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I.

Die Ueberraschung.

Schweigend setzten sie also ihren Ritt bis zum Abend fort.

Mit Sonnenuntergang erreichten sie einen verfallenen Rancho, der wie ein Vorposten am Rande des Weges stand; hier machten die Reiter auf einen Wink des Abenteurers Halt.

Ein Mann trat aus dem Rancho, betrachtete sie eine Weile schweigend und ging dann wieder in das Haus zurück.

Einige Minuten verstrichen; der Mann erschien von Neuem, diesmal kam er hinter dem Rancho hervor und führte zwei Pferde am Zügel.

Diese Pferde waren gesattelt.

Der Abenteurer und Dominique sprangen ab, nahmen die Alforjas und Pistolen, legten dieselben auf die frischen Pferde und schwangen sich in den Sattel.

Da kehrte der Mann ein zweites Mal zurück und führte zwei andere Pferde für Loïck und Lopez herbei, dann ergriff er die Zügel der vier Pferde und entfernte sich, dieselben hinter sich herführend.

»Vorwärts!« rief Don Jaime.

Sie brachen auf.

Der schweigsame und rasche Ritt begann von Neuem; die Nacht war finster, die Reiter glitten wie Gespenster in der Dunkelheit dahin.

So ging es die ganze Nacht; gegen fünf Uhr Morgens wechselten sie abermals die Pferde in einem halb zerstörten Rancho; diese Männer schienen von Eisen zu sein; seit fünfzehn Stunden im Sattel, war noch keine Ermüdung an ihnen zu bemerken.

Während dieses langen Rittes war kein Wort zwischen ihnen ausgetauscht worden.

Gegen zehn Uhr Morgens sahen sie in den leuchtenden Strahlen der Sonne die Thürme von Puebla glänzen; sie hatten hundertundsechsundzwanzig Kilometer, welche diese Stadt von Mexiko trennen, in weniger als zwanzig Stunden auf fast grundlosen Wegen zurückgelegt.

Ungefähr eine halbe Meile von der Stadt entfernt, machten sie auf ein Zeichen des Abenteurers, anstatt ihren Weg in gerader Linie fortzusetzen, eine Wendung und schlugen einen kaum gebahnten Weg ein, der durch ein Gehölz führte.

So galoppirten sie wohl eine Stunde hinter Don Jaime her, der sich an die Spitze der Cavalcade gesetzt hatte. Bald erreichten sie eine Brandstätte, welche einen ziemlich weiten Platz einnahm. In der Mitte desselben erhob sich eine Enramada.

»Wir haben unser Ziel erreicht,« sagte der Abenteurer, indem er sein Pferd anhielt und abstieg, »hier werden wir einstweilen unser Hauptquartier aufschlagen.«

Seine Gefährten sprangen ebenfalls ab und begannen ihren Pferden das Sattelzeug abzunehmen.

»Wartet,« begann er von Neuem. »Du, Loïck, wirst Dich nach Deinem Rancho begeben, wo in diesem Augenblick der Graf de-la-Saulay und seine Diener sich befinden, und Beide hierher führen; Lopez dagegen wird für Mundvorräthe sorgen.«

»Wir werden also die Beiden hier unter der Enramada erwarten?« fragte Dominique.

»Nein, denn ich gehe nach Puebla.«

»Fürchtet Ihr nicht, erkannt zu werden?«

Der Abenteurer lächelte.

Don Jaime und der Vaquero blieben allein. Sie führten ihre Pferde fort und nahmen ihnen den Zügel ab, damit sie das weiche Gras des Platzes abweiden konnten.

»Folgt mir,« sagte Don Jaime.

Dominique gehorchte.

Sie traten unter die Enramada.

Man nennt in Mexiko Enramada eine Art Hütte, die aus Baumzweigen geflochten und mit anderen Zweigen und Laub bedeckt ist; solche anscheinend höchst elenden Hütten bieten indessen hinreichenden Schutz gegen Regen und Sonnenstrahlen.

Diese Enramada, besser gebaut als die anderen, war durch eine Wand von geflochtenen Zweigen, welche bis zum Dache reichte, in zwei gleiche Hälften getheilt.

Don Jaime begab sich sogleich in die zweite Abtheilung. Dominique, der seit einigen Augenblicken sehr nachdenklich schien, folgte ihm.

