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Die Holzpuppen.

Ganz am Ende einer mittelgroßen Stadt stand ein zierliches, im Schweizerstil erbautes Häuschen, umgeben von einem reizenden kleinen Gärtchen. In diesem blühten zur Sommerzeit die prächtigsten Rosen, ja selbst bis in den Spätherbst hinein. Von den allerkleinsten an bis zu den hochstämmigsten waren sie hier in seltener Schönheit zu sehen. Eine üppige Dornrosenhecke bildete den Zaun dieses wunderniedlichen Gärtchens, das Ganze sah so entzückend aus, daß alle Vorübergehenden bewundernd stehen blieben. Daher war das schmucke Häuschen allgemein unter dem Namen »das Rosenhäuschen« bekannt.

In diesem kleinen Paradiese wohnte Herr Burchardt mit seiner Gattin und seinen beiden Zwillingstöchtern Ada und Ella.

Die beiden kleinen Mädchen kamen sich hinter ihrer Rosenhecke beinahe wie Dornröschen vor, und ihre Schulfreundinnen nannten sie auch scherzweise so. Sie hatten es aber viel besser als Dornröschen, denn sie brauchten nicht hundert Jahre zu schlafen und zu warten, bis ein Prinz kam und sie erlöste. Gar lustig konnten sie zwischen ihren Rosenbeeten umherspringen und sich des Lebens freuen. Wie das bei Zwillingsschwestern häufig vorkommt, sahen sich Ella und Ada so ähnlich, daß sie Fremde nicht unterscheiden konnten. Beide waren blonde Lockenköpfchen mit frischen zarten Gesichtchen und munteren blauen Aeuglein. Sie liebten sich beide innig, und waren immer ein Herz und eine Seele. Auch zu ihren Schulfreundinnen waren sie stets nett und verträglich; daher war es diesen auch ein großes Vergnügen, zu Ada und Ella nach dem Rosenhäuschen zu wandern. Da spielte es sich so schön Reifen und Ball, und gar erst Verstecken hinter den dicken Rosenbüschen und in den Ställen des sauberen Hofes. Dazu bewirtete die gute Mama Burchardt die kleinen Gäste mit frischer Milch, Zwieback und Obst.

An einem Sonnabend nachmittag saßen die beiden Schwestern unter einem schattigen Nußbaum und schneiderten für ihre Lieblingspuppe Röschen ein weißes Batistkleid. Diese ungewöhnlich große und sehr schöne Puppe hatten sie von ihrer Großmama zu Weihnachten bekommen, zugleich mit einem zierlichen Koffer, worin sich Stoffe und Schnitte zu Kleidern und Wäsche befanden. Darüber waren sie natürlich hocherfreut gewesen und wetteiferten nun darin, dem Röschen die reizendsten Sachen anzufertigen. Die beiden kleinen Mädchen waren sehr geschickt und fleißig.

»Wollen wir morgen Röschens Geburtstag feiern und die Mama bitten, daß wir uns Grete und Else einladen dürfen?« schlug Ada sehr lebhaft vor.

»Ach nein, das wollen wir lieber nicht,« lehnte Ella ab. »In acht Tagen ist ja unser Geburtstag, dann muß doch Rosa zuerst ihr neues Kleid anziehen.«

»Ja, du hast recht! Weißt du, Ella, mir ist so, als wenn wir diesmal zu unserm Geburtstage eine ganz besondere Ueberraschung haben würden!«

»Wieso denn?« fragte Ella verwundert. »Wir werden doch immer von den Eltern, von der Großmama und den Tanten sehr überrascht und erfreut; ich meine, wir könnten sehr zufrieden sein und es uns gar nicht besser wünschen.«

»Ach, du, so meine ich es auch gar nicht! Es ist mir nur so, als ob sich etwas ereignen müßte, das wir nicht ahnen können.«

»Nein, Ada, du hast doch wirklich oft zu possierliche Einfälle,« lachte jetzt Ella hell auf. »Sieh, da kommt der Briefträger, der bringt dir vielleicht schon die ungewöhnliche Ueberraschung!« setzte sie neckend hinzu.

Beide lachten herzlich und arbeiteten emsig weiter.

