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Das christliche Festkleid.

An einem heiteren Frühlingsmorgen, dem Festtage unseres Stadtpatrons St. Benno, kehrte ich mit meiner Schwester Adelgunde vom Gotteshause heim und überlegte den folgenden, so wohlthuenden Gedanken aus der Predigt des hochwürdigen, nunmehrigen Herrn Abtes Haneberg, dessen Worte stets meinem Herzen eingeprägt bleiben mögen.

Dieselben lauteten: »Wir sollen Gott während unseres Lebens ein Festkleid sticken, dessen Blumen die Tugenden darstellen.«

Bald beschäftigte ich mich, die mannigfaltigen, mir hiezu geeignet erscheinenden Blumen zu wählen, die ich theils im Haine und in Wäldern, theils in Wiesen und Gärten geistig aufsuchte.

Als schwaches Sinnbild des christlichen Glaubens erschien mir die Immortelle, für die Hoffnung erkohr ich die Christblume, welche zur Weihnachtszeit im Verborgenen herrlich aufblüht. Für Unschuld und Bescheidenheit weiß ich keinen geeigneteren Vergleich, als die hiefür allgemein geltenden Blumen: Lilie und Veilchen. Die Moosrose, dessen schöner Purpur sich theilweise in unansehnlichem Grün verbirgt, bietet das Gleichniß zweier Tugenden, der Liebe mit Demuth vereint.

Könnte ich für den Gehorsam wohl einen geeigneteren Vergleich finden, als die Passionsblume, welche unermüdet ihr Kreuz, das der Schöpfer in ihren zarten Blüthenkelch gelegt, während ihres ganzen Erdenlebens trägt!

Als Bild der Sanftmuth wähle ich die Reseda, da sie rings um sich einen milden Duft verbreitet. Die Mäßigkeit, ein würdiger Schmuck von Hütte, Palast, gleicht dem Steinbrech, das sich mit wenig Erde begnügt, um seinen purpurnen Stiel zu erheben, der mit zarten Blüthenkelchen geziert, nicht nur den einsamen Felsen, sondern auch prächtigen Gärten zum Schmucke dient.

Mit der Gerechtigkeit, die von uns fordert, daß wir unsere Pflicht sowohl gegen Gott, als gegen unseren Nächsten erfüllen, vergleiche ich einen blühenden Lindenzweig; denn ein süßer Wohlgeruch steiget als Weihrauch aus dem kleinen Blüthenkelche zum Himmel empor, während derselbe wohlthätig auf leidende Erdenbewohner wirkt.

Das freundliche Tausendgüldenkraut bietet ein Bild der Barmherzigkeit dar, welche das Almosen, sei es leiblich oder geistig, den Nothleidenden spendet.

Die vielen mannigfaltigen Glockenblumen welche sowohl unter der Schneedecke, als auch im Maimonate, in der schönen Sommerzeit, im Herbst zwischen dürren, herabgefallenen Blättern und im Winter als Treibhauspflanzen blühen und mit ihren Kelchen gleichsam fort und fort läuten, sind vergleichbar der Dankbarkeit, welche in unserem Herzen von frühester Kindheit bis zum höchsten Alter Gott loben und preisen soll.

Die vielertragende Geduld hat Aehnlichkeit mit dem Haidekraut, das nicht nur in den kalten Nächten des Februars, sondern auch während der brennenden Julihitze lieblich blühet.

Die Tugend des Fleißes, welcher von der zartesten Jugend bis zum hohen Greisenalter die Hände beschäftigt, sehe ich in dem kleinen Maaßliebchen, das den Wiesenteppich emsig durchwebt, angefangen vom ersten sonnigen Lenztage, bis das schneeige Leichentuch sich darüber breitet.

Da sich Jesus Christus selbst den Weinstock nannte, so scheint mir ein blühender Rebzweig das geeignetste Bild der Ergebung in Gottes heiligen Willen.

O, möchten doch Alle von uns dereinst mit solchem Festkleide geschmückt eingehen zur Pforte des Himmels!


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