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II.

Die Gefangenen.

Es herrschte einige Secunden ein drohendes Schweigen.

Die beiden Männer standen einander gegenüber und maßen sich mit den Blicken.

Don Melchior war es, der zuerst das Schweigen brach.

»Ah! ah! ah!« lachte er hönisch, indem er wieder auf den Rand seiner Hängematte zurücksank. »Hatte ich denn so großes Unrecht, als ich behauptete daß Ihr hier her gekommen seid, um mich zu ermorden?«

Der Abenteurer biß sich ärgerlich auf die Lippen und steckte die unglücklichen Revolver ein.

»Nun,« rief er mit vibrirender Stimme, »ich wiederhole Euch, daß ich Euch nicht tödten werde, Ihr seid nicht werth, von der Hand eines rechtschaffenen Menschen zu sterben; aber ich werde Euch zu zwingen wissen, mir die Wahrheit zu gestehen.«

Der junge Mann blickte ihn mit seltsamem Ausdruck an.

»Versuchet es!« sagte er verächtlich die Schultern zuckend.

Darauf begann er nachlässig eine feine Cigarette aus Maisstroh zwischen seinen Fingern zu drehen, zündete sie an und ließ gegen die Decke eine bläuliche, wohlriechende Rauchwolke ausströmen.

»Wohlan,« fuhr er fort, »ich warte auf Euch.«

»Gut; meine Vorschläge sind folgende: da Ihr mein Gefangener seid, so werde ich Euch Eure Freiheit nicht eher wiedergeben, als bis Ihr Donna Dolores nicht mir, sondern dem Grafen de-la-Saulay zugeführt habt, der sie ungesäumt heirathen soll.«

»Hm! dies ist zu überlegen Herr; Ihr seht ein, daß ich der rechtmäßige Vormund meiner Schwester bin.«

»Wie, ihr Vormund?«

»Ja, da mein Vater todt ist.«

»Don Andrès de-la-Cruz ist todt?« rief der Abenteurer und sprang auf.

»Leider ja,« erwiderte der junge Mann, indem er heuchlerisch die Augen gen Himmel erhob; »wir haben den Kummer gehabt, ihn vorgestern Abend zu verlieren, gestern Morgen ist er beerdigt worden. Der arme Greis ist den schrecklichen Leiden, die über unsere Familie hereingebrochen sind, unterlegen, der Schmerz hat sein Herz gebrochen; sein Ende ist sehr rührend gewesen.«

Es herrschte eine tiefe Stille; Olivier ging im Zimmer auf und nieder. Plötzlich blieb er vor dem jungen Manne stehen.

»Ohne Umschweife,« sagte er zu ihm, »wollt Ihr Eurer Schwester die Freiheit wiedergeben, ja oder nein?«

»Nein!« antwortete Don Melchior entschlossen.

»Gut,« erwiderte der Abenteurer, »um so schlimmer für Euch.«

In diesem Augenblick ging die Thür auf und ein junger, elegant gekleideter Mann trat in das Zimmer.

Bei dem Anblick dieses jungen Mannes schwebte ein schlaues Lächeln über Don Melchior's Gesicht.

»Ah!« sagte er zu sich selbst, »die Dinge könnten sich doch anders gestalten, als dieser theure Don Adolfo vermuthet.«

Der junge Mann grüßte höflich und näherte sich dem Herrn des Hauses, mit welchem er einen Händedruck austauschte.

»Ich störe Euch wohl,« fragte er, indem er einen gleichgültigen Blick auf den Mönch warf.