»Von wem wohl die Eltern einen Brief bekommen haben?« begann Ada nach einer Weile wieder. »Gern ginge ich hinein und fragte, wenn ich nicht fürchtete, wegen meiner Neugierde Schelte zu bekommen.«

»Das könnte dir dann auch gewiß nichts schaden, die Eltern werden es uns schon von selbst sagen, wenn etwas für uns in dem Briefe steht.«

»Ella! Ada!« ließ sich jetzt der Mutter Ruf vernehmen.

Schnell legten beide das Nähzeug aus der Hand und flogen im Nu die Stufen der Veranda, wo die Eltern saßen, hinauf.

»Kinder, hört einmal, welch eine freudige Nachricht wir soeben erhalten haben!« rief ihnen der Vater sehr vergnügt entgegen. »Onkel Eduard kommt in den nächsten Tagen!«

»O, wie herrlich, dann ist er gewiß noch zu unserem Geburtstage hier!« jubelten beide.

»Hoffentlich bleibt er noch viel länger, wir wollen alle sorgen, daß er sich wohl bei uns fühlt,« entgegnete der Vater.

Ada und Ella hatten den Onkel viele Jahre nicht gesehen, sie erinnerten sich daher kaum noch seiner. Er war des Vaters einziger Bruder, der jetzt aus fernem Laude heimkehren wollte. Ob er dort etwas vor sich gebracht hatte oder nicht, davon hatte er nie in seinen Briefen gesprochen, daher wußte auch sein Bruder nicht einmal, wie es um seine Vermögensverhältnisse stand. Er hatte ihm nur mitgeteilt, daß er keine Not leide und sich ganz wohl dort fühlen wurde, wenn ihn nur nicht zu oft die Sehnsucht nach den fernen Lieben ergriffe. Von seiner Rückkehr hatte er aber bisher noch nichts erwähnt, daher hatte diese Nachricht die Seinen sehr überrascht und hocherfreut.

Am Montag erzählten Ella und Ada allen Kindern in der Schule, daß ihr Onkel käme und lange bei ihnen bleiben würde.

»Was seid ihr für Glückskinder! Was wird der euch alles mitbringen,« riefen einige neidisch. »Ja, ihr könnt wohl lachen und euch freuen!« sagten wieder andere.

»Gewiß freuen wir uns, aber nicht auf die Geschenke des Onkels, sondern auf ihn selbst,« antworteten auf solche Reden der Mitschülerinnen die Schwestern.

Alle Tage hieß es im Rosenhäuschen: »Ob der Onkel wohl heute kommt?« bis der ersehnte Gast endlich angelangt war. Als Ada und Ella am Mittwoch aus der Schule kamen und singend durch den breiten Rosengang tanzten, rief ihnen die Mutter entgegen: »Kinder, kommt schnell, der Onkel ist da!«

Eiligst liefen sie nun ins Haus, hängten hastig ihre Schultaschen und Hüte auf, und folgten der Mutter in das Wohnzimmer, um den Angekommenen zu begrüßen. Schüchtern aber blieben sie an der Tür stehen, denn dieser stattliche wettergebräunte Herr, der neben dem Vater am Tische saß, war ihnen so fremd, als hätten sie ihn noch nie gesehen.

»Ah, das sind wohl meine lieben Nichtchen?« Mit dem freudigen Ausruf kam ihnen der Onkel sogleich entgegen, hob eine nach der andern in die Höhe und küßte sie herzlich. »Ei, was seid ihr schon für große Fräulein!« sagte er dann, die hübschen blühenden Kinder wohlgefällig betrachtend. »Gewiß kennt ihr den alten Onkel gar nicht mehr, aber ich hoffe, ihr werdet mich ein wenig lieb haben, und wir werden bald die besten Freunde sein!«

Die kleinen Mädchen, die bisher in verlegenem Schweigen errötend, mit zu Boden gesenkten Blicken, vor ihm gestanden hatten, sahen nun treuherzig zu ihm hinauf, die freundliche Ansprache und das herzgewinnende Wesen des unbekannten Onkels hatte jetzt ihre Schüchternheit besiegt.

»Ja, lieber Onkel, wir haben uns sehr auf deinen Besuch gefreut, und wir wollen dich auch sehr lieb haben!« versicherten jetzt beide, sich schon ganz zutraulich an ihn schmiegend.

