Willibald Alexis
Der falsche Woldemar
Willibald Alexis

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Siebzehntes Kapitel.

Woldemar von Gottes Gnaden.

»Nun bin ich Herr.« rief Ludewig der Römer auf der Höhe, zu deren Füßen die Stadt lag, die sich ihm ergeben müssen. Nicht darum rief er's, und die Ratsherrn, die ihm die Schlüssel gebracht, knieten umher, er sah sie nicht an. Er sah auf das Pergament in seiner Hand, daran schwere Siegel hingen. Es war die Entsagungsurkunde, durch die Ludwig der Aeltere ihm, dem jüngern Bruder, die Marken förmlich und feierlich abtrat.

»Nun bin ich Herr!« rief er, küßte das Pergament und übergab es dem Kanzler. Zum Boten sprach er, es war der Ritter von Osten: »Wünsch meinem Bruder glückliche Reise, dahin, wo er keine Sorgen findet.«

»Wo mag das Land sein!« lächelte der Osten.

»Du begleitest ihn?«

»Ich und der Leopold Buch.«

»Ihr sagt Valet dem Vaterlande?«

»Als lang es unserm Herrn gefällt, der uns Freund ist, und wir sind ihm geschworen.«

»Herr,« sagte der Bardeleben zum Markgrafen, »die Rathsherrn warten auf Dein gnädig Wort.«

Da wandte Ludewig den Blick nach der Stadt, wo die Maurer in voller Arbeit waren. Sie vermauerten das Thor mit großen Feldsteinen, dadurch der falsche Woldemar seinen Einzug gehalten, und andere brachen durch die dicke Mauer ein neues Thor. Durch das wollte Ludewig einziehen.

»Wende uns Dein gnadenreich Antlitz zu,« sagte der älteste Rathsherr.

»Es sind alte Leute. Das Knieen wird ihnen sauer,« sprach der Bardeleben.

»Was lernten sie's so spät! Klagt mich nicht an, ich kann nicht anders. Klagt meinen Bruder an, daß er so lange zauderte. Wäre ich bei Zeiten Herr worden, es sähe anders im Lande aus, ich könnte mit sammtener Hand zugreifen, nun muß ich's mit eiserner. Ich schwöre es Euch: ich will ein gerechter Herr sein. Thut Ihr dazu, daß ich ein gütiger werde.«

Die Herren umher, so die brandenburgischen als die baierschen, nickten nicht mit dem Kopf.

Caspar der Törringer schüttelte ihn vielmehr: »Das Land ist noch nicht ganz Dein; als ich höre, rüstet der falsche Markgraf auf's Neue, und der Anhang fehlt ihm nicht. Bedenke auch das, Du konntest in Brandenburg die Juden nicht schützen, und mußtest sie der Wuth des Pöbels überlassen.«

Ludewig biß die Lippen zusammen.

»Auch hausen die Räuberbanden furchtbarer denn je im offnen Land,« sagte der Bardeleben. »So lange zween Herrn im Lande sind, kannst Du ihrer nicht Herr werden.«

»Und darum soll ich nicht gerecht sein, Ihr thörigen Rathgeber. Gerechtigkeit ist der Grundstein jedweden Regiments. Steht das fest, dann erst ist für die Gnade Zeit.«

Die Rathsherrn knieten noch immer, da brachten sie einen fremden, alten Mann zum Fürsten. Als deß die Bürger und Herren ansichtig wurden, erschraken Einige, die ihn kannten. »Es ist der Teufel von Soltwedel!« sprachen sie. »Was will er? –« »Ward er eingefangen, den noch Keiner fing? –«

»Er ist's, der die Juden ehegestern schlachtete, die über die Havel flohen,« flüsterte ein Rathsherr, der unfern dem Markgrafen kniete. »Gnade Gott, auf wen der fürchterliche Mann seine Hunde losläßt.«

»Nicht eingefangen ward ich, Herr Herzog und Markgraf,« rief der Stellmeiser keck. »Ich komme freiwillig zu Dir und biete Dir meine Dienste, Du kennst mich, wer ich bin; doch weißt Du wohl kaum, was ich Dir bieten kann. Noch ist er mächtig, Dein Feind, noch findet er Anhang in jeder Stadt, in jedem Dorfe, da sie an ihn glauben und kein märkisch Gericht über ihn gesprochen hat. Was ist meine Kunde werth, so ich solch Zeugniß wider ihn ablege, daß die ihm dienten, sich schämen, und die Hunde nicht Brod von ihm nehmen mögen?«

