Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

George Noel Gordon Byron

22. Jan. 1788 – 19. April 1824

 

Erst im Umweg über das Ausland, über den Kontinent, wurde Byron in seinem Vaterlande – in dem er vorher mehr bekannt und berüchtigt war – auch berühmt und geschätzt. Die Engländer seiner Zeit liebten Byron nicht, ja hassten ihn paradoxerweise gerade deshalb, weil er so sehr Engländer war. Was sie an ihm tadelten, waren ihre eigenen Tugenden, aber ungeheuer vergrössert und verzerrt, weshalb sie als Fehler erschienen: so vor allem der unbändige britische Freiheitstrieb. Captain Medwins, ein Bewunderer Byrons, hat wohl recht: wenn Byron fehlt, so fehlt er als Engländer. Byrons besseres Ich hat schliesslich im Kampf den Sieg davongetragen. Diesem einzigen Kampfe, der sein Leben ist, verdanken wir den Byron, den wir verehren, dieser Kampf war es, der ihn zwang, immer mehr zu werden, immer höher zu steigen.

Byron wurde in London geboren. Er stammte aus einer sehr alten Familie, die bis auf die Zeit der Kreuzzüge zurückgeht. Soweit seine Vorfahren bekannt geworden sind, zeigen sie die Licht- und Schattenseiten des Charakters der Byron, die wir bei seinem Vater und bei ihm selbst wiederfinden. Sein Geschlecht ist tapfer und treu, edelmütig und freigebig, aber auch stolz, eigensinnig, verschwenderisch und ausschweifend. Die Mutter Byrons, Catherine Gordon Byron, war die Tochter eines reichen Schotten. Sie zog bald nach seiner Geburt nach Aberdeen in Schottland. In Schottland erwachte in Byron der Sinn für wilde Naturschönheit, von dem seine Dichtungen zeugen. Sein Vater, Kapitän in der königlichen Garde, von seinen Kameraden der »tolle Jack« genannt, verliess seine Gattin, nachdem er fast ihr ganzes Vermögen durchgebracht hatte und reiste nach Frankreich, wo er bald darauf starb.

Durch den Tod seines Grossonkels gelangte Byron 1798 in den Besitz der Pairswürde und des Gutes Newstead Abbey. Die hohe gesellschaftliche Stellung, die damit verbunden war, brachte ihm manche zweifelhafte Vorteile, sicherlich aber den Nachteil, an die Konventionen seiner Kaste gebunden zu sein, was er bei seinem unbändigen Naturell doppelt schmerzlich empfinden musste.

Nachdem er die Schule in Harrow besucht hatte, immatrikulierte er sich in Cambridge und studierte dort Geschichte und Literatur. Er war kein eifriger Student und widmete sich oft sportlichen Übungen. Mit Rücksicht auf seine Stellung verlieh ihm die Universität bei seinem Weggang den Grad eines Baccalaureus.

Der erste Band seiner Gedichte erschien 1806. 1809 mündig geworden, übernahm er die Verwaltung seiner Stammgüter und nahm seinen Sitz im Oberhaus ein. Er fühlte sich dort ziemlich einsam, da ihn keine Beziehungen persönlicher oder verwandtschaftlicher Art mit den andern Mitgliedern verbanden. In England hielt ihn nichts zurück. Er entschloss sich daher, mit seinem Freund Hobhouse eine Reise in die Mittelmeerländer zu unternehmen, die ihn auch in das geliebte Griechenland führte. Dort hauptsächlich dichtete er die beiden ersten Gesänge von »Junker Harolds Pilgerfahrt«.

Seine Vermögensverhältnisse hatten sich inzwischen verschlechtert, und so war er genötigt, nach England zurückzukehren. Noch vor seiner Ankunft verlor er seine Mutter, er hörte vom Tod dreier seiner Freunde. Seine Stimmung trübte sich so sehr, dass er am Sinn des Lebens verzweifelte. Die Arbeit half ihm über diese Krisis hinweg. So befasste er sich mit der Herausgabe und Drucklegung der zwei ersten Gesänge von »Junker Harolds Pilgerfahrt«.

Zwischenhinein arbeitete er an einer Rede über die Lage der Weber in der Grafschaft Nottingham, die er im Jahre 1812 im Oberhaus hielt. Er empfahl mit den Webern, die revoltiert hatten, glimpflich zu verfahren und fand damit grossen Anklang. Als aber die beiden ersten Gesänge von »Junker Harold« erschienen waren, sprach niemand mehr vom Politiker, alle vom Poeten Byron. Der Dichter konnte von sich selbst sagen: »Eines Morgens erwachte ich und sah, dass ich berühmt geworden war«. Man forderte ihn auf, das Werk fortzusetzen. Es war ihm unter dem Himmel Griechenlands gelungen, im düstern England aber mit seinen Steinkohlenfeuern, so erklärte er, sei das nicht möglich.

Folgenschwer war für den Dichter seine Verheiratung mit Anne Isabelle Milbanke, die im Jahre 1815 stattfand. Byron wie seine Frau lebten auf grossem Fusse. Schon nach einem Jahr war die gesamte Mitgift Lady Byrons vertan, und die Gläubiger stellten sich ein. Seine Frau trennte sich scheinbar in gutem Einvernehmen von ihm, kehrte aber dann nicht wieder zu ihm zurück. Der Dichter hat sich wiederholt bemüht, seine Frau zurückzugewinnen, aber jedesmal wies sie ihn ab. In England gab man Byron die Schuld. Es kursierten die ungeheuerlichsten Gerüchte über die Ursache der Trennung. Dass es Byron nicht gelang, seine Frau zu versöhnen, hatte Einfluss auf seinen spätern Lebenswandel, der immer ungeordneter und wilder wurde.

