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Die deutsche Volksschule

Generalsekretär I. Tews:

Meine Damen und Herren! Mir ist die Aufgabe gestellt worden, über die Volksschule zu Ihnen zu sprechen. Die Volksschule leidet natürlich in allen wesentlichen Beziehungen unter denselben Mängeln wie die höheren Schulen. Ich will auf diese Dinge nicht näher eingehen. Ich will mich damit begnügen, einige äußere Angelegenheiten der Volksschule vor Ihnen zur Sprache zu bringen. Es lohnt sich ja schon einigermaßen, das anzuhören, denn es handelt sich bei unserer deutschen Volksschule um die Kleinigkeit von zehn Millionen Kindern; in allen unseren höheren Schulen zusammen sitzt noch nicht ganz eine halbe Million. Und wenn ich nun auch ganz mit dem einen der Herren Vorredner übereinstimme, daß es auf die Ausbildung der Talente sehr wesentlich ankommt, so ist ja das, was in den höheren Lehranstalten vereinigt ist – darin stimme ich auch mit dem Vorredner überein – nicht alles »Talent«, und nicht alles »minderbegabt«, was in der Volksschule ist. (Beifall.)

Die Volksschule, wenn ich in meiner Beurteilung ganz kurz sein wollte, ist eine Schule, die wir überhaupt noch nicht haben. Wir haben keine Volksschule. Aber von dieser radikaleren Auffassung will ich einmal absehen und zunächst die Frage stellen: Was soll und was will eine wirkliche Volksschule? Darauf gebe ich die Antwort: Sie soll und sie will dasselbe, was jede andere Schule für Kinder desselben Alters will. Es kommt nicht darauf an, ob in den anderen Schulen etwas gelehrt wird, was in der Volksschule nicht gelehrt wird; die Volksschule hat keinen fremdsprachlichen Unterricht. Es kommt darauf an, daß die Kinder dieses Alters in vollem Maße unterrichtet und erzogen werden, und wenn das geschieht, darf man annehmen, daß in derselben Zeit und mit denselben Mitteln in den Volksschulen auch genau dieselben Resultate erzielt werden; denn der fremdsprachliche Unterricht mag ja sehr gut sein, aber daß er ein alle anderen Gegenstände übertreffendes Unterrichtsmittel sei, das wird ja nicht nur von mir, sondern von sehr vielen anderen bezweifelt.

Also die Volksschule hat genau dieselben Aufgaben, die jede andere Schule hat. Sie soll unsere Kinder einführen in die Kultur der Gegenwart, sie soll diejenigen Kulturgüter, die man Kindern nach Maßgabe ihrer Entwicklung übermitteln kann und die wert sind, vererbt zu werden, übermitteln, und das soll sie mit derselben Unbefangenheit tun, wie es in den anderen Schulen geschieht; nicht mit der Engherzigkeit, mit der es auch heute noch vielfach in den Volksschulen geschieht.

Gestatten Sie mir, einen etwas harten Ausdruck zu gebrauchen: In unseren Volksschulen wird vielfach eine Kost gereicht – und das soll so sein – die stark an die Volksküche erinnert. (Beifall.) Das ist das, worin sie sich von dem, was in anderen Schulen gelehrt wird, oft unterscheidet. Das ist heute nicht mehr ganz so schlimm, als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, in der schönen Regulativzeit. Unsere Volksschüler sind aber zweifellos nicht mit einem geistigen Proletariermagen ausgerüstet, der das »andere« nicht vertragen könnte und dem man etwas Besonderes vorsetzen müßte, sie haben auch im allgemeinen kein geringeres Fassungsvermögen. Es sind manche da, die viel vertragen können, und manche, die nicht viel vertragen können, manche, aus denen viel, und manche, aus denen wenig werden kann. Und weil das so ist, meine Damen und Herren, deswegen ist es nicht ein Zeichen besonderen pädagogischen Fortschritts, wenn man selbst in einer Stadt wie Berlin noch Vorschulen einrichtet (sehr richtig!), sondern richtig würde es sein, daß man sämtliche Kinder desselben Alters nach demselben Lehrplan unterrichtete – um dann nicht hinterher sagen zu können: ja, euer Volksschullehrplan der ist ja so, daß die Kinder nicht rechtzeitig in die höheren Lehranstalten hineinkommen können! Ja, warum schafft man diesen besonderen Lehrplan? Dann beseitige man ihn doch gefälligst!

