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Das Schulfest.

Mamachen, drei schöne freie Tage! Sonnabend, Sonntag und Montag!« rief die elfjährige Else ihrer Mutter jubelnd entgegen, als sie gegen Mittag aus der Schule heimkam. Uebermütig warf sie die Schultasche auf die Erde und tanzte in der Stube umher. In ihrer stürmischen Freude riß sie das auf dem Teppich spielende Brüderchen um, und kam erst durch dessen Zetergeschrei wieder zur Besinnung.

»Aber Else, man muß doch auch in der Freude Maß halten,« ermahnte die Mutter, indem sie den kleinen Schreihals beruhigte.

»Ja, liebe Mama, ich will künftig gewiß achtsamer sein,« versprach der kleine Wildfang. »Ach, du süßes Walterchen, sei nicht böse, und bitte, höre auf zu schreien!«

»Weshalb fällt denn aber Montag die Schule aus?« fragte nun die Mutter.

»Weil das Wetter jetzt so schön ist, soll ein Schulfest gefeiert werden, alle unsere Lehrer und Lehrerinnen wollen mit uns einen Spaziergang nach dem Buchenwäldchen machen.«

»Ah, so! Nun ja, daß ihr euch darüber sehr freut, kann ich mir wohl denken.«

»Ei, ganz furchtbar freuen wir uns, Mutterchen; denke nur, was sich unser Fräulein Reimer noch nettes ausgedacht hat: Wenn wir gegen Abend vom Laufen und Spielen müde sind, soll eine Verlosung veranstaltet werden, zu welcher wir kleine Geschenke noch heute hinbringen sollen. Das Los soll fünfzig Pfennige kosten, und für den Erlös dürfen wir uns später ein gemeinsames Vergnügen machen, ganz nach unseren Wünschen. Ist das nicht reizend?«

»O ja, aber dabei werden gewiß sehr verschiedene Wünsche laut werden,« gab die Mutter lächelnd zur Antwort.

»Musik wird auch bestellt!« fuhr Else sehr vergnügt fort. »Alle wollen in weißen Kleidern kommen; nicht wahr, Mama, ich darf doch mein neues gesticktes anziehen?«

»Auf keinen Fall, das wäre dazu wohl höchst ungeeignet, und es wäre sehr töricht von mir, wenn ich dir das erlauben wollte.«

»Was soll ich denn anziehen?« fragte Else sehr betroffen.

»Dein rosa Zephirkleid, das ist dazu am praktischsten und reichlich hübsch genug.«

»Das alte Kleid, da werde ich schön gegen die andern abstechen,« sagte Else sehr verdrießlich. »Klara Meyer will auch ihr ganz neues weißes anziehen, das ist noch viel schöner als das meinige, und ihre Mutter erlaubt es ihr doch.«

»Meinetwegen! Deshalb ändere ich doch meinen Willen nicht, du ziehst kein anderes als dein rosa Kleid an, und nun quäle mich nicht weiter mit Bitten und Einwendungen.«

Elses Lust und Uebermut war nun plötzlich ganz ins Gegenteil umgeschlagen, als sie sah, daß sie mit Bitten und Tränen bei der Mutter nichts ausrichtete.

»Nun ist mir das ganze Vergnügen verdorben,« weinte sie, »ehe ich ein so häßliches Kleid anziehe, lieber gehe ich gar nicht mit.«

Als auch dies die Mutter nicht rührte, setzte sie sich schmollend in einen Winkel und quälte sich selbst mit den dummen Gedanken, wie häßlich sie aussehen und wie die anderen sie auslachen würden.

Am Montag zeigte sich der Himmel zwar bedeckt, aber dennoch sah es nicht nach Regen aus; zu einer Landpartie war es gerade das rechte Wetter, viel angenehmer als Sonnenschein. Schon in aller Frühe waren alle Schülerinnen versammelt, und das Vergnügen konnte sehr zeitig seinen Anfang nehmen. Die jungen Mädchen waren größtenteils in hellgeblümten, einige allerdings auch in ganz weißen Kleidern. Neidisch sah Else auf die letzteren, doch ihren ganz besonderen Aerger erregte Klara Meyer, deren weißes Gewand viel schöner war als ihr neues. Wie gut war Klaras Mutter, und wie hart dagegen die ihre! Schweigsam und mit verdrossener Miene mischte sie sich unter die fröhliche Schar. Alle waren in der heitersten Stimmung und schwatzten und kicherten übermütig durcheinander. Nur Else ging stumm nebenher und gab kurze unfreundliche Antworten, wenn sie diese oder jene anredete.

