Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Robert Burns

25. Jan. 1759 – 21. Juli 1796

 

Robert Burns wurde in einer Bauernhütte nicht weit von der Allowaykirche und dem Ufer des Doon, südlich vom Küstenstädtchen Ayr in Schottland geboren. Der Vater Burns', ein Gärtner, mit einer Bauerstochter verheiratet, war ein aufrechter, ehrlicher, für seine Verhältnisse wohl unterrichteter Mann. Des Dichters Mutter war eine Frau von schwankender Gemütsstimmung, bald munter, bald melancholisch, eine Veranlagung, die sie auf den Sohn vererbte.

Die Hütte am Doon blieb das Heim des Dichters bis zum Jahre 1766, in dem sein Vater das kleine Gut Mount Oliphant pachten konnte. Auf diesem erhielt Robert seine Ausbildung. Zuerst unterrichtete ihn sein Vater, worauf Robert die Dorfschule in Allowaymühle besuchte, bis der dortige Lehrer fortging. Dann wurde er mit einem Kreis von Kindern aus der Nachbarschaft von John Murdoch unterrichtet. John Murdoch verkehrte in der Familie Burns: der Umgang mit ihm trug viel zur geistigen Reife der beiden Brüder Robert und Gilbert bei. In dem Hause lebte noch eine alte Frau, die den Dichter in die Sagenwelt des alten Schottland einführte. Die Dichtungen »Tam o Shanter«, »Halloween«, »Address to the Deil« stammen aus den Erinnerungen an die Erzählungen dieser Greisin. »Des Kleinbauern Samstagabend« schildert das gemütliche Familienleben in seinem Elternhause.

In seinem 13. und 14. Lebensjahre kam Robert nur sehr unregelmässig zum Lernen, da er seinem Vater bei der Bestellung der Felder helfen musste. Er und sein Bruder arbeiteten als Knechte bei seinem Vater, der um 1778 die Pacht von Lochlea im Kirchspiel Torbolton übernahm. Der junge Robert gründete einen Debattierklub und trat in eine Freimaurerloge ein. Der Liebe, die er um diese Zeit für Ellison Begbie empfand, verdanken wir seine ersten Gedichte.

Da er bald heiraten wollte, entschloss sich Burns, die Flachshechelei zu erlernen. Er trat als Teilhaber in eine Firma ein. Deren Gebäude wurde aber durch Brand zerstört. So kehrte der Dichter im Jahre 1781 ärmer als zuvor zu seinem Vater zurück. Doch auch dieser befand sich in schlechter Lage, er hatte geschäftliches Missgeschick und verfiel aus Kummer und Sorge in eine Krankheit, an der er 1784 starb. Robert und sein Bruder übernahmen nun eine Pacht unweit von Torbolton, mussten sie aber 1786 wieder aufgeben. Als Pächter hatte Burns kein Glück, als Dichter setzte er sich bald durch. Theologische Streitigkeiten mussten dem Dichter zur Zielscheibe seines Witzes dienen. Neben satirischen Versen verfasste Burns auch allerhand launige Gedichte, die aus der heiteren Gesellschaft in Mauchline hervorgingen. Einer neuen Liebe des leicht entflammbaren Burns verdanken wir eine Menge Liebeslieder, die er in diesen Jahren schrieb.

Nach dem Misserfolg in der Heimat entschloss sich Burns, dem Beispiel vieler schottischer Bauern folgend, nach Jamaika auszuwandern. Es fehlte ihm aber an Geld für die Überfahrt, ausserdem fühlte er sich verantwortlich für das Wohlergehen seiner alten Mutter und seines Bruders. So liess er, auf den Rat seiner Freunde, einen Band seiner Gedichte drucken. Die veröffentlichten Gedichte waren meist in Mossgiel entstanden. Der Band fand grossen Anklang, und bald erfüllte der Ruhm des Dichters ganz Schottland. Auch der finanzielle Ertrag entsprach den Erwartungen. Nun hätte Burns nach Jamaika gehen können, aber es kam einiges dazwischen, so seine Liebe zu Mary Campbell, mit der er sich verlobte, und die er in mehreren schönen Gedichten verherrlichte. Durch Burns eigene Schuld kam es zur Trennung.