Wenn man besondere Elementarschulen einrichtet und diese Schulen als Schulen erster Güte ausgibt, dann werden natürlich die Volksschulen damit Schulen zweiter Güte. Sie sind dann keine Volksschulen mehr, sondern sie sind Armenschulen. (Lebhafte Zustimmung.) Der Ausdruck ist ja für unsere feinfühlige Zeit natürlich zu brutal; er steht heute an keiner Schule mehr; aber das Wesen der Schule ist damit nicht geändert. Wir sind in der Beziehung besonders in Norddeutschland ungemein rückständig. (Sehr richtig!) Wir haben die Entwicklung, die das Schulwesen in anderen Kulturstaaten durchgemacht hat, nicht mitgemacht. In Nordamerika kennt man derartiges nicht. In Österreich kennt man es auch nicht, in der Schweiz auch nicht, in Bayern auch nicht. Dort gibt es wirkliche Volksschulen, und der bayerische Minister schickt, ohne mit der Wimper zu zucken, seine Kinder in dieselbe Volksschule hinein, in der die Kinder seines Portiers sitzen, und es ist noch nie die Behauptung aufgestellt worden, daß etwa die bayerischen Ministersöhne schlechter erzogen würden als beispielsweise die preußischen. (Sehr gut!) Die Sache scheint also zu gehen.

Worauf ich aber von meinem Standpunkt aus ein großes Gewicht lege, ist, daß durch die Errichtung von Schulen erster Güte die Volksschule degradiert wird, und das ist ein furchtbares Unrecht gegen die große Menge der Bevölkerung. (Zustimmung.) Das ist keine Lappalie, wenn es sich um Millionen von Kindern handelt. Und dann stecken dahinter doch auch Dinge, die in das Gebiet des gemeinsten Eigennutzes gehören. (Sehr richtig!) Da, wo man Vorschulen hat und die höheren Lehranstalten dem Bedarf nicht ganz genügen – und der Bedarf ist ja heute groß –, sind die Vorschulen tatsächlich ein Abonnement auf den Besuch der Sexta. Wir haben es in Berlin in manchen Stadtteilen Jahrzehnte hindurch gehabt, daß andere Kinder kaum in die Sexta aufgenommen wurden, weil alle Plätze durch Vorschüler besetzt waren; das heißt, man kauft sich für 360 bis 450 Mk. für seinen Sohn einen Platz in der Sexta, aber auf Kosten eines anderen, der vielleicht weit besser für die Ausbildung in einer höheren Schule geeignet ist. (Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, das ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Und die Sache wird nicht besser am Schlusse der Schulzeit. Wenn unsere Volksschulen das sind, was sie sein sollen, muß man doch von ihnen erwarten, daß sie die begabteren Kinder in acht Schuljahren etwa zu derselben geistigen Reife bringen, zu der Schüler in den höheren Schulen in derselben Zeit kommen. Denn ein Wesensunterschied bei den Kindern besteht nicht, und der Unterschied in der Qualität des Unterrichts darf doch nicht bestehen; und was den Lehrstoff anlangt, so kann ein Unterschied darin auch nicht liegen. Dann müßte aber doch den begabteren Volksschülern die Möglichkeit geboten sein, nun an einer höheren Lehranstalt sich in derselben Zeit, in der es die anderen Gleichaltrigen können, sich auch das anzueignen, was notwendig ist. Fragen Sie einmal, wie das ist! Ein Volksschulabiturient von vierzehn Jahren, auch der begabteste, wird zu den kleinen Jungen, zu den neunjährigen Vorschülern in die Sexta gesteckt. Das bedeutet seinen vollkommenen Ausschluß von der höheren Bildung, denn diese älteren Kinder können nicht vom vierzehnten Lebensjahre ab nun neun Jahre in die höhere Lehranstalt gehen. Das kann sich vielleicht ein wohlhabender Mann mit seinem Sohne leisten, arme Leute können das nicht. Und deshalb ist die Tatsache, daß keine unserer höheren Lehranstalten auf das Volksschulziel sich aufbaut, gleichbedeutend mit dem völligen Ausschluß unserer Volksschüler von der höheren Bildung. (Sehr wahr!) Und damit ist gesagt, daß unsere Volksschule eben keine Volksschule ist; denn die Volksschule müßte diesen Weg offenlassen.

