Verließ, wo sich noch ein Lichtstumpf befand, bei dessen Schein er den Keller erkundet hatte. Die mehrere Zoll dicke, hier und da vom Rost zerfressene Eisenpforte war vom Verwalter ausgeflickt worden. Sie wurde von außen mit Riegeln verschlossen, die auf beiden Seiten in Löcher paßten. Todmüde setzte die Gräfin sich auf eine Steinbank, über der sich noch ein in die Wand eingelassener Ring befand.

»Wir haben einen Salon zum Plaudern«, sagte Michu. »Jetzt können die Gendarmen umherstreifen, solange sie wollen. Das Schlimmste, was uns geschehen könnte, wäre, daß sie uns unsre Pferde wegnähmen.«

»Uns unsre Pferde wegnehmen,« versetzte Laurence. »das wäre der Tod für meine Vettern und die Herren von Hauteserre! . . . Nun, was wissen Sie?«

Michu erzählte das wenige, was er von der Unterhaltung zwischen Malin und Grévin erlauscht hatte. »Sie sind unterwegs nach Paris und werden morgen früh dort eintreffen«, sagte die Gräfin, als er geendet hatte.

»Verloren!« rief Michu. »Sie begreifen, daß alle, die hinein und hinaus wollen, an den Toren überwacht werden. Malin hat das größte Interesse daran, daß meine Herren sich gründlich bloßstellen, damit er sie umbringen kann.«

»Und ich weiß nichts von dem allgemeinen Plan der Sache!« rief Laurence aus. »Wie soll man Georges, Rivière und Moreau warnen? Wo sind sie? Aber denken wir nur an meine Vettern und an die Hauteserres. Holen Sie sie um jeden Preis ein.«

»Der Telegraph läuft schneller als die schnellsten Pferde,« sagte Michu, »und von allen Adligen, die in diese Verschwörung verwickelt sind, sind Ihre Vettern am leichtesten aufzuspüren. Wenn ich sie wiederfinde, müssen sie hier untergebracht werden. Wir verbergen sie hier, bis die Sache vorbei ist. Ihr armer Vater hatte vielleicht eine Vorahnung, als er mich auf die Spur dieses Schlupfwinkels brachte. Er ahnte, daß seine Söhne sich hierher retten würden!«

»Meine Stute kommt aus den Ställen des Grafen von Artois. Ihre Mutter ist eins der schönsten englischen Pferde, aber sie hat sechsunddreißig Wegstunden gemacht. Sie stürbe, ohne Sie ans Ziel gebracht zu haben«, sagte sie.

»Mein Pferd ist gut,« versetzte Michu, »und wenn Sie sechsunddreißig Wegstunden gemacht haben, werde ich nur achtzehn zu machen haben.«

»Dreiundzwanzig,« entgegnete sie, »denn sie sind seit fünf Stunden unterwegs. Sie finden sie jenseits Lagny in Coupvrai, das sie bei Morgengrauen, als Schiffer verkleidet, verlassen sollen. Sie beabsichtigen auf Schiffen nach Paris hereinzukommen. Hier«, sagte sie und zog die Hälfte des Traurings ihrer Mutter vom Finger, »ist das einzige, dem sie Glauben schenken werden. Ich gab ihnen die andre Hälfte. Der Wächter von Coupvrai, der Vater eines ihrer Soldaten, versteckt sie heute nacht in einer verlassenen Köhlerhütte mitten im Walde. Sie sind im ganzen acht. Die Hauteserres und vier Leute sind mit meinen Vettern.«

»Fräulein, den Soldaten wird man nicht nachlaufen. Kümmern wir uns nur um die Herren von Simeuse und lassen Sie die andern sich retten, wie es ihnen beliebt. Genügt es nicht, ihnen zuzurufen: ›Es geht um Hals und Kragen‹?«

»Die Hauteserres im Stiche lassen? Nie!« rief sie. »Sie müssen alle zusammen untergehen oder sich retten!«

»Kleine Edelleute?« warf Michu ein.