Wieder war Byron sehr einsam. Fast die ganze Londoner Gesellschaft war ihm feindlich gesinnt, und so wird es verständlich, dass er im Frühling des Jahres 1816 England wieder verliess. Er sollte sein Vaterland nie wieder sehen. Es folgte ein längerer Aufenthalt am Genfersee. Dort lernte er den Dichter Shelley kennen. Dessen Freundschaft, im Verein mit der schönen Umgebung, liessen ihn wieder neuen Mut fassen. In der herrlichen Landschaft des Genfersees besuchte er Clarens, den Geburtsort Julies in der »Neuen Heloise« Rousseaus; Lausanne, wo Gibbon, Verfasser der Geschichte vom Niedergang und Falle Roms, einige Jahre gelebt hatte; Coppet, wo Madame de Staël Mittelpunkt eines geistreichen Zirkels war. Auch Ferney, der wahrhaft fürstlichen Residenz Voltaires, galt ein Ausflug. Im dritten Buche von »Junker Harolds Pilgerfahrt« beschrieb der Dichter alle diese Orte.

Da ihn die zahlreichen englischen Reisenden mit ihrer Neugier zu sehr behelligten, zog Byron mit seinem Freund Hobhouse weiter nach Italien. Er liess sich zuerst in Venedig nieder und ergab sich dort einem leichtsinnigen und ausschweifenden Lebenswandel, so dass seine Freunde für ihn fürchteten. Sie rieten ihm, Venedig zu verlassen, er aber blieb. Endlich brachte ihn eine Frau dazu, die Gräfin Guiccioli, zu der er in heftiger Leidenschaft entbrannte. Die Gräfin, eine Tochter des Grafen Gamba, die den viel älteren Grafen Guiccioli geheiratet hatte, versuchte vergeblich Byron zu vergessen, sie erkrankte vor Sehnsucht nach ihm, so dass schliesslich ihr eigener Gatte Byron nach Ravenna rief.

Byron beteiligte sich unter dem Einfluss der Familie Gamba an der politischen Bewegung, welche Italien von jeglicher Fremdherrschaft befreien wollte. Er begeisterte sich für die Sache der Freiheit überhaupt und wollte sich sogar nach Südamerika einschiffen, um sich dort für sein Ideal zu schlagen. Von Ravenna siedelte er nach Pisa über, wo er aber, wie zuvor in Ravenna, Schwierigkeiten mit den Behörden hatte, da er als politisch verdächtig galt. Als seine Geliebte Pisa verlassen hatte, reifte in ihm der Entschluss, am Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken teilzunehmen. In Pisa schuf er mehrere dramatische Dichtungen, von denen zu nennen sind: »Marino Faliero« und »Die zwei Foscari«, welche Ereignisse aus der italienischen Geschichte darstellen.

Im Mai 1823 erhielt Byron die Aufforderung, sich nach Griechenland einzuschiffen. Er folgte ihr allerdings erst im Juli. Sein ganzes disponibles Eigentum hatte er zu Geld gemacht. An Bord des »Herkules« brachte er den Griechen die gesamte Ausrüstung der Abteilung, die er zu befehligen hatte, leichtes Geschütz und Feldapotheken, die sie dringend benötigten. Von dem Freiheitsheld Markos Botzaris erhielt er die Weisung, sich nach Missolunghi zu begeben. Auf der Durchreise wurde er überall begeistert als Dichter empfangen. In Livorno erreichte ihn eine poetische Epistel von Göthe. Noch bevor er in Missolunghi ankam, war Markos Botzaris bereits gefallen, und die Befehlshaber der Griechen waren unter sich uneins. Als die Türken durch eine griechische Flotte gezwungen wurden, die Blockade von Missolunghi aufzugeben, konnte Byron nach der Festung fahren. Er wurde von der Garnison und vom Fürsten Maurokordato feierlich empfangen. Aber bald warf ihn ein heftiges Fieber auf das Krankenbett. Mehrere Male raffte er sich wieder auf – vergeblich. Auf den Tod krank blieb er in der Festung, denn ein Verlassen der Festung schien ihm Fahnenflucht. Mahnungen und Warnungen der Aerzte blieben ohne Wirkung. So starb er in Missolunghi am 19. April 1824. Noch in der Todesstunde gedachte er seiner Frau und seiner Tochter.

Seine Leiche sollte nach England gebracht und in Westminster beigesetzt werden. Dieser Plan scheiterte, da die Geistlichkeit sich weigerte, die sterblichen Überreste eines nach ihren Begriffen unreligiösen Mannes in der Kirche aufzunehmen. Er fand schliesslich Ruhe im Byronschen Erbbegräbnis zu Hucknall. Sein Herz aber, das begeistert für das politische und poetische Hellas geschlagen hatte, blieb in Griechenland. Es wurde in der Hauptkirche von Missolunghi aufbewahrt.

Abschied von England vor seiner Reise nach Lissabon

Leb wohl! leb wohl! im blauen Meer
Verbleicht die Heimat dort.
Der Nachtwind seufzt, wir rudern schwer,
Scheu fliegt die Möwe fort.