Und nun sehen wir uns einmal die Verhältnisse in den Volksschulen an. Ich habe ja bisher die Voraussetzung gemacht, daß die Schuleinrichtungen im ganzen gleichwertig sein müßten. Wir haben in Preußen etwa 6+1/4 Millionen Volksschüler. Für diese 6+1/4 Millionen Volksschüler haben wir 98+000 Lehrer. Das heißt, es kommt auf 63 Volksschüler etwa ein Lehrer; in den höheren Lehranstalten kommt auf 17 bis 18 Kinder ein Lehrer. Der vorletzte Herr Redner hat auch über starke Belastung der höheren Schulen geklagt. In den größeren Städten liegen ja auch die Dinge etwas anders, aber noch milder als in den verhältnismäßig guten Verhältnissen der Volksschulen der größeren Städte. Aber wenn man hinauswandert auf das Land und sieht dort Schulen, in denen einem Lehrer 120 Schüler – nicht etwa für kurze Zeit, sondern, für die ganze Amtszeit – 150 Kinder zeitweise, Monate hindurch auch mehr als 150 Kinder anvertraut sind, da kann von irgendwelchem Unterricht gar nicht mehr die Rede sein. Da ist nicht mehr geistige Volksküche, sondern bitterste Hungersnot, unter der die Volksschule leidet. In einem Gymnasium sitzen oft nur 140 bis 170 Kinder, und für diese Kinderzahl sind gewöhnlich zwölf Lehrer da; auf der Volksschulseite braucht man für diese Zahl viel öfter nur einen einzigen! Wenn wir die Volksschule so einrichten würden wie die höhere Knabenschule, so müßten wir an Stelle der 98+000 Lehrer, die wir tatsächlich haben, die Kleinigkeit von 332+000 haben, dann wäre die gleiche Versorgung erreicht. Wir haben in unseren Volksschulen 116+000 Klassen, aber nur 98+000 Lehrer; es fehlen für 18+000 Klassen die Lehrer; sie müssen natürlich mitversorgt werden. Also aus 18+000 Klassen wird der Lehrer teilweise herausgenommen, oder er muß die Klassen mitversorgen. Das heißt: 36+000 Klassen, das sind zwei Millionen Kinder, sind auf halbe Kost gesetzt, und trotzdem sitzen noch über eine Million Kinder in überfüllten Volksschulklassen; und als überfüllt gilt eine Klasse erst, wenn sie in mehrklassigen Schulen über siebzig und in einklassigen über achtzig Schüler hat. Wie es in einzelnen Bezirken aussieht, dafür nur ein Beispiel. Im Regierungsbezirk Posen hatten die katholischen Landschulen 134+000 Schüler, die waren untergebracht in 2200 Klassen, aber für diese 2200 Klassen sind nur 1200 Lehrer, das heißt 1200 Lehrer müssen 1000 Klassen mitversorgen. Meine Damen und Herren, ich glaube ja, solche Dinge sind im Volke überhaupt nicht bekannt; wären sie bekannt, dann müßte sich doch wohl das soziale Gewissen dagegen aufbäumen.

Und in anderer Hinsicht steht es in der Volksschule auch nicht gut. Die Lehrmittel sind teilweise, wenn sie vorhanden sind, recht primitiv, oft auch veraltet. Die Schulhäuser waren früher sehr schlecht, sie sind jetzt teilweise besser, aber doch in manchen Orten auch noch so, daß sie sich nicht von Gebäuden für ganz andere Zwecke wesentlich unterscheiden. (Heiterkeit.)