»Jetzt geht nur wieder hinaus, Kinder, der Papa ist so glücklich, seinen lieben einzigen Bruder nach so langer Trennung wieder zu haben, daß er ihn heute ungestört für sich behalten muß.«

Gehorsam entfernten sich die Kinder; beide wurden unter sich darüber einig, daß der Onkel reizend sei und gar nicht alt, sogar noch sehr schön aussehe. Sie hatten ihn sich so ganz anders, da er doch älter wie der Vater war, als einen Mann mit grauen Haaren und mit einer Brille vorgestellt. Nun hatte er noch volles dunkles Haar, lachende blaue Augen, und sah wirklich auch jünger als der Papa aus. Der Onkel hätte allen Grund gehabt, sich sehr geschmeichelt zu fühlen, wenn er hätte hören können, wie begeistert die Nichten von ihm sprachen.

Bei Tische scherzte und plauderte der liebenswürdige Onkel viel mit ihnen, er hatte seine Freude an ihren munteren Antworten und ihrem bescheidenen, artigen Wesen.

»Wie alt seid ihr lieben Mädchen denn schon?« fragte er am nächsten Tage.

»Wir werden zwölf Jahre,« erwiderte Ella.

»Wann ist denn euer Geburtstag?«

»Am Sonntag.«

»Ei der Tausend! Am Sonntag also! Na, da wollen wir auch schön feiern. Wie wäre es denn mit einer lustigen Landpartie bei diesem herrlichen Wetter?«

»Das wäre sehr schön, lieber Onkel, aber die Mama hat uns erlaubt, einige unserer Schulfreundinnen einzuladen.«

»Nun gut, dann nehmen wir zwei oder auch drei Wagen und fahren dahin, wo es euch am besten gefällt. Ich werde für alles Sorge tragen, auch Musik bestellen und einen gedeckten Tisch mit Schokolade und Kuchen nicht zu vergessen. Sagt nur gleich, wohin es gehen soll, damit ich die festlichen Vorbereitungen noch heute treffen kann!«

»In Blumenfelde, da ist es sehr schön, alle Sonntage sind Würfelbuden, Seiltänzer und vielerlei andere Vergnügungen dort, auch große Spielplätze!«

»Schön, schön, Kinderchen! Wir fahren also nach Blumenfelde; ladet nur so viel Freundinnen, wie ihr wollt, dazu ein, bittet aber gleich die Eltern, daß sie nicht so früh abgeholt werden. Sagt nur, ich würde sie alle beschützen und sie Punkt zehn Uhr selbst nach Hause fahren.«

War das nun aber ein Jubel und eine Freude! Auch die Freundinnen waren entzückt über eine so frohe Aussicht, und alle sahen mit den größten Erwartungen dem Sonntage entgegen.

Am anderen Tage wollte sich der gute Onkel sogleich nach Blumenfelde begeben, um alles aufs beste auszurichten.

»Warte damit lieber noch bis morgen,« wendete aber der Vater ein, »die Sonne sticht so, es könnte Regen und Gewitter geben, und dabei wurde die Partie doch unmöglich sein.«

»Ja, das wäre sie dann allerdings,« stimmte der Onkel bei. »Es würde mir aber schrecklich leid tun, wenn den Kindern diese Freude vereitelt werden sollte.«

»Es werden ihnen im Leben noch oft Freuden und Hoffnungen zerstört werden, es ist ihnen daher sehr dienlich, wenn sie sich ohne Murren in das Unabänderliche fügen lernen,« bemerkte der Vater.

Die Befürchtungen betreffs des Regens trafen auch wirklich noch vor Abend ein. Es regnete so entsetzlich, als sollte wieder eine Sündflut die Erde überschwemmen, und es hörte die ganze Nacht und auch den folgenden Tag nicht auf.

»Wie schade, lieber Onkel,« sagten die Kleinen betrübt, »bei dem Wetter kann doch nichts aus unserer Landpartie werden.«

»Nein, Kinderchen, morgen leider nicht, wir müssen dies Vergnügen nun schon verschieben und für euren Geburtstag etwas anderes ersinnen.«

Der Onkel freute sich, daß beide weder klagten noch murrten, nur ein wenig niedergeschlagen, aber freundlich wie immer waren.