»Du dientest ihm?«

»Ihm? – Wir dienten so zusammen.«

»Du bist der oberste Hauptmann der Banden, die sie Stellmeiser heißen?«

»Das bin ich.«

»Und Deinem Wink gehorchten sie?«

»Sie sollen zu Euren Diensten stehn, wann wir gut dingen. Mein Wort zum Pfande.«

»Und wie Dein Name?«

»Kommt's auf den an?«

»Nicht grad viel.«

»Den alten Namen hätt' ich beinah vergessen.«

»Ich laß Dir so viel Zeit, Dich drauf zu besinnen, bis die Zimmerer zween Balken aneinander geschlagen und die Büttel den Strick zur Schlinge gedreht, daran Du hängen sollst.«

»Herr – Herr Markgraf – ist's Ernst?«

Ludewig wandte ihm den Rücken und winkte seinen Leuten. Ludewig scherzte nie. Sie flogen hinab und die Zimmerer schleppten von den Bauplätzen das Holz.

»Ich kam als freier Mann.«

»Bindet ihn, daß er daran erinnert werde, daß er's nicht mehr ist.«

»Herr – sie heißen mich den Teufel von Soltwedel – Ihr seid noch nicht lang im Lande.«

»Lang genug! daß ich weiß, wie man den Teufel bannt.«

Der alte Räuber knirschte mit den Zähnen, furchtbar blitzte sein Auge, aber er war überrascht. Er mocht's nicht denken. Eh' er sich deß versah, hatten sie ihm die Arme auf den Rücken geschnürt.

Einen Augenblick kämpfte er mit sich. Stolz wollte er den Kopf aufrichten, aber sein Auge fiel auf den Balken mit der Querstange, den sie in den lockern Grund einrammten; da wurden seine Lippen blaß, vor seinem Auge ward's dunkel. Er stürzte auf die Knie:

»Herr Markgraf – dem Gott langes Leben schenke! – Euern Feind gebe ich in Eure Hände – kein Fürstensohn ist's – nicht Markgraf Konrads Sohn – ein Müller ist er – Jacob heißt er – aus Hundeluft – sein Vater hieß Rehbock – er diente beim großen Woldemar – lange Jahre – da erfuhr er seine Heimlichkeiten.«

Ludewig hatte ihm den Rücken gewandt, als hör er ihn nicht:

»Steht auf, Ihr Rathsherren! Wie Ihr auch gefehlt habt in der Treue, es schickt sich nicht, daß Ihr mit Dem auf demselben Boden kniet.«

»Durchlauchtigster Markgraf, beschwören kann ich's vor jedem Gericht – vor Kaiser und Reich.«

Da schenkte ihm Ludwig einen Blick, aber der tiefsten Verachtung: »Ein Schwur von diesen Lippen!«

»Beweise geb ich Dir, untrügliche – unverwerfliche – zum Spott der Gassenbuben soll der Betrüger werden. Schleppe mich als Zeuge –«

Ungeduldig stampfte Ludewig auf den Boden: »Der Galgen soll Zeuge werden, was die Schlechten von mir zu gewärtigen haben.«

»Herr! Herr! gerechter Herr, ich will Deine Leute auf Schleichwege führen, lebendig lief'r ich ihn Dir in Deine Hand.«

»Ich glaube, ich ließe den Mann laufen, wenn Der ihn mir brächte. Sind die Büttel fertig?«

Es war unruhig worden, Ritter sprengten an und Staubwirbel stiegen auf. Feinde! hieß es, die Drommeter stießen in's Horn, Trommeln wirbelten, und Hans Köckeritz stürzte athemlos mit einer Meldung zum Fürsten.

Der Woldemar war im Anmarsch, der alte Markgraf wohl mit tausend Reitern, und die von Anhalt bei ihm, und der Graf von Engern, den das Volk liebte, der Held, den noch Keiner überwunden.

Zum Entsatz der Stadt ritt er an, und wohl stark genug, da sie verloren, daß er sie wieder gewinne. Das war die Meldung, und Alle wußten es, und die Hauptleute traten zu dem Herzog und riethen ihm, daß er satteln lasse auf der Stelle und blasen zum Abzug; denn sie wären abgemattet vom Sturm und zerstreut, und nimmer stark genug, daß sie den frischen Haufen widerständen.

»Wie weit sind sie noch?« sprach Ludewig.