Wir segeln jener Sonne zu,
Die untertaucht mit Pracht;
Leb wohl, du schöne Sonn und du,
Mein Vaterland – gut Nacht!

Mit dir, mein Schiff, durchsegl' ich frei
Das wilde Meergebraus;
Frag nicht nach welchem Land es sei,
Nur trag mich nicht nach Haus!

Seid mir willkommen, Meer und Luft!
Und ist die Fahrt vollbracht,
Seid mir willkommen, Wald und Kluft!
Mein Vaterland – gut Nacht!

Heine

 

Der Genfersee

O, Léman, mild und klar! Dein See, gemessen
Mit meiner frühern Welt voll Sturm und Blut,
Mahnt mich mit seiner Stille, zu vergessen
Am reinem Quell der Erde trübe Flut.
Dies ruh'ge Segel kühlt mein wildes Blut
Wie sanfter Flügelschlag. Fand ich Behagen
Am Meersturm einst, so klingt jetzt sanft und gut
Dein Plätschern mir wie einer Schwester Klagen,
Dass ich in wilder Lust mich so der Ruh entschlagen.

Und stille Nacht ists! In der Dämmerung Frieden
Ruht alles vom Gebirge bis zum See,
Verschmelzend und doch deutlich noch geschieden,
Bis auf den Jura, der aus wolkger Höh
Verfinstert niedersteiget schroff und jäh.
Der Blumen Duft weht mit lebendgen Schwingen
Vom Strande frisch und lieblich; in der Näh
Hört Wasser man vom Ruder tropfend klingen
Und Heimchen zirpend uns ihr Gutenachtlied singen.

Ja, Abendschwärmer sind sie, die ihr Leben,
Den Kindern gleich, versingen ungestört.
Der Vögel Stimme schallt im Busch daneben
Auf kurze Zeit, bis Ruhe wiederkehrt.
Am Hügel dort ein leises Flüstern, hört!
Doch Täuschung ists! – es sind die Liebestränen
Des Sternentaus, der fallend sich verzehrt,
Die stumm den Busen der Natur ersehnen,
Mit ihrer Farben Geist ihn schmelzend zu verschönen.

Ihr Sterne seid des Himmels Poesie!
Wenn wir das Los von Mensch und Staaten deuten
Aus eurer Strahlenschrift, verdenkts uns nie,
Dass wir, im Drange gross zu sein, zu Zeiten
Die Schranken unsres Daseins überschreiten!
Mit euch verwandt fühlt sich der Mensch so gerne!
Ein schön Geheimnis seid Ihr, euch geleiten
Des Menschen Lieb und Ehrfurcht in die Ferne,
Und Glück, Ruhm, Leben, Macht, er nennt sie seine Sterne.

Himmel und Erd ist still – nicht schlafend eben,
Doch lautlos, wie uns tiefes Fühlen hält,
Und stumm, wie ernstem Sinnen hingegeben –
Himmel und Erd ist still! – Vom Uferfeld
Des ruh'gen Sees bis auf zum Sternenzelt,
Wie alles ist von Lebenskraft durchblitzt!
Kein Strahl, kein Blatt, kein Lufthauch dieser Welt,
Der seinen Anteil nicht am Sein besitzt
Und ihn nicht fühlet, der dies All erschuf und schützt!

Da regt sich endlos das Gefühl, wir finden
Uns einsam, doch nichts wen'ger als allein,
Die Wahrheit ists, die wir dann tief ergründen,
Sie klingt in uns und läutert unser Sein;
Sie weiht in ewge Harmonie uns ein
Als Seele der Musik; mit Zaubermacht,
Wie sie Cytherens Gürtel nur kann leihn,
Verschönt sie jedes Ding, ja weichen macht
Sie das Gespenst des Tods, sofern mans nicht verlacht.

Janert

 

Sonett auf Chillon

Du ewiger Geist, dem alle Fesseln schwinden!
Freiheit! im Kerker ist dein hellstes Tagen,
Wo du das Herz zur Wohnung aufgeschlagen,
Das Herz, das Liebe nur kann binden.

Wenn Deine Söhne feuchte Kerker finden,
Wenn sie verdammt sind, Ketten zu ertragen,
Wird noch ihr Martyrtum im Lande ragen,
Der Ruf der Freiheit fliegt mit allen Winden.

Chillon! Dein Kerker glänzt als heilge Zelle,
Dein Boden als Altar, denn trotz der Plagen,
So lang der Fuss noch schritt, betrat die Stelle,

Als wären Rasen diese Plattenlagen,
Einst Bonivard! – dass nie die Spur zerschelle,
Sie soll die Tyrannerei vor Gott verklagen!

Böttger

 

Lebe wohl, und seis auf immer!
Seis auf immer, lebe wohl!
Doch, Versöhnungslose, nimmer
Dir mein Herze zürnen soll.

Könnt ich öffnen dir dies Herze,
Wo dein Haupt oft angeschmiegt
Jene süsse Ruh gefunden,
Die dich nie in Schlaf mehr wiegt!

Könntest du durchschaun dies Herze
Und sein innerstes Gefühl!
Dann erst sähst du: es so grausam
Fortzustossen, war zu viel.

Mag sein, dass die Welt dich preise
Und die Tat mit Freuden seh –
Muss nicht selbst ein Lob dich kränken,
Das erkauft mit fremdem Weh?

