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Zauberliebe


Einige Scenen.

1.

Hyolda.   Lucian.

Lucian.

Es drängt die Zeit, mein süß geliebtes Leben!
Der Kriegsgesellen Ungeduld erwacht
und rauscht in Schwertgeklirr und Schildgerassel
unwillig zu dem Zögernden herauf. –
Ihr lichten, liebehellen Augensterne,
euch soll ich lassen! nicht Leitsterne mehr
dürft ihr mir seyn, des Abschieds Trauerwolke
verhüllt euch mir: doch, Sterne meines Schicksals,
stralt ihr aus euren blauen Himmeln noch
unsichtbar mir unwandelbares Glück.

Hyolda.

O wären Sterne diese Augen! Nachts
zum mindesten beschauten sie von fern
des lieben Kriegers schönes Heldenbild,
und senkten sich, wie einst Diana that,
allnächtlich nieder, seine Stirn zu küssen.

Lucian.

Nein, sprich so holde Zauberworte nicht!
Entbinde mich der weichen Liebesfessel,
denn dorthin ruft mit ehrner Stimme Pflicht
und Ruhm, sie sind des Mannes ernste Götter.

Hyolda.

Wol mächtger rufen sie, als sanfte Liebe!

Lucian.

Nein, mächtger nicht, du süßer, sanfter Mund!
Sie leihen nur das starke Wort dem Willen,
den tief in zarter Brust die Liebe trägt:
daß euer Held mit Ruhmesglanz sich schmücke,
wie euch Natur mit Schönheitlicht verklärt.
Das soll der Mann. Er sucht den Hort der Schönheit;
und jede wilde Schreckgestalt des Kriegs
ist ihm der Wächterdrach, den er begierig
aufsucht den holden Schatz ihm abzukämpfen.

Trompeten.

Horch! wieder tönt's herauf! der Kriegstrompete
gewaltger Machtruf schallt. – 's ist Ruf zur Hochzeit!
Der Bräutgam flicht sich nur den Lorbeerkranz,
indeß die Braut den Mirtenkranz der Unschuld
mit treuem Liebessinn bewahrt. – Leb wohl!

Hyolda.

Leb wohl mein Held! Mein fromm Gebet soll stündlich
gleich ehrnem Schild die theure Brust bewahren.
Nichts mehr! – Die starken Engel schützen dich!

Lucian ab.

Hyolda allein.

Sie grüßen ihn mit lautem Kriegsgetön!
Es ist Hochzeitruf: du hast es recht genannt.
So will ich's deuten. Kurze Zeit ja nur
verzögert sich das Fest, bis seinen Kranz
der Bräutigam vom Lorbeer hat gebrochen.
So kurze Zeit geziemt der treuen Braut
in stiller Einsamkeit zu warten. Leicht
entkeimt des Argwohns allverstreutem Saamen
ein wuchernd, schweraustilgbar giftges Unkraut.
Cardenio folgt auf allen Schritten mir,
der unverschämt zudringlich tolle Mensch.
Jetzt wagt er's wol, da Lucian entfernt,
von der verhaßten Liebe mir zu sprechen.
Ich höre nicht darauf, doch besser ist's
daß er mich nicht erblickt. Ich bleibe heim
nach Frauenart, wenn aus dem Haus der Gatte
in fremdes Land gezogen. So vergeht
in schöner Täuschung mir die Einsamkeit.


2.

Freier Platz mit Bäumen vor Hyolda's Hause.

Cardenio singt zur Gitarre.

          Schling um scheuer Liebe Worte
        Deinen Reiz, du holder Klang;
        Oeffne meinem Ruf die Pforte,
        Sanfter, schmeichelnder Gesang!

          Was sie stolz versagt zu hören
        Von dem lieberglühnden Mund,
        Thu', von goldnen Saitenchören
        Sanft umrauscht, das Lied ihr kund.

          Lauschet doch im Mai die Rose
        Nächtlich holdem Liebeshall,
        Und erschließt sich dem Gekose
        Sehnsuchtvoller Nachtigall:

          Hallt nun lauter zu den Tönen,
        Worte, flüstert nicht so bang!
        Euch die Herrin zu versöhnen,
        Schwebt um euch der holde Klang.

Sie hört mich nicht! Kein Schatten regt sich oben;
kein Vorhang zuckt, und matter wird der Schimmer
des unbewachten Lichts – Sie ruht im Schlaf.
O Schmach, o Schmerz! – Verstumme Saitenspiel,
untreuer Diener deines Herrn! Du schmeichelst
in Schlummer sie, und mir im Innern weckst
du den Tirannen wilder Leidenschaft. –
Hyolda! Jeder Stern glänzt lieblicher
und hallt mit schönrem Licht den süßen Namen
am Himmel wieder: nur dein Auge blickt
bei seinem Klange dunkel. Du verachtest
und höhnst mit Spott und eisig kaltem Gleichmuth
der Liebe zarten Dienst. Nicht länger trag ich's!
Der fühllos harte Fels giebt Widerhall,
und lügt doch schonend Antheil an dem Schmerz.
Bist du fühlloser noch als Felsen? Nein!
Du fühlst die Liebe. Jener Lucian,
der seine Erstlingwaffen noch versucht –
Ha! regt sich nicht etwas? Er naht vielleicht,
den letzten Abschied noch einmal zu küssen.
Heraus, mein Schwert! mein oftbewährter Freund!
Warum gedacht ich früher nicht an dich?
Brautwerber sollst du seyn. Zum Ehrentrunk
Geb ich das Herzblut dir von Lucian!

Lysander.
kommt singend, von einem Knaben mit der Fackel begleitet.

        Vom nächtlichen Schmause
        Geht keiner nach Hause,
        Bei Liebchen kehret er ein.
        Er findet die Kammer,
        Er öffnet die Klammer ....

Cardenio mit vorgehaltnem Degen.

Geduld ein wenig, hier ist noch ein Riegel!

Lysander.

Was Teufel ficht euch an? Ist's Spaß, ist's Ernst?

Cardenio.

Wie's euch beliebt: In jedem Fall ein blutger.

Lysander.

Cardenio! Bist du von Sinnen? Willst
du fechten, wähl' bequemre Zeit. Ich steh
nicht allzufest auf meinen Füßen jetzt.

Cardenio.

Lysander, du?

Lysander.

                        Nun freilich bin ich's selbst.
Ich glaub, du hast ein Räuschchen. Schlaf' es aus!
Wir gehn zusammen.

Cardenio.

        Bist du ganz allein?

Lysander.

Bis auf den Burschen mit der Fackel, Ja!

Cardenio.

Und Lucian?

Lysander.

                Vermuthlich spukte der
in deinem Kopf. Was soll dir Lucian?

Cardenio.

Mein Schwert versuchen!

Lysander.

                        Hier? auf diesem Platz?
Vor'm Hause seiner Braut? Schlaf aus, Cardenio!
Hier wohnt Hyolda, nicht Febronia.

Cardenio.

Drum soll er fechten, oder mir Hyolden,
die holde Himmelsblüte jeder Schönheit
abtreten.

Lysander.

        Dir? für dich, Cardenio?

Cardenio.

Und weißt du nicht, daß sie mein Licht, mein Leben,
mein Lied, mein Traum, mein Gott, mein Alles ist?
Hyolda! dieser Nam' ist Harmonie,
in dem mein Geist lebt, athmet, fühlt, wie Sterne
in Himmelsharmonien bestehn und leben.

Lysander.

Hyolda? und was ist Febronia?

Cardenio.

                        Ein Komet,
ein Sterngespenst, das mich mit Graun erfüllt,
wenn ich nach meinem Liebeshimmel blicke.

Lysander.

Febronia!

Cardenio.

Nenne diesen Namen nicht!

Lysander.

Der einst dir klang wie Nachtigallenton?

Cardenio.

Soll Knabenlust dem Jüngling noch genügen?
Begehrt die Jungfrau noch das Puppenspiel?
Ein Kind war meine Liebe, als Febronia
die junge Flamme nährte. Jetzt, entwachsen
der Kinderzeit, begehrt sie andre Schönheit.
Febronia kann nicht meine Liebe seyn,
Vergiß auch du, daß ich jemals sie liebte.

Lysander.

Und liebt Hyolda dich mit gleicher Glut,
da Lucian –

Cardenio.

                Drum eben soll er sterben,
weil sie mich nicht liebt, und nur ihn beglückt.
Fruchtlos verseufz' ich Tage, wache Nächte
vor ihrem Fenster, doch weit eher weckt'
ich Blüten aus den Knospen mit Gesang,
als ihr im Busen meiner Liebe Blüte.

Lysander.

So traurig steht es noch um deine Liebe?
Da scheinst du wahrlich mir ein großer Narr,
mein guter Freund! Wer wird den eignen Garten,
den köstlich blütenprangenden verlassen,
weil über Nachbars Mauer wol ein Knöspchen
von Blütenlauben spricht und Blumenbeeten?
Hast nicht Hyolda's kleinste Gunst gekostet,
und opferst ihr die liebliche Febronia,
die zarte Liebesgöttin, deren Altar
rings unsre Jugend sehnsuchtvoll umkniet!
Dreifacher Thor! hör ein vernünftig Wort.

Cardenio.

Schweig von Vernunft, ich bitte dich! Es giebt
so wundersame Dinge, daß Vernunft
und alle Weisheit schamerröthend schweigen,
und sich der dunklen Macht demüthig beugen,
die grausam trennt, und grausamer vereint.
Besteht die Weisheit gegen Liebeszauber?
Neigt sich Vernunft nicht gern vor holder Schönheit,
und ehrt in ihr des Denkens und des Wollens
unwiderstehlich mächtge Königin? –
Ich liebe! dieses Wort stürzt deine Weisheit,
mit Einem Zauberschlag in leeres Nichts.
Es ist so, weil es ist. Warum und Wie?
ergründet Niemand, als durch gleiche Liebe.

Lysander.

Dir ist nicht leicht zu helfen. Bist ja wahrlich
ganz wie von ihr bezaubert.

Cardenio.

        Freilich bin ich's.

Lysander.

Und weißt es selbst, wodurch?

Cardenio.

                O eitler Schwätzer!
Wodurch? durch ihrer Augen süßes Gift,
durch ihrer Locken goldne Liebesringel,
durch ihrer Stimme Zaubermelodie,
durch ihrer Wohlgestalt, von aller Götter
kunstreicher Hand geformten Talisman:
Brauch' ich dir mehr zu nennen?

Lysander.

                Schon zu viel!
Ich deutete dein Wort auf andern Zauber,
und träumte schon von Arzenei für dich.

Cardenio.

Von welcher? Nenne sie!

Lysander.

                Am Ende wär
auch der Versuch zuerst zu machen. – Hör:
Bezaubre selbst die spröde Widerspenstige.

Cardenio.

O daß ich's könnte! Aber wie vermag ich's?
Der Liebe Macht, der Schmeichelei Gewalt,
und jede Kunst die Mädchenherzen kirrt –
Hab' ich nicht fruchtlos Alles schon versucht?

Lysander.

Von solchen Künsten red' ich nicht. Des Zaubers
geheime Macht mußt du an ihr versuchen.

Cardenio.

Du nennst ein Märchen, nicht zu rechter Zeit.

Lysander.

Mehr als ein Märchen ist, war ich dir rathe.
Ich kenn' ein Weib, eine arge Zauberschwester,
die viel geheime Wunderkünste treibt.
Für guten Lohn ist ihre Kunst auch feil.
Vertrau dich ihr. Ich hörte oft von Tränken,
die stolzer Jungfraun eisig kalte Brust
zu glüher Liebe Brunst entzündeten.
Ich führ dich zu ihr, bitt' um ihre Hülfe.

Cardenio.

Du hast den Rausch im Kopf, sonst sprächst du nicht
was bei dem Spinnrad Ammen sich erzählen.
Verdirb mit solchem Unsinn nicht die Zeit!

Lysander.

Geschwätzig macht der Rausch, doch spricht er wahr:
Was ich dir rathe, hat sich oft erprobt.
Wie vorhin du, so sag' ich jetzt: Es giebt
so wundersame Dinge, daß Vernunft
und alle Weisheit schamroth schweigen muß.
Wie von der Liebe, so von Zauberkunst
läßt nichts sich sagen, als: es ist: Wodurch
und Wie? ergründet nur die gleiche Kunst.

Cardenio.

Ich glaube nicht, daß du jetzt spotten könntest.

Lysander.

Ich sage dir: ich kenne jenes Weib,
und führe dich, verlangst du's, gleich zu ihr.

Cardenio.

Jetzt nicht. Die Sache hat mich überrascht.
Ich bin selbst einem Magier bekannt,
der, sonst mein Lehrer, oft in dunklen Worten
von tief geheimer Weisheit mit mir sprach;
doch leichtes Sinns vernahm ich davon wenig.
Bei diesem will ich forschen, ob sich Liebe
durch Zauberwerk und Kunst entzünden läßt,
daß nicht vielleicht mit leerem Gaukelspiel,
und eitlem Wortschwall uns die Hexe täuscht.
Komm jetzt, der Morgen kämpft schon mit der Nacht.


3.

Zimmer.

Febronia.   Blanka.

Febronia, die Gitarre weglegend.

Nein, sanfte Zittersaiten,
der Liebe Klage könnt ihr nicht begleiten!
Zu süß sind eure Laute
für bittren Schmerz, den ich dem Lied vertraute.
Und ob ich euch verwirre,
durch rauhe Klänge wildverzweifelnd irre,
doch bleibt ihr viel zu milde!
Ihr seid kein Spiegel solchem Trauerbilde
als in der Brust ich trage;
drum töne klanglos, einsam meine Klage.
Wem sollt' ich sie vertrauen?
Konnt' ich auf Liebestreue doch nicht bauen!

Blanka eintretend.

Immer noch das Aug' in Thränen?
Kind, laß endlich ab zu weinen!
Die verzehrt die herbe Trauer
und die Rosenwangen bleichen.
Mußt um keinen Mann dich härmen,
laß ihn fliehn, will er nicht bleiben:
Um so schöne Mädchenblüte
sammeln sich viel tausend Schmeichler.
Laß die einsam finstren Mauren,
die von deiner Schönheit schweigen;
Komm, heut ist der Mai geboren,
Mußt dich unter Blüten zeigen!

Febronia.

Weh! du mahnst mich an Vergangnes!
War es nicht der erste Maitag,
als er, blühend selbst wie Frühling,
in die Laube zu mir eintrat?
Anfangs schüchtern noch und wortkarg
scheut er dich, die ernste Aya;
aber bald gewann er schmeichelnd
deine Gunst und deinen Beifall.
Kühner stets ward nun sein Kosen,
durch der Liebe Zaubermacht
war mein Herz von ihm gefangen,
eh' ich's glaubt', in junger Einfalt.
Konnt' ich zweifeln, als er tändelnd
meinem Haar die Mirten einwand?
Liebend nannt' er seine Braut mich,
nannte selbst sich meinen Bräutgam.
Wie die Nacht dann, gleich Minuten
schnell den Liebenden vorbeischwand,
wenn, durchweht von Liebesdüften,
dunkle Geisblattlaub' uns einnahm,
und der Nachtigallen Zauber
durch die Blütenwand hereinklang! –
Jahren gleichen jetzt Minuten,
denn verlassen traur' ich einsam.

Blanka.

Kind, so sind die Buhler: Niemals
lieben sie, was bald erreichbar.
Fliehen, soll er lang ihm folgen,
muß das schöne Wild den Weidmann.
Ist auch bitter jetzt die Lehre,
künftig wird sie doch dir heilsam,
hilft dir Männertreue fesseln
bis zum frohen Tag der Heirath.

Febronia.

Mutter, schweig mit solchen Worten!
Wahre Liebe liebt nur einmal,
liebt die Qual noch des Verlustes,
drum ist Liebesschmerz unheilbar.
Glaube nicht, weil er mir treulos,
daß ich Groll ihm heg' und Feindschaft!
Ist für mich auch todt der Liebling,
Lieb' ich noch den theuren Leichnam.

Blanka.

Das ist Sprache deiner Krankheit,
aber mir kein gültger Einwand!
Höre, wie zu deiner Rettung
mir die Lieb' ein Mittel eingab.

Febronia.

Kannst du ein Mittel finden,
den holden Flüchtling wieder neu zu binden?
O, hast du es ersonnen,
Dann ist die Seligkeit mir neu gewonnen!
Nenn' es, o brich das Schweigen!
Kannst du noch zögern mir mein Heil zu zeigen?

Blanka.

Laß mich nur zur Rede kommen!
Also war es nicht gemeinet,
sollst den Flüchtling ganz vergessen,
nimmer an ihn denken weiter.
Darum ließ ich gestern schon
mir den Zaubertrank bereiten,
der mit Lachen froh getrunken,
Liebe gleich der Brust entreißet,
denn, wie junger Rosen Glut
vor des Schwefels Hauch muß weichen,
muß im Herzen vor dem Zauber
jedes Liebesbild erbleichen,
und getilgt aus dem Gedächtniß
ist der Liebe Freud' und Leiden,
daß dem Dienst der zarten Neigung
neu sich kann der Busen weihen.