»Kaum ein Viertel Weges.«

Ludewig maß den Staub am Himmel: »So richtet ihn.«

»Herr! um des Himmels Gnade, das ist verwegen Spiel! Das Richten hat Zeit, aber Eure Sicherheit geht vor Allem.«

»Gerechtigkeit geht Allem vor!« rief Ludewig. »Erst die Schande vertilgen, und dann um Ehre ringen.«

Sie sattelten und rüsteten, und die Drommeter schmetterten durch die Stadt und Feld, die Zerstreuten zu rufen; aber Ludewigs Aug war nur bei den Henkern, welche die Schlinge an die Querstange befestigten und den Räuber auf das Brett stellten. Seine Knie schlotterten, die Zähne klapperten als in einer Mühle, er schoß wüthige Blicke aus dem blassen Gesichte und sein Mund schnappte nach Luft.

»Herr,« flüsterte Friedrich von Lochen dem Fürsten zu: »Du thust nicht klug. Ein Hund ist er, aber halt ihn an der Kette und nutze ihn als Bluthund. Wir werden deren brauchen, um das Land zu säubern. Trauen magst Du ihm nun, denn er hat den falschen Mann verrathen. Das verzeiht er ihm nimmer.«

»Dann war ich der falsche Mann, so ich Bluthunde brauchte um mein gutes Recht.«

Der Stellmeiser stand schon auf dem Brette, kein Lüftchen wehte ihm Hoffnung zu; er griff im Fieber der Todesangst nach dem Schatten der Wolken; »Herr Markgraf! Gnade! Gerechtigkeit! Ich bin ein guter Christ! Ich bei Fercherar – ich war es – zween hundert Juden – die Brunnenvergifter – ehegestern – ich ließ sie niederhauen und würgen im Angesicht Deines Feindes. Der erboßte sich und konnt's nicht hindern.«

»Die Schlinge zu, dem Unthier, eh's noch mit mehr Worten die Luft verpestet!«

Einen durchdringenden Schrei stieß der Räuber aus, aber in Kraft der Angst hatte er die Stricke zerrissen, die seine Arme hielten und fuhr in die Schlinge hinein, ehe sie ihn erwürgte.

»Noch ein Wort – ein Wort ist frei – die Pestilenz über Euch, Dich Ludewig und Dein Haus! Betrogen! Habt Euch von einem Sterbenden ein Mährlein aufbinden lassen! Hört! Hört! Der Müller bin ich. Ich bin Jacob Rehbock. Woldemar ist der echte Markgraf. Hört's all Ihr Brandenburger; ein Todter zeugt Wahrheit.«

Das waren seine letzten Worte. All die ihn sahen und seinen letzten Blick, und das Grinsen seines Mundes, sagen, sie hätten den Teufel leibhaftig gesehen.

Sein Leichnam war kalt und die Krähen schwirrten krächzend um den Galgen, als Woldemar der Alte vor dem Gerichteten stand. Stumm hört er, auf sein Schwert gestützt, dem Ritter Bardeleben zu, den Ludewig zurückgelassen; weiß nicht, was er mit ihm verhandeln sollte.

»Wir holen sie ein!« rief der Graf von Dessau, der auf seinem ungeduldig scharrenden Rappen den abziehenden Baiern nachsah.

»Noch vor der Brücke!« sagte Heinrich. »Glück auf! Am Wiesendamm. Wir werfen sie. Es entwischt da Keiner. So wir den Baier Herzog selbst –« des Dessauer Gesicht lächelte froh.

Schon setzte der muthige Drommeter das Mundstück an die Lippen, um aus voller Lunge zum Einhauen zu blasen; da erhob Woldemar den Arm und winkte ihm:

»Blutes genug floß. Fluch dem Tropfen, der um mich noch fließt. Der Herr hat gerichtet. Es ist wieder ein Richter im Lande, und der mich gesendet, Dank und Preis ihm! hat einen Andern gesandt, der mich ablöse.«

Muthigen Rittern ist's nimmer recht, so der Feldherr Halt! ruft und die Schwerter sind schon gezückt und die Arme gehoben zum lustigen Kampfgewühl; und noch minder, wo der Sieg sie anlacht als eine holde Braut. Aber wer hätte dem Greis nicht gehorcht, der ihm in's Antlitz sah. Er sank auf das Knie und faltete die Hände zum stillen Gebet und blickte dann gen Himmel mit Augen, in denen sein Friede strahlte.

»Mein Tagewerk ist vollbracht.«

»Bei unserer lieben Frau, was ist's?« sprach der Graf von Dessau.