»Ach, weißt du, mit dir ist heute rein gar nichts anzufangen, du bist ja ganz unausstehlich!« hieß es bald, und alle zogen sich von ihr zurück und ließen sie von nun an unbeachtet gehen. Das ärgerte sie nun aber noch mehr, und es fehlte nicht viel, so hätte sie hier, inmitten der frohen Gesellschaft, ihren Tränen freien Lauf gelassen.

Nach einer Wanderung durch schattige Alleen langte das lustige Völkchen noch in der Morgenfrische im Buchenwäldchen an. Wunderbar herrlich und frisch war es hier, der Tau lag noch auf Blumen und Gräsern, die mit ihrem Wohlgeruch die Luft würzten, und die munteren Vögelein hüpften von Zweig zu Zweig und ließen ihre lustigen Liedchen ertönen.

»Ach, ist es hier wunderbar schön!« riefen die jungen Mädchen entzückt, indem sie sich um die Tische niederließen, die schon vorher bestellt und am Rande des Waldes nebst langen Bänken für sie aufgestellt waren. Am liebsten hätten sie sich wohl ins Gras gelegt, aber dazu war es noch zu feucht. Prächtig schmeckte allen nach der langen Wanderung die frisch gemolkene Milch und die Butterschnitten.

Sobald dann das Frühstück verzehrt und sie gehörig ausgeruht waren, sagte Herr Doktor Schmidt, der Klassenlehrer: »Kinder, ich denke, jetzt wird es trocken genug sein, um zuerst einen Spaziergang durch den Wald unternehmen zu können. Das wird euch gewiß Freude machen, denn ihr werdet viele Erdbeeren und Blumen pflücken, und dabei die niedlichen Eichkätzchen beobachten können, wie sie gewandt und flink bis in die Spitzen der Bäume klettern, wenn sie einen Menschen in der Nähe erblicken.«

Dieser Vorschlag wurde mit allgemeinem Jubel angenommen; hurtig hüpften die jungen Mädchen auf dem weichen Moose dahin, sich immer gegenseitig zurufend: »Kommt hierher, hier ist es ganz rot und schwarz von Beeren!«

»Bei uns auch,« schallte es zurück, »und Erika und Waldveilchen blühen hier in Menge.« Es war so wunderlieblich hier, daß keine an die Rückkehr denken mochte, bis der Doktor Schmidt dann den Machtspruch tat.

»Kinder, nun kommt aber endlich,« mahnte er zum zweiten Male, »wir müssen doch Vormittag noch andere Belustigungen vornehmen, ihr sollt euch doch heute auch mit Spiel und Tanz amüsieren.«

Vergnügt sprangen nachher die fröhlichen Kinder auf dem freien Platze spielend und sich haschend umher. Auch die Lehrer und Lehrerinnen verschmähten es nicht, an den Spielen der glücklichen Jugend teilzunehmen. So ging es in ausgelassener Lust immer weiter, bis sich der Hunger einstellte und die leeren Magen nach Speisen verlangten. Nach allgemeiner Uebereinkunft war schon am Morgen dicke Milch, Eier und Schinken bestellt. Als alle wieder an den langen Tischen Platz genommen hatten, kamen auch schon die Musikanten durch den Wald, die sich sogleich anschickten, Tafelmusik zu machen. Keiner hatte die Kapelle kommen sehen, und sie horchten nun alle überrascht und erfreut auf. »Herrlich! himmlisch; nein, das Fest ist heute wirklich zu schön!« hörte man von allen Seiten begeistert ausrufen.

