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Wie Kaiser Otto sich mit Sankt Adelheiden ehlich vermähelt

Mittelalterlicher Holzschnitt

Zu den Zeiten regieret strenglich die Würden des Römischen Reichs mit kaiserlicher Gewalt der große Kaiser Ott, der vierundachtzigste von Augusto und der erste Kaiser des selben Namens. Der ward erwählet von Christi Geburt in dem neunhundert und dreiunddreißigsten Jahr und zum König geweihet zu Aachen. Er war geboren von Braunschweig, und sein Ahnherr war geheißen der alte Herzog Ott von Sachsen, geboren von Braunschweig. Des selben Herzogs Sohn, der Kaiser Otten Vater war, den nannte man den ersten Kaiser Heinrich, den Vogler; denn da ihn die Kurfürsten suchten, daß sie ihn zum König wählten, da funden sie ihn bei seinen Kinden, mit einem Garnnetze Vögel fahen. Nun, der selbe Kaiser Otte, von dem diese Historie grundlich gemacht ist, der gewann Straßburg und erstört und erbrach die mit Gewalt und gab ihr den Namen; dann vor hieß sie, als man sie noch in Latein nennet, Silbertal. Er überwand die Ungern zu Augsburg, eh daß er Kaiser ward, in dem neunhundertsten und zweiundfünfzigsten Jahr nach Christi Geburt. Zu der Zeit lebet Sankt Ulrich Bischof zu Augsburg, als man das in seiner Legende und anderen Chroniken findet. Er machet auch ihm und dem Heiligen Reiche untertänig Ungern und teutsche Lande, Windisch, Friesen, Behaim und Mailand, Reußen, Lamparten, Calabrien, Apulien und Burgundiam, mitsamt viel anderen Gegenden und Volkes. Dann er ein Liebhaber war aller göttlichen und menschlichen Gerechtigkeit, darum er auch des Landes Vater war genannt. Der selbe Kaiser Otto hat auch gestiftet die ehrsame Stadt Maideburg, mitsamt dem Bistum, von seinem und des Reiches Gut, in der Ehre des Himmelsfürsten und ritterlichen Marterers Sankt Mauritzen und seiner Mitgenossen; das er in ewige Zeiten mit jährlichen Renten und Zinsen, Wiesen, Äckern, Weinwachs und ander Leibes Nahrung und Notdurft genugsamlich begabt und zum Aufenthalt der Gottes Diener überflüssiglich gesteuert hat. Darinne er auch begraben ward nach Christi Geburt neunhundert und in dem einundsiebenzigsten Jahre.

Da er dennoch war grünen in der Blumen seiner Jugend, ward ihm zugeeignet eine heiliglebende Hausfrau mit Namen Ottegeba. Die war wohlgezieret mit allen Tugendzüchten gen GOTT und den Menschen und war geboren aus dem durchlauchtigsten Stamme der Könige von Engelland. Und als Ottegeba etliche Zeit mit ihrem Gemahel, Kaiser Otten, gelebt hätte gütlich und in aller lieblichen Ehwürdigkeit, da rief sie Gott nach menschlicher Natur durch des Todes Botschaft von dieser Welt. Da begunnt der Kaiser, ihre Seele mit inniglichem und fleißigem Gebete Gott, dem obersten Kaiser, treulich befehlen, und die irdische Materie ihres Leibes in der vorgenannten Stadt mit ehrwürdigem Lobe und andächtiger Würdigkeit zu begraben.

Nun, etliche Zeit nach Begräbnis der sälig verschiedenen Kaiserin, Frauen Ottegeba, betrachtet er in seinem Gemüte das Wort Sankt Pauls, »daß besser wäre, ordentlich und ehelich vermähelen, dann böse Anfechtung und Begierde des Fleisches«; und daß auch ein ungetreuer Mann, der er doch nicht war, behalten würde durch eine göttliche und fromme Frauen. Hierum gedacht er und satzt sich für, mit einem gemeinen Rat seiner zusammen besandten Fürsten und Landsherren, um der Sach willen die obgemeldte Frauen Adelheid, Herzogin zu Bayern und zu Österreich, zu vermähelen. Um solich treffliche Botschaft endlich zu vollenden, sandte er zu ihr Einen seines obersten Rates, dem, soliche Sache weislich auszurichten, wohl kundig und wissend war.