»Sie sind nur Chevaliers,« entgegnete sie; »das weiß ich. Aber sie haben sich mit den Cinq-Cygnes und den Simeuses verbündet. Bringen Sie also meine Vettern und die Hauteserres zurück und beraten Sie sich mit ihnen, wie sie diesen Wald am besten erreichen können.«

»Da sind die Gendarmen! Hören Sie sie? Sie halten Rat.«

»Nun, Sie hatten heute abend schon zweimal Glück. Gehen Sie, und bringen Sie sie her. Verstecken Sie sie in diesem Keller, hier sind sie vor allen Nachstellungen geschützt! Ich kann Ihnen zu nichts nützen,« versetzte sie wütend, »ich wäre nur ein Fanal, das dem Feinde leuchtete. Wenn die Polizei mich ruhig sieht, wird sie nie auf den Einfall kommen, daß meine Verwandten in den Wald zurückkehren könnten. Somit besteht die ganze Frage darin, fünf gute Pferde zu finden, um in sechs Stunden von Lagny nach unserem Walde zu kommen, fünf Pferde, die man tot in einem Dickicht liegen lassen muß.«

»Und Geld?« entgegnete Michu, der der jungen Gräfin mit tiefem Nachdenken zuhörte.

»Ich gab meinen Vettern heute abend hundert Louisdors.«

»Ich bürge für sie!« rief Michu aus. »Sind sie erst versteckt, so müssen Sie darauf verzichten, sie zu sehen. Meine Frau oder mein Junge werden ihnen zweimal wöchentlich Essen bringen. Aber da ich für mich nicht bürge, so müssen Sie, Fräulein, im Fall eines Unglücks wissen, daß der Hauptbalken meines Pavillons mit einem Bohrer ausgehöhlt ist. In dem Loch, das mit einem dicken Pflocke verstopft ist, befindet sich der Plan zu einem Winkel des Waldes. Die Bäume, die auf dem Plane mit einem roten Punkte bezeichnet sind, tragen im Wald einen schwarzen Streifen am Fuße. Jeder dieser Bäume ist ein Wegweiser. Unter der dritten alten Eiche links von jedem Wegweiser liegen, zwei Schritte von dem Stamme, Blechröhren, sieben Fuß tief vergraben; in jeder sind hunderttausend Franken in Gold. Diese elf Bäume, es sind nur elf, sind das ganze Vermögen der Simeuses, seit Gondreville ihnen genommen ist.«

»Der Adel wird hundert Jahre brauchen, um sich von solchen Schlägen zu erholen!« versetzte Fräulein von Cinq-Cygne langsam.

»Gibt es eine Parole?« fragte Michu.

»Frankreich und Karl für die Soldaten, Laurence und Ludwig für die Herren von Hauteserre und von Simeuse. Mein Gott, gestern sah ich sie zum erstenmal seit elf Jahren wieder, und heute muß ich sie in Todesgefahr wissen – und welch eines Todes! Michu,« sagte sie mit schwermütigem Ausdruck, »seien Sie während dieser fünfzehn Stunden ebenso vorsichtig, wie Sie in diesen zwölf Jahren groß und treu waren. Wenn meinen Vettern etwas zustieße, so stürbe ich . . . Nein,« verbesserte sie sich, »ich würde lange genug leben, um Bonaparte zu töten!«

»Ich bin der Zweite im Bunde, an dem Tage, wo alles verloren ist.«

Laurence ergriff Michus rauhe Hand und drückte sie kräftig nach englischer Art. Michu zog seine Uhr; es war Mitternacht.

»Wir müssen um jeden Preis hinaus«, sagte er. »Wehe dem Gendarmen, der mir den Weg versperrt! – Und Sie, ohne Ihnen etwas zu befehlen, Frau Gräfin, kehren Sie mit verhängten Zügeln nach Cinq-Cygne zurück. Dort sind sie, halten Sie sie auf.«

Als die Öffnung frei war, hörte Michu nichts mehr. Er warf sich mit dem Ohr auf den Boden und sprang rasch wieder auf.