Der Abenteurer entfernte einen Haufen Heu und trockener Blätter und begann mit seiner Machete die Erde aufzuwerfen.

Dominique sah ihm mit Erstaunen zu.

»Was macht Ihr denn da?« fragte er endlich.

»Ihr seht es, ich mache den Eingang zu einem unterirdischen Gange frei, helft mir,« sprach er. Beide begannen zu arbeiten. Bald darauf wurde ein breiter, glatter Stein sichtbar, in dessen Mitte sich ein Ring befand.

Als der Stein aufgehoben war, erblickte man grob in den Felsen gehauene Stufen.

»Steigen wir hinab,« sagte der Abenteurer.

Letzterer hatte mit Hülfe eines Streichhölzchens eine Lampe angezündet.

Dominique warf einen neugierigen Blick um sich: der Ort, an dem er sich befand, und der sieben bis acht Meter unter dem Erdboden lag, bildete eine Art achteckigen Saal von ziemlich weitem Umfange; vier Gänge, die unter der Erde hinliefen, mündeten an verschiedenen Stellen.

Dieser Saal war reichlich mit Waffen aller Art angefüllt; man erblickte darin Harnische und Geschirre, ein aus Blättern und Pelzwerk errichtetes Bett und, auf einem an der Wand aufgehängten Brettchen, eine Reihe Bücher.

»Ihr seht hier eine meiner Zufluchtsstätten,« sagte lächelnd der Abenteurer, »ich besitze deren mehrere die auf dem ganzen mexikanischen Gebiet zerstreut liegen. Dieses unterirdische Gemach datirt aus der Zeit der Aztequen, seine Existenz ist vor mehren Jahren durch einen alten Indianer entdeckt worden. Ihr wißt, daß die Provinz, in welcher wir uns befinden, in alten Zeiten geheiligtes Gebiet der mexikanischen Religion und mit Tempeln bedeckt war. Die unterirdischen Gänge dienten den Priestern dazu, sich von einem Ort zum andern zu begeben, ohne entdeckt zu werden, und so den Wundern, welche sie auszuüben behaupteten, mehr Kraft zu verleihen. Später dienten sie den von den spanischen Eroberern verfolgten Indianern als Zufluchtsort; dieser, in welchem wir uns befinden, der auf der einen Seite bei der Pyramide von Cholula und auf der andern mitten in Puebla mündet, ohne die andern Ausgänge zu rechnen, ist schon öfters während des Unabhängigkeitskrieges den mexikanischen Insurgenten sehr nützlich gewesen. Heute kennt Niemand die Existenz desselben, dieses Geheimniß ist nur mir bekannt.«

Der Vaquero war mit dem lebhaftesten Interesse diesem Bericht gefolgt.

»Verzeiht,« erwiderte er, »aber eins ist mir unbegreiflich.«

»Was meint Ihr?«

»Ihr habt mir soeben mitgetheilt, daß wenn Jemand unvermuthet hierher käme, wir sogleich davon benachrichtigt werden würden.«

»Ja, das habe ich Euch in der That gesagt.«

»Ich begreife nicht, auf welche Weise das geschehen könnte.«

»Es ist sehr einfach: Ihr seht dort jenen Gang, nicht wahr?«

»Ja.«

»Er mündet auf eine Oeffnung von ungefähr einem Meter im Viereck, die mit Strauchwerk bedeckt und unmöglich zu erkennen ist, dieselbe befindet sich gerade dem Eingang des Weges gegenüber, durch welchen man allein in das Gehölz dringen kann. Nun aber wird in Folge seltsamer Akustik, deren Erklärung ich Euch nicht zu geben vermag, jedes Geräusch, selbst das leiseste, welches in der Nähe dieser Oeffnung sich vernehmen läßt, hier augenblicklich mit solcher Klarheit wiederholt, daß es leicht ist, die Natur desselben zu unterscheiden.«

»Oh! dann bin ich beruhigt.«

»Ueberdies werden wir, sobald die Personen, die wir erwarten, angekommen sind, diese Oeffnung, deren wir ferner nicht bedürfen, verstopfen, und wir können durch den Gang, der sich hinter Euch öffnet, kommen und gehen.«

Während der Abenteurer seinem Freunde diese Erklärung gab, hatte er einen Theil seiner Kleider abgelegt.