Da der Frauen Adelheid solicher kaiserlichen Majestät herrliche Botschaft gegenwärtiglich erschien und, mit Auslegung der kaiserlichen Begierde, unwissentlich fürkam, da erschrak sie von ganzem Herzen, soliche vor ungemeinte Botschaft zu hören, da sie in etlicher Maße möchte widersein den göttlichen Werken und himmlischem Leben, darinne sie sich vorher lange Zeit, besonders in ihrem Wittibenstand, tugendlich hätt geübet, und in künftiger Zeit willigen Fürsatz hätt, darinne zu vollharren. Darum besandte sie von Stund an ihre Landsherren und Räte, die, mitsamt Herzog Ernsten, ihrem Sohne, überein wurden mit fürsichtigem Rate, was zu solicher des Kaisers begierlichen Botschaft nütz und gut wäre zu antworten und zu tun. Die des ersten, als in solichen Sachen gewöhnlich ist, mancherlei fürnahmen und rieten; doch zum Letzten riet der edel junge Fürste, Herzog Ernst, der Herzogin als ein getreuer Sohn seiner Mutter, und auch sein getreuer Freund und Gesell Graf Wetzel, mitsamt allen, die mit ihnen zu Rat waren, durch Göttliches Einsprechen. Und wurden einmütiglich überein, daß die Fraue Adelheid unerschrockenlich sollte willig und solicher kaiserlicher Begierde nicht widersprüchig sein.

Da hub die Fraue an, ich weiß nicht, von was heimlicher Offenbarung, als ob sie künftige Ding wüßte, und redet also zu ihrem Sohne mit solichen Worten: »Mein allerliebster Sohn, ich fürcht sehr, werd ich dem Kaiser, nach deinem und anderen unserer Landgewaltigen Rate, durch ehliches Vermäheln zugeeignet, so möchte vielleicht zwischen ihm und dir strengmütigem Jüngling etliche Zwietracht und Uneinigkeit auferstahn, dadurch ich lebendig möchte in den Tod von großem Trauern verzehrt werden.« Darwider sprach Herzog Ernst: »Allerliebste Frau Mutter, solich sorgliche Furcht soll euch nicht abscheiden noch entziehen von ehlicher Vereinung des Hochwürdigsten, unsers Herrn, des Kaisers; denn mit gnädiger Barmherzigkeit GOTTes, des obersten Kaisers, so will ich mich in glücksamen und auch in widerwärtigen Sachen dem irdischen Kaiser dienstbar erzeigen, und allzeit willmütiglich ihm bereit sein. Und will ihn und die Seinen mit herzlautern Armen umbefahen, daß ich in den Augen seiner kaiserlichen Majestät früh und spat wohlgefällig bleibe, und in seinen stäten Gnaden gefunden werde.«

Von solichen mannlichen Worten des jungen Fürsten, ihres Sohnes, ward die Frau Adelheid bestärkt. Und sanftmütiget soliche Härtigkeit zu geistlichen Sachen, die sie, mit Willen ihres Gemütes, hätt fürgenommen und etliche lange Zeit mit scheinbarlichen Werken erzeiget. Und durch seine vorgemeldte treffenliche Botschaft tät sie dem Römischen Kaiser Otten wiederum ihres Herzens Willmütigkeit kund und wissen, mitsamt dem Tage und Zeit, seine ehliche Begierde zu bestäten. Auf soliche, ihm wiedergebrachte Botschaft ward der Kaiser Otte von Herzen froh; und hieß von Stund an berufen einen gemeinen Hof allen Fürsten und seinen Lehensherren und anderen Edelen. Mit denen er kam mit großer Macht und Köstlichkeit, da die Frau Adelheid wohnet, die ihm wiederum mit gleichgroßer Weltwürdigkeit von ihrem Sohne, Herzog Ernsten, und anderen ihren Landsherren geantwortet und entgegen ward geführt.