»Was ist's! Gottes Zeichen! Meine Hand war zu schwach, meine Macht reichte nicht aus, daß ich nur diesen Sünder strafte um eine Frevelthat, so er fast vor meinem Auge beging. Und er mußte das Blut der Juden rächen, die Schande tilgen, die – Wie, Ihr Herren, Ihr zweifelt, daß dies ein Zeichen des Herrn ist! Gönnt dem alten Manne Ruhe. Er darf den schweren Zepter niederlegen; ein jüngerer schwingt ihn kräftiger. – Nicht den Todten, den Lebendigen gehört die Erde.«

Gar sehr froh schien der alte Bardeleben, und fühlte sich hochgeehrt, da Woldemar auf ihn den Arm stützte und so schritt er langsam der Stadt zu. Sie läuteten nicht mit den Glocken, die Gewerke kamen ihm nicht mit den Fahnen, noch die Rathsleute mit Schlüsseln entgegen, aber ehrerbietig machten sie Platz; die Weiber weinten und schluchzten, baarhäuptig und tief sich neigend, standen die Männer, manchem auch eine Thräne im Aug.

Im Volke hieß es, sie wollen sich vertragen um die Krone. Ludewig der Römer hat den alten Bardeleben abgesandt, daß er mit dem alten Woldemar in Güte verhandle. Andere schalten das Thorheit. Der von Rechten der Fürst des Landes sei, könne nicht verhandeln mit Einem, den Kaiser und Reich erkannt als Betrüger. Aber da die Fürsten von Anhalt und Sachsen ihre Hände von ihm abgezogen, sei er gezwungen worden zu entsagen. Das Volk hat es nie erfahren, warum Woldemar abgedankt hat, und die Fürsten haben es nie verkündet, es blieb eine große Heimlichkeit.

Viele große Herren, Geistliche, Fürsten, und auch Commissare des Kaisers kamen in die Stadt, ohne großes Gepränge, noch gab es Festlichkeiten und Schmausereien. Desto mehr ward in der Stille verhandelt; aber wie viel Volkes auch vor dem grauen Hause stand, darin er wohnte, und sie tagfahrteten dort, stritten auch oft heftig, keiner von allen Bürgern hat ihn zu Gesicht bekommen. Da ging das Gerede, sie hätten's nicht ehrlich mit ihm gemeint, und hielten ihn in Ketten und wollten ihn heimlich abthun; ja Einige wollten, sie hätten ihn auf die Folter gelegt. Ja, eines Tages wäre beinahe ein Aufruhr ausgebrochen, sie wollten den lieben alten Herrn durchaus sehn, und dem Erzbischof von Magdeburg, der sie beschwichtigen wollte, warfen sie Kohlstrünke und faule Aepfel an den Kopf, und schalten ihn einen Lügenschmied. Sie wären in's Haus eingedrungen, und hätte es auch Blut gekostet, so nicht Heinrich heraustrat und ihnen sein Ritterwort gab, daß der alte Markgraf wohl sei, und ihm werde kein Haar gekrümmt. Dem glaubten sie.

Auch ward er in Ehren gehalten und es ging ihm nichts ab. Nur hatte er ihnen versprochen, daß er sich nicht mehr dem Volke zeige. Ein saueres Versprechen; aber er ließ sich viel dagegen geloben. Das hat nie Einer erfahren, was da geschrieben ward, gelobt und beschworen zu Frommen der Brandenburger und zumal Aller, so am Hause Anhalt gehalten. Das forderte Woldemar, und ließ sich kein Titelchen abdingen; so hat er noch für sein Volk gesorgt, da er das Heft aus Händen gab. Für sich hat er nicht gedingt und nichts gefordert.

»Gelobt sei der Herr und Sanct Moritz! so wären wir denn nun endlich im Reinen,« sprach der Erzbischof von Magdeburg am dritten Tag. »Ihr zieht in der Stille ab, lieber Mann, sobald es dunkelt und laßt Euch nimmer wieder im Lande sehen.«

Woldemar richtete sich im Lehnstuhl auf und schaute den Sprecher verwundert an.

»Ihr habt's geschworen, lieber Herr,« sagte der Bischof, dem der Blick gar nicht gefiel.

»Ich schwor's und halte meinen Schwur.«

»Nun was ist denn noch zu thun?«

»Sehr viel, dünkt mich, Herr Erzbischof von Magdeburg; denn noch bin ich Markgraf von Brandenburg,« sprach Woldemar und stand auf.

Sie sahen ihn befremdlich an. Der Erzbischof legte die Feder weg.