»Ich will die vernünftigen, guten Kinder dafür zu ihrem Wiegenfeste auch recht überraschen und erfreuen,« sagte Onkel Eduard zu seinem Bruder. »Sie haben von mir bis jetzt noch nichts weiter als eine Tüte Konfekt bekommen, weil ich mir ihre Liebe nicht durch Geschenke erwerben wollte.«

»Dessen bedurfte es auch nicht, sie liebten dich sogleich schwärmerisch,« lächelte der Vater.

Am Sonntag früh hatte der Regen wohl nachgelassen, aber die Landwege waren aufgeweicht, und an eine Spazierfahrt daher nicht zu denken. Die gütige Mama hatte im Wohnzimmer einen mit Blumen und Geschenken schön geschmückten Geburtstagstisch für die Töchterchen hergerichtet. Auch ein prachtvoller großer Kuchen, der doch bei allen Kindern eine Hauptsache mit ist, fehlte nicht.

»Wo bleibt nur Eduard?« fragte die Mutter. – »Er sagte gestern, daß er die Mädchen sehr überraschen wollte, gewiß wird er doch seine Bescherung auch beilegen wollen!«

»O nein, das will er eben nicht,« erwiderte lächelnd der Vater.

»Er sagte mir vorhin, daß er sich bei unserm Aufbau nicht beteiligen werde; jedenfalls hat er es wieder auf einen Scherz abgesehen.«

»Guten Morgen, ihr Lieben!« ließ sich jetzt des Onkels kräftige Stimme vernehmen. »Ah, der feine Tisch! Ich darf wohl die Geburtstagskinder rufen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, war er auch schon zur Tür hinaus, trat aber bald wieder, an jedem Arm eine der Mädchen, herein und führte sie zu dem geschmückten Geburtstagstisch.

Beim Anblick der vielen Herrlichkeiten war nun die Freude groß. Vergessen war die verregnete Landpartie, worüber sie heute früh noch sehr betrübt gewesen waren.

»Ach, sieh doch dies reizende Kleid, diesen entzückenden Hut und dieses allerliebste Arbeitskäsichen!« so jubelten sie sich immer gegenseitig zu. Als sie nun auch das Tennisspiel, die hübschen Geschichtsbücher und die verschiedenen Kleinigkeiten gebührend bewundert hatten, trat der Onkel mit einem riesig großen Paket heran: »Hier, meine lieben Nichtchen, laßt auch mein kleines Angebinde ein bescheidenes Plätzchen unter euren vielen Herrlichkeiten finden!« sagte er mit höchst feierlicher Miene und mit einem Gemisch zwischen Ernst und Scherz.

In einem so umfangreichen Pakete kann doch unmöglich ein kleines Geschenk sein! philosophierten die glücklichen Geburtstagskinder. Hastig wollten sie es öffnen, aber das war durchaus nicht so leicht. Wohl zehnmal war es mit einem dicken grauen Papier umwickelt, und jedesmal fest mit Bindfaden verschnürt. Endlich war die letzte Schnur gelöst, aber nun ratet einmal, was da zum Vorschein kam?! – – Zwei große bemalte, steife Holzpuppen. – Jedenfalls werdet ihr, lieben Kinder, solche Art Puppen ebensowenig kennen wie Ada und Ella. Sie stammen noch aus der Zeit, wo es noch keine so kunstvollen Spielsachen wie heute gab. Vor vielen, vielen Jahren konnte man sie in kleineren Städten auf den Märkten und in den Spielwarenläden kaufen. Auch Frauen gingen mit ganzen Körben voll dieser greulichen Dinger hausieren. Sie waren von einer abschreckenden Häßlichkeit, mit bunt bemalten Kleidern und Schürzen, und ein Hut, mit Hühner- oder Taubenfedern verziert, saß gleich fest auf dem Kopfe. Inwendig waren Erbsen, die gar gewaltig klapperten, wenn man hin- und herschüttelte.

Sehr verwundert und mit großen Augen sahen Ella und Ada bald sich und bald die Puppen an, weil sie nicht wußten, was sie zu solch einem Geschenk sagen und was sie damit anfangen sollten.