Burns verzichtete darauf, Schottland zu verlassen. Er zog in die Stadt nach Edinburg, und damit eröffnete sich ihm ein ganz neuer Horizont. Für die Edinburger war der dichtende Bauer ein Novum: er wurde angestaunt und fand Eingang in die höchsten Kreise. Mit dem Reiz der Neuheit aber nahm auch seine Popularität wieder ab. Von grosser Bedeutung für sein Werk wurden die Ausflüge nach Süd- und Nordschottland, besonders aber ins Hochland, die er zu jener Zeit unternahm. In Schottland und in England hatte er sich nun einen Namen als Dichter gemacht, und die Herausgabe seiner Gedichte brachte ihm ein kleines Kapital ein, mit dem er Ellisland in der Grafschaft Dumfries pachtete. Er wollte wieder zur Scholle zurück. Jane Armour, der die Liebeslieder gelten, die er in Mauchline verfasst hatte, führte er als seine Frau heim. Aber Burns hatte wohl Bauernleben und Bauernarbeit in poetischer Verklärung gesehen. Er taugte nicht mehr zum Bauern. In der Grosstadt hatte er sich an ein bequemeres Leben gewöhnt. Er sehnte sich wieder nach dem Leben in der Stadt. So zog er nach Dumfries, der bedeutendsten Stadt Südschottlands, wo er die Stelle eines Steueraufsehers inne hatte. Das Lied auf den Steuerbeamten, in dem er seinen Stand volksliedmässig ironisiert, zeugt davon, dass er auch in seinem neuen Beruf Dichter blieb. Burns liebte das Leben in der Stadt, er war aber doch kein Städter, er war seiner natürlichen Umwelt entrissen, und dies erklärt vielleicht, dass seine moralische Widerstandskraft immer mehr zerfiel. Er ergab sich dem Trunk und übermässigem Liebesgenuss, was ihm bei seinen Vorgesetzten schadete. Er galt aber trotzdem als pflichtgetreuer Beamter. Sein ungeregelter Lebenswandel brachte ihn dazu, launisch, willkürlich zu handeln. Der französischen Republik machte er 1792 einige kleine Kanonen zum Geschenk, was umso weniger verständlich war, als Burns sich weder früher noch später als Franzosenfreund gezeigt hatte. Die moralische und körperliche Zerrüttung schritt fort. In ausgelassener Laune dichtete er Trink- und Liebeslieder, wurde aber von häufigen Gewissensqualen heimgesucht. Trunk und Liebesgenuss ruinierten ihn schliesslich vollständig. Mit 36 Jahren glich er einem alten Manne. Im Jahre 1795 litt er an schweren Rheumaanfällen. Zum körperlichen Verfall kam der seelische hinzu: tiefe Schwermut lastete auf ihm. Ein Aufenthalt im Bad nützte nicht viel. Als er nach Hause zurückkehrte, war es, um dort zu sterben. Bis zur Todesstunde verfolgt von den Vorwürfen seines schlechten Gewissens, starb er am 21. Juli 1796. Unter lebhafter Anteilnahme der ganzen Bevölkerung wurde er beigesetzt. Ein Mausoleum auf seiner Grabstätte zeugt von seinem Leben und Werk.

Mein Herz ist im Hochland

Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier!
Mein Herz ist im Hochland und jagt im Revier,
Da jagt es den Hirsch und das flüchtige Reh –
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.

Leb wohl denn o Hochland, leb wohl denn, o Nord!
Die Wiege der Tapfern, der Kühnen ist dort!
Wo immer ich wandre, wo immer ich zieh,
Die Hügel des Hochlands vergess ich doch nie.

Lebt wohl mir, ihr Berge, begraben im Schnee,
Lebt wohl mir, ihr Täler, voll Blumen und Klee!
Lebt wohl mir, ihr Forsten, du waldig Gefild,
Lebt wohl mir, ihr Ströme, so brausend und wild!

Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier,
Mein Herz ist im Hochland und jagt im Revier,
Da jagt es den Hirsch und das flüchtige Reh,
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.