Febronia.

Sprichst du wahr? giebt's solche Mischung,
die mit grimmger Glut so grausam
in die Seele dringt, daß sterbend
welkt der Liebe zarte Aussaat?

Blanka.

Zweifle nicht an meinem Worte:
Prüfe selbst die Macht des Zaubers;
hast du erst den Trank gekostet,
wirst du länger nicht mehr trauern.

Febronia.

Nein! zu feindlichem Beginnen
ist mir deine Kunst nicht brauchbar.
Will die Liebe sie vertilgen,
ist sie furchtbar mir und graunhaft.
Aber, wenn sie so gewaltig,
daß der Liebe Keim sie ausrafft,
kann sie nicht sein Herz erwärmen,
daß in Liebesglut es aufflammt?

Blanka.

Kind, was hegst du für Gedanken
gegen allen Stolz der Frauen!
Ging ein Buhler dir verloren,
find'st du hundert bald und tausend.
Freilich lehrt geheime Kunst
mächtge Zaubertränke brauen,
die der Männer Herz und Sinne
fest an uns zu fesseln taugen;
aber theuer sind die Mittel,
die zu solchem Trank zu brauchen,
und du brauchst nur eigne Schönheit,
alle Männer zu bezaubern.

Febronia.

Laß mich das Mittel kennen!
Unmögliches mag deine Lippe nennen,
und wär in dunklen Nächten,
zu ringen mit des Grabes finstren Mächten,
ja, würd' es nur gefunden,
wo nie ein Fuß zu gehn sich unterwunden:
kein Mühsal werd' ich scheuen,
in Graus und Dunkel meines Werks mich freuen.

Blanka.

Selber nicht kann ich dich's lehren:
doch ich kenne von der Heimath
her noch eine Zauberschwester,
denn mein Bruder war ihr Eidam.
Häßlich ist sie, wie ein Nachtbild,
bucklig, schief, geduckt und steinalt,
wie ein Pfefferkorn voll Runzeln,
von Gestalt ein wahres Scheusal;
aber klug und wohlerfahren
jeder Kunst im Zaubereifach,
und für gute Wort' und Münze
dient sie gern mit Hülf' und Beirath.
Sicher ist auch das Geheimniß,
jederzeit fand ich sie schweigsam:
Jenen Trank, den du verschmähtest,
dank ich selbst der Alten Beistand.

Febronia.

Mich faßt ein kaltes Schaudern,
doch will ich nicht mir Trost zu suchen, zaudern.
Nur laß es bald vollbringen,
denn mit dem eignen Wollen muß ich ringen,
so dunkel schweres Ahnen
fühl ich mich bald zur That, bald von ihr mahnen.

Blanka.

Laß uns gleich die Alte suchen:
Sicher ist sie auf der Heimfahrt
von dem Fest des Junker Voland,
wo sie tanzt zur ersten Mainacht.


4.

Cardenio.   Fulcado.

Cardenio.

Du weißt es nun, mein alter Freund und Meister,
welch eine Krankheit schmerzhaft mich verzehrt.
Nun rathe mir: ich weiß von früher Zeit,
daß viel geheimer Kunst du wohl erfahren;
Ich sah dich oft in wolkenloser Nacht
des Himmels goldne Sternenschrift entziffern;
mir selbst beschaute wol dein Forscheraug
auf Stirn und Hand die krausverschlungnen Züge.
Doch unreif war mein Geist, ich achtete
des Meisters weisheitvolles Wort zu wenig.
Jetzt sage mir, nun, da verständge Lehre
des manngewordnen Zöglings Geist vernimmt:
Giebt's Kräuter, Talismane, dunkle Sprüche,
und was der Zaubermittel Name sei,
die mit unwiderstehlich mächtger Kraft
des Menschen Herz und Sinn zur Liebe zwingen?
Die selbst den Haß und kalten Gleichmuth schnell
zu brünstger Neigung heißer Glut entzünden?

Fulcado.

Was die Natur vermag, mein theurer Sohn,
das leistet sicher Alles auch die Kunst.
Sie ist ja selbst die Blüte der Natur,
wie sollt' in ihr nicht Alles sich vereinen,
was sonst Natur zerstreut und einzeln bietet?
Hegst du des heissen Orientes Blume
durch künstlich Feuer doch im kalten Nordland,
und in dem Herzen sollte nicht das Feuer
zu welken seyn für junger Liebe Keim?

Cardenio.

Das mein' ich nicht. Kann durch die Kunst der Mensch
an sich allein des Menschen Liebe bannen,
daß, wer zuvor gleichgültig war und kalt,
nun jenen liebt, der ihn durch Kunst gefesselt;
ihm angehört, Leibeignen gleich; durch ihn
nur einzig lebt, und ohne ihn verschmachtet:
Vermag die Kunst so starken Zauber wol?

Fulcado.

Frag die Natur mein Sohn, sie wird dich's lehren.
Neigt sich mein Griffel wol nach deinem Schwert?
Sie sind sich fremd, bis die geheime Kraft,
Magnet von uns genannt, ihr Innres aufschließt.
Nun fühlen sie den starken Geist der Liebe,
dem auch, was leblos uns bedünkt, gehorcht.
Kennst du die zarten Vöglein nicht, die Niemand
noch einsam lebend sah? Eins folgt dem Andern
von Zweig zu Zweig, ihr Leben ist nur Liebe,
die selbst der kalte Liebesfeind, der Tod
noch ehrt, denn Eine Lebensflamme brennt
in beiden, und verlischt zugleich in beiden.
So heisse Sehnsucht, wie Natur hier schuf,
vermag auch Kunst im Herzen aufzuregen,
und möglich wär's, daß solche Kunst auch dich
zu dieser brünstgen Liebesglut entflammt.

Cardenio.

Willst du mir solches Mittel wol bereiten?
Um jeden Preis; kein Lohn ist mir zu kostbar.

Fulcado.

Was forderst du!

Cardenio.

                Was deine Kunst vermag;
du sagst es selbst.

Fulcado.

                Die Kunst vermag zu tödten,
darf sie darum ein Werkzeug seyn dem Mord?

Cardenio.

Ist Liebe Sünde, wie der blutge Mord?

Fulcado.

Der Zwang ist Sünd' im Lieben und im Tödten.

Cardenio.

Und doch lehrt ihn die Kunst?

Fulcado.

                Dem Weisen bloß:
Der eitlen Selbstsucht hat sie streng die Pforte
zu so gefährlich hoher Macht verhüllt,
durch dunkler Räthsel deutungschwere Formel,
und tiefer Nacht abschreckendes Geheimniß.
Dir, Sohn, am wenigsten taugt solche Kunst!

Cardenio.

Warum nicht mir?

Fulcado.

                Ruft dir nicht dein Gedächtniß
manch Wort zurück, das ich vordem gesprochen,
als meiner Leitung man dich anvertraut?

Cardenio.

Nein! ganz ist mir entfallen, was du sagtest.
Wie dumpfe Klänge nur kehrt mir's zurück,
indem ich jetzt dein Angesicht beschaue,
das trüb' und schwerer Ahndung voll mich dünkt.
So hast du vormals oft mich angeblickt,
wenn du, vielleicht profetisch, zu mir sprachst.
Nur was du sprachst, versagt mir das Gedächtniß,
doch klingt es mir wie Trauerglockenton
herüber aus der Kindheit Rosengarten.

Fulcado.

Ich warnte dich für Liebe; Liebe bringt
dir großes Leid.

Cardenio.

        Erfahr' ich das nicht jetzt?

Fulcado.

Die Zukunft bringt es.

Cardenio.

        Giebt's wol größre Pein?

Fulcado.

O frevle nicht, die Lieb' ist unheilvoll;
abgünstig oder günstig bringt sie Schmerz.

Cardenio.

O Schicksal, gönne mir das süße Gift!

Fulcado.

Ich warne dich: entsage deiner Liebe;
du wirst beglückt und bleibst doch unbeglückt.

Cardenio.

Beglückt durch Liebe? Was begehr' ich mehr!
O schöne Weissagung, du sollst mich leiten.

Fulcado.

Dein Glück ist Täuschung, giftig seine Blüte,
und tödtlich bitter seine schwarze Frucht.

Cardenio.

Nun fällt mir's bei, so sprachst du ehmals schon,
du wunderbar aufrichtger Zukunftspäher.
Das Ritterkreuz von Maltha's frommen Helden
empfahlst du mir zum Schutz für sündge Liebe.

Fulcado.

O möchtest du den treuen Rath befolgen!

Cardenio.

Es wär zu spät, denn die Gefahr verschwand.
Hör' an: Mich rief des Vaters Tod vom Heer,
wo ich nicht ohne Ruhm die Waffen übte.
Dem wilden Sinn, der sich im Kampf erfreute,
blieb lange Zeit die sanfte Regung fremd.
Jetzt, im Genuß der väterlichen Schätze
ward weicher mein Gemüth, ich sah die zarte
Febronia, wie Lilien schlank, und blühend
wie Rosenknospen in dem Morgenstral.
Wir liebten uns mit voller Jugendglut,
doch mit der Jugend frommer Unschuld auch,
mit Augen nur und leisem Mund genießend.
Indessen blieb so holder Jugendschimmer
den lauersamen Blicken nicht verborgen,
und rings umgarnt war bald mein schlankes Reh
von manches Weidmanns lüsterner Begierde.
In meinem Schloß nur glaubt' ich sie gesichert,
und, wo die Mutter sonst gewaltet, da
bereitet ich der künftgen Herrin sorgsam
des schöngeschmückten Raums bequeme Wohnung.
Schon nannt' ich fröhlich die Geliebte: Braut;
da plötzlich traf des Schicksals Donnerschlag
in meines Glücks beneidetes Gebäude.
Indem ich schon für das geliebte Haupt
aus Perlen und jungfräulichen Demanten,
– der Muttersorgfalt zärtlichem Vermächtniß –
des Kranzes schönverschlungne Zier bereite,
wird mir ein grausendes Geheimniß kund:
Mit Eines Wortes Schreckensklang zermalmt
es all mein Glück und macht mein Haus zur Oede.
Ich floh Febronien, sah sie niemals wieder
und wild verzweifelnd sucht ich mir den Tod.
Da fiel des Himmelslichtes schönster Strahl
in meine Brust, gab mich dem Leben wieder
durch neuer Liebe neue Lebenslust.
Durch Liebe leb' ich: für die Liebe nur
will ich jetzt leben, oder untergehn! –
Du siehst, was dein Profetenblick geschaut,
es ist erfüllt durch jene Schreckensliebe.
Die neue Liebe bringt ein neues Schicksal
und neue Sterne führt sie mir herauf.

Fulcado.

Doch stehn noch alle wirre Schreckenzeichen,
wie vormals, unglückschwer, auf deiner Stirn.
Doch rath' ich dir, nimm jenes Ritterkreuz,
eh' schwere Schuld auf deine Brust es heftet.

Cardenio.

Nicht jenes Kreuz sollst du mir ferner nennen.
Ein solches Kreuz fand ich bei altem Schmuck,
als mir das gräßliche Geheimniß kund ward,
seitdem ist mir der Anblick tief verhaßt. –
Ganz hab' ich dir mein Innerstes enthüllt;
ich glaubte Hülf' in deiner Kunst zu finden,
du gabst mir nur zweideutig dunkles Wort,
und mit des Greisenalters Furchtsamkeit
hältst du die That, die helfende, zurück.
Auf anderm Weg muß ich nun Rettung suchen.

ab.

Fulcado.

Sohn; höre mich! – Du zwingst die Sterne nicht,
dein wilder Trotz beschleunigt nur das Unglück.


5.

Enge, rauchschwarze Stube; hinten ein Kamin mit Töpfen und Kesseln, vorn sitzt Bärbel am Spinnrade.

Bärbel singend.

        Ueber Stock und Stein, über Stein und Stock,
        Hurrah!
        Frau Trude fährt auf dem schwarzen Bock:
        Wer da!
        Lallallerala,
        Feins Liebchen ist da,
        Mein Jägersmann laß mich ein!
        Ich mag dich nicht, du stinkender Schatz,
        Huhu!
        Wart, wart ich schicke dir Bock und Katz,
        Du, du!
        Hubbuberubuh,
        Mein Böckchen nur zu!
        Holst bald mein Liebchen mir heim.

        Der Jäger wacht auf, es bellt sein Hund:
        Wau, wau!
        Und Kater und Katzen heulen zur Stund:
        Mau, jau!
        Wau, wau, miau, wauf!
        Frisch Jäger steh auf!
        Husch, rennt ihm der Bock in die Bein.

        Flugs gehts nun fort über Stein und Stock,
        Hurrah!
        Zur Hexe trägt ihn der schwarze Bock:
        He da!
        Lallallerala,
        Feins Liebchen bist da?
        Mußt ewig mein eigen seyn!

        Heidi! das nenn' ich mir einen Bock!
        Gab gleich dafür meinen Sonntagsrock.
        Da klappert's draußen 's ist sicher Käthel.

Käthel draußen.

Mach auf, mach auf du Wettermädel!

Bärbel öffnet, Käthel tritt ein mit der Mandragorawurzel in der Form eines Menschen.

Bärbel.

Hast du gefangen den schwarzen Hund?

Käthel.

Der ist krepirt in der zwölften Stund.
Hatt' ihn schon gestern vor der Nacht
ganz still zum Rabenstein gebracht.
Da hat er bis Mitternacht gehungert,
nach faulen Knochen vergebens gelungert.
Um elf schlich ich bei Mondenschein
in das alte Galgengemäuer hinein.
Hu! thaten die alten Gerippe klappern,
von Rad und Galgen zusammen plappern!
Eins rief mich hier, das andre dort,
ich sagt aber kein sterbendes Wort,
suchte nach dem Alrunenkraut,
das fand ich mit Blut und Schaum bethaut,
recht unter dem frischgehenkten Bauer
zu seinen Füßen an der Mauer.
Nun pattelt ich beherzt und munter
bis an die Wurzel tief hinunter,
band an das Kraut den Galgenstrick,
der zwei Dieben schon brach das Genick,
den schwarzen Hund an das andre Ende,
hielt nun vor beide Ohren die Hände,
daß ich nicht hörte den wilden Schrei,
wenn Alraun die Wurzel sprengt entzwei.
So lief ich davon, der Hund mir nach,
bis das wilde Geschrei ihm das Herz zerstach.
Da hab ich mir so das Alraunchen gefangen,
das bringt mir alles was ich kann verlangen.

Bärbel.

Ich habe gesponnen am Zauberkleid,
dem thut Schuß, Hieb und Stich kein Leid,
mag einer unter Räuber, Soldaten,
oder Meister Morgensterns Hände gerathen.
Auch hab' ich gebraut aus aller Kraft
an dem neuen köstlichen Wundersaft,
aus Spinnenfett und Milch von Kröten,
jegliche Liebe damit zu tödten.
Wer's getrunken dem wird alles gleich,
er zählt sein Geld auf des Bruders Leich,
sieht Menschen und Vieh gelassen schlachten,
verkrummen, verkrüppeln und gar verschmachten.
's ward sonst aus fremdem Land gebracht,
wir habens seit kurzem erst nachgemacht.

Käthel.

Horch, der Bock meckert oben: Meck, meck, meck!

Hexe, draußen.

Das Feuer aus! die Kessel weg!

Käthel.

Geschwind, geschwind, die Alte keift.

Bärbel.

Daß mir mein Saft nicht überläuft!

Sie löschen das Feuer und machen im Kamin Platz. Die Hexe kommt herunter.

Hexe.

Puh! das war 'ne saure häßliche Fahrt,
wie trabte der alte Bock so hart!
Wie mußt ich mich tummeln und eschern und zauen,
Hörten die Katzen nicht auf mit Miauen,
trieben zu Haus, als wär was versäumt,
war der Tisch noch nicht einmal abgeräumt.

Käthel.

Guten Tag, Frau Baubo, seht ihr uns nicht?

Hexe.

Ich seh dich wol du Affengesicht.
War jemand bei euch in dem Haus?

Käthel.

Keine Seele.

Hexe.

        Horch, es klopft was draus.

Bärbel.

's ist ein junger, feiner Officier.
Er fragt nach Frau Baubo; da ist er schon hier.

                Cardenio kommt.

Cardenio.

Ich habe viel von eurer Kunst gehört.

Hexe.

Mein feiner Herr, da hat man euch bethört
Ich bin ein arm elendes altes Weib,
und meine Kunst ist bloßer Zeitvertreib.

Cardenio.

Doch sagt man allgemein, ihr seid sehr klug.

Hexe.

Ja, viele treiben mit der Kunst Betrug,
und fordern für die Arbeit schweren Lohn,
das kann ich nicht, drum halt' ich mich davon.

Cardenio.

Nun, billig ist's, daß man den reich belohnt,
in dessen Haupt ein tiefes Wissen wohnt.
Schon kostbar acht ich des Gespräches Zeit,
und zeige gern zuvor die Dankbarkeit.

Hexe.

Ach guter Herr, ihr lohnet mich zu sehr.

Cardenio.