Mag sein, dass viel Schuld ich trage –
War kein andrer Arm im Land,
Mir die Todeswund zu schlagen,
Als der einst mich lieb umwand?

Dennoch täusche Dich nicht selber,
Langsam welkt die Liebe bloss,
Und man reisst so raschen Bruches
Nicht ein Herz vom Herzen los.

Immer soll dein Herz noch schlagen,
Meins auch, blut es noch so sehr;
Immer lebt der Schmerzgedanke:
Wiedersehn wir uns nicht mehr?

Solche Worte schmerzen bittrer,
Als wenn man um Tote klagt;
Jeder Morgen soll uns finden
Im verwitwet Bett erwacht.

Suchst du Trost, wenns erste Lallen
Unsres Mägdleins dich begrüsst?
Willst du lehren »Vater« rufen
Sie, die Vaters Huld vermisst?

Wenn, umarmt von ihrem Händchen,
Dich ihr junger Kuss entzückt,
Denke sein, der fern dich liebet,
Den du liebend einst beglückt!

Wenn du schaust, dass ihr Gesichtlein
Meinen Zügen ähnlich sei,
Zuckt vielleicht in deinem Herzen
Ein Gefühl, das mir noch treu.

Alle meine Fehltritt kennst du,
All mein Wahnsinn fremd dir blieb,
All mein Hoffen, wo du gehn magst,
Welkt – doch gehts mit dir, mein Lieb.

Jed Gefühl hast du erschüttert,
Selbst mein Stolz, sonst felsenfest,
Beugt sich dir – von dir verlassen,
Meine Seel mich jetzt verlässt.

Doch was helfen eitle Worte?
Kommt ja gar von mir das Wort!
Nur entzügelte Gedanken
Brechen durch des Willens Pfort!

Lebe wohl! ich bin geschleudert
Fort von allen Lieben mein,
Herzkrank, einsam und zermalmet,
Tödlicher kann Tod nicht sein!

Heine

 

Byrons Don Juan

Mir fehlt ein Held! – »Ein Held, er sollte fehlen,
Da Jahr und Monat neu vom Neusten spricht?« –
Ein Zeitungsschreiber mag sich schmeichelnd quälen,
So sagt die Zeit: es sei der rechte nicht.
Von solchen mag ich wahrlich nichts erzählen,
Da nehm ich mir Freund Juan ins Gesicht;
Wir haben in der Oper ihn gesehen,
Früher als billig war, zum Teufel gehen.

Vernon, der Metzger Cumberland und Wolfe so mit,
Auch Hawke, Prinz Ferdinand, Burgoyne aufs beste,
Keppel und Howe, sie hatten ihre Feste
Wie Wellesley jetzt – der Könige Schattenschritt
Vom Stamme Bancos – Raben aus einem Neste! –
Der Ruhm, die Lust zu herrschen reisst sie mit.
Dumouriez, Bonapartes Kampfgewinsten,
Die Zeitung steht den Herren gleich zu Diensten.

Barnave kennt und Brissot die Geschichte,
Condorcet, Mirabeau und Petion auch;
Cloots, Danton, Marat litten viel Gerüchte,
Selbst La Fayette, er ging beinah in Rauch.
Dann Joubert, Hoche, vom Militärverpflichte,
Lannes, Desaix, Moreau! Es war der Brauch
Zu ihrer Zeit an ihnen viel zu preisen;
Doch will das nichts für meine Lieder heissen.

Nelson war unser Kriegsgott, ohne Frage,
Und ist es nach dem herzlichsten Bekenntnis;
Doch von Trafalgar tönet kaum die Sage,
Und so ist Flut und Ebbe wetterwendisch.
Denn die Armee ist populär zu Tage
Und mit dem Seevolk nicht im Einverständnis;
Der Prinz ist für den Landdienst, und indessen
Sind Duncan, Nelson, Howe, sie sind vergessen.

Vor Agamemnon lebten manche Braven,
So wie nachher, von Sinn und hoher Kraft;
Sie wirkten viel, sind unberühmt entschlafen,
Da kein Poet ihr Leben weiter schafft.
Von unsern Helden möcht ich niemand strafen,
Da jeder sich am Tag zusammen rafft;
Für mein Gedicht wüsst ich mir aber keinen,
Und nenne so Don Juan mein, den meinen.

Goethe

 

Aus Byrons Manfred: Geisterstimme

Wenn der Mond ist auf der Welle,
Wenn der Glühwurm ist im Gras
Und ein Scheinlicht auf dem Grabe,
Irres Licht auf dem Morast,
Wenn die Sterne fallend schiessen,
Eule der Eul erwidernd heult,
Und die Blätter schweigend ruhen
An des dunkeln Hügels Wand,
Meine Seel sei auf der deinen
Mit Gewalt und Zeichenwink.

Ist dein Schlummer noch so tief,
Kommt dein Geist doch nie zum Schlaf.
Da sind Schatten, die nicht schwinden,
Da Gedanken, die nicht bannest.
Die Gewalt, die du nicht kennest,
Lässt dich nimmermehr allein.
Bist ins Leichentuch gewindelt,
Eingehüllt in einer Wolke,
Und für immer, immer wohnst du
In dem Geiste dieses Spruchs.