Und was nun schließlich die Lehrer der Volksschule anbetrifft – Sie wissen, die anderen Lehrer schickt man in die allgemeinen Bildungsanstalten und dann auf die Universität, den Volksschullehrer schickt man die ersten drei Jahre auf die Präparandenanstalt und dann auf das Seminar. Das hat einen sehr naheliegenden Zweck. Aus solchen Sonderschulen kann nicht leicht jemand echappieren; er muß drinbleiben, wenn er einmal eingefangen ist, und da der Zudrang zum Lehrerberuf ein mäßiger ist, er war zeitweise ganz ungenügend, so ist diese Methode, von der Seite angesehen, praktisch. Aber vergegenwärtigen wir uns, was der Volksschullehrer zu tun hat. Er hat zunächst die Jugend bis zum 14. Lebensjahre zu unterrichten. Dann ist unser Fortbildungsschulwesen jetzt in erfreulicher Entwicklung; er unterrichtet also weiter bis zum 18. Jahre. Sie werden zu der Überzeugung kommen, daß man von einem Volksschullehrer nicht weniger verlangen sollte, als man von den meisten Lehrern in anderen Schulen auch nur verlangt, denn die Jungen in Sexta, Quinta, Quarta zu unterrichten, dazu ist auch keine große Wissenschaft notwendig, wenn sie hier nicht wünschenswert ist. Wenn man die Volksschullehrer in die Präparandenanstalten und Seminare verweist und sagt: »Das ist das beste, was man hat«, so möge man die anderen auch dahinein verweisen. (Sehr richtig.) Das will man aber nicht; es ist auch vernünftig, daß man das nicht will, aber dann soll man hier auch eine Änderung eintreten lassen. Der Volksschullehrer gehört dahin, wo überhaupt die Kultur lebt, er gehört mit seiner allgemeinen Vorbildung in die allgemeinen Bildungsanstalten, er gehört mit seiner Fachbildung dahin, wo die gebildeten Berufe überhaupt ihre Fachbildung erhalten, in die Universität oder in die pädagogische Hochschule.

Dann ein anderes. Es gilt für jeden, der einen Beruf ausübt und der seinem Beruf gewachsen ist, als Ehrensache, daß er von seinesgleichen, von den Tüchtigsten seines eigenen Berufes beaufsichtigt wird. In der Volksschule haben wir im großen und ganzen noch heute geistliche Schulaufsicht, kirchliche Aufsicht. In Wirklichkeit nicht, aber die Sache ist etwas schlimmer, als wenn wir kirchliche Schulaufsicht hätten, nämlich der Geistliche kommt in die Schule als Beauftragter des Staates, das heißt mit allen Machtmitteln des Staates. Durch die Machtmittel des Staates regiert die Kirche heute unsere Schulen. (Stürmische Zustimmung.)

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Angelegenheit der Volksschullehrer, sondern das ist ein Mittel, die wertvollsten Zugeständnisse in unserer Verfassung gegenstandslos zu machen. In unserer preußischen Verfassung steht bekanntlich der Satz: die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Stellen Sie sich die Freiheit einmal vor, die in unseren Schulen unter der Direktion eines Teiles unserer Geistlichkeit zugestanden wird. Ich verlange gewiß nicht, daß dem Lehrer irgendwelches subjektive Belieben eingeräumt werde. Er untersteht seiner Pädagogik, er untersteht der Wissenschaft; – aber auch nur diesen und darf nur dirigiert werden von Personen, die auf diesem Boden stehen und die nicht von einem fremden Boden her die Schule regieren wollen. (Beifall.) Das widerspricht, von allem andern abgesehen, der Amtsehre eines ausgewachsenen Mannes.

Ich will auf sonstige Beschwerden des Lehrerstandes nicht eingehen. Ich will zum Schluß aber noch einmal das zum Ausdruck bringen: Wenn wir unserer Volksschule voll gerecht werden, dann haben wir für sie volle Gleichwertigkeit mit allen anderen Bildungsanstalten in Anspruch zu nehmen, sonst sollen wir nicht mehr von Volksschulen sprechen, denn wir haben keine, wenn das nicht der Fall ist. Das sind keine Volksschulen, die man anders behandelt als andere Schulen.