Bei der allgemeinen Freude und Heiterkeit war auch die heute früh so mürrische Else allmählich aufgetaut; glücklicherweise war ihr unfreundliches Betragen den Lehrern entgangen; bei der großen Menge hatten sie nicht weiter auf den einzelnen geachtet. Beim Spiel hatte eine Lehrerin sie freundlich mit den Wörter: angeredet: »Else, du hast ein allerliebstes Rosakleidchen an, luftig und dabei doch haltbar, wie es sich zu einem solchen Fest gehört. Deine liebe Mama weiß stets das Richtige zu treffen, die zarten weißen Kleidchen werden heute gewiß sehr ruiniert werden.« Bald darauf war Klara Meyer in großer Angst zu ihr gekommen, und hatte gebeten: »Else, hast du nicht Stecknadeln bei dir? Sieh nur, wie ich mein Kleid zerrissen habe; möchtest du nicht so freundlich sein, es mir zusammenzustecken?« Als Else nun sah, wie unglücklich Klara darüber war, hatte sie allen Groll vergessen und bemühte sich ihr zu helfen.

»Ach, wäre nur die Mama nicht verreist, sie hätte es gewiß nicht erlaubt, daß ich mein bestes Kleid anziehen durfte,« klagte die betrübte Klara, »aber die Großmama sagt stets zu allem ja.«

»Schäme dich, du großes Mädchen, andere anzuklagen, während du doch nur ganz allein die Schuld trägst,« rügte eine Lehrerin, die dies gehört hatte, Klaras ungerechte Beschuldigungen. »Du bist alt genug, um zu wissen, daß man bei solchen Gelegenheiten nicht das Beste anzieht.«

Else, die diese verdiente Zurechtweisung mit anhörte, errötete und schämte sich vor sich selber. Sie sah jetzt ein, wie recht ihre Mutter gehabt, und die Reue und Vorwürfe quälten sie sehr, denn sie hatte dieselbe nicht nur angeklagt, ihr mit ihrer Härte das ganze Vergnügen verdorben zu haben, sondern ihr auch noch die Schuld zugeschoben, daß sie heute früh so unliebenswürdig war. »Gewiß hat es die Mama dem Papa gesagt,« dachte sie angstvoll, »sie werden nun wohl beide sehr böse sein und nicht wie sonst zum Abend nachkommen.« Aber die guten Eltern sind in solchen Fällen immer nachsichtiger als es die Kinder verdienen, das sollte auch Else zu ihrer großen Freude und Beruhigung heute wieder erfahren.

Als die junge lustige Gesellschaft endlich vom Spielen und Tanzen müde und schwach war, lagerten sich alle auf dem grünen Moos im Walde. Da wurden dann Gesellschaftsspiele vorgenommen, auch Rätsel geraten und zuletzt auch Verse gemacht. Letzteres gab Veranlassung zu großer Heiterkeit, weil das wunderlichste Zeug dabei herauskam. Sogar die Lehrer und die Lehrerinnen stimmten in das herzliche Lachen mit ein und meinten: »Eine hervorragende Dichterin scheint unter euch gerade nicht zu sein.« Dieser Ansicht wurde mit fröhlichem Gelächter beigepflichtet.

»Würde es euch vielleicht Vergnügen machen, eine Geschichte zu hören?« fragte Fräulein Ernst, die erste Lehrerin.

»Ach ja, bitte!« rief es nun von allen Seiten.

»Schön, dann will ich eine erzählen, die zwar kurz, aber wahr ist; meine Kollegin und ich haben sie eben erst erlebt. Es wurde uns gesagt, daß bei der Frau Förster oft sehr schöne frische Waffeln zu haben wären, da wollten wir unsern kleinen Leckermäulchen eine angenehme Ueberraschung bereiten und spazierten beide nach der Försterei. Leider aber trafen wir die Frau nicht zu Hause und konnten euch nun damit nicht erfreuen.«

»Ach, wie schade!« riefen einige kleine Naschkätzchen.