Siehst mich nicht vorübergehen,
Fühlst mich doch in deinem Auge
Als ein Ding, das ungesehen
Nah dir sein muss, wie es war.
Und wenn du, geheim durchschaudert,
Deinen Kopf umwendend blickest,
Sollst dich wundern, dass nicht etwa
Wie ein Schatten hin zur Stelle;
Nein! Die Kraft, die du empfunden,
Ist, was sich in dir verbirgt.

Und ein Zauberwort und -lied
Taufte dich mit einem Fluch,
Und schon hat ein Geist der Luft
Dich umarmt mit einer Schlinge.
In dem Wind ist eine Stimme,
Die verbeut dir, dich zu freuen.
Und wenn dir die Nacht versagt
Ihres reinen Himmels Ruhe,
Bringt der Tag eine Sonn herauf –
Wär sie nieder! wünschest du.

Deinen falschen Tränen zog ich
Tödlichste Essenzen aus,
Deinem eignen Herzen sog ich
Blut, das schwärzeste, vom Quell,
Deinem Lächeln lockt ich Schlangen,
Dort geheim geringelt ab,
Deinem Lippenpaar entsaugt ich
Allerschlimmstes aller Gifte.
Jedem Gift, das ich erprobet,
Schlimmer ist dein eignes doch.

Bei deiner kalten Brust, dem Schlangenlächeln,
Der Arglist unergründlichem Schlund,
Bei dem so tugendsam scheinenden Auge,
Bei der verschlossenen Seele Trug,
Bei der Vollendung deiner Künste,
Dem Wahn, du tragest ein menschlich Herz,
Bei deinem Gefallen an anderer Pein,
Bei deiner Kains-Bruderschaft
Beschwöre ich dich und nötige
Dich, selbst dir eigene Hölle zu sein!

Auf dein Haupt giess ich die Schale,
Die dich solchem Urteil widmet:
Nicht zu schlafen, nicht zu sterben,
Sei dein dauernd Missgeschick,
Scheinbar soll der Tod sich nahen
Deinem Wunsch, doch nur als Grauen.
Schau! der Zauber wirkt umher dir,
Dich geklirrlos fesselt Kette;
Über Herz und Hirn zusammen
Ist der Spruch gegangen – schwinde!

Goethe

 

Die Zähre

»O lacrimarum fons, tenero sacros
Ducentium ortus ex animo; quater
Felix! in imo qui scatentem
Pectore te, pia nympha, sensit.«

Gray.

Ob Liebe bewegt
Und Freundschaft erregt,
Ob im Blicke sich Wahrheit verkläre, –
O! das Lächeln berückt
Und das Grübchen entzückt,
Doch nimmer betrügt uns die Zähre.

Nur heuchelnder Schein
Kann Lächeln oft sein,
Dass laut sich der Hass nicht gebäre,
Den Seufzer lasst mir
Und den Blick mit der Zier
Der trübenden, sprechenden Zähre.

Wo Milde noch glüht,
Da zeigt das Gemüt,
Wie die Seele von Roheit sich kläre,
Wenn das Herz noch nicht kühl,
So schmilzt das Gefühl
In dem reinen Taue der Zähre.

Der Schiffer am Mast,
Von Stürmen erfasst,
Er steuert durch Wogen die Fähre,
Und blickt er zur Flut,
In der er bald ruht,
Perlt hell in das Meer eine Zähre.

Für Ehren und Staat
Trotzt dem Tod der Soldat,
Hofft, dass er als Held sich bewähre,
Doch dem Feinde vereint
Er sich helfend und weint
In die Wund ihm die netzende Zähre.

Wenn mit jubelndem Laut
Er kehret der Braut,
Entsagend der Kriegesschimäre,
Umschliesst er sie froh
Und lohnt sich nur so,
Ihr küssend vom Auge die Zähre.

O du Jugendgefild,
Mir so freundlich und mild,
Dass sich Liebe doch noch so verkläre!
Ich liess dieses Glück,
Ich wandt mich zurück
Und sah kaum den Turm durch die Zähre.

Nicht schwören mehr kann
Ich Marien fortan,
Wie im Herzen die Liebe mir gähre;
Der Laube jedoch
Erinnr' ich mich noch,
Wo sie lohnte den Schwur mit der Zähre.

Sei hoch sie beglückt,
Ob mir auch entrückt,
Der ich stets ihren Namen verkläre;
Ich scheide voll Pein
Vom Liebsten, was mein,
Und verzeih ihren Trug mit der Zähre.

Ihr Freunde! bevor
Mich die Trennung erkor,
Lasst die Hoffnung der Brust, die ich nähre:
Sehn wieder einmal
Wir hier uns im Tal,
Sei der Gruss, wie beim Scheiden, die Zähre.

Wenn der Geist sich entschwingt,
Wo die Nacht ihn umringt,
Und den Leib ich der Bahre gewähre,
Naht dann ihr dem Sarg,
Worin man mich barg,
O! so weiht meinem Staub eine Zähre.

Es schmücke kein Stein
Mein ruhend Gebein,
Ob es Eitelkeit gern auch gewähre,
Ein prunkend Gedicht
Erhebe mich nicht,
Was ich wünsche, sei nur eine Zähre.

Böttger

 

Die Kette

Die Kette war von Golde rot,
Die Laute gab wohl süssen Ton,
Das Herz war treu, das beides bot,
Und nicht verdient es solchen Lohn.

Der Gaben heimliche Magie
Verrät das Herz, das Treue bricht.
Ach, ihrer Pflicht genügten sie,
Doch deine lehrten sie dich nicht.