Damit sie der Kaiser großloblich führet gen Mainze, daselbst er, mit allem höchsten Frohlocken und wunnsamen Freuden, nach kaiserlicher Macht die Hochzeit mit ihr vollendet. Darnach ritt ein jeglicher Gast, dannen er gefordert war, an sein Ende. Als nun der Kaiser soliche hochzeitliche Freude gar vollbracht, da ward er sich, von des Heiligen Reiches Notdurft wegen, an maniche Stätte, mitsamt der Kaiserin, fügen.

Und nach dem, ohn lang Verziehen, fordert er zu sich durch auserwählte Botschaft den edeln jungen Fürsten, Herzog Ernsten. Der kam zu ihm ohn Verziehen, nach Gewohnheit mit adeligem Zuge und wohlgerüsten Dienern. Und grüßet ihn der Kaiser, mitsamt seiner süßesten Mutter Adelheid, sanftmütiglich mit Fleiße, und empfing und redet mit solichen Worten zu ihm: »Du auserwählter Jüngling des Geschlechtes und wohlgezierter Fürste und nach deiner Mutter mein allerliebster Sohn, du sollst wissen, daß ich, um die Liebe deiner Mutter, die in allen Dingen sich meines Willens fleißt und pflegt, will dich halten für meinen lieben Sohn: Mit ganzer Begierde will ich dich, nach allem meinem Vermögen, bringen und fordern zu den höchsten Ehren, des du mir ohn allen Argwohn sollst getrauen. Hierum antworte du meines Herzens Liebhabung, daß die Christliche Kirche und das Heilig Römische Reich ohn Mannschlacht, Mord, Rauberei und ander dergleichen Verwüstung mit GOTTes Verhängnis und deiner Hilfe unversehrt bleibe.«

Nach solichen freundlichen und trostlichen Worten begunnt der streng junge Fürste, Herzog Ernst, dem Kaiser große Dankbarkeit sagen mit Verheißen aller wahren Treue. Und da sie daselbst etliche Tag verharrten, da begabet der Kaiser und auch die Kaiserin, seine Mutter, den jungen Herzogen Ernestum, mitsamt allen seinen Dienern mit besunderen großen Gaben, die ihrer Mildigkeit und kaiserlicher Majestät wohlgeziemten, und ließen sie mit großem Wohlgefallen wieder heim von ihnen reiten.

Darum der fürstliche junge Herr, als ein strenger Ritter, gab sich in allen Nöten, die dem Kaiser anliegend waren, und entbot sich mit ganzen Treuen, und war ihm und den Seinen zu schirmen als eine feste Mauer, wo sich das gebührt, mit allen seinen Dienern. Und umfing ihn mit den Armen seiner wahren minniglichen Liebe, mitsamt dem tugendhaften Grafen Wetzel, nicht als ein Stiefsohn. Besonders erbot er sich, ohne Verdrießung treulich alles das zu mehren, das zu Nutz, Frommen und stattlichen Ehren dem Kaiser und dem Reich zukommen mocht. Also blieben sie in solich treuen unzertrennten Freundschaften und Liebe etliche lange Zeit, daß auch der Herzog Ernst war an des Kaisers Hofe in solicher ehrlicher Macht, als in seiner eigenen Herrschaft. Wie auch der Kaiser um sein getreues Mitwesen und freundlichen Wandel gebot, daß er der Nächste, nach seiner und der Kaiserin Person, in aller Ehrwürdigkeit von Jedermänniglich gehalten würde.


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