»Sie sind am Waldrand nach Troyes,« sagte er, »ich werde sie zum besten halten!«

Er half der Gräfin hinaus und legte die Steine wieder vor. Als er fertig war, hörte er Laurences sanfte Stimme ihn rufen. Sie wollte ihn zu Pferde sehen, bevor sie selbst aufsaß. Der rauhe Mann hatte Tränen in den Augen, als er mit seiner jungen Herrin einen letzten Blick tauschte, doch ihre Augen blieben trocken.

»Halten wir sie auf, er hat recht!« sagte sie, als sie nichts mehr hörte. Und in langem Galopp sprengte sie nach Cinq-Cygne.

Frau von Hauteserre, die die Revolution noch nicht für beendet hielt und die rasche Justiz jener Zeit kannte, kam wieder zu sich, als sie hörte, daß ihre Söhne in Todesgefahr schwebten, und gewann ihre Kräfte durch die nämliche Gewalt des Schmerzes wieder, die sie ohnmächtig gemacht hatte. Von einer furchtbaren Neugier getrieben, ging sie in den Salon hinunter, dessen Anblick jetzt ein Bild darbot, das des Pinsels eines Genremalers würdig war. Der Pfarrer saß noch immer am Tisch, klapperte mechanisch mit den Spielmarken und beobachtete verstohlen Peyrade und Corentin, die in einer Ecke am Kamin standen und miteinander flüsterten. Mehrmals begegnete Corentins schlauer Blick dem nicht minder schlauen des Pfarrers, doch wie zwei Gegner, die sich gleich stark fühlen und die wieder Stellung nehmen, nachdem sie die Waffe gekreuzt haben, blickten beide rasch wieder fort. Der biedre Hauteserre stand auf seinen zwei Beinen wie ein Reiher neben dem dicken, fetten, großen und geizigen Goulard in der Haltung, die ihm die Bestürzung gegeben. Obwohl in bürgerlicher Kleidung, sah der Bürgermeister noch immer aus wie ein Bedienter. Beide starrten blöde auf die Gendarmen, zwischen denen Gotthard noch immer weinte; seine Hände waren so fest gebunden, daß sie violett und geschwollen waren. Katharina stand nach wie vor in ihrer einfältig naiven, aber undurchdringlichen Haltung da. Der Brigadier, der nach Corentins Wort die Dummheit begangen hatte, diese guten Kinder zu verhaften, wußte nicht mehr, ob er gehen oder bleiben sollte. Er stand tief nachdenklich mitten im Salon, die Hand auf den Griff seines Säbels gestützt und den Blick auf die beiden Pariser geheftet. Die bestürzten Durieus und alle Leute des Schlosses bildeten eine schöne Gruppe, als ob sie die Besorgnis darstellen wollten. Ohne Gotthards krampfhaftes Schluchzen hätte man die Fliegen summen hören.

Als die Mutter verängstigt und bleich die Tür öffnete und fast gezogen von Fräulein Goujet eintrat, deren rote Augen geweint hatten, wandten sich alle Blicke den beiden Frauen zu. Die beiden Agenten hofften und die Schloßbewohner zitterten ebensosehr, Laurence eintreten zu sehen. Die unwillkürliche Bewegung der Leute wie der Herrschaft schien wie von einer jener Mechaniken hervorgerufen zu sein, durch die Holzfiguren ein und dieselbe Gebärde machen oder mit den Augen zwinkern.

Frau von Hauteserre trat mit drei großen überstürzten Schritten auf Corentin zu und sagte mit stockender, aber heftiger Stimme:

»Erbarmen, Herr, was legt man meinen Söhnen zur Last? Und glauben Sie denn, daß sie hier waren?«

Der Pfarrer, der sich beim Anblick der alten Dame zu sagen schien: »Jetzt wird sie eine Dummheit machen!« blickte zu Boden.

»Meine Pflicht und der Auftrag, den ich ausführe, verbieten mir, es Ihnen zu sagen«, entgegnete Corentin mit liebenswürdig spöttischer Miene.

Diese Abweisung, die die abscheuliche Höflichkeit des Gecken noch unerbittlicher machte, ließ die alte Mutter zu Stein erstarren. Sie sank neben dem Abbé Goujet in einen Lehnstuhl, faltete die Hände und betete.

»Wo habt Ihr diesen Greiner erwischt?« fragte Corentin den Brigadier und wies auf Laurences kleinen Stallknecht.