»Aber, meine lieben Mädchen, freut ihr euch denn gar nicht?« rief jetzt der Onkel, sich gewaltsam zum Ernst zwingend. »Ich habe diese wunderniedlichen Puppen bei unserem verstorbenen Schwesterchen gesehen, und weil ich sie stets so reizend fand, so habe ich sie extra für euch anfertigen lassen. Da ich nicht in der Lage bin, euch reiche Geschenke machen zu können, dachte ich euch mit dieser Kleinigkeit eine große Freude zu bereiten. – Aber o weh! nun scheinen sie euch gar nicht zu gefallen und ihr werdet mich gewiß nicht mehr lieb haben!« Dabei sah er die Kleinen so traurig an, daß es ihnen von Herzen leid tat, den guten Onkel betrübt zu haben. Er hatte doch die Absicht gehabt, sie zu erfreuen, und da er nicht reich war, konnte er doch nicht viel für Geschenke ausgeben.

»Wie kannst du nur so etwas von uns denken, liebes Onkelchen,« riefen beide zugleich, flogen ihm um der: Hals und dankten ihm so herzlich, als ob er ihnen die größte Freude gemacht Hütte. »Nur weil wir solche Puppen nicht kennen, waren wir so erstaunt,« entschuldigten sie sich.

Lachend betrachtete jetzt der Vater die sonderbaren Puppen und sagte dann: »Aber, lieber Eduard, zu diesem Spielzeug sind die Mädchen doch wohl schon ein wenig zu groß. Ich habe diese kleinen widerwärtigen Dinger von unserer Kindheit noch im Gedächtnis, und ich erinnere mich auch, wie wir wilden Buben unser verstorbenes Schwesterchen damit geneckt haben.«

»Jawohl, wir unartigen, übermütigen Rangen warfen sie hoch in die Luft, ließen sie Purzelbäume schießen und hörten nicht eher auf, die Kleine zu ärgern, bis sie bitterlich weinte.«

»Ach, wenn es Brüder so machen, dann ist es nur gut, daß wir keine haben,« meinten Ada und Ella.

»Nun, Kinder, wenn ihr nicht mehr damit spielen könnt, dann hebt sie zum Andenken auf,« sagte nun der Onkel. »Nachher werde ich euch noch einige Kunstgriffe daran erklären.«

Beide besahen daraufhin die Puppen von allen Seiten, da sie aber durchaus nichts Kunstvolles daran entdecken konnten, stellten sie dieselben zu den anderen Geschenken auf den Geburtstagstisch.

»Wenn nur Nachmittag keiner von unseren Gästen über sie spotten und lachen möchte, das würde doch den Onkel sehr verletzen,« bemerkte Ada zur Mutter, als der Onkel mit dem Vater hinausgegangen war.

»Das wäre sehr unrecht, und würde von wenig Zartgefühl zeugen, wenn eure Freundinnen sich darüber lustig machen wollten, denn ein Geschenk, wie es auch immer sein möge, muß man in Ehren halten und die gute Absicht des Gebers, uns Freude machen zu wollen, anerkennen,« belehrte die Mutter.

Beim Mittagessen zeigte der Onkel wieder die froheste Laune. Er war sogar ausgelassen heiter, und trieb mehr denn sonst seine Späße mit den Nichten.

»Wie geht es meinen schönen Puppen?« fragte er, als ihm die Kinder eine gesegnete Mahlzeit wünschten. »Holt sie einmal schnell her, damit ich mich überzeuge, ob sie auch noch heil sind, oder ob ihr ihnen schon die Köpfe abgedreht habt!«

»Aber Onkelchen!«

Sofort holten sie die schrecklichen Dinger.

»Nun paßt einmal auf,« sagte jetzt der Onkel mit geheimnisvoller, vielsagender Miene. Darauf drückte er an eine fast ganz unsichtbare Feder, wodurch sich das Untergestell sogleich in zwei Hälften teilte und – kaum trauten die beiden ihren eignen Augen, als sie sahen, was da Herrliches und Wunderbares zum Vorschein kam. Statt der Erbsen waren Dollars darin und ein kleines silbernes Kästchen, in dem sorgsam in Watte verpackt ein wunderschönes Kreuz mit Korallenkette lag.

Ella und Ada standen ganz verblüfft und sprachlos vor Erstaunen, dies Wunder erschien ihnen so unfaßbar, daß sie zu träumen glaubten.