Freiligrath

 

O säh ich auf der Heide dort

O säh ich auf der Heide dort
Im Sturme dich, im Sturme dich,
Mit meinem Mantel vor dem Sturm
Beschützt ich dich, beschützt ich dich.
O wär mit seinen Stürmen dir
Das Unglück nah, das Unglück nah,
Dann wär dies Herz dein Zufluchtsort,
Gern teilt ich ja, gern teilt ich ja!

O wär ich in der Wüste, die
So braun und dürr, so braun und dürr:
Zum Paradiese würde sie,
Wärst du bei mir, wärst du bei mir!
Und wär ein König ich und wär
Die Erde mein, die Erde mein:
Du wärst an meiner Krone doch
Der schönste Stein, der schönste Stein.

Freiligrath

 

Das Lied auf den Steuerbeamten

Der Teufel kam pfeifend durch die Stadt,
Tanzt fort mit dem Mann von der Steuer.
Da schrein die Weiber: Alter Kam'rad,
Viel Glück zu dem höllischen Feuer!

Der Teufel ist fort, der Teufel ist fort,
Ist fort mit dem Mann von der Steuer;
Er tanzte fort, er tanzte fort,
Tanzt fort mit dem Mann von der Steuer.

Nun brennen wir Malz, nun brauen wir Bier
Und tanzen und singen ums Feuer;
Und mancher dankt dem Teufel dafür,
Dass er fort mit dem Mann von der Steuer.

Sie tanzen Schleifer und Hopser genug,
Sie tanzen in Haus und in Scheuer;
Doch der beste Tanz, der ins Land je kam,
War der Tanz mit dem Mann von der Steuer.

Der Teufel ist fort, der Teufel ist fort,
Ist fort mit dem Mann von der Steuer;
Er tanzte fort, er tanzte fort,
Tanzt fort mit dem Mann von der Steuer.

Bartsch

 

Komm, Peg, mein Kind, die Luft ist lind,
Vorüber huscht die Schwalbe!
Der Himmel blau! die Felder schau,
Des Waldes Laub, das falbe!

Komm, lass uns gehn und fröhlich sehn
Der Erde Zauberweben,
Das rauschige Korn, den keuschen Dorn
Und all das selige Leben.

Plaudernd gesellt, gehn wir durchs Feld
Im klaren Mondenschimmer;
Dann fass ich Dich herzinniglich
Und schwöre: Dein für immer!

Kein Regenfall den Blumen all,
Dem grün belaubten Haine
So teuer ist, wie Du mir bist,
Du liebe, holde Kleine!

Bartsch

 

Die süsse Dirn von Inverness
Wird nun und nimmer wieder froh;
Ihr einzger Gang ist in die Mess,
Sie weint und seufzt, und sagt nur: O!
Drumossie Moor, Drumossie Tag,
O bittrer Tag, o blutges Moor!
Wo kalt und starr mein Vater lag,
Wo ich der Brüder drei verlor.

Ihr Leilach ist der blutge Klei,
Ihr Grab ist grün vom ersten Kraut;
Der schmuckste Bursche liegt dabei,
Den Mädchenaugen je geschaut.
Nun wehe dir, der du die Schlacht
Gewannst und sätest blutge Saat!
Manch Herz hast du betrübt gemacht,
Das dir doch nichts zuleide tat.

Freiligrath

 

Droht Gallien übermütig Krieg?
Nimm dich in acht, du Bande!
Wir haben Schiff auf unsrer See
Und Volontärs zu Lande.
Der Criffel Fluss in Schottland. soll nach Solway eh,
Der Nith Fluss in Schottland. zu Berge kehren,
Eh wir gestatten fremdem Volk,
Altengland zu verheeren! –
Nein! wir gestatten keinem Feind,
Altengland zu verheeren.

Bartsch

 

Die finstre Nacht bricht schnell herein,
Der Sturmwind heult: mit Regen dräun
Die trüben Wolken; schwärzlich stehn
Sie über diesen nackten Höhn.
Der Jäger wandert heim vom Moor,
Das Rebhuhn duckt sich unters Rohr,
Und ich, das Herz von Sorgen schwer,
Geh einsam hier entlang den Ayr.

Der Herbst beweint sein reifend Korn,
So früh schon von des Winters Zorn
Zerstört; am Abendhimmel sieht
Den Sturm er, wie er murrend flieht.
Kalt wird in meiner Brust das Blut,
Gedenk ich der bewegten Flut,
Und dass ich ziehn muss über Meer,
Weit, weit von deinen Ufern, Ayr!