»Nun, ein andermal haben wir vielleicht darin mehr Glück,« tröstete die Lehrerin lächelnd. »Wir bitten dann schon vorher die Frau Förster darum, dann tut sie uns wohl den Gefallen, sich auf so viele Portionen einzurichten.«

»Bei unserem Rückwege,« fuhr das Fräulein darauf in ihrer Geschichte fort, »war es uns plötzlich, als hörten wir in unserer Nähe ein leises Schluchzen. Wir standen still, um zu horchen, von welcher Richtung es kam. Obwohl wir kein menschliches Wesen weit und breit entdecken konnten, wiederholte sich doch das Weinen, das einige Augenblicke aufgehört hatte, noch lauter und schmerzlicher. Wir sagten uns, daß irgendwo ein geheimer Versteck sein müsse, und nach vielem Suchen fanden wir ihn auch endlich. In einem tief ausgehöhlten Baumstamme und von herabhängenden Zweigen ganz verdeckt, saßen zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen von ungefähr acht und neun Jahren. Der Knabe hatte einen großen irdenen Topf neben sich stehen und das Mädchen einen Korb in den Armen. Unser Anblick schien ihnen Furcht einzuflößen, denn beide verbargen ängstlich und scheu ihr Gesicht in den Händen.

›Fürchtet euch doch nicht, wir wollen euch ja nichts tun,‹ suchten wir sie zu beruhigen. ›Warum habt ihr denn so jämmerlich geweint?‹

Während uns die Kleine mit ihren großen schwarzen Augen noch immer mißtrauisch durch die Finger ansah, faßte sich ihr Bruder ein Herz und sagte sehr betrübt: ›Heute früh, als ich wegen einer Besorgung für die Nachbarin durch den Wald ging, sah ich so viele Beeren, und jetzt sind fast keine mehr zu finden.‹

›Und deshalb habt ihr so geweint?‹ fragten wir vorwurfsvoll.

›Ja, wenn wir hätten den Korb und den Topf voll pflücken können, dann hätten wir eine gute Einnahme gehabt,‹ erklärte der Knabe. ›Der Gottlieb und die Großmutter sind beide krank und können kein Geld verdienen.‹

›Habt ihr kleinen Würmer denn keine Eltern mehr?‹ fragten wir weiter.

›Nein, der Vater und die Mutter sind im vorigen Winter gestorben,‹ schluchzte der Knabe. Da kam gerade der Förster vorbei, der uns bereitwillig Auskunft über die arme Familie gab. Er erzählte uns, daß die Großmutter der Kinder schon sehr alt und stumpfsinnig wäre, und daß ein älterer kranker, ganz verkrüppelter Bruder mit seinen geschickten Händen alle ernähren müsse. ›Der Gottlieb ist aber schon die ganze Woche so krank, daß er keine Pantoffeln, auch keine Quirle und Löffel machen kann,‹ fiel der Knabe weinerlich ein; ›nun haben wir nichts zu essen, wenn wir keine Beeren finden.‹

›Kommt nur mit, ihr armen kleinen Geschöpfe,‹ sagte mitleidig der gute Förster, ›ich will euch satt machen und euch auch etwas für die Großmutter und für den Gottlieb mitgeben.‹

Der Hunger der Kleinen muß wohl sehr groß gewesen sein; es war ordentlich rührend zu sehen, wie sich bei den Worten des Försters ihre betrübten Mienen aufklärten. Wir gaben ihnen nun jede auch ein Geldstück mit dem Versprechen, mehr für sie tun zu wollen. Wenn uns auch ebensogut das Recht zusteht, die Beeren zu pflücken, so empfanden wir doch Gewissensbisse darüber, die armen Kinder dadurch um ihre ganze Einnahme gebracht zu haben. Wir haben uns auch gewiß nicht geirrt, wenn wir annahmen, daß ihr, liebe Kinder, ebenso fühlen und den kleinen bedürftigen Wesen gern als Entschädigung etwas schenken werdet. Ihr habt wohl alle noch von dem Gelde übrig, das euch eure guten Eltern zu Erfrischungen mitgegeben haben.«

»Ja, von Herzen gern!« erklärten alle bereitwilligst, »wir wollen den armen Kindern alles geben, was wir noch haben.« Sogleich wurde nun gesammelt, und es kam ein ganz hübsches Sümmchen zusammen, denn auch alle Lehrer und Lehrerinnen hatten reichlich zu dem guten Werke beigesteuert.

