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Neununddreißigstes Kapitel.

Die Schildbürger verbergen ihre Glocke in den See.

Um eine bestimmte Zeit, als Kriegsgeschrei im Flecken einfiel, befürchteten die Schildbürger ihrer Hab und Güter wegen, daß ihnen solche von dem Feinde geraubt und weggeführt werden würden; besonders angelegen war ihnen ein Glocke, welche auf ihrem Rathhause hing. Diese, dachten sie, würde ihnen der Feind hinwegnehmen und Büchsen daraus gießen. Es wurde eine Rathssitzung darüber gepflogen, welche nach langem Hin- und Herrathen zu dem Beschluß führte: Die Glocke solle bis zu Ende des Kriegs in den See versenkt und erst dann, wenn der Krieg beendigt und der Feind abgegangen wäre, wieder herausgezogen und an ihrer früheren Stelle aufgehängt werden. Der Beschluß wurde ausgeführt, indem die Glocke auf ein Schiff gebracht und auf den See gerudert wurde. Als sie die Glocke an einer Stelle hatten, bei welcher sie dieselbe hinein zu werfen gedachten, sagte zufällig einer: »Wie werden wir aber den Ort wieder finden, wo wir die Glocke hineingeworfen haben, wann wir sie gern wieder hätten?« – »Da lasset ihr euch,« sprach der Schultheiß, »keine grauen Haare wachsen;« damit lief er hinzu, nahm ein Messer und schnitt einen Kerb in das Schiff an den Ort, wo sie die Glocke hinausgeworfen, indem er sprach: »Hier bei diesem Schnitt wollen, wir sie wieder herausfinden.« Unter diesen Zeremonien wurde also die Glocke hineingeworfen und versenkt. Nachdem aber der Krieg vorüber war, fuhren sie wieder auf den See, um ihre Glocke abzuholen, den Kerbschnitt in dem Schiffe fanden sie wohl, aber die Glocke konnten sie darum doch nicht finden, denn sie wußten den Ort im Wasser, wo sie solche hineingesenkt hatten, nicht mehr. Sie mangeln bis auf den heutigen Tag ihre gute Glocke.


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