Die Kette war von starkem Gold,
Doch fremder Hand nicht stark genug,
Die Laute süss – bis du gewollt,
Dass fremde Hand die Saiten schlug.

Der dir vom Hals die Kette band,
Mag sie erneun, die ihm zersprang,
Dem diese Laute widerstand,
Besaite sie zu neuem Klang.

Du fielst mir ab – ihr Reiz zerfiel,
Verstummt der Klang, der Glanz dahin; –
Fahr wohl denn, stummes Saitenspiel,
Gebrechlich Gold und falscher Sinn!

Heyse

 

Mein Geist ist trüb – o nimm geschwind

Mein Geist ist trüb – o nimm geschwind
Die Harfe, die mich stärkt, empor;
Von deinem Finger gleitet lind
Ihr schmelzend Murmeln an mein Ohr;
Wenn Hoffnung nicht dies Herz verlor,
Wird diesen Klang hervor sie locken,
Die Träne, meines Auges Flor,
Wird fliessen, statt im Hirn zu stocken.

Fang nicht mit Jubelliedern an,
Gib eins, das wild und traurig klingt:
Mach, Harfner, dass ich weinen kann,
Da sonst mein armes Herz zerspringt,
Das immer sich zum Schweigen zwingt,
Das sich vom Kummer nährt so lange; –
Nun da der Fluch das Schlimmste bringt,
Jetzt bricht es – oder schmilzt im Klange.

Böttger

 

Ich sah die Träne

Ich sah die Träne voll und rein
In deines Auges Blau,
Ein Veilchen schien es mir zu sein,
Benetzt von Perlentau.
Ich sah dich lächeln – da erblich
Im Nu des Saphirs Schein,
Des Augs lebendgem Glanze wich
Der strahlenvolle Stein.

Wie Wolken oft der Sonne Pracht
In sanfte Farben taucht,
Die selbst des Abends Schattennacht
Vom Himmel nicht verhaucht:
So leiht dein Lächeln reines Glück
Des Herzens trübem Sinn,
Und lässt ihm einen Glanz zurück,
Der leuchtet drüber hin.

Böttger

 

Aus dem Portugiesischen

In des Entzückens Augenblicken
Nennst zärtlich du »mein Leben« mich,
Wie würde dies mein Herz erquicken,
Wenn Jugend nimmermehr entwich.

Doch Tod muss alles Leben brechen,
Drum wiederhole nie dies Wort,
Magst lieber »meine Seele« sprechen,
Die lebt wie meine Liebe fort.

Böttger

 

Gedanken bei einem Universitätsexamen

Hoch mittenin, von seinen Pairs umgeben,
Sieht man des Magnus edle Stirn sich heben,
Der wie ein Gott auf seinem Stuhle blinkt,
Denn Fuchs und Bursche zittern, wenn er winkt.
Sprachlos, in düsterm Ernste sitzen alle,
Vor seiner Stimme Donner bebt die Halle,
Verdammung spendend all den armen Flegeln,
Die nichts gelernt von mathemat'schen Regeln.

O glücklich, wer bewandert im Euklid,
Wenn sonst er auch die Wissenschaften mied,
Wer, wenn er kaum die Muttersprache weiss,
Doch griechsche Verse misst mit regem Fleiss,
Weiss er auch nicht, wo seine Väter sanken,
Als Bürgerblut die weiten Flächen tranken,
Als Eduard mit der Siegesschar genaht,
Als Heinrich Frankreichs Helmbusch niedertrat;
Stutz er beim Namen auch der Magna charta,
Kennt er nur haarklein das Gesetz von Sparta!
Nur wiss er, welch Edikt Lykurgus schrieb,
Wenn Blackstone auch von ihm vergessen blieb;
Er preise hoch den Ruhm der griechschen Dramen,
Von Avons Barden braucht er kaum den Namen.
Solch einer ists, dem man, weil er gelehrt,
Freistellen und Medaillen dann verehrt,
Ja selbst vielleicht den Preis der Redekunst,
Hebt er den Blick nach dieser hohen Gunst.
Umsonst wird der gemeine Redner schmachten,
Dem teuern Silberbecher nachzutrachten;
Nicht, dass die Beredsamkeit so nötig heuer,
Athenerglut und ciceronisch Feuer,
Das klare, warme Wort muss jetzt sich beugen,
Wir suchen ja nicht mehr zu überzeugen.
Sonst wars des Redners Stolz, dass er gefiel,
Uns zu gefallen, ist jetzt unser Ziel,
Der Gravität behagt das Murmeln jetzt,
Mit Brüllen und mit Quieken zart versetzt,
Mit Reiz der Gesten darf jetzt keiner nahn,
Die leichtste Regung rügte der Dekan,
Und fluchen würden steife Graduierte,
Wenn einen das, was sie entbehren, zierte.

Wer sich den Becher drum als Ziel erkor,
Mag sich nicht rühren, sehe nicht empor,
Nur ohne Stocken rassl' er immerfort,
Gleichviel ist was, man hört ja doch kein Wort!
So jag er weiter sonder Unterbrechen,
Der schnellste Sprecher wird am besten sprechen;
Wer in recht kurzer Zeit das meiste spricht,
Ist sicher, dass er sich den Preis erficht.

