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Einunddreißigstes Kapitel.

Wie der Schultheiß seinem Sohn Hochzeit macht und was sich mit dem Bräutigam und der Braut zugetragen habe.

Der Schultheiß hatte einen erwachsenen Sohn, diesem wollte er nun ein Weib geben. Er sprach deshalb zu ihm: er solle Nachts aus die Rocken- oder Spinnstuben gehen, ob nicht etwa ein schönes Mädchen da wäre, das ihm gefiele. »Ja,« sagte der Sohn, »was soll ich aber sagen?« – »Fragst du?« sagte die Mutter; »es gibt ja ein Wort das andere.« Der gute Junge zog also des Abends auf d« Spinnstuben, wo viele hübsche Mädchen versammelt waren, er stellte sich wie ein rechter Narr und redete den ganzen Abend, was man ihn auch fragen mochte, nichts anderes, als daß er sagte: »Es gibt ein Wort das andere; es gibt ein Wort das andere.«

Von den Uebrigen, die zugegen waren, wurde seinetwegen nur genug gelacht, und sie dachten: Was ist das für ein Schlampe? welche möchte auch den nehmen? Allein des Schweinhirten Tochter, welche der Schultheiß kurz zuvor dem Kaiser für seinen Sohn kuppeln wollte, hatte ein Aug' auf ihn geworfen; wie denn auch er auf sie. Als sie daher des Nachts mit einander heimgingen, ließ sie sich von ihm unter der Bedingung, daß sie es drei Tage verschweigen könne, das Heirathen versprechen, was nach seiner Zusicherung auch geschehen sollte.

Tags darauf ging er hin und nahm eine andere, die etwas hochgeschorener als des Schweinhirten Tochter war; dies war ihm jetzt zu schlecht. Da war nun nichts anders zu thun, als auf die Hochzeit zuzurichten. Der Schultheiß wollte deshalb eine liebe Geis, die er aufgezogen und erst zehn Jahre hatte, auf die Hochzeit metzgen, damit sie nicht gar zu alt würde. Als er sie aber auf den Schragen legte und ihr den Hals umdrehen wollte, ging es ihm so tief zu Herzen, daß er seiner Frau rief und sagte: »Ach, siehe da, wie mich die arme Geis so mitleidig ansieht! Sie erbarmt mich so sehr, ich mag sie nicht tödten.« Die Frau Schultheißin sagte auch: »Ach, so tödte sie doch nicht! Sie dauert mich eben so arg, als ob sie mein leibliches Kind wäre.« Sie blieb daher bei Leben und man lugte sonst um Zeug zur Hochzeit.

Da nun der Kirchgang vor sich gehen sollte und man in aller Ehrbarkeit nach der Sitte, je Paar und Paar daherzog, die Braut mit den Weibern voran und die Männer mit dem Bräutigam hinten drein, siehe da, da kam die Tochter des Schweinhirten, der er vorher das Heirathen versprochen hatte, griff ihn mit herben, scharfen Worten an, schimpfte ihn ganz jämmerlich und begehrte durchaus, daß er ihr halten sollte, was er verheißen habe. Er aber vertheidigte sich, so gut er konnte, sagte ihr, sie hätte ihm auch nicht gehalten, was er von ihr verlangt und sie ihm zugesagt habe. Nach langem Getümmel wurde endlich die gute Tochter abgewiesen und der Kirchgang ging fort. Die Braut hörte zwar von der Sache; allein weil sie, wie eine Geis am Strick, zur Kirche prangen mußte, konnte sie sich nicht nach dem Hadern umsehen.

Mittlerweile unterrichtete die Mutter der Hochzeiterin diese aufs Feinste darüber, wie sie sich bei Tisch verhalten sollte, und gab ihr unter Anderm auch die Lehre: sie sollte sich fein züchtig zeigen, nur mit halbem Munde reden; die Speisen mit zwei Fingern angreifen; auch die Finger nicht beschlecken, wie sie sonst gewohnt war. Die Tochter versprach Alles getreulich zu thun. Als man daher bei Tisch saß, stellte sich die Tochter so zierlich, als es ihr möglich, war züchtig, wie ihr von ihrer Mutter befohlen; wenn sie aber etwas reden wollte, so hielt sie den Mund auf der einen Seite mit der Hand bis auf die Hälfte, und redete nach der Anweisung ihrer Mutter nur mit halbem Mund.

Das vertrug sich nun schon. Als man aber das Essen aufsetzte, kam neben andern Trachten auch eine Schüssel voll ausgemachter Erbsen: Die Braut gedachte hier abermals an die Lehre ihrer Mutter, nach der sie nur mit zwei Fingern essen sollte, sie fing daher an, mit den beiden sogenannten Schleckfingern der linken und der rechten Hand herauszuklauben und eine Erbse nach der andern zu essen, Hievon hatte sie schmutzige Finger bekommen, da sie aber nach der Lehre ihrer Mutter nicht schlecken durfte, streckte sie beide Hände auf und schrie ihrer Mutter: »Mutter, wer beschleckt mir jetzt die Finger?« – »Schweig, du Sack!« sagte die Mutter, »wische sie an's Tischtuch.« Das hieß ja mit zwei Fingern gegessen! Komme Einer her, der's anders sage, er muß es erlogen haben, denn ich lüge nicht.

Nach der Mahlzeit trat der Nächste am Schultheißen hervor, um den Gästen abzudanken, daher er nach geschehener Reverenz anhub: »Ehrenfeste, ehrsame und weise Frauen und Töchter, desgleichen auch züchtige und tugendreiche Männer und Gesellen, was ihr gegessen und getrunken habt, das segne euch Gott. Der Braut Vater, Braut Mutter, Braut Tochter, Baut Schwester, Braut Schwieger, Braut ganze Ehrenfreundschaft, lassen euch Allen freundlich danken etc.« Das andere hat er recht gemacht.

Zum Schlusse wurden die zwei neuen Eheleute zu Hause geschickt, und sie sollen sich, wie man hörte, in der Folge sehr gut mit einander vertragen haben.


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