Könnt ihr mir rathen, geb' ich zehnfach mehr,
wol hundertfach, wenn ihr mich ganz beglückt,
daß mich der Liebe Himmelslust entzückt.
Hört denn: ich liebe mit des Wahnsinns Wuth,
ein sengend Feuer quillt in mir das Blut,
mein Herz ist Flamme, die mich wild verzehrt,
von ewger Sehnsucht Liebespein genährt;
denn sie, die solch Glut mir angefacht,
ist fühllos für der Liebe zarte Macht.
Nicht fühllos zwar, sie kennt die Allgewalt
der Liebe wohl, für mich nur ist sie kalt.
Kannst du mir schmelzen ihres Busens Eis,
daß sie mich liebt, so fordre jeden Preis.

Hexe.

Ja, Herrchen, das ist gar ein schweres Stück!
Gelingt es uns, fürwahr, dann nenn' ich's Glück.
Wenn nicht ein Andrer schon besäß ihr Herz,
dann ließ ich's gelten, dann wär's purer Scherz.

Cardenio.

Ist nicht zerreißbar ein geschlungnes Band?
Wird doch ein Roß durch Reiters Kunst gewandt.

Hexe.

Ich will's bedenken. Solchem feinen Herrn
verweigert man den größten Dienst nicht gern.

Cardenio.

Es sei gefährlich, sei noch so gewagt,
ich scheue nichts, niemals hab' ich verzagt.
Den blutgen Tod sah ich kühn in der Schlacht,
unter Leichen hab' ich oft gewacht.

Hexe.

Hier reicht nicht zu das kräftge Wunderkraut
vom Grabeshügel der verlaßnen Braut,
Froschbeinchen nicht benagt vom Ameisschwarm
führt euch das Liebchen liebend in den Arm.
Hier brauchen wir des Zaubers stärkstes Band,
sonst wird niemals zu euch ihr Herz gewandt.

Cardenio.

So nennt es schnell! Hegt's Wasser oder Luft,
Wohnt's in den Flammen oder in der Gruft?

Hexe.

Aus Haß kommt Groll, vom Wasser kommt die Flut,
aus Liebe Lieb', aus Flammen heisse Glut.
Ein liebend Herz nur lenkt des Herzens Gunst,
wird es verzehrt von heisser Flammen Brunst,
wißt ihr ein treues liebendes Gemüth,
das heiß für euch in brünstgen Flammen glüht,
so reißt inmitten süßer Liebeslust
das warme Herz aus der gespaltnen Brust.

Cardenio.

Unmenschlichs Ungeheur! Die Hölle sinnt
in aller Teufel hohem Rathe selbst
so furchtbar namlos grauses Bubenstück
nicht aus, als dieses Frauenbildes Witz!
Trägst du ein menschlich Antlitz? Mißgeburt!
Warst du aus Frauenschooß geboren, oder
aus giftgem Moder auf dem Hochgericht
vom Basilisk gebrütet, und vom Alp
gemästet mit dem Blut des Vatermörders?

Hexe.

Nun, strenger Herr, wollt ihr des Teufels Rath,
so scheut euch nicht für etwas kühner That.
Will einer neu der Blüten Pracht beschaun,
muß er der reifen Frucht Gehäus zerhaun,
den Saamen reißt er aus dem Innern los,
und zieht aus ihm die jungen Keime groß.
So ist die Ordnung einmal in der Welt,
um euch wird wahrlich anders nicht bestellt.
Brennt ihr ein solches Herz zu Aschenstaub,
wer davon kostet, wird der Liebe Raub,
und will er nicht in grimmer Qual vergehn,
muß er zu euch und brünstig Liebe flehn.
Ihm hilft kein Arzt, ihm wächst kein Gegengift;
gebunden bleibt, wen solcher Zauber trifft.

Cardenio.

Und wär es sicher, wie der Hölle Witz,
um solchen Preis meid ich gern den Besitz.
Viel lieber leid' ich selbst die grause Qual,
als daß ein liebend Herz durchbort mein Stahl.
Kannst du nicht anders stillen meine Noth,
Für solche Hülfe wähl' ich gern den Tod.

will ab.

Hexe.

Ei, junger Herr, was ihr bedenklich seid!
Euch nicht zu dienen thät mir wahrlich leid.
Geduldet euch, wir finden wol was aus,
was euch vergnügt, ohn solchen blutgen Graus.

                bei Seite.

Das junge Fäntchen denkt, es hält sich rein,
flieht es von schwarzer That den blutgen Schein.
Am Ende übt die Hand noch gern den Mord,
sprach nur der Mund zuvor ein Tugendwort.
Sucht einer erst des Teufels Hülf und Rath,
dann ist er bald bereit zu jeder That.

Cardenio.

Was murmelt ihr so heimlich vor euch hin?

Hexe.

Ich denke nach, ob ich wol was ersinn.
Um euch, mein schöner Herr, thät ich gar viel,
doch muß ich wagen ein bedenklich Spiel.
Vor allem nennt die sprödeste der Fraun,
die euch betrübt, ihr dürft mir keck vertraun.

Cardenio.

Hyolda heißt sie.

Hexe.

                Braut des Lucian?

Cardenio.

Gewesen! mir gehört sie künftig an.

Hexe.

Habt ihr kein Liebeszeichen, keinen Ring,
kein Tüchlein, Band, es sei noch so gering?
Wenn in den Händen, an der Brust sie's trug,
am Anzug nur, so ist mir's schon genug.

Cardenio.

O daß sie je so große Huld gewährt,
mit solchem Pfand die Hoffnung mir genährt!
Verstohlen nur ward einst von ihrem Haupt
durch mich der Locke goldne Pracht geraubt.

Hexe.

Gebt mir die Locke!

Cardenio.

                Ueberlassen sollt'
ich dir dies Kleinod, werther mir als Gold?

Hexe.

Es ist ja blos zu eurer Liebe Heil.
Mit diesem Haar schnell ich den Liebespfeil
in eures Liebchens eisigkalte Brust,
und öffn' euch drin den Quell der Liebeslust.
Doch, das beschwör ich euch, raubt mir kein Haar
von eures Liebchens Haupt, sonst bringts Gefahr.
Schwört ihr mir das?

Cardenio.

                Ich schwör es.

Hexe.

                Nun so hört:
Noch heut wird euch so süßes Glück gewährt.
Zu eures Lusthains kühlsten Lieblingsplatz
send' in der Mittagsstund ich euren Schatz.
Da kos't mit ihr, nehmt Küsse oder gebt,
und seid gewiß, daß sie für euch nur lebt.
Doch dieses sag' ich euch: benutzt die Zeit;
so schönes Glück währt keine Ewigkeit.
Denn wenig Haare sind ein schlechtes Band,
und nur der kurzen Liebe sichrer Pfand.

Cardenio.

O, hast du mich nur einmal erst beglückt,
dann, Liebliche, wirst du mir nie entrückt!
Ein mächtger Band webt dann die Liebesbrunst
um uns als jedes Zaubers dunkle Kunst.

Hexe.

Es ist nur, junger Herr, das ihr es wißt!
Sprecht nicht hernach von Täuschung oder List,
wenn ihr verliert die kaum errungne Huld.
Es ist nicht mein', es ist bloß eure Schuld.

Cardenio.

Sorgt nicht für mich. Uebt euren Zauber bald;
Ich harre meines Glücks im kühlen Wald.

ab.

Käthel.

Hihi! hab mich heimlich bald krank gelacht,
was habt ihr nur wieder ausgedacht?
Gelt, ihr laßt den jungen verliebten Narren
bis auf den Tag Sankt Nimmermehr harren?
und habt ihn um sein schönes Geld
gar tüchtig betrogen und geprellt?

Hexe.

Du Einfalt, du Pinsel, du dummer Tropf!
Kommt niemals was Kluges in deinen Kopf?
Würde mich wol mühn mit bloßem Harren,
so 'nen Gecken zu drillen und zu narren,
um so 'nen lumpgen schnöden Gold,
ist's doch nur Silber und nicht einmal Gold!
Für sein hochgelehrtes Moralisiren
müssen wir ihn sonderlich divertiren.
Gelt, Bärbel, wir schaffen ihm eine Braut,
vor der's dem Urian selber graut.
Soll seine Lust an 'nem Scheusal büßen,
das er nüchtern nimmermehr trät mit Füßen.
Ich zaubr' ihm die Augen voll Höllenschein
und schick' ihm die Braut von dem Rabenstein.

Bärbel.

Hei! das ist lustig du alte Mutter!

Hexe.

Jetzt schafft mir geschwind 'was Drachenbutter,
und vom Kindesfinger ein Stümpfchen Licht,
wir müssen unsichtbar zum Hochgericht.

Käthel.

Nimm Irrwischschmalz mit, die Braut ist defekt,
hat den Raben schon gar so gut geschmeckt.

Hexe.

Braucht nur bis morgen früh zu halten,
dann ist Alles ja wieder ganz beim Alten.
Drum hab' ich ihm kurzes Glück versprochen,
Hätte sonst vielleicht den Braten gerochen.
Bringt Ofengabel und Besen her,
und salbt euch geschwind mit dem Hexenschmeer.

Alle drei.

        Hurrah! drei von Neun ist Sechs,
        auf dem Besen reitet die Hex,
        der Besen unten, die Hexe oben,
        das Roß muß man und den Reiter loben.
        Hurrah...

Hexe.

Wer pocht schon wieder an der Thür.

Käthel.

Es ist ein schönes Fräulein hier,
mit einer Alten, 's ist wol die Amme.

Hexe.

Weis schon, die plagt auch die Liebesflamme.
Nur herein, wir können nicht lange ruhn,
haben bis Mittag noch viel zu thun.

                Febronia und Blanka kommen.

Blanka.

Nur herein, sei nicht so schüchtern;
Mutter Baubo kennt das Alles,
was verliebte Mädchenherzen
fühlen in so jungen Jahren.

Hexe.

Schönes Kind, ihr könnt mir trauen;
ob es gleich ein wenig lange,
daß ich jung und hübsch gewesen,
weis ich doch, was ich erfahren.
Aber kaum kann ich es glauben,
seh' ich eure Rosenwangen,
euren Mund und eure Augen,
daß ihr ungeliebt sollt schmachten.
Ist so eben ein verliebter
junger Herr von mir gegangen,
den viel mindre Frauenschönheit,
als die eure, hält gefangen.

Febronia.

Ohne Trost ist euer Schmeicheln!
Was ist Schönheit, was ist Anmuth,
hegt im Herzen der Geliebte
statt der Liebe nur Verachtung.

Blanka.

Laß mich selbst dein Leid erzählen.
Wenig hilft dir jetzt das Klagen,
liebes Kind, von Mutter Baubo
kannst du Trost und Hülf' erwarten.
Glaubt auch sicherlich, Frau Baubo,
helft ihr uns, ist's euer Schade
wahrlich nicht. Das schöne Fräulein
stammt, ich weis, von reichem Vater.
Gleichwol, ob sie jung und schön,
und so reich, wie wenig Damen,
hat sie treulos der Geliebte
vor der Hochzeit noch verlassen,
hat sich, wie durch bösen Zauber,
in viel mindren Reiz vergaffet,
und kränkt nun mein armes Fräulein
durch abstoßendes Betragen.

Febronia.

Womit hab' ich's nur verschuldet,
daß er solches Leid mir anthut!
Liebt' ich doch so treu und innig,
nimmer ahnt' ich solche Wandlung!

Hexe.

Schönes Fräulein, soll ich helfen,
nennt getrost mir euren Namen,
auch den seinen und von jener,
welche jetzt ihn hält gefangen.
Scheltet auch nicht Neubegier,
daß ich mit so kühnen Fragen
dring in eurer Brust Geheimniß,
nöthig ist's zu gutem Rathe.

Blanka.

Wie mein Fräulein heißt, das dürftet
ihr so leicht wol nicht erfahren,
ob sie gleich sehr hoch geboren,
fast von königlichem Stamme.
Denn ein Fürst, doch aus der Zahl
frommer Ritter Sankt Johannes,
ward, zuwider dem Gelübde,
dieser holden Schönheit Vater.
Auch die Mutter hielten schon
unlösbarer Ehe Bande:
Kaum geboren, ward die Tochter
fortgescheucht aus Mutterarmen.
Doch der Vater forschte heimlich
nach der Liebe zartem Pfande,
kam auch oft das Kind zu schauen,
bracht ihm fürstlichreiche Gaben.
Und als endlich in der Schlacht
siegend er als Held gefallen,
ward mein Fräulein einzge Herrin
von des Ritters ganzer Habe.
Nun begreift ihr wohl: sie soll
nicht des Ritters Namen tragen,
und wer Mutter ihr gewesen,
hab' ich selbst noch nicht erfahren.
Jener doch, der sie geliebet,
heißt Cardenio mit Namen,
und Hyolda von Ferillas
heißt, die jetzt sein Herz gefangen.

Hexe.

Heisa, lustig, schönes Fräulein,
sollt den Buhler sicher haben!
Käthel, Bärbel, bleibt zu Hause,
können heut den Weg uns sparen.

Febronia.

Seid ihr so gewiß der Hülfe?
Mich schreckt euer freudger Anruf,
und es mischt sich in mein Hoffen
düstre, grauenvolle Ahnung.

Hexe.

Seid getrost, ich weis ein Mittel
euch den Flüchtgen fest zu bannen,
und es braucht nicht vieler Künste,
schnell und leicht gethan ist Alles.
Liebt ihr wol den schönen Mann
so, daß ihr es möchtet tragen,
eurem reichen Schmuck der Schönheit
Tag und Wochen zu entsagen?

Febronia.

Kannst du zweiflen, ob ich's möchte?
Theuer ist mir solche Wandlung:
Nimm mir jeden Reiz, für Liebe
trag ich gern so süße Armuth.

Hexe.

Ganz sollt ihr euch nicht entäußern.
Gebt nur eignen Reiz für andern:
Laßt mich euch zu der Geliebten,
zu Hyolda umgestalten.

Febronia.

Kannst du das? Wird er mich lieben
in der täuschenden Verwandlung?
Wandelt sich mit meinem Anblick
auch zu Gunst in ihm die Abgunst?
Nein, wenn er zu mir sich wendet,
in der feurigen Umarmung,
liebt er doch in mir Hyolda
nur, des fremden Reizes Abdruck.

Blanka.

Sei nicht so genau und wählig!
Aendertest du doch den Anzug,
wenn's der Freund von dir begehrte.
Nimmer weiß ich, daß du's abschlugst.
Was du oft gethan, weil Mode
dir es rieth, oft auch Gefallsucht.
Warum scheust du jetzt für Liebe
deines Ansehns Umgestaltung?

Febronia.

Scheuen wollt' ich nicht Gefahren,
würd' es wieder ganz wie vormals,
und weil du es selbst gerathen,
nehm' ich die Gestalt Hyolda's.
Doch, wie kann ich sie erreichen,
die so hoch an Reiz hervorstralt?
Wie gewinn ich solche Anmuth,
solcher Stimme süßen Wohlklang?

Hexe.

Daß uns solches Werk gelinge,
müßt ihr selbst es ernstlich wollen.
Ohne Willens Kraft und Stärke
ist des Zaubers Macht verloren.
Habt ihr jetzt von diesem Tranke
wenig Tropfen nur gekostet,
dann verbergt, in euren Haaren
eingeflochten, diese Locke.
Eilt nun schnell, als rief euch Liebe
– ob's euch schwer dünkt – zu Hyolden,
und mit ihr als einer Schwester
müßt ihr zärtlich tändelnd kosen.
Gleich als wärt ihr selbst der Buhler,
sparet nicht die Schmeichelworte,
in die Augen saugt ihr Bildniß,
spielt im blonden Gold der Locken,
küßt des Mundes zarten Purpur
und der Wangen junge Rosen,
und mit liebender Umarmung
sei sie oft von euch umschlossen.
In euch wird aus ihrem Herzen
so der Lebensgeist ergossen,
und er formt sich euer Bildniß
nach dem Vorbild von Hyolda,
ähnlich, als wärt ihr ein gleiches
Zwillingschwesterpaar geboren.
Bald könnt ihr auch selbst gewahren,
ob das Bildniß wohl getroffen,
wenn das braune Haar sich wandelt
in Hyolda's goldne Locken;
eilt dann fort, ihr werdet sicher
Mutter Baubo's Künste loben.
Aber laßt das fremde Haar
stets dem euren eingeflochten;
raubt Gewalt es oder Liebe,
ist des Zaubers Kraft verloren.

Febronia.

Wunderbar ist solch Beginnen,
doch ich bin euch gern gehorsam.
Gebt den Trank, gebt mir die Locke,
nichts ist mir gleich ihnen kostbar.
Nehmt dies Gold! Gewiß ich zürne
selbst auf meines Dankes Ohnmacht,
denn so mächtge Kunst und Hülfe
ist mit Schätzen nicht belohnbar.
Und das seid gewiß: die Locke
wahr ich als ein Kleinod sorgsam:
Wunderbar belebt der Trank mich!
Flugs nun eil' ich zu Hyolda.

ab mit Blanka.

Hexe.

Hahaha! das braußt,
das jubelt, das saußt,
und Baubo von beiden gedoppelt schmaußt.

Bärbel.

