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Felicia Dorothea Hemans

25. Sept. 1793 – 16. Mai 1835

 

Von den Frauen, die sich in den Jahren 1800 bis 1835 in der Dichtkunst auszeichneten, ist in erster Linie Felicia Hemans zu nennen. Sie war die Tochter eines irischen Kaufmanns in Liverpool, Namens Browne. Nach einer verunglückten Spekulation, zog sich ihre Familie nach Gwrych in Nordwales zurück. In der romantischen Umgebung des Ortes ward das Mädchen zur Dichterin. Schon in ihrem vierzehnten Lebensjahr wurde ihre Lyrik gedruckt. (Poems, 1808.) Noch im gleichen Jahre veröffentlichte sie eine Dichtung (England and Spain, or valour or patriotism), die hervorgerufen wurde durch die Teilnahme ihrer Brüder an den pyrenäischen Kriegen. Shelley und Byron fühlten sich von ihren Schöpfungen sehr angesprochen. 1812 heiratete sie den Kapitän Hemans. Sie gebar ihm fünf Söhne, liess sich aber 1818 wieder von ihm scheiden. Im Jahre 1835 starb sie auf einem Landgut in der Nähe von Dublin.

Auf ihre frühen Jugendwerke folgten lyrische Gedichte unter dem Titel »Häusliche Liebe« (Domestic Affections, 1812), später poetische Werke von didaktischem und beschreibendem Charakter, so »Modernes Griechenland« (Modern Greece, 1817). Mrs. Hemans schrieb auch gute Balladen, und es gelang ihr manches zarte, stimmungsmächtige Gedicht. In »Das Waldgeheimnis« (The forest sanctuary, 1825) verherrlichte sie das protestantische Martyrium. Während der letzten zehn Jahre ihres Lebens versenkte sie sich ganz in das Studium der deutschen Literatur. Ihre bevorzugten Autoren waren: Schiller, Körner, Tieck, Schlegel und Goethe.

Den schönen Uebersetzungen von Freiligrath ist es hauptsächlich zu verdanken, dass Felicia Hemans in der deutschsprachigen Welt bekannt wurde.

Mutter, o sing mich zur Ruh!
Wie noch in schöneren Stunden
Sing meinem Herzen, dem wunden,
Tröstende Lieder sing du.
Drücke die Augen mir zu!
Blumen die Häupter jetzt neigen,

Trauernde rasten und schweigen –
Mutter, o sing mich zur Ruh,
Bette dein Vögelein du!
Stürme, ach, habens entfiedert:
Liebe, sie drückt unerwidert –
Mutter, o sing mich zur Ruh!

Freiligrath

 

Seit ich dich zuletzt gesehn

Seit ich dich zuletzt gesehn,
Schwester, was ist dir geschehn?
Tief in deinem Auge liegt
Schwermut, die mein Herz nicht trügt.
Wenn du sprichst – o, welch ein Ton!
Deine Kindheit ist entflohn.
Sturm hat deine Brust getrübt;
Schwester, ja, du hast geliebt.

Deiner Wangen Wechselglut
Kündet nicht ein Herz, das ruht.
Wenn du gehst den Strom entlang,
Folgt ein Traum dir, schwer und bang.
In dem Tal und in dem Hain
Hörst du Lieder, die nicht dein.
Warum weinst du, bleich, gebückt?
Ach, die Lieb hat dich geknickt!

Sag mir nicht, wie alles kam;
An mein Herz wirf deinen Gram.
Nichts von Träumen, die geflüchtet!
Nichts von Hoffen, das vernichtet!
Schweig, o schweig von deinem Schmerz;
Lull es ein, dein armes Herz!
Frieden such im Vaterhaus!
Wein an meiner Brust dich aus.

Freiligrath

 

Fern überm Meer

Wo, wenn der sonnige
Rebenberg leer,
Wo zieht der Winzer Schar
Jubelnd einher?
Wo liegt das schöne Land,
Drin meine Wiege stand?
– Fern überm Meer!

Wo weht der Abendwind
Myrtenduftschwer,
Säuselt der Taube zu:
»Nacht wirds, komm her!«
Wo meiner Heimatflut
Glüht der Orange Glut?
– Fern überm Meer!

Wo wacht ein Aug für mich,
Wacht, ob ich kehr!
Wo zu der Eiche Wehn
Murmelt das Wehr?
Wo noch von heilger Zeit
Redet das Nachtgeläut?
– Fern überm Meer!

Zieh, o du Winzerschar,
Jubelnd einher!
Weh, meines Vaters Baum,
Lustig ums Wehr!
Heimat, o lächle lind,
Siecht auch und stirbt dein Kind
Fern überm Meer!

Freiligrath

 

Englands Tote

Sohn der Insel fern im Meer!
Von den mächtgen Toten sprich!
Welch ein Denkmal überragt sie hehr?
Führ an ihre Gräber mich! –

Auf, o Fremdling! frisch entrollt
Deine Segel! miss die Flut!
Keine Welle schäumt, kein Sturmwind grollt,
Wo kein Held aus England ruht!