Die Volksschule hat aber auch nach einer ganz anderen Seite vollen Anspruch darauf, so behandelt zu werden. Das, was die Volksschule heute lehrt, ist nach meiner Überzeugung, und ich meine auch nach der Überzeugung der Herren, die hier gesprochen haben, im ganzen wertvoller als das, worauf in den Parallelklassen anderer Lehranstalten ein besonders großes Gewicht gelegt wird. (Sehr richtig!) Wenn in unseren Vorschulen die Kinder vorwiegend mit deutscher Grammatik beschäftigt werden, so ist das kein Vorteil, und wenn in den anderen Schulen tote Sprachen getrieben werden, so ist das wieder kein Lehrstoff, der für das erste Jugendalter besonders geeignet wäre. Je höher das geistige Gebäude aufsteigen soll, um so fester muß das Fundament sein, und das festeste Fundament allen geistigen Lebens sind die Anschauungen, die anschaulichen Lehrstoffe des ersten Jugendunterrichts und Jugendlebens. Insofern ist die Vorschule als Mitbewerber um die Gunst des Publikums ihren Konkurrenten überlegen. Wieviel Arbeitsfreudigkeit wird nicht durch abstrakten, anschauungslosen Sprachunterricht in höheren Schulen in der ersten Jugend totgeschlagen, die nie wieder wachzurufen ist. Wir haben soviel »Ballast«, wie die Herren von der höheren Schule so gern sagen, in unseren höheren Schulen. Das war nicht immer »Ballast«, das ist vielfach selbstgemachter Ballast. Diesen »Ballast« hat man in den unteren Klassen durch ungeeignete Lehrstoffe geschaffen. Die Kinder würden ganz anders geworden sein, wenn man ihnen Zeit gelassen hätte in den ersten Schuljahren und ihnen etwas geboten hätte, was ihrem Alter entspricht.

Und nun noch die kurze Frage: wie werden wir zu anderen Zuständen kommen? Die große politische Frage werde ich nicht anschneiden, die Versuchung liegt ja sehr nahe. Aber eins möchte ich doch andeuten: wie wir ein besseres Staatswesen nur durch die Konstitution bekommen haben, so werden wir ein besseres Schulwesen auch nur durch konstitutionelle Verhältnisse auf dem Schulgebiet erhalten. (Lebhafte Zustimmung.) Wir können die Priesterschule nicht brauchen, wir können die Schulmeisterschule nicht brauchen, die Bureaukratenschule erst recht nicht. Die Schule ist eine große Angelegenheit des ganzen Volkes, und in ihr müssen auch alle Glieder der Bevölkerung in einem geregelten Verfahren mitwirken. Wir brauchen auf allen Stufen Schulvertretungen, die sich zusammensetzen aus Pädagogen und aus Laien. Diese Schulvertretungen brauchen wir vor allen Dingen der Lehrer wegen. Sie sollen unsern Lehrern einen Rückhalt gewähren, ihre Freiheit in Lehre und Leben, ihm Freiheit im Schaffen schützen. Der jetzige Austauschprofessor Dr. Reinsch hat von den amerikanischen Schulen gesagt: sie wollen ein Geschlecht der Aufrechten und der Selbstbewußten erziehen. Meine Damen und Herren, den Ehrgeiz sollten wir doch eigentlich auch haben. Aber wenn wir ein Geschlecht der Aufrechten und der Selbstbewußten erziehen wollen und wenn wir ein Geschlecht schaffender Menschen erziehen wollen, dann brauchen wir vor allen Dingen erst Lehrer, die aufrecht stehen dürfen (stürmischer Beifall), und dann brauchen wir vor allen Dingen auch Lehrer, die in voller Freude schaffen dürfen, denn nur ein freudig schaffender Mensch kann wieder freudig schaffende Kinder erziehen.

Ich will damit abbrechen. Die Volksschule steht, wie ich glaube, Ihnen einigermaßen deutlich gemacht zu haben, schon in ihrer rein äußerlichen Verfassung abseits von allen sonstigen Schuleinrichtungen, sie soll mit weniger als dem Existenzminimum auskommen. Das muß anders werden. Wir müssen diesen Gesindetisch aus dem Schulhaus beseitigen. Wir dürfen nicht den Millionen unseres Volkes Armeleutekost reichen und wir dürfen nicht Barrieren aufrichten, die auch den Fähigsten, die von unten kommen, den Aufstieg unmöglich machen. Wir haben wirklich keinen Überfluß an ausgebildeten und entwickelten Talenten, und ich möchte auch hier wieder sagen: Freie Bahn jedem Talent, auch dem Talent, das aus der Tiefe kommt. (Stürmischer Beifall.) Eine große, leistungsfähige Volksschule als Fundament einer gleichen Entwicklung unseres gesamten Volkslebens! So, wie unsere Volksschule ist, so wird auch unser Volk in seinem Denken, in seinem Empfinden und in seinem Wollen sein. (Stürmischer, andauernder Beifall.)

 

Dr. Ludwig Fulda: Das Schlußwort hat Herr Professor Dr. Alfred Klaar.


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