Ja, wenn's gelingt
das Teufelsding!
's ist viel gewagt,
hast's schlecht bedacht,
hätt's anders gemacht.

Hexe.

Was soll der Brei?
Ist klüger das Ei?

Bärbel.

So lang sie roth
hat's keine Noth,
aber wenn das Weib
in fremdem Leib
zum Teufel geht,
weißt, was drauf steht?

Hexe.

Potz Urian!
Nun denk ich dran.
Au weh, au weh,
's juckt Daum und Zeh.
Du Katzengesicht,
was hindert'st du's nicht?

Bärbel.

Ihr jagt uns ja fort,
spricht eine ein Wort!
Seid sonst ja klug,
wißt allein genug.

Hexe.

's geht sicher jetzt
mit mir zuletzt.
Muß sehn, wie ich's wende,
sonst bin ich am Ende.
Das bringt mir Noth,
wol gar den Tod.


6.

Brunnen im Walde.

Cardenio.  Lysander.

Cardenio.

Es muß sich bald bewähren, ob sie Wahrheit
zu mir gesprochen, oder schnöden Trug.
Die Zeit ist da, wo meiner Liebeskrankheit
aus hoher Schönheit reinem Wunderquell
die langersehnte Labung rinnen soll.
Hier soll ich harren auf mein süßes Glück! –
Was hälf der Hexe wol so grober Trug?
Ich wendete die mächtige Begierde,
aus Lieb' in Haß und Racheglut verkehrt,
jetzt gegen sie, und stieß das alte Scheusal
mit allem Zauberkram hinab zur Hölle.
Vielleicht ist's nicht so spät: die Ungeduld
greift stets zuvor dem trägen Schritt der Zeit –
Ha, sieh! Weht nicht Hyolda's Schleyer dort?
Sie kommt, sie naht! fort, fort! laß mich allein.
Sie naht, die ich mit wildem Schmerz erwarte.

Lysander.

Besinn' dich doch, es ist Febronia.

Cardenio.

Febronia? was will die hier? Ist's Spott
der alten Hexe, oder böser Zufall?

Lysander.

Ein böser nicht, ein warnender vielleicht.
– Sei uns gegrüßt, holdselige Dryade!

Cardenio.

Bei meinem Zorn, sei still, was soll sie hier?

Lysander.

Sei unbesorgt! Sie eilt, und wendet nicht
den flüchtgen Blick nach uns.

Cardenio.

                Was sucht sie hier?

Lysander.

Dort öffnet sie das Haus Hyolda's. Richtig,
sie geht hinein.

Cardenio.

                Verdammt! nun hält sie mir
den langersehnten Augenblick noch auf!

Lysander.

Das macht dein Tollkopf. Hätt'st du nicht gewehrt,
ich rief sie her; für dich war's keine Störung:
Wenn deine Göttin kam, so zog ich kosend
die holde Nymfe fort zum Sitz der Liebe.

Cardenio.

Elender! wagst du dich, so freches Wort
von diesem reinen Engelsbild zu sprechen?

Lysander.

Ich meine nicht Hyolda.

Cardenio.

                Von Febronien
sollst du mit tiefer Achtung sprechen, Mensch!

Lysander.

Nun seh mir einer solches Wunder an!
Harrt hier des neuen Liebchens, und dabei
wär er im Stand, um's alte sich zu schlagen.

Cardenio.

Und thut's, wenn du ein halbes Wort noch wagst.
Was ist die Zeit?

Lysander.

                Der Nachmittag ist eben
drei Stunden alt. Die Hexe hält vielleicht
vornehmen Herren gleich, zu Abend Mittag.
Dann haben wir noch lange nichts versäumt,
und können Mittagsruh vor Mittag halten.

Cardenio.

Die Mittagsstunde hat sie mir genannt,
und diesen Platz, den kühlsten dieses Hains.
Soll mir des Glücks kostbare kurze Zeit
vorübergehn, so ungenutzt und leer?
Ich eile hin zu ihr, ich muß sie sehn!

Lysander.

Febronia ist dort.

Cardenio.

                Ich scheuche sie:
der Zauber giebt mir Muth, Alles zu wagen.

ab.


7.

Hyolda's  Wohnung.

Hyolda.  Febronia.

Hyolda.

Mein süßes Mädchen, wie so wunderbar
du mich bewegst mit deiner holden Rede!
Wir sahen uns, so dünkt es mich, wol niemals,
doch ist als bänd mich alte Kinderfreundschaft
seit langer Zeit an dich. Fühlst du das auch
so gegen mich? Ich hört' es gern von dir.

Febronia.

Mich zieht es an dich, wie mit Liebeszauber.
So muß es Schwestern seyn. Heil mir, daß heut
ich nicht dem Drange widerstand, der mich
zu dir unwiderstehlich mächtig zog.

Hyolda.

Es war der Schwesterliebe zarte Ahndung.

Febronia.

Nein, süße Schwester; jetzt wol hält mich Liebe
in deinen Arm, an deine Brust gebannt,
doch früher war's ein wilder Trieb. Erschrick nicht
mein sanfter Schutzgeist. Einst, wenn deine Schwester
sich glücklich fühlt, gesteht sie alles dir.
Nicht wahr, du zürnst auch nicht mit mir, wenn ich
aus deiner Liebe mir mein Glück bereite?
Man sagt, wen Engel lieben, dem erblühn
auch dieses irdschen Lebens schönste Blüten:
So wird auch mir, aus deiner süßen Liebe
ein wunderbar, geheimnißvolles Glück.
Zürnst du darum?

Hyolda.

                Du holde Schwärmerin!
Sieh mir ins Auge; bist du nicht zu jung
der Augen stumme Sprache zu vernehmen,
und tief hinein durch diese lichten Pforten
in eines Herzens Heiligthum zu schaun;
so sieh den frohen Geist der Schwesterliebe,
wie er sich sehnt im Kuß dir auszusprechen,
was Wort' und Töne genügend nicht bezeichnen.
O könnt' ich dich mit tausend Herzen lieben,
wenn meiner Lieb' ein Glück für dich entkeimt.
Du hast mich wunderbar an dich gezogen,
mir ist's als würd' ich eins mit dir. Dein Glück
dünkt mich das meine, nicht durch Antheil bloß,
der mit der Freundin selbst sich glücklich fühlt,
in dir, in deinem Selbst schein ich's zu fühlen.

Febronia.

Es naht mir auch mein Glück! So sicher fühl' ich's
als daß mein Haupt an deine Brust sich schmiegt.

Hyolda.

Wie wunderbar! Indem ich dich umfange,
wird mir, als wärst du Schwester mir in Wahrheit;
mein eignes Bild glaub' ich in dir zu sehn,
und selbst in deiner Stimme, dünkt es mich,
hör ich die meine schöner wiedertönen.
So hat die junge Freundschaft innig uns
in wenigen Minuten schon vereint.

Febronia.

O selges Glück, wenn alles Fremde weicht!
Mich dünkt es auch, als wollte die Natur
durch äußre Gleichheit unsern Bund besiegeln.

Hyolda.

Du siehst es auch? So ist es wol gewiß!
Dem eignen Sinne wollt ich nicht vertraun,
denn Wünsche täuschen leicht, und wunderbar
fühl' ich mich kraftlos, und die Augen senken
die Wimper, wie von nahem Schlaf befangen.

Febronia.

An meine Brust, du holdes, liebes Haupt!

Hyolda.

Ist das dein Haar, das auf der Brust sich ringelt?

Febronia.

Das meine: hindert's dich? – Wirf es zurück!

Hyolda.

Die lieben Locken! – sind ja blond, wie meine;
ich hielt dich erst für braun. – Welch schönes Haar!
In seiner Fülle schien es dunkler mir,
doch ist es blond, als hätt' ein Gnom sein Gold
von diesen seidnen Ringeln abgelauscht. –
Wer spricht doch draußen! Ungelegne Störung!

Febronia.

Cardenio's Stimme!

Hyolda.

                Kennst du den Cardenio?

Febronia.

Ich kenn' ihn, ja.

Hyolda.

                Ich bitt' dich, weis ihn ab.
Ich wünsche nicht, daß er mein Haus besuche,
besonders jetzt, wo Lucian im Feld.
Willst du mir den Gefallen wol erzeigen?
Ich bin nicht wohl, du kannst's in Wahrheit sagen,
in jenem Zimmer leg ich mich aufs Ruhbett,
wenn du ihn abgefertigt, komm mir nach.

Febronia.

Ich geh mit dir, mein krankes Schwesterchen.

Hyolda.

Du tiefes blaues Aug, wie lieb du blickst!

                beide ab, Cardenio tritt ein.

Cardenio.

Das Zimmer leer? – und draußen wehrt man mir
beinah den Eintritt! – Dennoch soll ich glaubten?
Verfluchte Gauklerin! – Wie konnt' ich Thor
aus solcher Hand ein solches Kleinod hoffen!
Still! draußen regt sich's – Ob die Thür' ich öffne?
Es nahn sich Schritte – wär's vielleicht sie selbst?

                Febronia kommt zurück in Hyolda's Gestalt.

Febronia bei Seite.

Jetzt halte dich, mein Herz! zersprenge nicht
gleich ungeduldgem Roß, wenn es der Heimath
sich wieder naht, vor wilder Lust den Zügel. –
Was führt euch her zu mir, Cardenio?

Cardenio.

Was einen Kranken aus des Zimmers Oede
zum heitern Licht der goldnen Sonne führt.
An ihren Stralen hofft er zu genesen.

Febronia.

Seid ihr so krank, so möcht' ich Sonne seyn
um euch zu heilen – Sprach' ich wol zu viel?

Cardenio.

So laßt zu euren Füßen mich gesunden,
in euren Armen gebt mir Seligkeit!

Febronia.

Zurück! was wagt ihr? ziemt dem Kranken das?

Cardenio.

Der Liebesgöttin Mund heilt solche Krankheit.
Und von dem süßen Lebensquell verjagt
mich keine Macht. Mit Himmel und mit Hölle
kämpf' ich um diesen köstlichen Besitz.

Febronia.

Mich fragt ihr nicht, ob solchen Herrn ich dulde?

Cardenio.

Du süßer Mund gabst ja mir küssend Antwort:
Dein Ritter soll ich seyn, du meine Herrin.

Febronia.

Der Kuß war stumm, du hast ihn falsch gedeutet.

Cardenio.

So frag ich ihn zum zweiten, drittenmal –
Er spricht dasselbe. Dieser Göttermund,
was nennt' er anders, als das Glück der Liebe?

Febronia.

Ein kurzes Glück! Oft wandelt sich's in Schmerz,
wie Morgenroth in schwarzes Sturmgewölk!

Cardenio.

Willst du in Leid es wandeln?

Febronia.

                Niemals, niemals!

Cardenio.

Du hast's gesprochen: Niemals, niemals endet
mein Liebesglück, ich bin der Welt gestorben,
und, selgen Geistern gleich, leb' ich bei dir
in deinem Himmel ewges Götterleben,
Hyolda, süßes, zartes Engelbild!
– du wendest dich, du fliehst aus meinem Arm? –
O Hölle! – kurzes Glück! – du sagtest wahr!

Febronia.

Verlaß mich!

Cardenio.

                Dich verlassen? jetzt verlassen?
Welch böser Geist verdunkelt mir mein Glück!
Warum auf einmal dieses Aug' in Thränen?
Mein sanftes Mädchen, darf die dunkle Wolke
des Grams auf diesen blauen Himmeln schweben?
Laß sie der Liebe Sonnenblick verscheuchen!
So – lächle wieder! – sieh, die Wolke schwindet,
ein Kuß, und ganz bist du jetzt wieder mein.
Sprich, was bewegte dich so schnell, so tief?

Febronia.

Frag' nicht danach: ich möcht' es gern vergessen.
Es zieht mich ja von dir, denk' ich daran.

Cardenio.

Vergiß es ganz, mein zartes, holdes Mädchen,
und denke bloß, daß du mich liebst.

Febronia.

                Dich lieb' ich!

Cardenio.

O sing noch einmal, meine Nachtigall,
Du süße, liebe Sängerin, Hyolda!

Febronia.

Cardenio, ich bitte dich, verlaß mich!

Cardenio.

Schon wieder fern von mir? Ich fass' es nicht!
Was strebst unwillig du von mir hinweg?
Sprach ich ein Wort, das zarte Liebe scheuet?
Hyolda, meine liebliche Hyolda,
ist meiner Liebe Melodie verstummt?

Febronia.

Laß mich allein! Leicht würden wir verrathen.

Cardenio.

Ich fürchte nichts. Mag Welt und Himmel hören,
daß mich Hyolda liebt! Ich weiß die Braut
zu schützen und mir tapfer zu erkämpfen.
Drum hab' ich kein Geheimniß zu bewahren.

Febronia.

Ich bitte dich, wenn du mich liebst, verlaß mich.
Um meinetwillen schone mein Geheimniß,
selbst hier darfst du mich ferner nicht mehr finden.

Cardenio.

Nicht hier? wo sonst?

Febronia.

                Am Waldborn, wo ich heut ...

Cardenio.

Du warst am Waldborn?

Febronia.

                Himmel was verrieth ich!

Cardenio.

Was bestürzt dich, Liebchen?

Febronia.

                Kühlung sucht' ich dort.

Cardenio.

So warst du's wirklich?

Febronia.

                Hast du mich gesehn?

Cardenio.

O Blindheit, die mein Glück verzögerte!
Darf ich es glauben, daß du mich gesucht?
Du liebevolles, himmelschönes Mädchen!
Und ich, verblendet, mein' in dir Febronien
zu sehn, und zürne, wo ich jubeln sollte.

Febronia.

Sie ist – so hört' ich – mir nicht ganz unähnlich.

Cardenio.

Dir? – Ganz vielmehr von dir verschieden. Ganz!
Schön seid ihr beide, darin seid ihr gleich;
doch sanftrer Reiz ist dein, du schöne Heilge.
Dein blaues Aug' ist klarer Tageshimmel,
dein Lockengold der Mittagsonne Licht:
Wie Stern' in schwarzer Nacht sind Jener Augen,
und dunkles Haar umwallt sie wie Gewölk.
Unmöglich fast ist Täuschung.

Febronia.

                Doch galt heute
die Eine für die Andre dir.

Cardenio.

                Was thut das?
Bist du doch mein, hab' ich doch deine Liebe!

Febronia.

Genügt dir das?

Cardenio.

                Es hebt zu Göttern mich.

Febronia.

So nimm den Abschiedkuß, mein süßes Leben:
Vergiß den Waldborn nicht. Jetzt fort, fort, eilig!

Cardenio.

Ich geh. Ob träumend oder wachend, weiß ich's?

ab.

Febronia allein.

Ich hab' ihn wieder! – Ich? – ich hab' ihn nicht!
Hat mir sein Kuß, sein Liebeswort gegolten? –
Bin ich's die seiner Liebe Blüten bricht?
Mein falsches Bild – der Schatten von Hyolden! –
Was hilft es mir, daß ich den Schein errang?
Ist mir gestillt der Liebe heisser Drang?
In Liebesschmerzen wär ich fromm gestorben;
Nur Schuld hab' ich und neue Qual erworben!

geht ab.


8.

Hexenwohnung.

Cardenio.  Die Hexe.

Cardenio.

Ihr habt gelös't das mir gegebne Wort,
Hyolda war an dem bestimmten Ort.
Errungen hab' ich ihres Herzens Gunst,
versprochnen Lohn auch zoll' ich eurer Kunst.
Nun hört: ich finde Ruh nicht Tag nicht Nacht,
bis ich zu meiner Gattin sie gemacht.
Drum müßt ihr mir des Zaubers Kraft erneun,
dann soll euch doppelt reicher Lohn erfreun.

Hexe.

Das kann ich wol, doch es bekäm mir schlecht,
wenn ihr mir nicht mit Hand und Mund versprecht,
– ich weiß ihr Herrn seid oft vor Liebe toll –
daß euer Liebchen eh'r nicht sterben soll,
bis die Magie, die euch mit ihr verband,
zuvor gelöset ward durch meine Hand.

Cardenio.

Was fällt euch ein? Aus welchem Winkel droht
dem holden Leben Krankheit oder Tod?

Hexe.

Man weiß doch nicht! Ein altes Sprichwort sagt:
Viel besser ist bewahret als beklagt.
Ihr könntet wol in toller Eifersucht
verzweifeln an des holden Kindes Zucht.
Da könnt' im Zorn ein Unglück leicht geschehn,
daß uns hernach die Augen übergehn.

Cardenio.

Wann ward der Teufel so gewissenhaft?
Ich geh es ein, doch haltet mir die Kraft
des Liebeszaubers, daß er nicht entweicht,
bis uns der Tod die scharfe Hippe zeigt.

ab.


9.

Vor Lucians Zelt.

Lucian.  Marino.

Lucian.

Nun, tapfrer Kriegsgesell, bereitest du
dich auch zur Rückkehr nach der lieben Heimath?
Das waren heisse Tage, voll von Blut
und blutentsproßnem, sieggekröntem Ruhm.

Marino.