»Im Gegentheil, lieber Don Diego, Ihr konntet zu keiner gelegeneren Zeit kommen; aber welcher Zufall führt Euch zu so ungewöhnlicher Stunde her?«

»Ich komme, um Euch eine gute Nachricht zu bringen. Der Graf de-la-Saulay, Euer besonderer Feind, ist in unserer Gewalt; da er jedoch Franzose ist und man gewisse Rücksichten deshalb nehmen muß, so hat der General beschlossen, ihn unter guter Escorte zu unserm erlauchten Präsidenten zu schicken. Eine andere gute Nachricht ist die, daß Ihr mit der Führung dieser Escorte betraut seid.«

»Demonios!« rief Don Melchior triumphirend aus, »Ihr seid ein braver Freund. Aber jetzt hört auch mich: betrachtet diesen Mönch genau, erkennt Ihr ihn nicht, nein? Nun, dieser Mann ist kein Anderer, als jener Abenteurer, der sich Don Adolfo, Don Olivier, Don Jaime, wie weiß ich noch nennt, und der uns seit so langer Zeit vergeblich verfolgte.«

»Wäre es möglich?« rief Don Diego.

»Es ist die Wahrheit,« versetzte Don Adolfo.

»Noch bevor eine Stunde vergeht, werdet Ihr als Verräther und Bandit erschossen werden,« rief Don Melchior.

Don Adolfo zuckte verächtlich die Achseln.

»Es ist richtig, daß dieser Mann erschossen werden wird,« bemerkte Don Diego, »aber dem Präsidenten allein kommt es zu, sein Schicksal zu bestimmen; er behauptet, ein Franzose zu sein.«

»Ah! was, alle diese Dämonen gehören wohl dieser verdammten Nation an?« rief Don Melchior außer Fassung gebracht.

»Meiner Treu! das weiß ich Euch nicht zu sagen; da indessen dieser Mann ein sehr lästiger Gefährte ist und Euch vielleicht hinderlich sein könnte, so werde ich ihn mit einer besondern Escorte zu dem Präsidenten führen.«

»Nein, nein, wenn Ihr mir gefällig sein wollt, so verzichtet Ihr darauf, ich gedenke ihn im Gegentheil selbst mitzunehmen; seid unbesorgt, ich werde solche Vorsichtsmaßregeln treffen, daß er sehr schlau sein müßte, wenn er mir entschlüpfen sollte; allein es wäre gut, ihn zu entwaffnen.«

Der Abenteurer übergab schweigend seine Waffen an Don Diego.

In diesem Augenblick trat ein Diener ein und meldete, daß die Escorte auf der Straße warte.

»Es ist gut,« sagte Don Melchior, »so laßt uns aufbrechen.«

Der Diener reichte seinem Herrn eine Machete, ein paar Pistolen und eine Zarape, und schnallte ihm die Sporen an.

»Nun laßt uns gehen,« befahl Don Melchior.

»Wohlan, Sennor Don Adolfo, oder wie sonst Euer Name ist,« sprach Don Diego, »seid so gut, voran zu gehen.«

Der Abenteurer gehorchte schweigend.

Fünfundzwanzig bis dreißig Soldaten in etwas phantastischer, größtentheils zerlumpter Tracht, und eher Banditen, als ehrlichen Soldaten ähnlich, harrten ihrer auf der Straße.

Diese Soldaten waren sämmtlich gut beritten und bewaffnet.

In ihrer Mitte befand sich der Graf de-la-Saulay und seine beiden Diener, die streng überwacht wurden; ein Lächeln der Freude verklärte das Gesicht Don Melchior's bei dem Anblick des Edelmanns; dieser dagegen that, als bemerke er seine Anwesenheit nicht.

Für Don Adolfo war ein Pferd bereit, auf einen Wink Don Diego's schwang er sich in den Sattel und ritt an die Seite des Grafen, mit dem er einen herzlichen Händedruck austauschte.

»Nun, mein Freund,« wandte sich Don Diego zu Don Melchior, der bereits im Sattel saß, »glückliche Reise! Ich kehre nach dem Gouvernement zurück.«

»So lebt wohl!« entgegnete Don Melchior, und die Escorte setzte sich in Marsch.

Es war ungefähr zwei Uhr Nachmittags. Die größte Hitze des Tages war vorüber, die Läden wurden wieder geöffnet, und die auf ihren Thürschwellen stehenden Kaufleute betrachteten gähnend die vorüberziehenden Soldaten.

Don Melchior ritt der Truppe um einige Schritte voraus; seine Haltung war kalt und abgemessen, er suchte vergeblich seine Freude zu unterdrücken, die er darüber empfand, endlich seine unversöhnlichsten Feinde in seiner Gewalt zu haben.