»Auf dem Wege zum Pachthof, an der Parkmauer. Der Bursche wollte nach dem Walde von Closeaux.«

»Und das Mädchen?«

»Die hat Olivier erwischt.«

»Wohin lief sie?«

»Nach Gondreville.«

»Sie wandten sich den Rücken?«

»Jawohl«, entgegnete der Gendarm.

»Ist das nicht der kleine Diener und die Zofe der Bürgerin Cinq-Cygne?« fragte Corentin den Bürgermeister.

»Jawohl«, entgegnete Goulard.

Peyrade wechselte flüsternd ein paar Worte mit Corentin und ging alsbald mit dem Brigadier hinaus.

In diesem Augenblick trat der Brigadier von Arcis ein, kam auf Corentin zu und sagte ganz leise zu ihm:

»Ich kenne die Örtlichkeit gut, ich habe in den Nebengebäuden alles durchstöbert; wenn die Burschen sich nicht vergraben haben, ist niemand da. Wir sind dabei, die Fußböden und Wände mit unsern Gewehrkolben abzuklopfen.«

Peyrade trat wieder ein, winkte Corentin, ihm zu folgen, und führte ihn zu der Bresche des Schloßgrabens. Dort zeigte er ihm den Hohlweg, der ihre Fortsetzung bildete.

»Wir haben das Manöver erraten«, sagte Peyrade.

»Und ich,« entgegnete Corentin, »ich will es Ihnen erklären. Der kleine Schlingel und das Mädchen haben die Schafsköpfe von Gendarmen auf die falsche Fährte gelockt, damit das Wild entrinnen konnte.«

»Wir werden die Wahrheit erst am Tage erfahren«, entgegnete Peyrade. »Dieser Weg ist feucht, ich habe ihn an beiden Enden von zwei Gendarmen sperren lassen; sobald wir sehen können, werden wir an den Fußspuren erkennen, wer hindurchgegangen ist.«

»Hier sind Fußspuren«, sagte Corentin. »Gehen wir in den Stall.«

»Wieviel Pferde sind hier?« fragte Peyrade Herrn von Hauteserre und Goulard, als sie mit Corentin wieder in den Salon traten.

»Nun, Herr Bürgermeister, das wissen Sie doch, antworten Sie!« schrie ihn Corentin an, als er sah, daß der Beamte mit der Antwort zögerte.

»Nun, die Stute der Gräfin, Gotthards Pferd und das des Herrn von Hauteserre.«

»Im Stalle sahen wir nur eins«, sagte Peyrade.

»Das gnädige Fräulein reitet spazieren«, bemerkte Durieu.

»Reitet Ihr Mündel oft so des Nachts spazieren?« fragte der Wüstling Peyrade Herrn von Hauteserre.

»Sehr oft,« entgegnete der Biedermann schlicht; »der Herr Bürgermeister wird es Ihnen bestätigen.«

»Jedermann weiß, daß sie Schrullen hat«, setzte Katharina hinzu. »Vorm Zubettgehen blickte sie den Himmel an, und ich glaube, Ihre Bajonette, die in der Ferne glänzten, haben sie neugierig gemacht. Wie sie mir beim Hinausgehen sagte, wollte sie nachsehen, ob wieder eine neue Revolution stattfände.«

»Wann ist sie fortgegangen?« fragte Peyrade.

»Als sie Ihre Gewehre sah.«

»Und auf welchem Wege?«

»Das weiß ich nicht.«

»Und das andere Pferd?« fragte Corentin.

»Das haben mir die Gen-dar-men-men genommen«, flennte Gotthard.

»Und wohin wolltest du?« fragte einer der Gendarmen.