S'ist nicht die Brandung, die das Land
Wild zürnend schlägt; nicht dieser Strand,
Mit Trümmern manches Wracks bedeckt;
Der kalte Sturmwind nicht – was schreckt
Den Sohn des Elends? – Aber trägt
Mein wundes Herz nicht Fesseln? – Schlägt
Es krampfhaft nicht, und blutet sehr
Da es sie bricht, dich meidend, Ayr?

Lebt wohl, ihr Schluchten und ihr Seen,
Ihr heidekrautbewachsnen Höhn!
Du grünes Tal, du stiller Pfad,
Die meiner Liebe Schmerz ihr saht!
Freund! – Feind! lebt wohl! ich segn euch gleich!
Meine Lieb, mein Friede sei mit euch!
O, dieser Tränensturz sagt mehr
Als Worte! – Lebe wohl, mein Ayr!

Freiligrath

 

Jessy

Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Du bist süss wie Lächeln der Liebe
Und sanft wie ihr Trennungsleid,
Jessy!

Und kannst du die meine nie sein,
Erfleh ich vom Glück nur die Huld,
Mich sterben zu lassen aus Pein
Der Sehnsucht, an der du schuld,
Jessy!

Den Tag mag ich nicht, der nur Harm
Und trostlos Erwachen mir bringt;
Ich liebe die Nacht, wenn dein Arm
Im Traum meinen Hals umschlingt,
Jessy!

Dein Lächeln, das liebliche, zeigt
Die Glut, die im Auge dir brennt,
Mir doch, was die Lippe verschweigt,
Da ewig das Los uns trennt,
Jessy!

Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Auf das Wohl der lieblichsten Maid!
Du bist süss wie Lächeln der Liebe
Und sanft wie ihr Trennungsleid,
Jessy!

Leuthold

 

Einen schlimmen Weg ging gestern ich!
Einen Weg, dem ich nicht wieder trau!
Zwei süsse Augen trafen mich,
Zwei süsse Augen, lieb und blau.
Nicht wars ihr blond und wallend Haar,
Nicht wars ihr Mund, wie Ros im Tau,
Auch nicht ihre weisse Brust – es war
Ihr süsses Auge, lieb und blau.

Ihr Aug hat mir das Herz betört,
Ihr Auge mit der dunkeln Brau;
O, tiefre Wunden, als ein Schwert,
Schlug mir dies Auge, lieb und blau! –
Geduld, mein Herz, Geduld, Geduld!
Vielleicht – doch, weh mir! weist sie rauh
Mich ab, an meinem Tode Schuld
Ist dann ihr Auge, lieb und blau.

Freiligrath

 

Nun kommt der Herbst, nun kommt die Jagd,
Nun kommt des Weidwerks Freude;
Die Taube girrt, das Birkhuhn schwirrt,
Und rötlich prangt die Heide.
Nun strahlt die Flur von Garben nur,
Die letzten Früchte reifen;
Ich aber will im Felde still
Mit der Geliebten schweifen.

Das Rebhuhn folgt des Pflügers Bahn,
Der Kiebitz liebt den Weiher;
Die Waldschlucht lockt den Auerhahn,
Die Wolke lockt den Reiher,
Im Holze gern, von Menschen fern,
Austönt der Turtel Klagen;
Zur Hasel flieht des Hänflings Lied,
Und flieht der Drossel Schlagen.

Nach Neigung so lebt jedes froh,
Und schafft sich ein Vergnügen;
Sie ziehn allein, sie ziehn zu zwein,
Sie ziehn einher in Zügen.
Du flüchtge Brut, nun färbt dein Blut
Der Eiche dunkle Blätter;
Dein Flügel sinkt, dein Schrei verklingt
In Schuss und Horngeschmetter.

Doch Mädchen, komm! Der West verglomm;
Vorüber huscht die Schwalbe.
Der Himmel blau, die Flur im Tau!
O sieh, wie glücklich die falbe,
O komm durchs Feld! – Sieh ruhn die Welt,
Die glückliche, die stille!
Und dort durchs Korn, o sieh den Dorn
In seiner Scharlachfülle!