Man befand sich bereits seit längerer Zeit außerhalb der Stadt, als der Lieutenant, welcher die Escorte befehligte, sich Don Melchior näherte.

»Unsere Leute sind ermüdet,« sagte er zu ihm, »es wird Zeit sein, ein Lager für die Nacht aufzuschlagen.«

»Ich bin es zufrieden,« antwortete dieser, »vorausgesetzt, daß es an einem sichern Orte geschieht.«

»Einige Schritte von hier,« erwiderte der Lieutenant, »kenne ich einen verlassenen Rancho, der uns vollkommen Schutz bietet.«

»So laßt uns dahin gehen.«

Der Lieutenant kehrte zu der Truppe zurück und bald darauf schlugen die Soldaten einen kaum passirbaren Weg ein, der durch ein dichtes Gehölz führte.

Nach ungefähr Dreiviertelstunden erreichten sie einen weiten Platz, in dessen Mitte sich der verheißene Rancho erhob.

Der Offizier gab Befehl, abzusteigen.

Die Soldaten gehorchten eifrig: sie schienen nach ihren Strapazen der Ruhe sehr zu bedürfen.

Nachdem Don Melchior vom Pferde gestiegen war, trat er in den Rancho, um die innere Beschaffenheit desselben in Augenschein zu nehmen.

Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt, so wurde er unvermuthet ergriffen, in eine Zarape gewickelt, gebunden und geknebelt, bevor er Zeit gewann, eine unnütze Vertheidigung zu versuchen.

Nach einigen Minuten vernahm er Säbelgeklirr und das Geräusch sich entfernender Schritte außerhalb des Rancho, die Soldaten oder wenigstens ein Theil derselben hatte ihn verlassen, ohne sich weiter um ihn zu bekümmern.

Fast gleich darauf wurde er bei den Füßen und den Schultern gefaßt, von der Erde aufgehoben und fortgetragen. Nach einigen raschen Schritten schien es ihm, als würde er eine Treppe hinabgetragen, die sich unter der Erde befand. Ungefähr zehn Minuten darauf wurde er sanft auf ein weiches Bett niedergelegt, welches, wie er vermuthete, aus Pelzwerk bestand, und man ließ ihn allein.

Eine tiefe Stille umgab den Gefangenen, er war wirklich allein.

Endlich ließ sich ein leichtes Geräusch vernehmen; dasselbe kam näher und wurde stärker, mehre Personen, deren Schritte auf dem Sande knirschten, schienen sich ihm zu nähern.

Plötzlich hörte das Geräusch auf.

Der junge Mann fühlte, daß er wieder aufgehoben und weiter getragen wurde.

Dies dauerte eine ziemlich lange Zeit, seine Träger wechselten sich zuweilen ab.

Endlich machte man von Neuem Halt; an der frischen Luft, welche sein Gesicht berührte, bemerkte der Gefangene, daß man den unterirdischen Gang verlassen hatte und daß er sich im freien Felde befand.

Man legte ihn auf die Erde nieder.

»Laßt den Gefangenen frei,« sagte eine Stimme, dessen trockener Ton dem jungen Mann auffiel.

Sogleich wurden seine Banden gelöst, sein Knebel und die über seinen Augen befindliche Binde entfernt.

Don Melchior sprang auf und blickte um sich.

Der Ort, an dem er sich befand, war der Gipfel eines ziemlich hohen, in einer weiten Ebene befindlichen Hügels. Die Nacht war finster, ein wenig zur Rechten leuchteten in der Ferne die Häuser Puebla's wie Sterne.

Der junge Mann bildete den Mittelpunkt einer bedeutenden Anzahl Männer, die einen Kreis um ihn geschlossen hatten.

Diese Männer trugen Masken; jeder von ihnen hielt eine Pechfackel in der Hand, deren durch den Wind bewegte Flamme mit ihrem blutigen Schein die Abhänge der Landschaft beleuchtete und ihr einen phantastischen Anstrich verlieh.