»Ich folg-te meiner Herr-in zum Pa-acht-hof.«

Der Gendarm blickte zu Corentin auf und erwartete einen Befehl, aber Gotthards Sprache war zugleich so falsch und so wahr, so tief unschuldig und so verschlagen, daß die beiden Pariser einander anblickten, wie um sich Peyrades Wort zu wiederholen: »Das sind keine Tröpfe!«

Der Edelmann schien nicht Geist genug zu besitzen, um ein Epigramm zu verstehen. Der Bürgermeister war stumpfsinnig. Die Mutter, die vor Angst verblödet war, stellte den Agenten Fragen von dummer Harmlosigkeit. Alle Dienstboten waren tatsächlich im Schlaf überrascht worden. Angesichts dieser kleinen Tatsachen und in richtiger Beurteilung dieser verschiedenen Charaktere begriff Corentin sogleich, daß sein einziger Gegner Fräulein von Cinq-Cygne war. Wie geschickt die Polizei auch sei, sie hat zahllose Nachteile. Sie muß nicht nur alles erfahren, was der Verschwörer schon weiß, sondern sie muß auch tausend Dinge annehmen, bevor sie zu einer einzigen Wahrheit gelangt. Der Verschwörer denkt unablässig an seine Sicherheit, während die Polizei nur zu bestimmten Stunden wach ist. Ohne Verrat wäre nichts leichter, als sich zu verschwören. Ein einziger Verschwörer hat mehr Geist als die Polizei mit ihren gewaltigen Wirkungsmitteln. Corentin und Peyrade fühlten sich geistig gehemmt, wie sie körperlich von einer Tür aufgehalten worden wären, die sie offen geglaubt hätten und die sie mit einem Dietrich öffnen müßten, während Leute, die dahinter standen und kein Wort sagten, sich dagegen stemmten. Sie sahen sich verraten und genasführt, ohne zu wissen von wem.

»Ich behaupte,« flüsterte der Brigadier von Arcis ihnen ins Ohr, »wenn die beiden Herren von Simeuse und von Hauteserre die Nacht hier verbracht haben, so hat man sie in die Betten der Eltern, des Fräuleins von Cinq-Cygne, der Magd und der Dienstboten gesteckt, oder sie sind im Park spazieren gegangen, denn es ist nicht die mindeste Spur von ihrem Aufenthalt zu finden.«

»Wer hat sie denn warnen können?« fragte Corentin Peyrade. »Bisher wissen nur der Erste Konsul, Fouché, die Minister, der Polizeipräfekt und Malin etwas.«

»Wir wollen Spitzel im Lande lassen«, flüsterte Peyrade Corentin ins Ohr.

»Daran werden Sie umso besser tun, als Sie in der Champagne sind«, entgegnete der Pfarrer, der ein Lächeln nicht unterdrücken konnte, als er das Wort Spitzel auffing, aus dem er den ganzen Zusammenhang erriet.

»Mein Gott,« dachte Corentin, indem er dem Pfarrer gleichfalls mit einem Lächeln antwortete, »hier ist nur ein Mann von Geist; ich kann mich nur mit ihm verständigen; ich werde ihn aushorchen.«

»Meine Herren . . .«, begann der Bürgermeister zu den beiden Agenten, denn er wollte einen Beweis von Ergebenheit für den Ersten Konsul liefern.

»Sagen Sie Bürger, denn die Republik besteht noch«, unterbrach ihn Corentin und blickte den Pfarrer spöttisch an.

»Bürger,« fuhr der Bürgermeister fort, »in dem Augenblick, da ich den Salon betrat, noch ehe ich den Mund auftat, stürzte Katharina herein, um die Reitpeitsche, die Handschuhe und den Hut ihrer Herrin zu holen.«

Ein dumpfes Murren des Entsetzens kam aus der Tiefe aller Brüste, nur Gotthard ausgenommen. Alle Augen, außer denen der Gendarmen und Agenten, bedrohten Goulard, den Angeber, mit Flammenblicken.

»Schön, Bürger Goulard«, sagte Peyrade zu ihm. »Jetzt sehen wir klar. Man hat die Bürgerin Cinq-Cygne rechtzeitig gewarnt!« setzte er hinzu, indem er Corentin mit sichtlichem Mißtrauen anblickte. »Brigadier, legen Sie dem kleinen Burschen Daumenschnüre an, und führen Sie ihn in ein besondres Zimmer«, gebot Corentin dem Gendarmen. »Schließen Sie auch das Mädchen ein«, fuhr er fort, auf Katharina deutend. »Du wirst die Durchsuchung der Papiere leiten«, flüsterte er Peyrade ins Ohr. »Durchstöbere alles, verschone nichts. – Herr Abbé«, sagte er vertraulich zum Pfarrer, »ich habe Ihnen wichtige Mitteilungen zu machen.« Und er nahm ihn mit in den Garten.