Auf Aegyptens heisser Flur,
Wo zur Sonne Memnon spricht,
Grimmig lodernd herrscht der Mittag nur,
Und die Palme schattet nicht.

Was – und ob auf glühnder Bahn
Alles rings die Sonne dorrt,
Nicht mehr weckt sie, die ihr Werk getan –
Englands Tote schlummern dort!

Der Orkan mit seiner Macht
Fährt durch Indien wild und frei,
Und am Ganges durch die Mitternacht
Rollt des Tigers dumpf Geschrei.

Was – und roll es noch so graus!
Nicht erreicht es mehr den Port,
Wo sie ruhn von ihrer Arbeit aus –
Englands Tote schlummern dort!

O, wie springt der Felsbach kühn
Von Gebirgen schroff und steil,
Fern im Westen, wo des Urwalds Grün
Frei durchschwirrt des Jägers Pfeil!

Was – und rauscht: die Flut auch wild,
Schwirrt der Pfeil auch fort und fort:
Nicht erweckts die Schläfer im Gefild –
Englands Tote schlummern dort!

Durch die schnee'gen Pyrenän
Zieht der Sturmwind mit Gebraus:
Wie die Weste Rosenblätter sän,
Trotzig sät er Tannen aus!

Was – und ob mit zorngem Schall
Er zerbricht des Waldes Hort!
Blut genossen ist auf Ronceval –
Englands Tote schlummern dort!

Wo des Eismeers Woge stürmt:
Schrecklich tönt des Führers Pfiff
In der Stunde, wenn das Eis sich türmt
Um ein edel Britenschiff!

Mög es treiben ohne Rast;
Bläulich dehn es sich im Nord!
Ihre Fahrt ist aus mit Flagg und Mast –
Englands Tote schlummern dort!

Die da kühn gezuckt den Stahl,
Fern und nah für englisch Land –
Sind die Felsen nicht ihr Totenmal,
Ist ihr Grab nicht Meer und Strand?

Drum, o Fremdling, frisch entrollt
Deine Segel! miss die Flut!
Keine Welle schäumt, kein Sturmwind grollt,
Wo kein Held aus England ruht!

Freiligrath

 

Nachtlied zur See

Dunkel braust das Meer,
Bangen Hauchs die Winde flüstern,
Meeresvögel, träg und schwer,
Flüchten ängstlich sich im Düstern.
O, bei Sturmeswehen,
Der du aus den Höhen
Hörst, was deine Kinder flehen –
Hör, o Vater, hör!

Finster ist die Nacht,
Mond und Sterne sind verschwunden;
Wen der Glaube sehend macht,
Hat das rechte Licht gefunden.
Du, der du inmitten
Zornger Flut geschritten,
Noch einmal, hör unser Bitten –
Dein, Herr, ist die Macht!

Freiligrath

 

Der Sonnenstrahl

Du bist kein Zaudrer im Fürstenschloss,
Eine Freude bist du, ein froher Genoss!
Bist ein Hoffnungsbringer für Berg und für Tal –
Ist ein Segen, wie deiner, o Sonnenstrahl?

Du beschreitest die Flut, und der Ozean lacht,
Seine tausend Inseln umsprühst du mit Pracht;
Du flammst auf die Schiffe, du flammst auf den Schaum.
Den Matrosen erquickst du wie Heimatstraum.

Durch die Tiefen der Waldnacht zittert dein Glühn,
Golden durchbrichst du ihr schattig Grün,
Und wie Feuerfliegen, flatternd und grell,
Spiegeln die Blätter sich unten im Quell.

Auf die Berge schaut ich – ein Nebeltuch
Umwallte finster den Höhenzug:
Du zerteiltest das Licht, und den Berg umfing
Ein Gewand von Feuer, ein Flammenring.

Ich erblickte des Landmanns bescheiden Haus –
Fast wie traurig schaut es ins Land hinaus;
Bis ein Schimmer von dir ihm ins Fenster sah –
O, wie stand es fröhlich, wie lacht es da!

Du besuchst die fernste, die wildeste Statt,
Glühst die Wildnis an wie der Rose Blatt;
Auf ergrauende Trümmer ein freundlich Licht
Und ein Lächeln zu werfen verschmähst du nicht.

Durch die Dämmrung des Münsters kommst du geflammt;
Da, wie Feuer, lodert des Betstuhls Samt:
Um der alten Trophäen marmorne Reihn
Zuckt, wie brennendes Gold, einer Glorie Schein.

Und du fliehst nicht, wo niedrig ein Grab auch steht,
Drauf im seufzenden Wind eine Blume weht;
Du erhellst seine Gräser mit Licht und mit Lust,
Und in Liebe schläfst du auf seiner Brust.

Hoffnung des Meers und der Wildnis Glück,
Sonne des Sommers – was gleicht deinem Blick?
Eines! – der Glaube, der, was er berührt,
Mit den leuchtenden Farben des Himmels ziert.

Freiligrath


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