Das waren sie, ich wollt, sie wären noch!
In freier Luft fühlt sich die Klinge wohl,
rauscht gern im Sturm und blitzt im Sonnenlicht,
mag ungern nur im engen Häuslein ruhn:
So geht mir's auch. Möcht lieber im Gefecht
mich länger tummeln, als zum Hause ziehn.

Lucian.

Du braver Degen, glaub' dir's wol, du findest
daheim ein leeres Haus. Kein zartes Liebchen
lauscht an dem Fenster, harrt am Pförtchen dein.
Du lachst? blüht dir vielleicht dein Glück im Stillen?

Marino.

Soll ich nicht lachen? Mein zernarbtes Antlitz,
das Feindesklingen manches Jahr gestreichelt,
das wär' ein Fund für zarte Frauenhände!

Lucian.

Des Helden Narben liebt ein braves Weib.
Sie sind die leserlichste Schrift des Ruhmes.
Ich habe brav gekämpft, du weißt es selbst,
doch theurer als des Königs Gnadenzeichen,
ist mir des Kampfes Denkmal auf der Stirn,
und lieber zeig' ich's meiner Braut als jenes.

Marino.

Der Braut? So! also bleibt es bei der Heirath?

Lucian.

Nun freilich! Hast du je daran gezweifelt?

Marino.

Das eben nicht. Du sprichst doch von Hyolda?

Lucian.

Zum Teufel, ja! Was willst du mit der Frage?

Marino.

Ich mag gern ehrlich sprechen, mag auch wieder
nicht Feuer schüren, wo's mein Amt nicht ist.
Doch, halb ist mir das Wort entflohn, und halb
darf weder That noch Wort des Mannes seyn.
Man munkelt, deine Braut heg' andre Liebe.

Lucian.

Beweis' das mit der Klinge.

Marino.

                Bin's zufrieden,
sobald wir mit dem Wort' erst fertig sind.

Lucian.

Vollend' es schnell!

Marino.

                Man sagt, Cardenio...

Lucian.

Cardenio?

Marino.

                Dieser sagt man buhlt mit ihr.

Lucian.

Gehört noch mehr zum Wort?

Marino.

                Nun kommt die That.

Lucian.

So zieh dein Schwert!

Marino.

                Das ist die zweite Hälfte.
Zuerst zieh heim, und forsch' ob ich gelogen;
Was dann noch dunkel bleibt, erklärt die Klinge.

Lucian.

Er liebte sie schon längst! Wär's ihm gelungen,
da ich entfernt, ihr schmeichlerisch zu nahn?
Marino!

Marino.

        Was?

Lucian.

                Zieh mit mir, hilf mir forschen,
und theile dann der Rache Lust mit mir,
die einz'ge Lust, die noch das Leben bietet.

Marino.

Es sei.

Lucian.

                Doch tummle dich.

Marino.

                Mein Mantelsack
ist schnell gepackt, mein Roß sehr bald gesattelt.
Mehr brauch' ich nicht. Du findest mich bereit.

ab.

Lucian.

Er sieht nicht aus, als hört' er auf Geschwätz.
Und doch – Unmöglich ist es, unbegreiflich!
Hyolda treulos! darf sich die Verläumdung
an eines Engels reine Unschuld wagen?
Nein, nein! – Und wagt sich das Gerücht daran,
ist's dann Verläumdung? – Holla, Gonzales!

Gonzalez kommt.

Wir ziehen morgen heim.

Gonzalez.

                Schon morgen?

Lucian.

                Ja! –
Auch an gesunder Blüte nagt der Wurm.
– Bereite alles, ordne das Gepäck,
die Schaaren sollen fertig seyn zum Aufbruch –
Es kann nicht seyn, drum ist es sicher nicht.
Kenn' ich sie besser nicht als das Gerücht?
Von wem spricht dieses gut? Der Schatten wird
zum Fehler, dieser wächst zur Riesengröße
von solchem giftgen Hauch und wird Verbrechen.
Und alles ist ein Schatten, ein Gespenst,
nicht wirklicher als ein Gebild im Spiegel,
in dem die Larve, Mißgunst, sich beschaut.
– Mit Tages Anbruch halt' die Rosse fertig,
Marino zieht mit uns. – Ich will es lösen
das grause Räthsel, das die arge Sphinx,
Verläumdung, aussann, und das Ungeheuer
soll grinsend in ohnmächtgem Grimm zerbersten.


10.

Waldbrunnen.

Febronia.  Cardenio.

Febronia, in Hyolda's Gestalt.

Laß ab, du lieber Schmeichler! Sieh schon röthen
des Abendhimmels Wangen sich vor Schaam,
daß beim Geliebten noch die Jungfrau weilt.

Cardenio.

Wie sagst du? Nein, sie glühn gerechten Zorn,
daß nun, wo Dämmrung alles mild vereinet,
das spröde Mädchen vom Geliebten eilt.

Febronia.

Wie gern mit dir wacht' ich den Tag herauf!
Zu gut nur weißt du, wie dein holdes Bitten
des Willens gernbezwungne Kraft mir bändigt.
Drum bitt' ich dich, laß ab, mein süßer Liebling.
Du mußt nicht schmeicheln: sei mir etwas streng
im letzten Augenblick. Sei nicht so freundlich,
daß nicht der Abschied mich zu bitter schmerzt.

Cardenio.

Wie du so lieb bist, meine zarte Braut,
so sanft und mild, und doch so warm und glühend! –
So blond Gelock wär' andren Mädchen nur
ein Liebesnetz, dir wird's zum Diadem,
das golden deine Herrscherstirn umschließt:
Mein zartes Mädchen, meine Königin!

Febronia.

Du sonst nicht schmeicheln.

Cardenio.

                Ist's denn meine Schuld,
wenn meiner Göttin Nähe jedes Wort,
was Andern schmeichelt, schnell in Wahrheit wandelt,
weil jeder Reiz sich freut an ihr zu prangen? –
Es liebt wol Sanftmuth, taubenhafte Milde
und zartes Sinns begeistrungvolle Andacht
aus blauem Aug' zum blaugewölbten Himmel
der frommen Seele heilgen Blick zu tragen,
doch solcher Geist, der, Adlern gleich, der Sonne
das königliche Aug' entgegenträgt,
der bald ins Innerste des Herzens dringt,
und dort ein ewges Opfer sich entzündet,
bald mit des Witzes schnellbewegter Fackel
ein neckend Licht auf ernste Dinge blitzt,
pflegt sonst aus dunklem Spiegel nur zu glänzen.
In dir allein wohnt beides ungetrennt:
In deines Augs azurnen Himmel bauten
andächtge Heilge sich den frommen Dom,
und frohe Götter jeden Freudentempel.

Febronia.

Du scheinst den dunklen Augen doch nicht abhold.
Febronia – mich dünkt, du sagtest mir's –
hat solche Augen – nicht? – und dunkles Haar?

Cardenio.

Von seltner Schönheit beides.

Febronia.

                Wirklich schön?

Cardenio.

Nur du bist schöner. Was dem blauen Aug',
den blonden Locken eignet, ist bei dir
um vieles herrlicher – du bist Febronia ...
Was deckst du mir dein liebes Angesicht?

Febronia.

Du sagst: ich bin Febronia. Weißt du das?

Cardenio.

So sagt' ich, ja, mein süßes Mädchen. Zürne
darum mir nicht. Du bist Febronia
in holder Sanftmuth schönem Heilgenschein.
Wenn ich dich höre, wie du mit mir kosest,
wenn Liebesworte du wie Flammen hauchst,
erzittr' ich oft, vor solcher Aehnlichkeit.
So liebend, so voll innrer Glut war sie.

Febronia.

Das sagst du mir?

Cardenio.

Du weißt, was sie mir war.
Könnt'st du mich lieben, schmäht' ich früh're Liebe?
blieb sie nicht theuer mir so lang ich athme?

Febronia.

Liebst du sie noch?

Cardenio.

                Du nur bist meine Liebe.

Febronia.

Ich wehr' es nicht, mein liebes, treues Herz!
Bist mir nicht treulos, wenn du jene liebst.

Cardenio.

Du weinst?

Febronia.

                Febronia weint, und ich mit ihr.

Cardenio.

Mein sanftes Mädchen!

Febronia.

                Nenne mich Febronia!
Ich weinte mit ihr, will mit ihr mich trösten.
Schlag mir's nicht ab.

Cardenio.

                Du liebe Schwärmerin!
Febronia, mein Liebchen, meine Braut,
o weine nicht, du liebliche Febronia!
Wie gleichst du ihr, der Schwester, süßes Mädchen.
Noch nicht getröstet, immer noch in Thränen
Febronia?

Febronia.

                Ist dir der Name lieb?
Gieb mir ihn immer! nicht Hyolda mehr,
Febronia will ich seyn, da du sie liebst.
Wie konntest du die Liebende betrüben!

Cardenio.

Ich war nicht treulos.

Febronia.

                Sie gewiß noch minder.
Schien sie's vielleicht?

Cardenio.

                Sie? diese zarte Knospe?
von keiner Luft berührt, vom Licht des Mondes
kaum noch bestralt? Nicht Engel lieben reiner!

Febronia.

Und doch?

Cardenio.

                Ein unglückselges Mißgeschick
straft oft an Kindern, was sie nicht verbrochen.

Febronia.

Nicht eigne Schuld büßt also die Verlaßne?

Cardenio.

Wie käm die Schuld in einer Heilgen Brust!

Febronia.

O Dank! dies Wort giebt neues Leben mir.

Cardenio.

Wie seltsam doch bewegt dich jene Fremde!

Febronia.

Ist sie mir fremd? dieselbe Lebensflamme
brennt in uns beiden; Eine Liebesglut.
Doch, war's wol recht, mein liebstes Herz, daß du
ihr streng verheelst, was dich von ihr geschieden?

Cardenio.

Sie soll es wissen, wenn die Zeit erscheint,
wo dieses Wort, das mich, den Mann, erschüttert,
mit leiserm Schmerz die zarte Brust berührt.
Sind wir erst ganz vereint, und lernt sie dich
als Schwester, mich als Bruder, sanfter lieben,
dann nenn' ich einst in feierlicher Stunde,
das Trennungswort, das dann uns doppelt bindet.

Febronia.

So warst du treulos nicht! Wirst mir's auch nie,
und liebst in mir die liebende Febronia.
O, sag mir alles, was an ihr du liebtest,
du sollst gewiß an mir es wieder finden,
bis auf der Locken nächtlich braune Fülle,
und ihrer Augen dunkle Liebesflammen,
die siehst du nicht mehr, die sind umgetauscht.

Cardenio.

Hyolda!

Febronia.

        Nein, so sollst du mich nicht nennen.
Ich will Febronia seyn, du ließest ungern
von ihr, du nanntest selbst es Mißgeschick.
So bilde dir denn ein, ich sei Febronia,
und liebe treu die frühe Liebe fort.
Die erste Liebe ist ja einzig Liebe.

Cardenio.

Bin ich der erste dir, mein süßes Mädchen?
War Lucian....

Febronia.

                O, weg mit diesem Namen!
Schon darum mag ich nicht Hyolda seyn:
Du denkst an Lucian, und wahrlich, wahrlich,
fremd ist er mir, so fremd, als nur ein Fremdling
mir seyn kann, niemals hab' ich ihn geliebt.
Du warst der erste Liebling meiner Brust,
und deine erste Liebe will ich heißen.

Cardenio.

So sei mein erstes Liebchen: sei Febronia!

Febronia.

O süßes, süßes Glück! – Nun brich mein Herz!

Cardenio.

Was ist dir Liebe? – wie du mich erschreckst!
Sei nicht so heftig, liebe zarte Seele!

Febronia.

Es ist vorüber, deiner vollen Liebe
fühlt' ich mich sicher. Es war süßes Weh –
Sieh, wie es dunkel wird. Jetzt soll ich scheiden,
wo du mit neuen Banden mich gefangen.

Cardenio.

Bleib noch! Wir dürfen heut schon etwas wagen:
Es ist das letztemal, daß wir uns trennen.

Febronia.

Das letztemal? Wie böse Worte sprichst du?
O, scherze nicht mit so furchtbarem Wort!

Cardenio.

Nimm's nicht so ernst, mein Liebchen, deut' es froh.
Du willst ja selbst, daß ich schon morgen reise,
in fernem Land die Wohnung uns zu wählen.

Febronia.

Wie gut du bist! Gewiß es taugt uns nicht
in dieser Stadt zu bleiben, wo so Manches
der Liebe schönes Glück uns stören könnte.

Cardenio.

Du fürchtest Lucian, ich weiß es wol.

Febronia.

Ich fürcht' ihn nicht. Doch warum soll man wagen,
wo nichts gewonnen wird, als nur Verdruß?
Wer aufsucht, was er meiden kann, der frevelt,
und Frevel hat das Unglück zum Gefolg.

Cardenio.

Bist eines Kriegers Braut und sprichst so furchtsam.

Febronia.

Bin deine Braut; mein Krieger wird mich schützen,
wo Schwert entscheidet. Wo es Warnung gilt,
da hört der Krieger gern das treue Wort.

Cardenio.

So that ich auch, und alles ist bereitet,
wie meine treue Warnerin geboten:
Durch Briefe ward das Meiste schon besorgt,
auch mancher Diener ist voraus geeilt,
doch besser ist, mit eignen Augen sehn,
als fremder Meinung alles überlassen.
Denn würdig nicht allein so theures Gastes
soll meine Wohnung meine Braut empfangen,
darbieten soll sie Alles was das Leben
bequem erheitert und gefällig schmückt.
Sei's königliche Pracht, sei's ländlich Spiel,
es soll zu deinem Dienst sich schön vereinen.
Drum muß ich selbst der Diener Werk betrachten,
ob auch der Pracht die Anmuth sich vermählt.

Febronia.

Du holder Liebling! Führe mich nur bald
aus dieser Gegend. Ach du glaubst es nicht,
wie bange Ahndung überall mich anweht.

Cardenio.

In wenig Wochen kann ich es vollenden.

Febronia.

Doch Wochen? ach ein Tag kann manches ändern.

Cardenio.

Mit Liebessehnsucht fördr' ich meinen Lauf.

Febronia.

Ach, Unglück schreitet schneller als die Liebe.

Cardenio.

Wenn du mich liebst, laß dieses bange Ahnden:
wie soll ich gehn, laß ich dich so zurück.

Febronia.

Ich will mich fassen. Lebe wohl Geliebter.

Cardenio.

Leb wohl mein Leben, meine Braut, Hyolda!

Febronia.

Den Namen nicht! mich dünkt, er bringt mir Unglück.
Laß mich doch stets dein erstes Liebchen bleiben,
Hyolda liebt dich nicht, dich liebt Febronia.

Cardenio.

Wie mit dem Schein du tändelst! Gieb mir denn
den Abschiedkuß, du liebliche Febronia.

Febronia.

Dort auf dem Scheideweg. Ich seh dir dann
noch weit im Mondlicht, lange lange nach.


11.

Hyolda's Zimmer.

Hyolda.  Laura.

Hyolda.

Dort blinken Waffen in der Sonne Strahl:
Sie sind's, sie sind's! Der liebe Krieger naht.
Horch! schon vernimmt man ferne Kriegsmusik.
Der Riesenpauke abgemeßner Schlag
hallt dumpf heran, wie Kriegesdonnerschläge.
Jetzt tönt der Schlachttrompete laut Geschmetter
voraus. Horch, welch ein wildverworrner Lärm.
Es mißfällt mir, daß der zuerst uns anspricht.
So mag sich's gut dem Feind entgegenziehn,
die Heimath sollte sanftrer Ton begrüßen,
zumal die Mädchen, Frau'n und Kinder, die
sich liebevoll dem Zug entgegen drängen.
Horch, näher schallt's. Wie langsam sich das fortwälzt!
Dem Feind' entgegen fliegt's wie Donnersturm,
zu Freunden dünkt's euch immer Zeit genug. –
Jetzt Hufschlag! Reiter sprengen durch die Straßen.
Bei ihnen ist gewiß auch Lucian.
Er eilt zu mir. Die Thür ist doch geöffnet?
Nein, andre waren's! – Er hat nicht viel Eile.

Laura.

Der Dienst hält oft den regsten Willen auf:
Er wär' gewiß schon hier, wär's ihm gestattet.

Hyolda.

Dort wendet sich der Zug. Er kommt hieher:
Schon voller schallt der Marsch. Wie prächtig tönt's.
Mit welcher Donnerkraft, daß alles Niedre
in jeder Brust sich duckt und schweigt, und nur
der Muth die königlichen Schwingen weit
ausbreitet und mit Götterkraft den Menschen
emporträgt über Furcht, Gefahr und Tod.
Jetzt sanfte Töne, zart wie junge Liebe:
Erst Heldenwerk, dann süßer Heldenlohn!
Das ist der Ruf zur Hochzeit, sprach er scheidend. –
Sieh, wie die Krieger von den Rossen grüßen.
Da hebt die Mutter dem ein Kind entgegen,
O Laura, siehst du's? Sieh' er schüttelt jetzt
auf seiner Brust das goldne Ehrenzeichen
dem Kinde zu, das tändelnd danach langt.
Wenn Lucian – Ob er wol auf der Brust
auch solch ein Zeichen trägt! – Wol kaum, es ist
sein erster Feldzug – Himmel! – ja, er ist's!
Er ist's, er ist's! sieh' an des Haufens Spitze,
er ward Feldhauptmann! Sieh', auf seiner Brust
das große Ordenszeichen! O willkommen,
willkommen Lucian, mein junger Held!
– Was ist das? – blickt er nicht herauf? erkennt
er nicht Hyolda mehr? – Er zieht vorüber!
Was soll das? – Keinen Blick? nicht einen Gruß,
den seiner Magd der harte Krieger gönnt!
Nein solches Wiedersehn begreif' ich nicht!