»Wir haben einen so frohen Tag gehabt und haben es immer so gut, während viele arme Kinder hungern müssen,« sagten alle jungen Mädchen mitleidig.

»Ja, Kinder, das ist nun einmal im Leben nicht anders, unser Herrgott hat wohl seine weisen Absichten gehabt, als er die Lose so verschieden ausgeteilt hat,« tröstete einer der Lehrer. »Von uns Begünstigten verlangt er daher auch, daß wir gegen die minder Glücklichen unsere Pflicht erfüllen und stets ein teilnehmendes Herz für ihre Not haben sollen.« Alle versprachen, dies nie vergessen zu wollen.

Die ernste Stimmung, die sich nach dem Gehörten in dem bis dahin so frohen Kreise bemerkbar gemacht hatte, schwand wieder, als die Eltern der meisten jungen Mädchen mit großen Körben, in denen sie belegte Butterbrote und Getränke für die hungrigen und durstigen Kinder mitbrachten, angefahren kamen.

Else war sehr betrübt, daß ihre Eltern nicht dabei waren, ihr kleines schuldbewußtes Herz schlug so bang. Gewiß hatte sie die Guten so erzürnt, daß sie ihr Kind gar nicht sehen wollten. Sie fühlte sich unter den anderen so verlassen und allein, daß eine tiefe Niedergeschlagenheit über sie kam. In ihrer Traurigkeit hatte sie es ganz überhört, daß wieder ein Wagen am Saum des Waldes hielt. »Else, siehst du denn nicht, da sind ja deine Eltern!« stieß sie ihre Nachbarin an. Glückselig sprang sie auf, und mit dem freudigen Ausruf: »Mama! Papa!« in die Arme der geliebten, so schmerzlich vermißten Eltern.

»Nun, kleine Maus, wie hast du dich amüsiert?« fragte der Vater gütig. »Gott sei Dank, daß du uns nicht verhungert bist, wir wurden noch durch einen Besuch aufgehalten, und deshalb konnten wir nicht früher hier sein.«

»Liebe einzige Mama, sei mir nicht mehr böse,« hing sich Else aufschluchzend an den Hals der Mutter, die sie zärtlich an sich drückte.

»Was ist denn geschehen?« fragte der Vater, der keine Ahnung von dem unartigen Betragen seines Töchterchens zu haben schien.

»O nichts,« sagte die Mutter begütigend. »Unsere Kleine war ein wenig unglücklich, daß es nicht nach ihrem Köpfchen gehen sollte; sie wollte sich gern feiner putzen, und die garstige Mama wollte es nicht erlauben.«

»Nein, nein! Nicht die garstige, die liebe, einzige, goldene Mama bist du,« rief Else, die Mutter immer wieder liebkosend.

»Warte, du Kobold, davon weiß ich ja gar nichts,« drohte der Vater scherzend mit dem Finger. »O, wie gut, wie unendlich gut ist doch die Mama,« dachte Else, »mit keinem Wort hat sie dem Papa meine Unart verraten!«

Nun konnte sie auch wieder von Herzen froh werden und sich das schöne Abendbrot in dem trauten Kreise wohlschmecken lassen. Heitere Gespräche und Scherze würzten die Mahlzeit; im lauschigen Walde unter Gottes freiem Himmel war es auch so friedlich und herrlich, und kein Wunder, daß man nur zufriedenen und glücklichen Blicken begegnete. Freilich nur mit Ausnahme der beiden blassen Kinder, die schon eine Weile, von keinem bemerkt, hinter einer Buche standen und ängstlich und verstohlen auf die muntere Gesellschaft blickten.

»Fräulein Ernst, sind das dort vielleicht die Kinder, die wir erwarten?« fragte ein junges Mädchen, auf die beiden deutend.

»Ja, das sind sie!« rief Fräulein Ernst, sich umdrehend und die Kleinen freundlich näher winkend.