»Verzeiht, mein lieber Markgraf, das ist ja Alles abgethan. Punkt für Punkt, wie wir's verabredet.«

»Wie es werden soll! Mich dünkt, die Hauptsach fehlt noch, Ihr vergaßt, Hochwürdiger Herr, daß ich noch Markgraf bin, Kurfürst, Erzkämmerer des Reichs.«

Sie wußten nicht, was er meinte.

»Wie! Oder bläst man des Kaisers Belehnung, des Reiches Anerkenntniß wie ein Staubfäserchen von der Hand? Noch bin ich Markgraf, Ihr Herren, von Gott und Rechtswegen. Wer will's mir nehmen? Nun aber bin ich's nicht mehr,« sprach er mit anderer Stimme und legte ein Pergament auf den Tisch.

Er neigte sich tief vor den Anwesenden und ging.

Der Kanzler des Magdeburgers las die Urkund vor, die anhub: Wir Woldemar von Gottes Gnaden – und er entsagte darin dem Reich in festen Worten, sie konnten's nicht bestimmter wünschen, aber stolz, als ein Fürst und wie ein lebenssatter Mann, der sein Werk gethan hat, und eine Bürde abwirft.

Die Herren schwiegen vor großer Verwunderung. »Das ist zu arg!« riefen einige; andere: »So ist's recht. Er hat geendet, als er anfing.«

»Dulden wir's!« sprach ein baierscher Rath.

Der Erzbischof von Magdeburg stand auf: »Factum est Ihr Herrn. Nehmt, was Ihr kriegt und seid zufrieden. Es ist ein Factum. Er läßt sich nichts von abdingen. Sieben Jahr habt Ihr um das Markgrafthum gestritten; bei Sanct Moritz, Ihr müßt noch sieben Jahr um des Kaisers Bart streiten. Er läßt nicht von dem Recht.«

»So war's doch ein Recht!« athmete froh der alte Bardeleben auf. »Wir dienten keinem falschen Manne.«

Auf Nebenwegen durch Wald und Heide, kaum berührten sie ein Dorf, zog der alte Woldemar aus der Mark. Kein Jubelgeschrei um ihn, keine Blumen und Kränze, kein Glockengeläut. War's auch, als ob der Himmel traure; er hatte sich in ein grau Wolkenkleid gehüllt. Dann und wann träufelte es feucht. So still ritten auch Die um ihn; stiller ist kein Leichenzug.

Nun hatten sie die Grenze erreicht. Die Begleiter winkten sich zu; sie wollten's ihm nicht merken lassen und ruhig weiter ziehen. Aber er kannte die Bäume und sah den Hügel wohl, daran sie ihn vorüber führen wollten.

»Das ist kein Hühnengrab, das ist meines Reiches Ende,« sprach der Markgraf und stieg vom Pferde. Er kniete nieder und betete lange, das Gesicht gen Morgen. Die von Anhalt, Heinrich und etliche Treue, darunter der lahme Thürmer, geleiteten ihn noch weiter. Die Brandenburgischen, die ihm das Geleit gaben, mußten umkehren. Da, als Woldemar dem Bardeleben die Hand reichte, überkam's den; er stürzte auf die Knie und drückte sie an die Lippen.

»Vergieb mir Herr, was ich Dir Schlimmes that.«

»Du thatest immer Recht. Wollte Gott, ihrer wären Viele als Du in meinem Brandenburg.«

»Ach, mein armes Land,« seufzte der Ritter, »das seine Besten ausstößt.«

»Es werden Bessere kommen und bessere Zeiten.«

Da trennten sie sich und sahen sich nicht wieder.

Im freundlichen Land Dessau lebte noch mehrere Jahre ein alter Ritter; der ward fürstlich gehalten, und die Herrn von Anhalt ehrten ihn als einen Vater. Liebliche Kinder, die er seine Enkel nannte, spielten um seine Kniee, und als er das Sonnenlicht zum letzten Male gesehen, schloß eine schöne Frau sein müdes Auge. Die drückte Heinrich an seine Brust und sprach: »Er war ein edler Mann!«

Die Baierherrschaft dauerte in der Mark noch achtzehn Jahr, da erst ward Karl von Böhmen, wonach er so lange getrachtet, Herr des Landes, nicht durch Waffengewalt, durch Vertrag. Er war kein guter Kaiser, aber ein guter Markgraf, und es kamen gute Zeiten. Doch sie dauerten nicht lang, nicht länger als er sein kluges Auge auf hatte. Noch schlimmer ward es dann, und es dauerte ein Jahrhundert von Woldemars Tode ab, bis wieder bessere kamen, und es ward besser mit jedem neuen Jahrhundert. Gebe der Herr, daß es immer besser wird!


E n d e.


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