Laura.

Mein Fräulein, faßt euch. Vieler Augen blicken
zu uns herauf. Bezwingt jetzt den Verdruß.

Hyolda.

Begreifst du's, Laura?

Laura.

                Tretet doch zurück,
ihr seid zu sehr bewegt, ihr zittert, setzt euch.

Hyolda.

Solch Wiedersehn! – Wer hätte das geahndet!
O hättet ihr vor diesem Anblick doch
die Sehkraft ausgeweint, ihr armen Augen!
Sprich Laura – hast du nicht ein einzges Wort?
Sprich doch es war nicht so, er war's nicht selbst.
Tritt an das Fenster, 's war vielleicht ein Andrer,
wie käm er, noch so jung, zu solchen Ehren!
Er konnt's nicht seyn. Gieb Acht, er kommt erst nach,
ganz einfach nur, doch mit der ersten Liebe.

Laura.

Es kommt schon das Gepäck. Sie sind vorüber.

Hyolda.

Besinnst du dich wol auf ein schönes Fräulein,
die, wie mich dünkt, vor nicht gar langer Zeit
mich hier besucht? Ich sah sie niemals wieder.
Wer ist sie wol? ich spräch sie jetzt recht gern.
Sie kommt wol? nicht? ich höre sie ja schon.

Laura.

O Gott mein Fräulein, sprecht ihr wieder so?
In eurer Krankheit, der ihr kaum genesen,
lag stets das schöne Fräulein euch im Sinn,
die niemand kennt, ihr wißt den Namen selbst nicht.
Wie wird euch? Hülfe! Gott! Eilt! Hülfe! Hülfe!

Hyolda wird von ihren Frauen abgeführt.


12.

Gonsalvo's Zimmer.

Lucian.  Marino.  Gonsalvo.

Marino.

Du bist aus altem, edlem Stamm, mein Bruder,
obschon verarmt, doch adliches Gemüths.
Sprich, bei der tapfern Anherrn Angedenken
beschwör' ich dich, uns jetzt die lautre Wahrheit.
Und hätt'st du früher Wort und Treu gegeben,
der ritterlichen Ehrbarkeit zuwider
zu sprechen, wär's auch um der Frauen Gunst,
so wär das Schmach, die mit dem eignen Blut
du löschen mußt, wenn ritterlich du fühlst;
doch mit der Wahrheit mußt du dich versöhnen.
Sprich, was dir von Hyolda von Ferillos
bekannt, du bist ihr Arzt, du kannst es wissen.

Gonsalvo.

Ich führ' den Degen nicht wie Du, mein Bruder,
doch ritterlich fühlt mein Gemüth, wie deines.
Ich schwör's bei unsrer Ahnen edlem Blut,
du kennst mich, was der Eid mir stets gegolten.
Nach eurem Abzug wenig Tage nur,
vielleicht den andern schon, rief man als Arzt
zu dieser Dame mich. Sie lag danieder
an seltner Krankheit, die ich nicht begriff,
denn ungewöhnlich waren ihre Zeichen.
Sie wandelte mit festgeschloßnen Augen
zu ganzen Tagen still umher, und schien
doch alles wohl zu wissen, was sie that.
Auch that sie nichts was von Verirrung zeugte.
Nur eins war sonderbar von ihr zu hören:
Wenn sie der Wunderschlaf befiel, so träumte
sie laut von einem schönen Fräulein, sprach
mit ihr verständig, ja fast seltsam klug,
sogar von künft'gen, weit entfernten Dingen,
und immer traf, was sie davon gesprochen,
gleich Weissagungen, unausbleiblich ein.

Marino.

Das ist sehr seltsam.

Gonsalvo.

                Wol unglaublich wär's.
Drum führt' ich Don Fulcado, ihren Beichtger,
den glaubhaft ehrenwerthen Bischof hin.
Der sah mit seinen Augen solches Wunder,
und, weil er tiefer Weisheit wohl erfahren,
so mahnt' er mich an alter Aerzte Brauch
im Heidenthum, die solchen Wunderschlaf
dem Kranken selbst erregten zur Genesung,
auch wol der Zukunft Traum ihm abzufragen.

Marino.

Befreitest du sie bald von solcher Krankheit?

Gonsalvo.

So hoher Kunst rühm ich mich nicht, mein Bruder.
Ich sorgte blos für Kleidung, Speis' und Trank,
daß Luft, und was den Menschen sonst bedroht,
den kranken Leib nachtheilig nicht berühre.
Durch solche Pfleg' und Gottes starken Beistand
konnt' ich seit gestern endlich ihr gestatten
in ihres Hauses Garten lustzuwandeln.

Lucian.

Seit gestern?

Gonsalvo.

                Wol vielleicht etwas zu früh.

Perillo schnell eintretend.

Donna Hyolda läßt euch eiligst fordern.

Gonsalvo.

Da seht ihr meine Ahndung; dacht' ich's doch!
Sie bat so sehr. Wer nur den Weibern nachgiebt!

Marino.

Ein Wort noch Bruder!

Gonsalvo.

                Nichts! Kommt, kommt ihr Herren!

alle ab.


13.

Wirthshaus.

Cardenio.   Lysander.

Cardenio.

Verdammte Zögrung! dauerts lange wol?

Lysander.

Bis morgen mußt du warten, sagt der Schmid.

Cardenio.

Der Pfuscher! Aufschub mitten in der Eil,
und so langweilig abgeschmackter Ort!
Wie heften wir der Zeit wol Flügel an?

Lysander.

Ich schlafe! Schlafend kommt man vogelschnell
über heut und morgen weg, man weiß nicht, wie?

Cardenio.

Du sollst nicht schlafen! Plaudre mir was vor:
Ich hör' dich lieber plaudern noch als schnarchen.

Lysander.

Mir fällt was ein. Vorhin, da ich mich unten
nach Speis' und Trank erkundge, schwatzen drinn
die Mädchen von 'ner klugen Frau, die Künste
soll können trotz den Hexen und Zigeunern.
Sie schlägt die Karten, gießt Kaffeesatz, wahrsagt
aus Stirn und Hand, zeigt Geister im Krystall,
und was der Wunder sonst von ihr sie rühmten.
Laß diese rufen, da giebt's Unterhaltung.

Cardenio.

Ein schlechter Spaß; doch besser noch als keiner.

Lysander geht.

Ich hab' das Hexenvolk zur Gnüge satt,
Ihr dunkles Werk ist wesenloser Schatten,
der, selbst ein Nichts, doch unsers Glückes Knospe,
die sich nach Sonne sehnt, verbleicht und abwelkt.
Der Teufel merkt, nach Astrologenart,
wenn bald ein Glücksgestirn dem Menschen aufgeht,
schlau beut er dann ohnmächtge Hülfe an,
und reizt zu blutger, greuelvoller That,
zu Meuchelmord des liebentglühnden Herzens
den wildempörten Sinn des Menschen auf,
daß mit der Hölle Gift er selbst das Heil
verpeste, das der güt'ge Himmel spendet.
Es hätte ganz des Zaubers nicht bedurft,
verwarf ich nicht der Zauberschwester Rath?
und doch, obgleich die Hölle nicht den Lohn,
den ungeheuern, blutigen, empfing,
ward mir vom Schicksal selbst mein süßes Glück.
Hyolda liebt mich, hätte mich geliebt,
hätt' ich auch nimmer solchen Rath gesucht.
Das göttlichschöne liebevolle Weib!

Lysander zurückkommend.

Ich hab' nach ihr geschickt: Sie soll bald kommen.

Cardenio.

Wen lassen wir uns zeigen?

Lysander.

                Still, ich weiß es.
Du hast gehört, daß man Febronien
seit einger Zeit vermißt.

Cardenio.

                Vermißt? Febronien?
Wer sagt das?

Lysander.

Weißt du das noch nicht?

Cardenio.

                Seit wann?

Lysander.

Du weiß das nicht? Seit deiner neuen Liebe.

Cardenio.

Wo ist sie hin?.

Lysander.

                Wer weiß das? Wol entflohn,
aus Schaam, aus Kummer, niemand kann es sagen.

Cardenio.

Febronia! Hat man nicht überall
nach ihr geforscht?

Lysander.

                Ja, überall vergebens,
man weiß nicht, weint sie noch bei Lebenden,
oder hat der Tod die Augen ihr getrocknet.

Cardenio.

Ward sie vielleicht von frecher Hand geraubt?
Viel Liebeslieder nannten ihren Namen,
und alte Vetteln sollen oft um Gold
die jungen Mädchen kirren, aus den Häusern
mit Schmeichelein verlocken, und dem Räuber
hingeben. Finden muß ich dich, Febronia,
du seist des Räubers, seist des Grabes Beute!

Lysander.

Drum, mein' ich, fragen wir die Hex' um Rath.

Cardenio.

Die Hexe? – Gott, o das wär' fürchterlich!
Wär gräßlich, noch weit mehr als Raub und Tod.
Febronia! Febronia! Ja, du
hast mich geliebt mit glühend heißem Herzen –
Du blutges, schwarzes Höllenungeheuer,
dies Herz hat deine Teufelskunst gemeint,
Febronia's Herz, zum wilden Liebenzauber!
Hast du gethan, was mir bei bloßem Wort
zu Eis das bangerschrockne Blut erstarrte?
Ja, ja! es ist, es ist! Drum liebt sie jene
zugleich mit mir. O furchtbar grause That!
Mein warmes liebevolles Herz – Verfluchte!
Jetzt Hölle, gieb mir Antwort, nenne Martern,
lehr mich den Fluch, der deines Abgrunds Schrecken
und jede Qual in dieses Scheusal bannt.

Lysander.

Bist du verrückt, Cardenio? Was treibst du?

Cardenio.

Du liebliches, du zartes Opferlamm!
Die weiße Brust von deinem Blute roth,
dein zuckend Herz der Höllenflamme Raub.
O gräßlich, gräßlich! Liebliche Febronia!

Lysander.

Versteh ein andrer dein Geschwätz! Mich schwindelt.

Cardenio.

Das ist die Hülfe, die der Teufel leistet!
Verfluchter, höllischer Betrug. – Hyolda,
o deine Lieb' ist theuer mir erkauft!
Darf ich um solchen Preis mein Glück behalten?
Wie ahndungvoll verlangt das zarte Mädchen
des theuren Opfers Namen! Ja, du bist
Febronia mir, du trägst Febronia's Herz.
Hu, gräßlich Bild! O zürne nicht Febronia!
So lebst du mir, lebst meiner Liebe noch,
jetzt darf ich dich, mein süßes Mädchen, lieben.

Lysander.

Nun sag mir endlich, was der Lärm bedeutet!
Bist du toll, oder ich? Wer von uns beiden?
Da kommt die Alte.

Cardenio.

                Schick' sie fort.

Die Alte.

                Wie Herr,
ließt ihr mich rufen, nur um mich zu höhnen?
Seid nicht so stolz, euch steht ein blutges Zeichen
auf eurer Stirn.

Cardenio.

                Ich kenn' es ohne dich,
im Herzen steht's mit leserlichen Zügen.
Kannst du mir zeigen, wen ich sehen will?

Die Alte.

Lebendg' und Todte, was ihr nur begehrt.
Seht diese Kugel von Krystall, die stellt
euch alles klar und deutlich vor die Augen.

Lysander.

's ist Schattenspiel, Laterna magica.

Die Alte.

Zwar Schatten ist's, zum Spiele doch zu ernst.

Lysander.

Nun schmolle nicht! wen willst du uns denn zeigen?

Alte.

Wen wollt ihr sehn?

Lysander.

                Muß ich den Namen nennen?

Alte.

Schreibt ihn mit Bleistift nur auf Pergament,
haltet's in's Feuer, und gebt mir die Asche.

Lysander hat geschrieben.

Hier.

Alte.

        Streut sie nur auf diesen Teppich. Kennt ihr
von Angesicht, wen ihr verlangt?

Lysander.

        Wie dich.

Alte.

Gebt Acht, wenn ich die Kappe vom Krystall
erhebe – jetzt seid still und kreuzet euch:
        Alle guten Geister walten!
        Asche soll das Wort gestalten,
        durch der guten Geister Band:
        Asche, sprich, wen du genannt.
        Wort ist Geist und ruft hervor,
        was in Asche sich verlor.
        Geister baun aus Flamm' und Luft,
        Wasserschaum und Gräberduft.
        Asche trägt des Lebens Spur,
        Asche zeig' uns die Figur
        im krystallnen Kugelspiegel
        durch der Geister Bann und Siegel.
Was seht ihr nun? Ist es, was ihr verlangt?

Cardenio.

Schriebst du Hyolda? Wunderbar! ihr Bild.
Sie sitzt und schreibt. Wie lächelt sie so süß!

Lysander.

Das ist ja toll, ich schrieb Febronia.
Das ist Febronia nicht, das ist Hyolda.

Cardenio.

Sehr sonderbar! Kennt sie die Hölle schon
bei diesem Namen? Hölle, ja, du hast
zu diesem Namen selbst sie eingeweiht.

Lysander.

Ich weiß nicht, was du willst. Ich schrieb Febronia.
Und hier steht klar Hyolda's Bild.

Cardenio.

                Hör' Alte!
Es giebt noch eine die den Namen führt,
zeig diese mir.

Alte.

                Sagt selbst es dem Krystall.

Cardenio.

Zeig mir der Andern deutliche Gestalt,
die sonst Febronia hieß, eh' diese hier
den Namen trug. – Was ist das? – Im Krystall
verschwindet Alles, und ein trüber Nebel,
gestalt- und farblos schwebt nur auf der Kugel!

Alte.

Du bist ein fürchterlicher Mensch! Mit wem
stehst du im Bund? Der, den du jetzt verlangst,
ist nicht bei Lebenden, bei Todten nicht,
er ist und ist auch nicht: das ist sehr seltsam!

Cardenio.

Bei Gott, das ist's! – Sie lebt, und lebt auch nicht,
ist todt und lebt, sie ist und ist auch nicht.
Der tolle Widersinn ist dennoch wahr:
Denn leblos selbst, lebt sie in einer Andern,
und liebt noch fort in einer fremden Brust. –
Verfluchte Zauberkunst! was toll der Mensch
mit hellem Geiste nennt, das machst du wirklich
und treibst ein teuflisch Spiel mit der Vernunft,
daß dieses Himmelslicht zum Irrlicht wird,
und von der Wahrheit den bethörten Geist
abführt zu Wahn und wildverworrner Tollheit! –
Gieb mir das Pergament, ich schreibe jetzt.

Alte.

Hast du noch nicht genug? Frag mich nicht mehr!
Aus deinen Augen fragt ein finstrer Geist.
Du könntest Dinge sehn, die deine Sinne
zerrütten, den Verstand verwirren und
dein Herz zu wilder Raserei entflammen.

Cardenio.

Mit diesem Namen nicht, der bringt das wild
empörte Herz zur Ruh. Nimm hin den Zettel.

Alte.

Verbrenn ihn erst.

Cardenio.

                Rufst du mir auch das Wort?

Alte.

Erschreckt es dich? Laß ab von deinem Vorsatz!
Frag mich nicht mehr. Sieh der Krystall erzittert,
als scheut' er dich. O, das sind böse Zeichen!

Cardenio.

Ich will noch diese sehn.

Alte.

                So muß ich selbst
die Schrift verbrennen, wenn du drauf bestehst.

Cardenio.

Sie that es auch. O Hölle!

Alte.

                Schweig und sieh.

Cardenio.

Mein sanftes Engelsbild, wie mich dein Anblick
erheitert, daß die grausen Bilder schwinden.

Lysander.

Das ist Hyolda wieder.

Cardenio.

                Ja, so schrieb ich.

Lysander.

Was hat sie vor sich?

Cardenio.

                Stoffe, wie es scheint,
sie wählt ihr Brautkleid. Sieh ein Perlenkranz
liegt neben ihr. Nein, meine süße Braut;
dies Kleid gieb dem geringsten deiner Mädchen.
So reich es ist, doch ist es würdig nicht
der schönsten Braut am schönsten Lebenstage
die anmuthvollen Glieder zu verhüllen.
Wer tritt ins Zimmer? Lucian! Er selbst!
Er naht sich ihr, umschlingt sie, sie erwidert
den Kuß in seinen Armen – Höllenblendwerk!
Hinab, zersplittere!

Lysander.

                Was beginnst du!

Alte.

                Wehe!

Cardenio.

Fort, Alte, oder ich zerschmettre dich
wie dort dein Gaukelwerk. Flieh, oder stirb!

Die Alte ab.

Lysander.