Don Melchior erbebte, ein Schauder des Schreckens durchrieselte seinen Körper; er erkannte, daß er in der Gewalt der Mitglieder jener geheimnißvollen Freimaurerverbindung war, zu welcher er selbst gehörte und deren Zweige sich über das ganze mexikanische Gebiet ausdehnen.

Es herrschte eine so tiefe Stille auf dem Hügel, daß die Männer in ihrer kalten Unbeweglichkeit Statuen zu gleichen schienen und Don Melchior den raschen Schlag seines Herzens vernehmen konnte.

Da trat ein Mann einige Schritte auf ihn zu.

»Don Melchior de-la-Cruz,« sagte er, »wißt Ihr, wo Ihr seid und in wessen Gegenwart Ihr Euch befindet?«

»Ich weiß es,« erwiderte er mit gepreßten Lippen.

»Erkennt Ihr Euch dem Urtheil der Männer, von denen Ihr umgeben seid, unterworfen?«

»Ja, weil sie die Gewalt in den Händen haben, und weil jeder Widerstand und jede Verwahrung meinerseits, eine Thorheit sein würde.«

»Nun, nicht aus diesem Grunde seid Ihr dem Urtheil dieser Männer unterworfen, und Ihr wißt es wohl,« erwiderte kalt der maskirte Mann, »sondern weil Ihr freiwillig ein Bündniß mit ihnen geschlossen habt, und indem Ihr das thatet, ihre Gesetze angenommen und ihnen das Recht gegeben habt, sobald Ihr den geleisteten Schwur brecht, von ihnen gerichtet zu werden.«

Don Melchior zuckte verächtlich die Schultern.

»Wozu sollte ich eine vergebliche Vertheidigung versuchen,« sagte er, »bin ich nicht im Voraus verurtheilt! So führt den Richterspruch aus, den Ihr bereits in Eurem Innern über mich verhängt habt.«

Der maskirte Mann schleuderte ihm einen flammenden Blick zu.

»Don Melchior,« begann er von Neuem mit harter und tief accentuirter Stimme, »Ihr erscheint weder als Vater-, noch als Schwestermörder, noch als Räuber vor diesem Tribunal, ich wiederhole es Euch, sondern als Vaterlandsverräther, und ich fordere Euch auf, Euch zu vertheidigen.«

»Und ich will es nicht,« antwortete er mit lauter und fester Stimme.

»Es sei,« fuhr der Mann kalt fort, darauf steckte er seine Fackel in den Boden und wandte sich zu den Umstehenden.

»Brüder,« sprach er, »welche Strafe hat dieser Mann verdient?«

»Den Tod,« antworteten einstimmig die maskirten Männer.

Don Melchior blieb unbewegt.

»Ihr seid zum Tode verurtheilt,« wiederholte Derjenige, der bis jetzt das Wort geführt hatte, »das Urtheil wird hier vollzogen werden, Ihr habt eine halbe Stunde Zeit, um Euch vorzubereiten, vor Gott zu erscheinen.«

»Auf welche Weise soll ich sterben?« fragte nachlässig der junge Mann.

»Durch den Strang.«

»Dieser Tod ist eben so gut, wie jeder andere,« versetzte in ironischem Tone der junge Mann.

»Wir haben nicht das Recht, die Seele mit dem Körper zu tödten,« fing der Mann von Neuem an; »ein Priester wird Eure Beichte hören.«

»Habt Dank,« entgegnete Don Melchior lakonisch.

Der Mann blieb noch einen Augenblick vor Don Melchior stehen, als hätte er eine andere Antwort von ihm erwartet, als er aber bemerkte, daß jener schwieg, ergriff er seine Fackel wieder, trat zwei Schritte zurück, schwenkte sie mehrmals und löschte sie zu seinen Füßen aus.

Auch die übrigen Fackeln erloschen in demselben Augenblick; ein leichtes Rauschen trockener Blätter und zerbrochener Zweige ließ sich vernehmen, dann war Alles still.

Don Melchior war allein.

