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Nachwort

Kaum ein Jahrhundert der mittelalterlichen Epoche sah die abendländische Welt so in ihren Tiefen aufgewühlt als das zwölfte. Seit mehr als fünfzig Jahren fluteten die Scharen der Kreuzfahrer die Donau hinunter: Pilger, Fürsten, Ritter und reisige Knechte. Und wenn sie, von religiöser Begeisterung trunken, heimkehrten, schwindelnd vom hellen Licht und den Zaubern dieser neuen Welt, die in Nacht versunken vor den Augen Europas geschlafen hatte und nun in Duft und buntem Farbenspiel aus den Augen und Herzen der Heimkehrenden strahlte, da stiegen auch den Daheimgebliebenen funkelnde Glanzessterne auf und spiegelten sich in Liedern und Märchen.

Es mag ein Fahrender gewesen sein, ein niederrheinischer Spielmann in der Nähe Heinrichs des Löwen, der in dieser Zeit die Lieder von deutschen Fürstensöhnen, die im Kampf gegen den höchsten Herrn der Christenheit wacker gestanden, mit wunderlichen Reisemärchen uralter, antiker oder orientalischer Herkunft zusammenschmolz zu der Sage vom Herzog Ernst. Dabei traten die ethisch stärksten Motive jener alten Lieder: der rebellierende Kaisersohn, der um seinen Freund in den Tod ging, die tragische Stellung einer edeln Frau zwischen Sohn und Gatten, in den Hintergrund, und alles Licht, das hier ausstrahlte, floß aus dem Charakter eines neuen idealen Helden, den der Dichter seiner Zeit vor Augen zu stellen hatte: den deutschen Mann, trotzig und starknackig, der, immer sich selber treu und heimischer Art, diesen Charakter hinausträgt, in allen Wundern und Gefahren seine Haltung bewahrt, deutsche Art und Sitte auch unter Riesen und Zwergen heimisch macht, als ein frommer Christ an den heiligen Stätten betet und als ein großes Kind, das Herz voll Jammer nach der süßen Heimat, mit den Zeugen seiner Abenteuer heimkehrt.

Das ist, recht und schlicht, mit kindlichem Staunen gesehen und ohne große Kunst, aber nicht ohne einen glücklich naiven Ton und starkes Gefühl für das Logische und Schickliche und mit köstlicher Freude an einzelnen Situationen dargestellt.

Der erste Teil der Sage: Herzog Ernsts Aufstand, hat zwei Ereignisse, über die der Dichter wohl selbständige Sagen oder Lieder vorfand, miteinander verbunden: den Aufstand Liutolfs, Herzogs von Schwaben und Bayern, gegen seinen Vater, Otto den Großen. Der Aufstand endigte 954 mit der Eroberung Regensburgs und einer Versöhnung. Dann die Revolte Herzog Ernsts II. von Schwaben gegen seinen Stiefvater Konrad II., die mehrere Jahre lang Süddeutschland beunruhigte und 1030 mit Niederlage und Tod der Empörer ausging. Es trat also »wegen ähnlicher Verhältnisse an Liutolfs Stelle Herzog Ernst II. von Schwaben, aber der minder sagenberühmte Konrad II. vermochte den größern Otto nicht in der Sage zu verdrängen, daher die meisten Beziehungen aus der Geschichte Ottos entnommen sind.« (Bartsch.)

Die Sage fand vom 13. bis zum 15. Jahrhundert mehrfache Bearbeitung in deutschen und lateinischen Versen; auch eine stark gekürzte lateinische Prosa ist überliefert, und aus ihr ist, durch Übersetzung, das deutsche Volksbuch entstanden. Die älteste Handschrift des Volksbuches steht, mit der lateinischen Prosa zusammen, in einer Münchener Papierhandschrift (cod. germ. 572) und gehört, nach dem Urteil von Karl Bartsch, ihrem Herausgeber, in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Sie liegt auch dem ältesten Volksbuchdrucke (ohne Angabe von Ort und Jahr, doch von den Bibliographen als ein Druck der A. Sorgschcn Offizin in Augsburg, gedruckt um das Jahr 1480, bestimmt) zugrunde. Alle spätem Drucke sind Nachdrucke dieses einen. (Hain 6672.)

Unsere Ausgabe folgt dem von Bartsch Bartsch, Herzog Ernst, Wien 1868, Seite 229-305. veröffentlichten Texte, indem sie nur an solchen Stellen, die heute unserm Verständnis widerstreiten, schonend eingriff, sonst aber den wohlklingenden Laut und Rhythmus der alten Prosa – die allerdings, um ihre rechte Wirkung zu tun, laut und mit kräftigem Herausheben der Satzgliederung gelesen sein will – mit Treue bewahrte. Die hier zum erstenmal nachgebildeten Holzschnitte schmücken den oben zitierten Erstdruck des Volksbuches. Leo Baer Baer, Die illustrierten Historienbucher des 15. Jahrhunderts, Straßburg 1903, Seite 48-49, Tafel X und XI. hat sie beschrieben und dem von ihm so genannten »Meister des Sorgschen Alexander« beigelegt. (Um sie dem Format dieser Ausgabe einzupassen, mußten sie um ein geringes reduziert werden. Die Originale messen, im Durchschnitt, 82 : 110 mm.)


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