Bist du bei Sinnen, Mensch?

Cardenio.

                Das blut'ge Herz
wär so verhöhnt durch solcher Untreu Frevel?
Darum wärst du zerrissen, treue Brust?
Ja, Teufelsblendwerk, oder Teufelstrug.
Sahst du's, Lysander? war es nicht Hyolda,
nicht Lucian, in dessen Arm ... O Hölle!

Lysander.

Sie war es. Wärst du nicht vor Liebe toll,
du hättest andre Treue nie gehofft.
Ließ sie von jenem, wird an dir sie halten
mit festrer Treu? und wird nicht Lucian
um diesen zweiten Treubruch eben so
sie zärtlich trösten, wie du bei dem ersten?

Cardenio.

Schweig, du hast Frauenliebe nie gekannt,
der Buhlerinnen Küsse nur, die jeder
um Gold sich eintauscht, wie an Wechselbänken
die schlechte Münze. Ihre Treue war
gleich ihrer Schönheit rein und fleckenlos.
– Ich will's nicht glauben. 's ist der Hölle Blendwerk,
die mir den Schatz, den seltenen, beneidet,
und jetzt die Krallen streckt nach meinem Kleinod.
Lysander hör: wir kehren schnell zurück.
Selbst will ich sehn, zweideutig spricht die Hölle,
und Wahrheit kommt niemals aus Teufels Mund.

Lysander.

Doch, wenn die Wahrheit schwarz ist wie der Teufel.

Cardenio.

Komm, unsre Diener bleiben hier zurück
auf schnellen Rossen sind wir bald am Ziele.


14.

Hyolda.  Lucian.  Marino.

Lucian.

Du sanftes liebes Herz, ist's denn auch möglich?
Kannst du mich lieben nach so bittrem Undank?
Noch hab' ich mein Verbrechen nicht gebüßt,
und schon beut mir dein süßer Mund Versöhnung.
Nein laß mich büßen, eh' du mir verzeihst.

Hyolda.

Bedenk dich wol. Ich könnte strenge Buße
verlangen, die du nimmer wol gewährtest.

Lucian.

Was du verlangst, und sei's auch noch so streng,
sei's noch so schwer, ich will es gern vollbringen.

Hyolda.

So schnell wird solche Schuld nicht abgebüßt,
nicht strenges Fasten, nicht Kasteiung löscht
den Frevel aus, und ob du mir gelobtest
gleich Eremiten dich in Wüstenein
zu flüchten und nur Leid und Schmerz zu sinnen,
das Alles gnügt zur Buße mir noch nicht.

Lucian.

So nenne Härtres, nichts ist mir unmöglich.
Unmöglich ist nur ohne dich zu leben.
Doch, wenn der Buße Werk vollbracht, dann nimmt
versöhnte Liebe gern den Büßer auf?

Hyolda.

O nein!

Lucian.

                Nicht?

Hyolda.

                Dann verläßt er sterbend sie.

Lucian.

Hyolda!

Hyolda.

        Büßen sollst du deinen Argwohn
dein ganzes Leben durch mit festem Glauben
an meine Lieb' und ewig feste Treue.
Die Buße sei dem Sünder aufgelegt.
Willst du sie dulden?

Lucian.

                Himmlisch sanfter Engel!
Wie war es möglich, solches Herz zu lästern.
So höllische Verläumdung ward noch nie
seit giftge Zungen lästern ausgedacht.

Marino.

Du bist befriedigt, Lucian, doch ich,
das schwör' ich dir, ich gönne mir nicht Ruh,
bis ich der Lästrung ersten Quell gefunden.

Hyolda.

Ich bitt' euch, laßt den bösen Handel ruhn.

Marino.

Nicht eurer Ehre wegen, Donna, diese braucht
mein Schwert nicht mehr, die glänzt wie reines Gold.
Mein Bruder gab sein ritterliches Wort,
das gnüget mir, und jedem muß es gnügen,
sonst drückt mein Schwert das blutge Siegel drauf.
Doch wissen will ich, wie der Teufel sich
aus leerer Luft ein Lügenbild erzeugt.
Ihr lagt hier krank, drum wart ihr
nicht am Waldbrunn,
denn zweimal seyd ihr doch nicht in der Welt.

Hyolda.

Ich bitt' euch, schweigt davon.

Lucian.

                Warum, du Liebe?

Hyolda.

Es macht mir bange. Sonst wol, in der Kindheit
hört ich von Menschen, die, – es klingt entsetzlich –
ein doppelt Wesen haben, denn als Schatten
gehn sie noch einmal in der Welt umher.
Wer sie erblickt, weiß nicht, sieht er den Menschen,
sieht er das Schattenbild, so sind sie gleich. Zwillinggeschwister scheinen sie, nur daß
der eine von der Mutter nicht geboren
ein Schattenleben führt. Sieht dann der Mensch
sein Schattenbildniß selbst, so bringt's ihm Tod.
Es klingt wol schrecklich, gleichwol ist mir's dunkel,
als wär' ein solches Bild mir schon erschienen.

Lucian.

Was sagst du? Täuschung war's des kranken Sinns.

Hyolda.

So spricht Gonsalvo auch, doch weiß ich deutlich,
daß ich gesund, mit wachem Aug' es sah.
Ein schönes Fräulein war's zuvor, der Nam'
ist mir entflohn, ich sinn' auf ihn vergeblich.
Wir wurden bald recht innig zu einander,
es zog mich an sie mit geheimer Kraft,
und im Gespräch und freundlichem Gekose
ward sie mir immer gleicher, bis sie endlich,
mein leiblich Bild, mir vor den Augen stand.

Lucian.

Entsetzlich!

Hyolda.

        Nein, mir war es innig wohl.
Ruft solch ein Bild mich einst aus diesem Leben,
dann sei willkommen, fremde Zwillingschwester!

Lucian.

Hat sie noch jemand außer dir gesehn?

Hyolda.

Nein, darum nennen sie's ja Gaukelbild
der düstren, krankgewordnen Fantasie.
Doch hab' ich deutlich noch dies Bild vor mir,
und was ich sonst von wunderbaren Dingen
im Fiebertraum gesprochen, ward mir fremd
und nichts von allem find' ich im Gedächtniß.

Lucian.

Es war der Krankheit Anfang. Bunt verwirrt
wie Dämmrungsschatten sind dann Traum und Wahrheit.
Laß jetzt die Fieberträume ruhn, sie sollen
das Glück der schönen Wirklichkeit nicht stören.
Komm, laß das nahe Fest uns fröhlich ordnen.


15.

Febronia.  Blanka.

Febronia singt zur Gitarre.

        Saß die Braut beim frohen Feste
        schön geschmückt im Rittersaal,
        kam ein Sänger mit der Harfe,
        spielt den Gästen bei dem Mahl.

Blanka.

Was singst du doch die traurige Romanze!
Wär ich wie du, ich säng mir frohre Weisen.

Febronia.

Laß nur, ich hab sie von der Kindheit lieb.

        Singt dem Brautpaar manche Weise
        von der Liebe Schmerz und Lust,
        und der jungen Braut im Kranze
        bebt voll Ahndung bang die Brust.

        Nur ein Wort laß mich dir sagen,
        flüstert er zu ihr hinan;
        und sie winkt mit scheuen Blicken
        ihn zum einsamen Altan.

Blanka.

Du wolltest dir zum Brautschmuck Perlen wählen,
hier ist das Kästchen aus des Vaters Nachlaß.

Febronia.

Gieb nur! Ach dürft ich ihn doch Vater nennen.

Blanka.

Führst ja bald süßern Namen, holdes Kind.

Febronia.

        Sieh das Kreuz des heilgen Orden,
        das mich trennt von Liebeslust,
        seit du Schwester mir geworden,
        trag ich's auf der öden Brust.

Blanka.

Ich bitte dich, sing dieses Lied nicht aus.

Febronia.

Warum? – mein Vater hört' es sonst so gern,
er sang es oft, und hat mich's selbst gelehrt.

Blanka.

Thu's mir zu Lieb, es macht mich bang und furchtsam.
Gieb die Gitarre. Laß uns Perlen suchen,
sind sie doch auch des Vaters Angedenken.

Febronia.

Der gute Vater, welch ein reicher Schmuck!

Blanka.

Ja, Kind, wol manche Fürstin tauscht ihn ein:
er war auch fürstlich, der ihn dir verließ,
dazu der schönste Ritter, den ich sah.

Febronia.

Sieh hier sein Bild in ein Maltheserkreuz
gefaßt. Sieht's ihm wol gleich?

Blanka.

                Zum Sprechen ganz.

Febronia.

Warum darf ich's nicht tragen! Hier im Haus
dürft' ich es wol, wer sieht es denn? Ich thu's.
Du lieber Vater, darf ich doch einmal
an's Herz dich drücken, wie sonst in der Kindheit.
O, warum durftest du geheim nur lieben!
Dein Bild auf diesem liebunholden Kreuz,
es soll mir deuten, ich vernehm es wol,
warum ich deine Tochter nicht darf heißen.
Darum erhielt ich es in solchen Rahmen
und dein Geheimniß ehr ich bis zum Tod.

        Sieh das Kreuz des heilgen Orden,
        das mich trennt von Liebeslust..

Mich dünkt, es kommt jemand, wer ist es wol?

        seit du Schwester mir geworden,
        trag ich's...

Blanka.

Cardenio!

Febronia.

                Unmöglich!

Blanka.

                Wo versteck'
ich mich? er kennt mich noch von sonst,
als du Febronia warst.

ab.

Febronia.

                Wie ist das möglich?
Schon jetzt zurück! – Er ist's. Cardenio!

Cardenio.

Ich bin es, liebstes Herz! Freust du dich drüber?

Febronia.

Ich weiß noch nicht, soll ich mich freun; du kommst so unverhofft.

Cardenio.

                Vielleicht wol unwillkommen?

Febronia.

Welch häßlich Wort! Willkommen bist du stets,
nur, fürcht' ich, trieb ein Unfall dich zurück.

Cardenio.

Du ahndest etwas.

Febronia.

                O geschwind, was ist
geschehn? Dir selbst doch nichts? du bist doch wohl?
Recht blaß kommst du mir vor, und bist doch heiß:
Komm, ruh bei mir, und mach der Sorge Luft.

Cardenio.

Ist's denn wol möglich!

Febronia.

                Was denn, liebes Herz?
Laß mich so lange doch nicht ungewiß!

Cardenio.

Weißt du nichts Neues?

Febronia.

                Neues? wie käm ich
zu Neuigkeiten in der stillen Klause.

Cardenio.

Gar nichts von Lucian?

Febronia.

                Was soll mir der?

Cardenio.

Er feiert heut sein Hochzeitfest.

Febronia.

                Wol möglich.

Cardenio.

Hyolda heißt die Braut.

Febronia.

                Das kann wol seyn.
Was geht das uns denn an?

Cardenio.

                Was uns das angeht?
Nun wahrlich, wenn die Braut das fragt!

Febronia.

                Die Braut?

Cardenio.

Die Braut! Hyolda! – Bist du nicht Hyolda?

Febronia.

O Gott!

Cardenio.

                Weicht jetzt die heuchlerische Schminke!

Febronia.

Cardenio!

Cardenio.

        Sprich: Lucian! Liegt hier
nicht schon der Brautschmuck für die treue Braut?

Febronia.

Du glaubst mich treulos!

Cardenio.

                Nein, mein schönes Liebchen,
bist treu wie Gold, liebst ganz nur mich allein,
bist nur des Andern Braut, was will das sagen!

Febronia.

Hör mich Cardenio. Sei nicht Geliebter,
sei Ritter blos und übe Ritterpflicht.
Hör mich, dann handle wie dich's recht bedünkt.
Ich bin nicht Braut von Lucian, vermählt er
Hyolden sich, ich bin nicht die Hyolda.

Cardenio.

Und warum bebtest du vor Schreck zusammen,
Verbrechern gleich, die plötzlich überführt,
als ich vorhin dich seine Braut genannt?

Febronia.

Weil mir Hyolda's Name fremd geworden,
kaum weiß ich noch, daß ich ihn einst geführt,
und wie ein Traumbild ist mir jene Zeit.
Dir will ich nichts seyn als Febronia,
an diesen Namen hab' ich mich gewöhnt,
selbst deine Briefe haben ihn bestätigt.
Sollt' ich nicht schaudern, als mein andrer Name
verderblich, wie ein Blitzstral mich berührte?

Cardenio.

Woran erkenn' ich, daß du Wahrheit sprichst!

Febronia.

Die Braut ist bei der Hochzeit, ich bin hier.
Verlangst du mehr Gewißheit, fordre sie.

Cardenio.

Ich fühle mich verwirrt, ich kann nicht hell
durchschauen, was hier Täuschung ist, was Wahrheit.

Febronia.

Sieh doch mein Auge: Blickt dich's an wie Täuschung?

Cardenio.

Bist du mir treu, so hab' ich viel zu büßen.

Febronia.

Nein, liebes Herz, der Schein ist gegen mich.
Mir ist's recht lieb, daß du so wild dich anstellst,
wenn deine Lieb' auch nur der Schein bedroht.
Nur hör mich immer, eh du was beschließest,
das Wort ist weich, die That ist todtenstarr.

Cardenio.

Du süßes Mädchen!

Febronia.

                Bin ich noch dein Liebchen?

Cardenio.

Hyolda!

Febronia.

                Die gehört dem Lucian.
Vergiß das nicht. Ich bin...

Cardenio.

                Febronia!
Du bist's vielleicht mehr, als du selbst es wünschest.

Febronia.

Wie meinst du das?

Cardenio.

                Ein andermal davon.
Es ist entsetzlich, gräßlich, doch geschehn.

Febronia.

Was? weißt du...

Cardenio.

        Nichts. Ich ahnde blos das dunkle
blutvolle Höllenwerk, und nimmer nenn' ich's.

Febronia.

Nein, nenn' es nicht, wol stört' es unser Glück.

Cardenio.

Es riß dich grausam weg von meinem Herzen,
du zartes Mädchen, spräch das Wort ich aus.
Dich bindet tief geheime stille Macht
an diesen Namen, den du dir gewählt.
So lange du mich liebst, bist du Febronia,
wirst du mir treulos, dann muß ich den Namen,
den du entehrst, furchtbar und blutig rächen.

Febronia.

Das wirst du nie.

Cardenio.

                Bleib treu Febronia!
Genug davon, ich hab' dich treu gefunden,
und morgen eil' ich, die versäumten Tage
durch rastlos schnellen Flug uns zu ersetzen.
Willst du mir eine Bitte wol gestatten?

Febronia.

Du mußt nicht fragen, mußt die Bitte nennen.

Cardenio.

Laß mich die Nacht dich sehn. Der Morgenstral
trifft mich zu Roß und flüchtig auf der Straße.

Febronia.

Cardenio, dies fordre nicht! Wie leicht
entdeckt ein neugiervoller Späher dich,
dann keimt des Argwohns Saamen neu hervor
und dir und mir wächst seine giftge Frucht.
Laß davon ab. Ich säh dich selbst so gern,
mich schmerzt es minder nicht, wenn ich's verweigre.

Cardenio.

Nur wenig Augenblicke bei dem Waldborn.

Febronia.

Bleib lieber jetzt.

Cardenio.

                Die letzte Zeit gebührt dir,
mein Liebchen, komm, Febronia, komm zum Waldborn!
Die Nacht ist lau, die Nachtigallen locken
und tausend Blüten feiren Liebesfeste.
Nicht wahr, du kommst, Febronia, mein Leben?

Febronia.

Du bist ein Schmeichler, dem nichts widersteht.

Cardenio.

Leb wohl! – Um Mitternacht, mein süßes Liebchen.


16.

Saal mit vielen Gästen.   Maskentanz.

Vorn Cardenio und Lysander.

Lysander.

Siehst du dein Liebchen dort im Perlenschmuck?

Cardenio.

Sie ist ihr ähnlich an Gestalt. Die Maske
bedeckt vielleicht ein anderes Gesicht.
Es ist unmöglich.

Lysander.

                Was ist Fraun unmöglich!
Versteht sich treue Liebe ausgenommen,
die nur bleibt stets unmöglich jeder Frau.

Cardenio.

Sie nähert sich. Ha, solche Perlen lagen
heut vor ihr. Seltsam wär der Zufall: doch
der Perlen Schmuck ist vielen Frauen werth.

Lysander.

Nun, sind es nicht Hyolda's goldne Locken?

Cardenio.

Sie sind sich ähnlich, hab' ich schon gestanden;
sehr ähnlich, zum Vertauschen fast, doch diese
ist eine andre, ist nicht meine Braut:
Oft täuschte ja mit Aehnlichkeit der Zufall.

Lysander.

Viel Zufall, wahrlich! diese Aehnlichkeit,
der gleiche Name, jene frühe Liebe
mit Lucian, und dieses Hochzeitfest,
der Perlenschmuck und dann die Liebesscene
in dem Krystall – Ein seltnes Spiel des Zufalls.

Cardenio.

Was plagst du dich, mich mit Verdacht zu plagen!
Was wirfst du Flammen in mein siedend Blut!

Hyolda und Laura kommen vorwärts.

Hyolda.

