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Hie nach folget eine hübsche liebliche Historie eines edeln Fürsten, Herzog Ernsts von Bayern und von Österreich

Mittelalterlicher Holzschnitt

Zu alten Zeiten besaß und hätt in Händen die fürstlichen Herzogtum zu Bayern und Österreich, als von rechtem väterlichem Erbteil, ein durchlauchtiger hochgeborener Fürste, mit Namen Herzog Ernst, der in beiden strenglich und friedlich, mit ganzer Achtung der Gerechtigkeit regieret. Der selbe Herzog, nach seiner adeligen Frommheit, geruhet, sich ehlich zu fügen und vereinen eine gar schöne und mit Tugenden wohlgezierte Fraue von einem gleich wohlgeborenen Geschlechte, und die hieß mit Namen Adelheid und war eines Königs Tochter, der hieß Lotharius, als man in Chroniken findet. Die gebar ihm einen überhübschen Sohn, den er mit dem Taufnamen sich selbst gleichet, und hieß ihn auch Ernestum. Darnach, über kurz vergangene Zeit, nach des Allmächtigen GOTTes rufender Schickung, ward dem Kinde, nach gemeinem Lauf des Leibes Natur, sein Vater von diesem Elend durch den Tod hingenommen: davon die Mutter Adelheid groß Leid und Schmerzen empfing. Doch hätt sie etwas große Freude und Wunnsamkeit in ihrem verlassenen adeligen Sohn. Der ward in Kürze von ihrer Schickung wohl unterwiesen und genugsam gelehret, und ward reden in Latein, Wälsch, in griechischer und auch in anderen Sprachen, und nun jetzt in mannlichen Stand gewachsen. Und war sie ihm auch mit allem ihrem Hofgesinde, auch den Herren in Bayern und in Österreich, das ihm von rechtem Erbteil zustand, fröhlich gehorsam. Wann als bald er Mannsnamen begriff, da war er aufrecht nach Leib und dem Gemüte, in aller Weisheit und Bescheidenheit, und begurtet sich mit dem Schwert des Adels, das mit der Blüte manicher Tugend zu glitzendem Schein gefeget und gekläret war. Der selbe adelige Jüngling, Herzog Ernst, tät in seine brüderliche Treu und Gesellschaft empfahen einen gutmächtigen und tugendreichen Grafen, der hieß Wetzel, und ihm nach Leibes Geburt nahe gefreundet war. Nach des weislichem Rate und fürsichtiger Hilfe er in kecklichen Werken und zierlicher Tugend zunahm, und als ein starkmütiger Leue seine Herrschaft, mitsamt seinem Hofgesinde, recht ordentlich regieret.

Soliches Lobpreisens und Zunehmens in tugendlicher Strenglichkeit freuet sich sehr seine edele Mutter Adelheid, und war die Wittib, die, nach Sankt Pauli Spruch, all ihr Hoffnung in Gott setzet. Und hielt sich Nacht und Tag in Andacht ihres Gebetes, und begehret durch die Werk der Barmherzigkeit wirken und zu halten ein himmlisch Leben, dardurch sie möchte endlich Gnad erwerben und kommen zu der Ewigen Säligkeit. Doch widerstrebet in ihr der himmlischen Begierde die Schwachheit ihrer Natur, ihr weltliches Wesen, ihre übende Jugend, Mehrung und Gewalt ihres Reichtums und zum Letzten manichfältige Anfechtung. Denn täglich kamen zu ihr viel Grafen, Ritter und andere, die des Geschlechtes, der Gestalt, Reichtum und Gewalt übertrefflich waren, die ihr, mitsamt ihrem lieben Sohne Herzog Ernsten, mit emsigen Treuen fleißiglich rieten, daß sie sich wieder zu ehlichem Stand durch Vermäheln verheirate, daß sie mehr Erben gewünne. Des Rates tat sie doch in Gottes Hoffnung lang verziehen.


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