»Seht ihr wohl, meine Herzenskinder,« rief der Onkel, nachdem er sich an ihrem stummen Entzücken geweidet hatte, »der böse Onkel hat euch nur anführen und sehen wollen, wie ihr solch ein wunderliches, unscheinbares Geschenk aufnehmen werdet. Ihr habt beide diese Probe glänzend bestanden, möge euch meine Gabe nun recht viel Freude machen.«

Beide brachen in lauten Jubel aus. Sie tanzten und sprangen vor Glück umher und riefen immer wieder: »O, du bester, herrlichster aller Onkel« und erdrückten ihn fast mit ihren Küssen und Umarmungen.

»Jetzt kann ich mir nun auch erklären, weshalb die Dinger so viel größer sind, wie ich sie kenne,« schmunzelte der Vater. »Ich hatte mir aber gleich gedacht, daß du dir damit nur einen Spaß machen wolltest.«

»Ich habe sie mit Absicht so groß bestellt, aber so abschreckend häßlich hätte sie der Mensch auch nicht zu machen brauchen. Ich habe die guten Kinder wirklich recht in Versuchung geführt, mir zu zürnen und mein Geschenk zu mißachten. Da ihr, Mädchen, aber so rücksichtsvoll und nett gewesen seid, sollt ihr auch nicht um das Vergnügen der Fahrt nach Blumenfelde kommen. Sobald es wieder schön ist, halten wir da noch eine fröhliche Nachfeier! Heute wollen wir aber auch dem Wetter zum Trotz so vergnügt sein, als ob der herrlichste Sonnenschein wäre!«

Warum lächelte der Onkel bei diesen letzten Worten nur so geheimnisvoll? – Sollte er noch eine Ueberraschung im Sinne haben. – Nun, wir werden es ja erfahren! –

Punkt vier Uhr waren die kleinen Gäste versammelt. Alle waren sehr fein geputzt mit hellwollenen Kleidchen, und eine jede beglückwünschte die Geburtstagskinder mit einem Sträußchen. Alle bewunderten zuerst den Geburtstagstisch mit den vielen schönen Geschenken; als sie die Kostbarkeiten sahen, die in den häßlichen Holzpuppen verborgen gewesen waren, blickten sie diese respektvoll an, und es fiel ihnen durchaus nicht ein, darüber zu spotten.

Gar fröhlich saß dann die kleine Gesellschaft bei Schokolade und Kuchen um den großen weißbedeckten Tisch. Da tönten plötzlich vom Korridor die Klänge eines Chorals an ihr Ohr.

»Musik!« riefen alle ganz erstaunt. Die Eltern sahen sich fragend an, nur der Onkel saß in größter Seelenruhe da und machte die unschuldigste Miene von der Welt.

»Aha, ich merke schon!« rief der Vater lächelnd, »der Onkel hat eine ganze Kapelle bestellt, er und kein anderer ist der Anstifter!«

»Nun ja,« entgegnete dieser seelenvergnügt, »Tafelmusik muß doch zu einem so hochwichtigen Tage sein, und nachher müssen doch alle kleinen Fräulein ordentlich tanzen können!«

Das war aber eine lustige Feier! Tanz und Spiel wechselten ab, bis die Mama zum Abendbrot einlud. Da gab es nun auch allerlei Schönes: Erdbeerbowle, rote Speise mit Vanillensauce, belegte Butterbrötchen, Kuchen und Konfekt. Der lustige Onkel brachte ein »Hoch« auf die Geburtstagskinder aus; alle mußten fleißig anstoßen und singen: »Hoch sollen sie leben, hoch!« Nach dem Abendessen forderte er die fröhliche kleine Gesellschaft auf, ihm in den Salon zu folgen.

»Ah!« riefen alle, als sie dort einen Tisch mit allerliebsten Spielereien erblickten, die Onkel Eduard teilweise aus fernem Lande mitgebracht hatte. Die eine Hälfte dieser Herrlichkeiten verteilte er nun selbst unter die kleine Gesellschaft, die andere wurde als Gewinne zu dem Spiel, das sich unter den schönen Sachen befand, ausgesetzt.

Nicht wahr, meine kleinen Leser, das war ein Prachtonkel? – Das fanden denn auch alle kleinen Gäste, und sie konnten daheim nicht genug von der wunderbar schönen Feier erzählen.

Eine jede wünschte sich einen solchen Onkel und zu ihren Geburtstagen eine solche Holzpuppe, trotz ihrer großen Häßlichkeit, aber natürlich nicht ohne den prachtvollen Inhalt.


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