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Vorwort.

Die Fenier-Verschwörung, welche den Anfang dieses Bandes bildet, ist weit mehr als ein merkwürdiger Criminalproceß, sie ist eine Zeiterscheinung von der größten Bedeutung für das Verhältniß zwischen England und Irland. Die fenische Brüderschaft besteht seit sieben Jahren als ein Geheimbund, dessen Zwecke und Organisation noch nicht vollkommen aufgeklärt sind. Gewiß ist, daß er die Unabhängigkeit Irlands von England erstrebt und daß seine Glieder von Haß und Grimm gegen die Engländer erfüllt sind, weil sie in diesen die Zwingherren ihres Vaterlandes bekämpfen. Man hat früher über die Fenier-Bewegung gespottet und in ihr nichts weiter sehen wollen als das hoffnungslose Unternehmen etlicher Tollköpfe. Seit den letzten Jahren ist man indeß zu einer andern Ueberzeugung gelangt. Die Fenier sind stark genug gewesen, einen förmlichen Aufstand zu organisiren, sie haben mit einer seltenen Kühnheit der Polizei die Spitze geboten und mit einer Entschlossenheit, die vor keinem Mittel zurückschrak, den Kampf gegen die Uebermacht aufgenommen.

Wir hoffen, daß die Leser aus unserer Darstellung ein annähernd treues Bild von der Verschwörung der Fenier bekommen werden. Deshalb haben wir eine historische Skizze vorausgeschickt und dann über die beiden wichtigsten Fenier-Processe den Acten und den Verhandlungen gemäß berichtet.

Der erste dieser beiden Processe betrifft die gewaltsame Befreiung des Fenier-Obersten Kelly in der Nähe von Manchester am 13. September 1867, bei welcher der Sergeant Brett erschossen wurde. Die drei Angeklagten Allen, Gould und Larkie haben schwerlich unschuldig den Tod am Galgen erlitten, aber ein seltsames Zeichen der Zeit war es allerdings, daß England, das sich mit seiner Freiheit so übermäßig brüstende England, gegen politische Verbrecher den Henker zu Hülfe rufen mußte. Was aus dem Obersten Kelly geworden, weiß niemand; wir vermuthen, daß der Corrector Edward Martin, welcher vor kurzem infolge eines Sturzes mit der Droschke starb und unter zahlreicher Betheiligung der in London lebenden Fenier begraben wurde, identisch ist mit jenem Obersten.

Der zweite Proceß behandelt die fürchterliche Pulverexplosion vom 13. December 1867. Um einen verhafteten Fenier zu befreien, sollte die Gefängnißmauer in die Luft gesprengt werden. Wirklich wurde eine Bresche gelegt, zugleich aber wurden Häuser zerschmettert und fünfzig Menschen theils getödtet, theils verwundet. Das Attentat steht in der Geschichte der letzten Jahrzehnte einzig da; es beweist, wie hoch der Fanatismus der Fenier gestiegen ist.

Schon mehreremal hat die Regierung von England versichert, das Fenierthum sei bezwungen und unschädlich gemacht; wir glauben es nicht, wir glauben auch nicht, daß nur wenige den niedrigsten Ständen angehörige Männer dem Bunde angehören. Der Bund erstreckt sich vielmehr über Irland, England und Nordamerika, er zählt viele und zum Theil angesehene Personen zu Mitgliedern, und was ihn stark macht, ist die Sympathie des Volks, dessen nationale Sache er verficht. Erst wenn England volle Gerechtigkeit gegen Irland übt, wird die Verschwörung der Fenier zu Ende sein.

 

Der Buchbindermeister Wittmann, welcher aus niedriger Habsucht seine Frauen und Kinder vergiftete, und Timm Thode, welcher aus demselben Beweggrunde Aeltern und Geschwister erschlug, sind zwei Mörder, deren entsetzliche Verbrechen große Verwandtschaft miteinander haben. Es wird uns leichter, einen Charakter wie den Wittmann's zu verstehen, denn er hat Vorläufer und namentlich Vorläuferinnen in unserm »Pitaval«, die er freilich in der Kunst, Wahnsinn zu simuliren, weit übertrifft. Timm Thode dagegen ist ein psychologisches Räthsel. Wir haben versucht, es zu lösen, bescheiden uns aber gern, daß es uns nicht vollständig gelungen ist.

 

Der Bootsmann Paulino Torio, ein heißblütiger Matrose aus San-Tomas, würde ein größeres Anrecht auf unsere Theilnahme haben, wenn er nur die Geliebte, die seine Liebe verschmähte, erdolcht und nicht auch den Raubmord in Teufelsbrück verübt hätte. Uebrigens ist dieser Fall der letzte im alten Inquisitionsverfahren verhandelte, den wir aus Hamburg mittheilen. Endlich ist auch dort der Anklageproceß verbunden mit Öffentlichkeit und Mündlichkeit eingeführt und somit die Strafrechtspflege auf diejenige Basis gestellt worden, die man als die richtige jetzt fast überall anerkennt.

Die That des Leinwebers Miles Weatherhill hat ohne Zweifel den Tod verdient, denn ein dergestalt vorbereiteter, so entschlossen und so consequent ausgeführter Mord aus Rache, noch dazu aus Rache, für die so gut wie gar kein Grund vorlag, ist ein Unicum in den Annalen des Criminalrechts. Wir stehen auch in diesem Falle vor einem nicht leicht lösbaren Räthsel und hätten gern über die letzten Tage des Mörders noch eingehendere Mittheilungen gehabt, um Aufschluß über die ganze eigenthümliche Persönlichkeit des Mannes zu erhalten, von dem uns gesagt wird, daß er aufrichtige Reue gezeigt und die Gerechtigkeit des Urtheils anerkannt habe.

Der Wildschütz Hermann Klostermann paßt offenbar nicht in unsere Zeit, die aller Romantik feind ist. In manchen Gegenden Deutschlands wird der Wilddiebstahl auch heute noch als Gewerbe getrieben, und es sind uns z. B. einzelne im Thüringerwalde gelegene Orte bekannt, wo jedermann weiß, wer ein berüchtigter Wilddieb ist; allein Exemplare wie Klostermann mögen doch sehr vereinzelt sein. Wir sind daher dem Herrn Schwurgerichtspräsidenten, welcher diesen Fall für unser Werk bearbeitet hat, zu besonderm Danke verpflichtet.

Die Selbstanzeige der Witwe Kruschwitz in Gassen und Der Tod des Rentier Peter Tirier dürfen auf das Interesse in weitern Kreisen rechnen, weil in beiden Fällen Fragen der gerichtlichen Medicin eine bedeutende Rolle spielen und der Ausspruch der Geschworenen wesentlich mit davon abhängig war, welchem von den einander widersprechenden Gutachten die Jury Glauben schenken wollte. Wir sind übrigens damit einverstanden, daß in beiden Processen die Freisprechung der Angeschuldigten erfolgt ist, denn wo der objective Thatbestand nicht einmal festzustellen ist, wie in dem ersten Falle, oder wo die Indicien so schwach sind und der Hauptsachverständige so unzuverlässig ist, wie in dem zweiten Falle, da haben die Geschworenen gewiß die Pflicht, ein non liquet auszusprechen.

Eisenach, im October 1869.
Dr. A. Bollert.


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