Ein süss Gespräch verkürzt den Weg;
Und strahlt des Mondes Schimmer,
Dann fass ich dich, dann küss ich dich,
Dann sag ich: Dein auf immer!
Kein Garbenjahr, kein Herbst fürwahr
Lohnt so des Landmanns Streben,
Als mich zur Stund dein süsser Mund,
Mein Herz, mein einzig Leben.

Freiligrath

 

Mein Herz ist schwer

Mein Herz ist schwer, Gott seis geklagt!
Mein Herz ist schwer für einen;
O Gott, eine lange Winternacht
Könnt wachen ich für einen!
O Leid, für einen!
O Freud, für einen!
Die ganze Welt könnt ich durchziehn
Für einen!

Ihr Mächte, reiner Liebe hold,
O lächelt mild auf einen!
Schützt vor Gefahr ihn, bringt gesund
Zurück mir meinen einen!
O Leid, für einen!
O Freud, für einen!
Ich tät – o Gott, was tät ich nicht
Für einen?

Freiligrath

 

John Anderson, mein Lieb

John Anderson, mein Lieb, John,
Als ich zuerst dich sah,
Wie dunkel war dein Haar und
Wie glatt dein Antlitz da!
Doch jetzt ist kahl dein Haupt, John,
Schneeweiss dein Haar und trüb
Dein Aug; doch Heil und Segen dir,
John Anderson, mein Lieb!

John Anderson, mein Lieb, John,
Bergauf stiegst du mit mir;
Und manchen lustgen Tag, John,
Zusammen hatten wir.
Nun gehts den Berg hinab, John,
Doch Hand in Hand! Komm gib
Sie mir! In einem Grab ruhn wir,
John Anderson, mein Lieb!

Freiligrath

 

O, wär mein Lieb die rote Ros,
Die auf des Schlosses Mauer glüht!
O, wär ich selbst der Tropfen Tau,
Den man im Kelch der Rose sieht!

An ihrer Brust die ganze Nacht
Läg ich und schwelgt in trunkner Lust;
Bis morgens, wo der Tag erwacht,
Läg ich an ihrer süssen Brust.

O, wär mein Lieb ein Holderstrauch,
Wie der, voll Blumen jeder Ast!
O, wär ich selbst ein Vögelein!
Auf seinen Zweigen hielt ich Rast.

Wie wollt ich trauern, säh ich ihn
Entblättern des Novembers Wehn!
Wie singen, sähe blühnd und grün
Ich wieder ihn im Lenze stehn!

Freiligrath

 

Trotz alledem

Ob Armut euer Los doch sei,
Hebt hoch die Stirn trotz alledem!
Geht kühn dem feigen Knecht vorbei,
Wagts arm zu sein, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz niederm Pack und alledem!
Der Rang ist das Gepräge nur:
Der Mann das Gold trotz alledem!

Und sitzt ihr auch bei kargem Mahl
In Zwilch und Lein und alledem,
Gönnt Schurken Samt und Goldpokal:
Ein Mann ist Mann trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Prunk und Pracht und alledem:
Der brave Mann, wie dürftig auch,
Ist König doch trotz alledem!

Heisst ›gnädger Herr‹ das Bürschchen dort,
Man siehts am Stolz und alledem;
Doch lenkt auch Hunderte sein Wort,
S'ist nur ein Tropf trotz alledem:
Trotz alledem und alledem,
Trotz Band und Stern und alledem:
Der Mann von unabhäng'gem Sinn
Sieht zu und lacht trotz alledem!

Ein Fürst macht Ritter, wenn er spricht,
Mit Sporn und Schild und alledem.
Den braven Mann kreiert er nicht,
Der steht zu hoch, trotz alledem:
Trotz alledem und alledem!
Trotz Würdenschnack und alledem –
Des innern Wertes stolz Gefühl
Läuft doch den Rang ab alledem.

Drum jeder fleh, dass es gescheh,
Wie es geschieht trotz alledem,
Dass Wert und Kern, so nah wie fern,
Den Sieg erringt trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Es kommt dazu trotz alledem,
Dass rings der Mensch die Bruderhand
Dem Menschen reicht trotz alledem.

Freiligrath

 


 << zurück weiter >>