Indessen täuschte sich der junge Mann nicht über diese scheinbare Einsamkeit, er wußte, daß seine Feinde, obwohl unsichtbar, fortfuhren, ihn zu überwachen.

So verhärtet die Seele des Menschen auch sein mag, so groß auch seine Energie ist, selbst wenn er schon hundertmal dem Tode getrotzt haben mag, so kann er, wo er mit zwanzig Jahr sich kaum auf der Schwelle des Lebens befindet und die Zukunft ihm durch das bezaubernde Prisma der Jugend lächelt, nicht vollkommen gleichgültig vom Leben zum Tode übergehen, ohne eine plötzliche Entnervung aller geistigen Kräfte und eine entsetzliche Todesangst zu empfinden, hauptsächlich, wenn in voller Kraft und Jugend der Tod plötzlich über ihn hereinbricht, welcher ihm den Stempel der Schande aufdrückt.

So litt denn auch Don Melchior, trotz seines Muthes und seiner Willenskraft, eine entsetzliche Todesqual; an jedem seiner Haare, welche das Entsetzen auf seinem Kopfe emporsträubte, perlte ein kalter Schweißtropfen, seine Züge waren furchtbar verzerrt und eine leichenartige, erdfahle Blässe bedeckte sein Gesicht.

In diesem Augenblick legte sich eine Hand sanft auf seine Schulter. Er schauderte, als habe ihn ein electrischer Schlag getroffen, und hob rasch den Kopf in die Höhe.

Ein Mönch stand vor ihm, das herabgelassene Capuchon bedeckte sein Gesicht.

»Ah!« sagte er und erhob sich, »da ist der Priester.«

»Ja,« entgegnete dieser mit leiser aber vollkommen deutlicher Stimme, »kniee nieder, mein Sohn, ich will Deine Beichte hören.«

Der junge Mann bebte bei dem Tone dieser Stimme, die ihm bekannt zu sein schien, seine Blicke hafteten feurig und fragend auf dem vor ihm stehenden Mönch.

Dieser kniete nieder und winkte ihm, es eben so zu machen. Don Melchior gehorchte mechanisch.

Diese beiden, auf dem Gipfel des kahlen Hügels knieenden Männer, schwach beleuchtet durch den zitternden Schein der Laterne, welche die Finsterniß, die sie von allen Seiten umgab, noch düsterer erscheinen ließ, boten ein seltsames und ergreifendes Schauspiel dar.

»Man überwacht uns,« sprach der Mönch; »beherrschet die Züge Eures Gesichts und hört mich an, wir haben keinen Augenblick zu verlieren; erkennt Ihr mich?«

»Ja,« flüsterte Don Melchior, der, einen Freund an seiner Seite fühlend, sich unwillkürlich an die Hoffnung klammerte, das Gefühl, welches zuletzt in dem Herzen des Menschen erstirbt, »Ihr seid Don Antonio de-Cacerbar.«

»Angethan mit den Kleidern, die ich in diesem Augenblick trage,« fuhr Don Antonio fort, »war ich im Begriff nach Puebla zu gehen, als ich plötzlich von maskirten Männern umgeben wurde, die mich fragten, ob ich ein geweihter Priester sei. Auf meine bejahende Antwort, welche ich ganz zufällig gegeben, um mein Incognito nicht zu brechen, da dies mein einziger Schutz gegen meine Feinde ist, nahmen mich die Männer mit und führten mich hier her. Ich habe Eurer Verurtheilung beigewohnt, indem ich für mich selbst zitterte, wenn ich durch diese Männer erkannt wäre, denen ich das erste Mal bereits nur durch ein Wunder entschlüpfte; aber was auch geschehen möge, ich bin entschlossen, Euer Schicksal zu theilen. Habt Ihr Waffen?«

»Nein, was sollten mir auch Waffen gegen eine so beträchtliche Anzahl Feinde?«

»Um tapfer Euer Leben zu vertheidigen und ehrlich zu fallen, anstatt schimpflich gehängt zu werden.«

»Ihr habt Recht!« rief der junge Mann.