Wie glücklich waren die kleinen Geschöpfchen nun, als ihnen der Beutel mit dem Gelde überreicht wurde. Wie leuchteten ihre Blicke, da ihnen dann von allen auch der Rest des Abendbrotes gegeben wurde. Das war so viel, daß sie noch den Korb und die Taschen gefüllt mitnehmen konnten, nachdem sie sich selbst so sattgegessen hatten, wie sie nur konnten. Leise sah man die jungen Mädchen untereinander flüstern, darauf trat eine, die älteste unter ihnen, zu Fräulein Ernst und bat um die Erlaubnis, im Namen aller Schülerinnen eine Bitte aussprechen zu dürfen. Freundlich wurde dies gewährt.

»Nun, Olga, so laß hören, was ihr für ein Anliegen habt,« ermunterte die Lehrerin das vor Befangenheit errötende junge Mädchen.

»Wir wollten alle herzlich bitten, den Erlös unserer Lotterie der armen Familie geben zu dürfen, wir möchten gern zu ihren Gunsten auf das Vergnügen verzichten, das wir uns für das Geld machen sollten.«

Alle Lehrer und Lehrerinnen blickten fragend im Kreise ihrer Schülerinnen umher, und da sie nur zustimmenden und bittenden Blicken begegneten, wurde die erbetene Erlaubnis mit Freuden erteilt. Alle Eltern billigten nicht nur diesen Vorschlag, sie empfanden auch große Freude darüber, daß ihre Kinder so gute und opferwillige Herzen hatten. Die Erwachsenen berieten dann, was weiter für die arme Familie getan werden könnte, und alle waren bereit, das Ihrige dazu beizutragen.

»Seht ihr wohl, liebe Kinder,« sagte Doktor Schmidt, »so ist unser heutiges Vergnügen nicht nur ein Fest der Freude für uns allein geworden, wir konnten auch zugleich uns als treue Arbeiter im Weinberge Gottes bewähren, und weniger Glückliche erfreuen und ihre Not mildern helfen.«

»Der ganze Tag vom Anfang bis zum Schluß war wunderschön!« jubelten die Kinder einstimmig.

»Wer weiß, ob wir schon beim Schlusse angelangt sind, ob uns nicht vielleicht noch irgend eine Ueberraschung zugedacht ist,« lächelte Fräulein Ernst geheimnisvoll.

Erstaunt und fragend richteten sich aller Blicke auf sie, was sollte denn nun wohl noch Schönes kommen? –

Da stiegen auch schon Raketen in die Höhe, Sterne und Feuerkugeln tanzten in der Luft. Die Bäume des Waldes und die ganze Umgebung erstrahlte wie in ein Feuermeer getaucht. Von rosigem, bläulichen: und goldigem Lichte beleuchtet, bot die herrliche Landschaft den großartigsten Anblick dar. Es war ein wunderbar schönes Feuerwerk, mit dem die Lehrer ihre fleißigen Schülerinnen noch zum Schlusse überraschten.

Als auch dieses Vergnügen vorüber, war es die höchste Zeit zum Aufbruch geworden. Begleitet von den lustigen Klängen eines Marsches, fuhren dann alle heim.

Ihr lieben Kinder wißt aus Erfahrung, wie müde ihr nach solch einem Schulfeste seid, und mit welch einem wohligen Gefühl ihr euch dann zur Ruhe legt, wie ihr sogleich einschlaft und im Traume noch einmal den frohen Tag durchlebt. Dasselbe tat auch diese junge Schar; ohne Versäunmis suchten sie alle ihr Lager auf, schliefen auch bald fest ein und träumten süß bis zum Morgen.

Nur unsere Else konnte nicht sogleich einschlafen, weil sie immer wieder daran denken mußte, wie sehr unartig sie zu ihrer guten Mutter gewesen war. Als diese sich dann über sie beugte und ihr »Schlaf wohl, mein liebes Kind!« zuflüsterte, umschlang sie die Teure innig und weinte heiße Tränen an dem treuen Mutterherzen. Immer wieder versicherte sie: »Du weißt immer alles am besten, liebes Herzensmamachen, ich will dir auch stets gehorsam sein und dich gewiß nie wieder betrüben.« Die Mutter vergab ihrem reuigen Töchterchen gern alles, und der liebe Gott sah mit Wohlgefallen in ihr kleines bußfertiges Herzchen, und erfüllte es wieder mit seinem Frieden.


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