»Hören Sie mich an, Herr Abbé. Sie scheinen mir ganz den Geist eines Bischofs zu haben, und (niemand kann uns hören) Sie werden mich verstehen: Ich setze meine ganze Hoffnung auf Sie, um zwei Familien zu retten, die sich aus Dummheit in einen Abgrund stoßen lassen wollen, aus dem niemand zurückkehrt. Die Herren von Simeuse und von Hauteserre sind von einem der schuftigen Spione verraten worden, die die Regierungen in alle Verschwörungen einschmuggeln, um deren Ziel, Mittel und Personen zu erfahren. Verwechseln Sie mich nicht mit dem Elenden, der mich begleitet, er ist von der Polizei; ich aber gehöre in sehr ehrenvoller Weise dem Konsulatskabinett an und besitze dessen letztes Wort. Man wünscht das Verderben der Herren von Simeuse nicht. Wenn Malin möchte, daß sie erschossen werden, so will der Erste Konsul, wenn sie hier sind, wenn sie keine schlimmen Absichten hegen, sie am Rand des Abgrunds zurückhalten, denn er liebt gute Soldaten. Der Agent, der mich begleitet, hat alle Vollmachten; ich bin scheinbar nichts; aber ich weiß, wo das Komplott liegt. Der Agent hat Malins Weisungen. Der hat ihm zweifellos seine Protektion, eine Stellung, vielleicht auch Geld versprochen, wenn er die beiden Simeuses finden und ausliefern kann. Der Erste Konsul, der ein wirklich großer Mann ist, begünstigt begehrliche Absichten nicht. Ich will nicht wissen, ob die beiden jungen Leute hier sind,« sagte er, als er eine Gebärde des Pfarrers wahrnahm, »aber sie können nur auf eine einzige Art gerettet werden. Sie kennen das Gesetz vom sechsten Floreal des Jahres X; es begnadigt alle noch im Ausland befindlichen Emigranten unter der Bedingung, daß sie vor dem ersten Vendémiaire des Jahres XI zurückkehren, d. h. im September letzten Jahres. Da aber die Herren von Simeuse sowie die Herren von Hauteserre Kommandos im Heere Condés innehatten, fallen sie unter die in diesem Gesetz vorgesehenen Ausnahmen. Ihre Anwesenheit in Frankreich ist daher ein Verbrechen und genügt unter den jetzigen Umständen, um ihre Mitschuld an einem scheußlichen Komplott darzutun. Der Erste Konsul hat den Fehler dieser Ausnahme erkannt, die seiner Regierung unversöhnliche Feinde schafft. Er möchte die Herren von Simeuse wissen lassen, daß keine Strafverfolgung gegen sie stattfinden wird, wenn sie in einer Bittschrift an ihn erklären, daß sie nach Frankreich zurückkehren, um sich den Gesetzen zu unterwerfen, und versprechen, den Eid auf die Verfassung zu leisten. Sie begreifen, daß dies Schriftstück vor ihrer Verhaftung in seinen Händen sein und um ein paar Tage zurückdatiert sein muß; ich kann es überbringen . . . Ich frage Sie nicht, wo die jungen Leute sind«, sagte er bei einer neuen verneinenden Gebärde des Pfarrers. »Wir sind leider sicher, sie zu finden. Der Wald wird bewacht, die Zugänge von Paris sind besetzt, ebenso die Grenze. Hören Sie mich wohl an! Sind die Herren zwischen dem Wald und Paris, so werden sie gefaßt. Sind sie in Paris, so wird man sie finden, kehren sie um, so werden die Unglücklichen verhaftet. Der Erste Konsul liebt die früheren Adligen und kann die Republikaner nicht leiden. Das ist ganz einfach: wenn er einen Thron will, muß er die Freiheit erdrosseln. Dies Geheimnis bleibt unter uns. Nun, also! Ich warte bis morgen; ich werde blind sein. Aber mißtrauen Sie dem Agenten. Dieser verdammte Provenzale ist der Kammerdiener des Teufels, er hat Fouchés letztes Wort, wie ich das des Ersten Konsuls habe.«