Die so die Wissenschaft liebt auszustatten,
Die säumen sorgenlos in Grantas Schatten,
Die strecken sich an Cams beschilften Strand,
Gehn dunkel, unbeweint ins bessre Land.
Flach, wie die Bilder sind in ihren Hallen,
Vermeinen sie, Geist müss in ihnen wallen.
Von Sitten roh, in plumper Form genau,
Bedünkt sie neu're Kunst nur leere Schau.
Sie schätzen Bentleys, Brunks und Porsons Noten
Mehr als die Verse, die den Text geboten;
Schwer wie ihr Bier, bei eitlem Ehrengrade,
Schlaff wie ihr Witz, und wie ihr Reden fade,
Für Freundschaft tot, doch plötzlich glutentlodert,
Wenn Kirch und Ich nur einen Eifrer fordert,
Des mächtgen Lords beflissenste Hofierer,
Sei Pitt nun oder Petty just Regierer,
Wird kriechend, lächelnd um ihn hergeschwänzt,
Weil ihnen fern die Bischofsmütze glänzt;
Doch wenn durch den Sturm er schmählich fällt,
Fliehn sie zu dem, der seine Stell erhält.
So sind die Wächter an des Wissens Thron,
So ist ihr Treiben, also ist ihr Lohn!
Woraus so viel zum wenigsten sich zeigt,
Dass nicht der Lohn den Kaufpreis übersteigt.

Böttger

 

Trinklied

Füllt wieder den Becher! noch hat nie wie heut
Dies flüssige Feuer das Herz mir erfreut.
Auf, trinket! – wer trinkt nicht! – es tut nur der Mund
Weinduftender Becher die Wahrheit uns kund.

Das Leben genoss ich mit hastiger Gier;
Mild ruhten die sonnigsten Augen auf mir;
Ich liebte! – wer liebt nicht? – doch Wonne kaum fühlt
Das Herz, drin die lodernde Leidenschaft wühlt.

Ich hatt in der Jugend die Seele voll Mai;
Im Wahn, dass das Band ein unsterbliches sei,
Auch Freunde – wer hat nicht? – doch du bist allein
Ein Freund, der mir treu blieb, du rosiger Wein!

Ein andrer das Herz der Geliebten besticht;
Die Freundschaft geht unter, du änderst dich nicht;
Alt wirst du – wer wirds nicht? – doch wer nimmt, wie du,
Mit Jahren an Wert nur und Tugenden zu?

Wir werden, was uns die Geliebte auch beut,
Sobald ihres Reizes ein andrer sich freut,
Voll Missgunst – wer wirds nicht? – beglückender find
Ich dich nur, je mehr der Geniessenden sind.

Und welkt einst der Lenz und das Jugendgefühl,
Uns bleibt beim Pokal doch ein letztes Asyl;
Wir finden – wer fands nicht? – das köstliche Gut
Der Weisheit in seiner beseelenden Flut.

Als einst aus der Büchse Pandoras ein Flug
Von Uebeln entstieg und den Frohsinn erschlug,
Blieb Hoffnung – wer hofft nicht? – doch braucht solchen Trost
Der Glückliche nicht, der den Becher liebkost.

Lang lebe der Wein! – da der Sommer nicht währt,
Wir sterben – wer stirbt nicht? – Gott gnad uns gesamt
Und willig im Himmel üb Hebe ihr Amt!

Leuthold

 

An Thomas Moore

Sage, was treibst du nun,
O Thomas Moore?
Sage, was treibst du nun,
O Thomas Moore?
Klagst oder schreibts du nun,
Leimst oder kleibst du nun,
Gierst und beweibst dich nun,
O Thomas Moore?

Doch es kommt Carneval,
O Thomas Moore!
Ja es kommt Carneval,
O Thomas Moore!
Jubel und Maskenball,
Pfeifen und Paukenschall,
Liebessang überall,
O Thomas Moore!

Böttger

 

Keine wohl von allen Schönen

Keine wohl von allen Schönen
Steigt zu deinem Reiz empor;
Wie Musik auf Wogen tönen
Deine Worte mir ins Ohr.
Wie von Zauberwort umspannt
Lichte Wellen träumen,
Eingelullt und festgebannt
Rings die Winde säumen:

Wie der Vollmond um gelindes
Wogen auf der Tiefe schwebt,
Die sich sanft wie eines Kindes
Brust im süssen Schlafe hebt:
So ist auch der Geist gewillt,
Dir allein zu lauschen,
Tief erregt und sanft gestillt,
Wie des Meeres Rauschen.

Böttger

 

Als wir einst schieden

Als wir einst schieden
Tränen im Blick,
Stumm, ohne Frieden –
Grauses Geschick!
Ward deine Wange bleich,
Kälter dein Kuss,
Ahnt ich, was kummerreich
Dulden ich muss.

Wie kalt an dem Tage
Der Tau mich genetzt!
Wie warnende Klage
Und Ahnung von jetzt!
Dein Eid ist gebrochen,
Dein Name, so leicht,
Macht, einmal gesprochen,
Vor Scham mich erweicht.

Dein Name umhallt mich
Wie Grabesgetön,
Ein Schauer fasst kalt mich; –
Was warst du so schön?
Sie wissen nicht, dass ich
So gut dich gekannt, –
Dein Bild noch umfass ich,
In Klagen gebannt.

Geheim durft ich nahn dir, –
Geheim ist mein Schmerz,
Dass Treu nur ein Wahn dir,
Dass Falschheit dein Herz.
Treff ich aufs neu dich,
Wenn Jahre dann um,
Wie grüss ich wohl treu dich? –
Weinend und stumm.