Warum stehn solche liebe Gäste fern?

Cardenio.

Es ist ihr Ton! O Hölle, wär' es Wahrheit?

Hyolda zu Laura.

Es ist Cardenio! zurück, zurück!

Cardenio.

Ja, 's ist Cardenio, dein böser Engel!
Wie sie zusammenbebte, wie sie forteilt!

Lysander.

Hegst du noch Zweifel, ob sie's wirklich ist?

Cardenio.

O, daß nur Eine andre Stimme noch
für ihre Unschuld spräch, als meine Liebe.

Lysander.

Du liebst sie noch? Nun, wahrlich, nicht das Weib,
dich hat die Hex' mit Liebeswuth bezaubert.

Cardenio.

Vor wenig Stunden noch so liebend fromm,
so treuer Unschuld voll das blaue Aug'!
Wo soll ich glauben?

Lysander.

                Wo nichts dich besticht!
Kein Schmeichelwort, kein heuchelnd frommer Blick:
Wo aus des unbewachten Herzens Pforte
die Wahrheit flüchtet, daß der Wächter bleich
zusammenbebt, wie vorhin, als sie dich
erblickend, aufschrie und bestürzt entfloh.

Cardenio.

Hyolda!

Lysander.

        Komm, dort spricht sie mit dem Bräutgam,
vielleicht sehn wir das schöne Angesicht.

Cardenio und Lysander ziehn sich in den Hintergrund. Fulcado, Marino, Gonsalvo kommen vorwärts.

Gonsalvo.

Der würdge Greis, mein Bruder, wird dir mehr
davon berichten, als ich selbst vermag.

Fulcado.

Es giebt noch manches dunkle, junger Freund,
was keines Menschen Forscherblick ermessen.
Doch scheint mir das, was ihr von Schatten sagt,
die nächst dem Menschen selbst noch einmal leben,
auf unsre Braut so völlig nicht zu passen.
Denn solche Bilder, wie die Sage lehrt,
sind ernster Art, sie wandeln ungern nur
in dieser Welt, und sehnen sich nach jener.
Drum gehn dem Zwillingmenschen sie voraus,
mit Schattenvorspiel seines Thuns und Wirkens;
Nur bei dem letzten Werk ergreift sie Wehmuth,
sie zögern, daß der Mensch sie oft ereilt
und schaudernd sieht, wie sein Gebild die That,
die er beginnen wollte, schon begann;
darum bringt solche Selbstschau stets den Tod.
Doch Gaukelspiel treibt niemals solcher Schatten,
noch lebt er eignes unabhängigs Leben.
Wie soll Hyolda's Schattenbildniß wol
mit jenem Jüngling buhlen, den sie haßt?
Ich fürcht' ein böser Zauber ist im Spiel,
ein Höllenblendwerk, das den tollen Jüngling
hat äffen sollen, und euch selbst geäfft hat.

Marino.

Dann steht Cardenio Rede meinem Schwert.

Fulcado.

Nur nicht zu vorschnell! Alles löset sich
vielleicht von selbst. Cardenio's Sterne deuten
ein andres Schicksal ihm. Von eurem Schwert
wird er nicht fallen, nur von Feindeshänden
fällt in der Schlacht er rühmlich schönen Tod!

Marino.

Cardenio, der Zauberkünstler, der
schmachvollern Tod verdient, Hyolda's wegen,
als durch des Ritters gutes Schwert zu fallen?

Fulcado.

Der Sterne Rathschluß, junger Freund, steht fester,
als eines Jünglinge brausender Gedanke.

Sie gehen nach hinten. Lysander und Cardenio kommen auf der andern Seite vorwärts.

Cardenio.

Sie ist's! ich hab' ihr Angesicht gesehn!

Lysander.

Was willst du thun?

Cardenio.

                Mein blutend warmes Herz,
mein liebeglühend, mir geopfert Herz!
Febronia, du lieblich stilles Kind,
wie Mondesstralen mild, wie Sonne glühend,
dich will ich rächen, dein verhöhnet Herz,
das einer Buhlerin zur Beute ward.
Für meine Liebe bleibt mir keine Rache.
Was ich verübe, deine Rache ist's,
mein liebes Schwesterherz Febronia.

Lysander.

Was sind das jetzt für Träume von Febronia!
Hyolda gilt's. Was denkst du von der Treue?

Cardenio.

Wo ist sie?

Lysander.

        Wer?

Cardenio.

                Hyolda!

Lysander.

                Lucian's?

Cardenio.

Zum Teufel, ja!

Lysander.

                Vielleicht zum Teufel, ja.
Siehst du sie hier? Das Liebesstündlein schlug.
Vielleicht für dich, für Lucian, für wen!

Cardenio.

O Hölle, Hölle! Mitternacht, am Waldborn!

Lucian kommt vorwärts.

Ihr nehmt nicht Theil am Tanz, nicht an dem Spiel;
mich kränkt's, wenn ihr nicht Unterhaltung findet.

Cardenio.

Ich wart' auf eure Braut.

Lysander.

                Entschuldigt sie;
sie tanzt nicht mehr, sie wollte sich entfernen.

Cardenio.

So harrt sie schon auf mich? Das ist ja schön!

Lucian.

Auf euch? was soll das heißen?

Cardenio.

                Liebesglück.

Lucian.

Verwegner! Doch, ihr seid berauscht.

Cardenio.

                Von Liebe!
Mein Liebchen, eure Braut, will ich jetzt küssen.

Lucian.

Seid ihr nicht toll, und läßt der Rausch ein Schwert euch fassen, zieht!

Cardenio.

                Versteht sich, Bräutigam!
Ganz ohne Blut läßt so 'was sich nicht enden.

Lucian.

Zieht!

Cardenio.

        Halt, noch nicht. Ich könnt' im Kampfe fallen,
dann käm mein Liebchen um die Nacht, und euch
blieb eure Braut ein ungelöstes Räthsel.

Lucian.

Wer bist du Mensch mit diesem Höllenblick,
und diesen heiß und kalten Teufelsworten?

Cardenio.

Der Freund von deiner zärtlichen Hyolda.

Lucian.

Du lügst!

Cardenio.

        Schilt deine Augen Lügner. Fort,
das Liebchen harrt, fort, fort, zum Liebesspiel.
Ich führ' dich, wo in meinem Arm die Braut
du siehst, mein süßes, treues Herzensliebchen.

Lucian.

So führe mich! doch einer von uns kehrt,
bei meinem Schwert, lebendig nicht zurück.

Cardenio.

Fort, fort, zum Waldborn!

Lucian.

                Zu dem Waldborn, sagst du?

Cardenio.

Hat das gezündet? Komm! dort löscht sich's leicht.

beide ab.

Marino.

Es gab hier Lärm! Was ist's, was ist geschehn?

Gonsalvo.

Ein Unbekannter sprach mit Lucian,
sie stritten, schien es mir, dann eilten beide
zum Saal hinaus.

Marino.

                Wir müssen eiligst nach.

Fulcado.

Was giebt es hier? was ist mit Lucian?

Gonsalvo.

Er ging erhitzt mit einem Unbekannten.

Fulcado.

Wohin? o laßt uns schnell ihm folgen!

Fulcado.

                Eilt!
Mich dünkt der Unbekannte war Cardenio,
ich hört' ein Wort vom Waldborn. Eilt ihm nach.

Marino.

Zum Waldborn! Auf! Licht, Fackeln, Diener, Fackeln!

Alle eilen ab.


17.

Am Waldborn.

Lucian.  Cardenio.

Lucian.

Du logst, wo ist Hyolda? Zieh dein Schwert!

Cardenio.

Sie läßt uns warten: Gebt euch nur zufrieden,
beim Liebesstündchen fehlt sie sicher nicht,
die Augen sollen euch genug noch schmerzen.
Hier, haltet still euch hinter diesem Baum.
Seht zu wie weit es geht. Wird's euch zu warm,
so brecht hervor und holt die treue Braut. –
's ist schön, die Nacht, zur Liebe recht geschaffen.
Hu, kalt ist's doch! Komm, zartes Bräutchen, komm!
Dein Käuzlein ruft. Du meinst 's sind Nachtigallen.
So irrt der Mensch! Mir klang dein Buhlerton
wie Unschuldlied und Melodie der Treue.
Wer hätt' ihm nicht geglaubt! O schöne Schlange! –
's ist furchtbar kalt, als hätte sich der Tod
den Ort geweiht, und schritt schon ungesehn
um diese Bäume. Bald, Febronia,
fällt dir das Opfer von der Hand des Rächers.
Da kommt sie – liebliche Gestalt! Du eilst
zum Tode – ha! den Perlkranz noch im Haar!

Febronia.

Schon hier? du liebes ungeduldges Herz!

Cardenio.

Du läß'st mich warten? Tausend Küsse schnell
zur Buße, bis die Lippen glühen, flammen,
und blaß erstarren, wenn der Tod sie faßt.

Febronia.

Was sprichst du da?

Cardenio.

                Nah ist der Tod der Liebe,
dein Brautkranz mahnt mich an den Todtenkranz.

Febronia.

Wie bist du heut?

Cardenio.

                Zum Tod vergnügt, mein Mädchen!

Febronia.

Geh, du bist fürchterlich! Sprich, bist du krank?
Dir glüht die Stirn und deine Wangen zucken.

Cardenio.

Bin liebekrank, heil' mich mit Küssen, Liebchen.

Febronia.

Die Nachtluft schadet dir. Geh doch zu Haus.

Cardenio.

Möcht'st auch gern heim, mein süßes Bräutchen, nicht?

Febronia.

Ich wollt dich pflegen, dürft' ich nur mit dir.

Cardenio.

Der Perlkranz ziert dich zum Anbeten schön.

Febronia.

Es ist der Brautkranz, hab' ihn selbst geflochten.
Was regt sich dort? War's nicht als lachte Jemand?

Cardenio.

's ist's Wasser in dem Waldborn. Käuzlein plätschert.

Febronia.

Was du auch heute sprichst!

Cardenio.

                Du willst nicht küssen,
bist kalt wie Leichen in dem Perlenkranz.

Febronia.

O sprich nicht so! – Sind's nun der Küsse genug?

Lucian vortretend.

Zu viel, Meineid'ge! Stirb!

Febronia.

                Wer bist du? Mörder!

Lucian.

Dein Bräutgam Lucian! Stirb Falsche!

Cardenio.

                Halt!
Mein ist die falsche Brust, mein ist die Rache:
Stirb! – So, das traf!

Febronia.

                Cardenio, was that'st du!

Cardenio.

Schön bist du doch, du falsche Doppelbraut!
Noch sterbend schön! – Was ist das? drängt dies Kreuz,
sich überall in fürchterlicher Stunde
an mich? Wie kommt es an Hyolda's Brust,
das einst mich trennte von Febronia?
Liegt hier ein neues furchtbares Geheimniß?
Wer lös't es mir?

Febronia.

                Cardenio! dieses Bild –
Er war – mein Vater.

Cardenio.

                Auch Hyolda's Vater?

Lucian.

Dein Vater, dies?

Cardenio.

                Zurück da Lucian!
Mein ist das schöne Weib.

Febronia.

                Auch sterbend dein.

Cardenio.

Jetzt kämpfen wir! Ich nahm dir deine Braut,
du mir mein Liebchen! Prüfe jetzt dein Glück.

Indem sie fechten, kommen Hyolda, Fulcado, Marino, Gonsalvo und mehrere Gäste und Diener mit Fackeln.

Hyolda
zwischen die Fechtenden tretend.

Halt, was beginnt ihr!

Cardenio.

                Hölle, ist das Wahnsinn,
was meine Augen zwingt, zweimal zu sehn,
was Einmal da ist, oder – bin ich Mörder?

Hyolda.

Gott! seht – mein Bild – mein zweites Selbst voll Blut!

Gonsalvo.

Entsetzlich! wer hat das gethan?

Fulcado.

                Ein dunkles
Geheimniß lös't sich hier.

Lucian.

                Du bist Hyolda!
Und wer ist jene dort?

Cardenio.

                O Höllenblendwerk!
Wer bist du, deren Blut mich Mörder nennt?
Hyolda bist du nicht!

Febronia.

                Ich bin Febronia.
Der Zauber gab mir die Gestalt Hyolda's.

Hyolda.

Du liebe, sanfte Blume! Ja, du warst es,
nach der ich mich so oft, so innig sehnte.
Wie liebt' ich dich! Kein böser Zauber war's
du hast durch Liebe mich in dich gezogen.
O rettet sie! Gonsalvo, gieb sie mir.

Gonsalvo.

Des Lebens Brunquell ist ihr abgegraben,
bald rinnt der letzte Tropfen.

Febronia.

                Holde Schwester
vergieb mir!

Cardenio.

        Du Febronia! Klar wird alles
mir jetzt, und furchtbar seh ich meine Schuld,
gleich einem Riesen, drohend vor mir stehn.
O frommer Bischof, wie sprachst du so wahr! –
Ihr seht allein die blutge That des Wahns;
auf welche Brust der Hölle Gaukelwerk,
mir unbewußt, die Mörderhand bewaffnet,
das wißt ihr nicht: ich mach' es offenbar,
denn jegliches Geheimniß lös't der Tod.
Mein blasses Mädchen, du bist meine Schwester,
der gleichen Mutter stillgebornes Kind,
vom heißgeliebten, ihr versagten Manne,
darum verließ ich dich, du holder Engel.
Ich fand, was sie verborgner Schrift vertraut,
beim Ritterkreuz mit des Geliebten Bildniß
sein Abbild – oh – es ruht auf dieser Wunde!

Febronia.

O süßer Trost im letzten Augenblick!
Schön ist der Tod. Dir durft ich ja nicht leben!
Beklagt mich nicht, mein Lebenstraum zerrinnt,
da seine schönen Liebesbilder schwinden –
Leg mich in deinen Arm, geliebter Bruder,
und ist mein letztes Wort dir heilig, wende
nicht gegen dich den blutgen Rächerdolch,
versprichst du mir's, so reich mir deine Hand –
Nun laß mich still an deiner Brust erblassen.
Bald ist's vorüber, denn mit starkem Arm
hat der Tirann des Lebens mich gefaßt. –
Wie wogt es um mich – meine Augen brechen –
O dunkel, dunkel wird's.

Gonsalvo.

                Sie hat vollendet.

Fulcado.

Ein ewges Licht glänzt jenseits deinem Auge.

Die Hexe eilt herbei mit wildzerstreutem Haar von Bärbel und Käthel verfolgt.

Bärbel.

Haltet sie auf! Sie raset, haltet auf!

Gonsalvo.

Welch wilder Lärm naht sich der stillen Feier?

Hexe.

        Laßt sie nicht sterben,
        ich muß verderben!
        Mir reißt der Schmerz
        entzwei das Herz!

Lucian.

Was sucht das grimme Scheusal unter uns?

Hexe.

        Die Locke heraus!
        O Tod und Graus,
        mit mir ist's aus!

                sie sinkt todt nieder.

Bärbel.

Ich hab's gesagt, daß es so kommen wird.
Die Alte hat das Fräulein dort verwandelt,
nun sticht der Arge ihr das Herz entzwei,
weil vor dem Tod der Zauber nicht gelöset.

Fulcado.

Was ist der Zauber?

Bärbel.

                Eine blonde Locke
in ihren Zöpfen. Lös't ihr diese auf,
so ist des Zaubers feste Macht gebrochen.
Doch für die Alte dort ist's nun zu spät,
der hat der Böse schon das Herz zerstochen.

Fulcado.

Tragt diesen ungestalten Leichnam fort.

        Bärbel und Käthel tragen die todte Hexe davon.

Hyolda.

Ich löse dir den Zauber, blasse Schwester –
So warst du, als ich dich zuerst erblickte.

Cardenio.

Febronia, dein Mörder hält dich noch
in seinem blutgen Arm. Du hast vergeben;
doch rachefordernd blickt dein Vater nieder,
denn mit dem Blut der Tochter hab' ich ihm
mein Blut verschuldet. Nimm was dir gebührt.

Fulcado.

Halt Sohn!

Cardenio.

                Wer bist du?

Fulcado.

                Kennst du mich nicht mehr?

Cardenio.

Mein frommer Lehrer! Du hast mich gewarnt!

Fulcado.

Denk an mein Wort: Nimm das Maltheserkreuz,
eh schwere Schuld auf deine Brust es heftet.

Cardenio.

O dunkles Schicksal, das die Menschen leitet!
Umsonst nicht drängt sich immer dieses Kreuz
und immer gegen mich. Der Mutter Schuld
sollt ich vielleicht mit diesem Kreuze büßen,
jetzt heftet eigne Schuld mir's an die Brust.
Es sei, wie du gesagt, ehrwürdger Bischof.
Die theure Todte ruht in meinem Herzen,
ihr Denkmal sei auf meiner Brust dieß Kreuz.

Fulcado.

So sei es dir, mein Sohn! Geh hin mit Frieden.
Ihr aber gebt auf dieser kalten Brust
die Hände euch, Hyolda, Lucian.
Und wenn des Argwohns böser Dämon euch
umrauscht, so denkt an dieses edle Paar,
und haltet fest im Glauben und in Liebe.



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