»Wenn die Herren von Simeuse hier sind,« sagte der Pfarrer, »so gäbe ich zehn Liter meines Blutes und einen Arm, um sie zu retten. Aber wenn Fräulein von Cinq-Cygne ihre Vertraute ist, so hat sie – das schwöre ich bei meiner Seligkeit – nicht den geringsten Vertrauensbruch begangen und mich nicht beehrt, mich um Rat zu fragen. Jetzt bin ich sehr zufrieden über ihre Verschwiegenheit, wenn anders es Verschwiegenheit war. Wir haben gestern abend wie allabendlich in tiefster Stille bis halb elf Uhr Boston gespielt und nichts gehört. Es kommt kein Kind durch dies einsame Tal, ohne daß ein jeder es sieht und erfährt, und seit vierzehn Tagen ist kein Fremder erschienen. Nun aber bilden die Herren von Hauteserre und Simeuse für sich allein einen Trupp von vier Mann. Der Edelmann und seine Frau haben sich der Regierung unterworfen und alles Erdenkliche versucht, um ihre Söhne zurückzubekommen; noch vorgestern haben sie ihnen geschrieben. Daher war bei meiner Seele und meinem Gewissen Ihr Erscheinen hier nötig, um meinen festen Glauben zu erschüttern, daß sie sich in Deutschland befinden. Unter uns gesagt, läßt hier außer der jungen Gräfin jedermann den hervorragenden Eigenschaften des Herrn Ersten Konsuls Gerechtigkeit widerfahren.«

»Ein Fuchs!« dachte Corentin. »Wenn die jungen Leute erschossen werden, so hat man es selbst gewollt!« entgegnete er laut. »Jetzt wasche ich mir die Hände in Unschuld.«

Er hatte den Abbé Goujet an eine vom Mond hell beschienene Stelle geführt und sah ihn plötzlich an, als er diese Schicksalsworte sprach. Der Priester war tief betrübt, aber wie ein überraschter Mensch, der von nichts wußte.

»Verstehen Sie doch, Herr Abbé,« fuhr Corentin fort, »daß ihre Anrechte auf das Gut Gondreville sie in den Augen der Leute in untergeordneter Stellung doppelt verbrecherisch machen! Kurz, ich möchte, daß sie mit Gott zu tun haben und nicht mit seinen Heiligen.«

»So handelt es sich um eine Verschwörung?« fragte der Abbé naiv.

»Eine gemeine, hassenswerte, feige Verschwörung die dem hochherzigen Geist der Nation so widerstrebt, daß sie mit allgemeiner Schande bedeckt wird«, antwortete Corentin.

»Nun, Fräulein von Cinq-Cygne ist einer Feigheit nicht fähig!« rief der Pfarrer aus.

»Herr Abbé«, fuhr Corentin fort, »sehen Sie, es gibt für uns (stets unter uns gesagt) handgreifliche Beweise für ihre Mitschuld, aber noch nicht genug für die Justiz. Bei unserem Nahen hat sie die Flucht ergriffen . . . Und doch hatte ich Ihnen den Bürgermeister geschickt . . .«

»Ja, aber für einen, dem soviel daran liegt, sie zu retten, folgten Sie dem Bürgermeister etwas zu sehr auf dem Fuße«, sagte der Abbé.

Bei diesem Wort blickten beide Männer einander an, und alles war zwischen ihnen gesagt. Beide gehörten zu jenen tiefen Anatomen des Denkens, denen ein einziger Tonfall, ein Blick, ein Wort genügt, um eine Seele zu erraten, genau wie der Wilde seine Feinde an Zeichen errät, die dem Auge eines Europäers unsichtbar sind.

»Ich glaubte, etwas aus ihm herauszulocken, und ich habe mich selbst nur aufgedeckt«, dachte Corentin.

»Ach, der Racker!« sagte sich der Abbé.