Böttger

 

Langsam versinkt, im Scheiden doppelt schön,
Die Sonne westlich von Moreas Höhn,
Nicht wie im Norden, fahlen Angesichts,
Ein wolkenloser Brand lebendigen Lichts!
Auf stiller See die gelben Strahlen glühn,
Wie zitternd Gold auf dunklem Wogengrün:
Auf Idras Bucht, Aeginas Felsen lacht
Der Gott der Freud ein letztes: »Gute Nacht!«
Hier, wenn auch seiner Tempel Pracht verschwand,
Verweilt er gern und grüsst sein Heimatland.
Schon küsst der Bergesschatten Finsternis
Dein glorreich Meer, unsterblich Salamis!
Um blaue Höhn ein tiefrer Purpur glimmt,
Der sanft mit weichem Abendlicht verschwimmt.
Bis leiser Farbenduft der Gipfel zeigt,
Wie sich zum Ziel die Bahn des Gottes neigt.
Bis, Erd und Meer verdunkelnd, er im Nu
Fern hinter Delphis Riff versinkt zur Ruh!

Gildemeister

 

Lachin y Gair

Fort, lachende Fluren und rosige Hecken!
Dort wiege der Liebling der Wollust sich ein;
Mich lasst auf die Felsen mit schneeigen Decken,
Weil diese der Freiheit und Liebe sich weihn!
Kaledoniens Felsen, euch lieb ich vor allen,
Und bringt euren Kuppen der Sturm auch Gefahr,
Mag der Katarakt schäumen, statt rieselnd zu wallen,
Doch lieb ich das düstere Tal Loch na Gar.

Wie sah es so oft mich als wandernden Knaben,
Der Mantel mein Plaid und die Mütze mein Hut
Der Häuptlinge denkend, die lange begraben,
Durchirrt ich die Tannen mit fröhlichem Mut.
Zur Heimat erst kehrt ich mit scheidendem Tage,
Wenn der helle Polarstern schon leuchtete klar,
Ich dachte so mancher erbaulichen Sage,
Erzählt von den Siedlern des Tals Loch na Gar.

»Ihr Schatten der Toten, ich hört eure Stimmen
Im nächtlich beflügelten Hauche der Luft!«
Es jauchzen die Seelen der Helden und klimmen
Das Hochland entlang über Hügel und Schluft.
Rund um Loch na Gar, wo sich Nebel entfalten,
Der Winter sich bauet den eisgen Altar,
Da umringein Gewölke der Väter Gestalten,
Sie wohnen im Sturme des Tals Loch na Gar.

Unglückliche Helden! hat nicht euch wie Warnen
Vor Unheil die Stimme der Geister getönt,
Musst in Cullodens Kampfe der Tod euch umgarnen,
Wo Sieg euern Fall nicht mit Jubel gekrönt?
Doch sankt ihr ja glücklich zum Todesschlaf nieder,
Ihr ruht mit dem Clan in der Schlucht von Brämar,
Es hallet den Pibroch Schottische Melodie. des Pfeifers Ton wieder,
Und eure Gefechte das Tal Loch na Gar.

Viel Jahre vergingen, seit ich dich verlassen,
Und nach Jahren erst werd ich dich wieder erschaun,
Wenn dich auch nicht Rasen und Blumen umfassen,
Bist du mir doch teurer als Albions Aun.

Nur zahme, nur häusliche Lust kannst du zollen,
O England, dem Herzen, das Felsen hold war –
Wie schön sind die Klippen, die wunderbar grollen,
So wildmajestätisch im Tal Loch na Gar.

Böttger

 

Byrons letzte Zeilen

Zeit wärs, dass unbeweglich bliebe
Dies Herz in der Verbannung Joch,
Doch ob auch niemand mehr mich liebe,
Ich liebe doch.

Mein Leben steht im gelben Laube,
Der Liebe Blüt und Frucht ist hin,
Da ich dem Wurm, dem Gram zum Raube
Auf immer bin.

Die Glut, auf die mein Sein begründet,
Ist tiefvulkanischer Natur,
Nicht Fackeln zündet sie – sie zündet
Den Holzstoss nur.

Furcht, Hoffnung, eifersüchtig Streben,
Der Liebe Wundermacht und Pein
Verschwand und liess mir für das Leben
Die Kett allein.

Doch hier sind all die Klagen eitel,
In die sich meine Seele barg,
Wo Ruhm bedeckt des Helden Scheitel
Und seinen Sarg.

Ich sehe Griechenlands Gefilde,
Schwert, Banner in dem schönsten Licht,
Der Sparter, tot auf seinem Schilde,
War freier nicht.

Wach auf – nicht Hellas, längst erwachtes! –
Wach auf, mein Geist! denk, wer dein Blut
Gestärkt, und zieh in neuentfachtes
Gefecht voll Mut!

Lass nicht von Lüsten dich umfächeln,
Halt männlich deine Seele rein;
Gleichgültig muss der Schönheit Lächeln
Und Groll dir sein!

Reut dich die Jugend, warum leben?
Stirb in dem Land, wos rühmlich Brauch,
In Kampf und Schlachten aufzugeben
Den letzten Hauch!

Such dir, was Krieger finden wollen,
Ein Heldengrab, grünübermoost,
Schau um dich, wähle dir die Schollen
Und stirb getrost.

Böttger

 


 << zurück weiter >>