»Schweigt, Unglücklicher,« sagte Don Antonio rasch, »nehmt diesen sechsläufigen Revolver und diesen Dolch; ich habe dasselbe für mich.«

»Seid unbesorgt,« erwiderte Don Melchior, indem er die Waffen an seine Brust drückte, »jetzt fürchte ich sie nicht mehr.«

»Gut, so wollte ich Euch sehen; doch hört noch dies: Zur Rechten unten am Hügel erwarten uns gesattelte Pferde, wenn es uns gelingt, sie zu erreichen, sind wir gerettet.«

»Wie es auch kommen mag, Don Antonio, habt Dank, wenn es Gottes Wille ist, daß wir entkommen ...«

»Versprecht mir nichts,« unterbrach ihn lebhaft Don Antonio, »es wird später Zeit sein, unsere Rechnung abzuschließen.«

Der Mönch ertheilte seinem Beichtkinde die Absolution.

Einige Minuten verflossen; endlich erhob sich Don Melchior, seine Haltung war stolz und sicher, er war gewiß, nicht ungerächt zu sterben.«

Plötzlich umringten die maskirten Männer von Neuem den Gipfel des Hügels.

Der, welcher bis dahin allein gesprochen hatte, näherte sich dem Verurtheilten, neben welchen sich Don Antonio gestellt hatte, wie um ihn in seinen letzten Augenblicken zu ermahnen.

»Seid Ihr bereit?« fragte der Unbekannte.

»Ich bin es,« antwortete Don Melchior kalt.

»Richtet den Galgen auf und zündet die Fackeln an,« befahl der Mann.

Darauf trat eine große Bewegung in der Menge ein, es herrschte eine augenblickliche Verwirrung; die Eingeweihten waren so vollkommen überzeugt, daß dem Verurtheilten jede Flucht unmöglich sei, auch war es so wenig wahrscheinlich, daß er sich seinem Schicksal zu entziehen suchen würde, daß sie einige Minuten ihre Wachsamkeit aufgaben.

Don Melchior und sein Freund benutzten diesen Moment der Unachtsamkeit.

»Kommt,« rief Don Antonio, indem er den ihm zunächststehenden Mann zu Boden stieß, »folgt mir.«

»Vorwärts!« widerholte Don Melchior kühn, indem er sich mit seinem Revolver bewaffnete und seinen Dolch ergriff.

Sie stürzten mitten durch die Menge, theilten rechts und links Schläge aus und bahnten sich einen Weg mit dem Dolch in der einen, dem Revolver in der andern Hand.

Wie alle verzweifelte Handlungen, so gelang auch diese eben wegen ihrer Thorheit; es herrschte eine furchtbare Verwirrung, ein großartiger Kampf fand zwischen den so unvermuthet überfallenen Eingeweihten und den beiden Männern statt, die entschlossen waren, zu fliehen oder mit den Waffen in der Hand zu sterben. Dann vernahm man den rasenden Galopp zweier Pferde und eine spöttische Stimme, die von Weitem rief:

»Auf Wiedersehen!«

Don Melchior und Don Antonio flohen mit Windeseile auf dem Wege nach Puebla dahin.

Jede Hoffnung, sie zu erreichen, war vergeblich; übrigens hatten sie eine blutige Spur hinter sich gelassen; zehn Leichname lagen auf der Erde.

»Halt!« rief Don Adolfo denen zu, die auf ihre Pferde zustürzten, »laßt sie fliehen, Don Melchior ist verurtheilt, sein Tod ist gewiß; aber,« setzte er hinzu, »wer war dieser verdammte Mönch?«

Leo Carral, der Haushofmeister, neigte sich zu ihm und flüsterte:

»Den Mönch habe ich wieder erkannt, es ist Don Antonio de-Cacerbar.«

»Ah!« antwortete er zornig, »wieder dieser Mensch!«

Einige Minuten später ritt eine Cavalcade von ungefähr zehn Männern in raschem Trabe der Hauptstadt Mexiko's zu.

An der Spitze dieser Cavalcade befand sich Don Jaime oder Olivier, oder Adolfo, wie der Leser ihn zu nennen belieben mag.


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