Als Corentin und der Abbé wieder in den Salon traten, schlug es von der alten Kirchturmuhr Mitternacht. Man hörte Zimmer- und Schranktüren öffnen und schließen. Die Gendarmen deckten die Betten auf. Peyrade durchwühlte und durchstöberte alles mit dem raschen Verständnis des Spions. Diese Plünderung erregte Schrecken und zugleich Entrüstung bei den treuen Dienstboten, die immer noch regungslos dastanden. Herr von Hauteserre wechselte mit seiner Frau und Fräulein Goujet mitleidige Blicke. Eine furchtbare Neugier hielt alle wach. Peyrade kam mit einer Kassette aus geschnitztem Sandelholz in den Salon herab; sie mochte dereinst vom Admiral von Simeuse aus China mitgebracht sein. Es war ein hübscher flacher Kasten in der Größe eines Quartbandes.

Peyrade gab Corentin einen Wink und führte ihn in die Fensternische.

»Ich hab' es!« sagte er. »Dieser Michu, der Marion achthunderttausend Franken in Gold für Gondreville zahlen konnte, und der jetzt den Malin totschießen wollte, muß der Vertrauensmann der Simeuses sein. Als er Marion bedroht hat, muß er das gleiche Interesse verfolgt haben wie gestern, als er auf Malin anlegte. Er schien mir zu Gedanken fähig, aber er hat nur einen; er weiß von der Sache und wird hergekommen sein, um sie zu warnen.«

»Malin wird mit seinem Freund, dem Notar, von der Verschwörung gesprochen haben,« sagte Corentin, die Schlußfolgerungen seines Kollegen fortsetzend, »und Michu, der im Hinterhalt lag, wird sie zweifellos von den Simeuses haben sprechen hören. Er kann seinen Flintenschuß nämlich nur aufgeschoben haben, um ein Unglück zu verhüten, das ihm noch größer schien als der Verlust von Gondreville.«

»Er hatte uns richtig als das erkannt, was wir sind«, sagte Peyrade. »Daher erschien mir auch der Verstand dieses Bauern im Augenblick wunderbar.«

»Oh, das beweist, daß er auf seiner Hut war«, entgegnete Corentin. »Aber alles in allem, Alterchen, wollen wir uns nicht täuschen. Hier stinkts nach Verrat, und ursprüngliche Menschen riechen das von weitem.«

»Um so stärker sind wir«, versetzte der Provenzale.

»Lassen Sie den Brigadier von Arcis kommen«, rief Corentin einem der Gendarmen zu. – »Schicken wir nach seinem Pavillon«, schlug er Peyrade vor.

»Violette, unser Ohr, ist dort«, entgegnete der Provenzale.

»Wir sind abgefahren, ohne Nachricht von ihm zu haben«, sagte Corentin. »Wir hätten Sabatier mitnehmen sollen. Zu zweit sind wir nicht genug.« Als er den Gendarmen eintreten sah, nahm er ihn zwischen sich und Peyrade und sagte: »Brigadier, lassen Sie sich nicht über den Löffel barbieren wie vorhin der Brigadier von Troyes. Michu ist scheinbar in die Sache verwickelt. Reiten Sie nach seinem Pavillon, haben Sie ein Auge auf alles, und erstatten Sie uns Bericht.«

»Einer meiner Leute hat im Walde Pferde gehört, als die kleinen Dienstboten verhaftet wurden, und ich habe einige tüchtige Kerle hinter den Ausreißern hergeschickt, die sich darin verstecken möchten«, entgegnete der Gendarm.

Er ging hinaus. Der Galopp seines Pferdes dröhnte auf dem Pflaster und verhallte rasch.

»Also sie marschieren auf Paris oder ziehen sich nach Deutschland zurück«, sagte Corentin sich.

Er setzte sich, zog ein Notizbuch aus der Tasche seines Spencers, schrieb mit Bleistift zwei Befehle, versiegelte sie und winkte einen der Gendarmen heran.

»Im gestreckten Galopp nach Troyes. Wecken Sie den Präfekten und sagen Sie ihm, er solle die Dämmerung benutzen, um den (optischen) Telegraphen arbeiten zu lassen.«


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