»Was macht Ihr denn aber!« fragte Dominique von Neuem.

»Ich verkleide mich, um auf Kundschaft auszugehen und zu hören, wie unsere Sachen in Puebla stehen. Die Einwohner dieser Stadt sind sehr religiös, es wimmelt darin von Klöstern, ich werde daher das Gewand eines Camaldulensermönchs anlegen, unter dessen Schutz ich meinen Beschäftigungen nachgehen kann, ohne fürchten zu müssen, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.«

Der Vaquero hatte sich auf das Pelzwerk niedergesetzt, und lehnte in Gedanken versunken, gegen die Mauer.

»Was habt Ihr nur, Dominique? Ihr scheint traurig zu sein,« bemerkte Don Jaime nach einer Weile.

Der junge Mann schauderte, als fühle er plötzlich den Biß einer Schlange.

»Ich bin in der That betrübt, Herr,« murmelte er.

»Habe ich Euch nicht gesagt, daß wir Donna Dolores wiederfinden werden?« sprach Don Jaime.

Dominique bebte, sein Gesicht wurde leichenblaß.

»Herr,« sagte er, indem er gebeugten Hauptes aufstand, »verachtet mich, ich bin ein Elender.«

»Ein Elender, Ihr Dominique, bei Gott! Ihr lügt!«

»Nein, Herr, ich sage die Wahrheit, ich habe meine Pflicht verkannt, meinen Freund verrathen, Eure Rathschläge vergessen;« er seufzte tief und fügte leise hinzu: »Ich liebe die Braut meines Freundes.«

Der Abenteurer richtete seinen klaren Blick mit unbeschreiblichem Ausdruck auf ihn.

»Ich wußte es,« antwortete er.

Domingo schauderte und sich rasch aufrichtend, rief er gänzlich niedergeschmettert:

»Ihr wußtet es?«

»Ja, ich wußte es,« wiederholte Don Jaime.

»Und Ihr verachtet mich nicht?«

»Weshalb? Ist man Herr seiner Gefühle?«

»Aber sie ist die Braut des Grafen, meines Freundes!«

Der Abenteurer antwortete nicht auf diesen Ausruf.

»Und liebt sie Euch?« begann er wieder.

»Oh! wie soll ich das wissen?« erwiderte er, »ich habe es kaum mir selbst zu gestehen gewagt.«

Es herrschte ein langes Schweigen.

Indem der Abenteurer fortfuhr, sich umzukleiden, prüfte er den jungen Mann verstohlen.

»Der Graf liebt Donna Dolores nicht,« sagte er endlich.

»Wie? wäre es möglich!« rief Jener feurig aus.

Don Jaime brach in Lachen aus.

»So sind die Liebenden!« versetzte er, »sie begreifen nicht, daß Andere nicht mit denselben Augen sehen wie sie.«

»Aber er soll sie heirathen.«

»Er soll,« sagte er, das Wort absichtlich betonend.

»Ist er nicht allein zu diesem Zweck nach Mexiko gekommen?«

»Allerdings.«

»Ihr seht also, daß er sie heirathen wird.«

Der Abenteurer zuckte die Achseln.

»Euer Schluß ist absurd,« entgegnete er, »weiß der Mensch jemals, was er thun wird? – ist er Herr selbst des nächsten Tages?«

»Aber seitdem das Unglück über die Familie Donna Dolores' und über sie selbst hereingebrochen ist, versucht er das Unmögliche, um das junge Mädchen zu retten.«

»Das beweist, daß der Graf ein vollkommener Edelmann und ein Ehrenmann ist, weiter nichts; überdies ist er ihr Verwandter und er thut seine Pflicht, indem er sie zu retten versucht, selbst mit Gefahr seines Lebens und seines Vermögens.«

Dominique zuckte mehrmals die Schultern.

»Er liebt sie,« sagte er.

»So drehe ich den Satz um, Donna Dolores liebt ihn nicht.«

»Ihr glaubt.«

»Ich bin dessen sicher.«

»Oh! wenn ich mich überzeugen könnte, würde ich hoffen.«

»Ihr seid ein Kind; jetzt gehe ich, erwartet mich hier; überhaupt gebt mir Euer Wort, Euch nicht vor meiner Rückkehr zu entfernen.«

»Ich gebe es Euch.«

»Wohlan, ich werde für Euch arbeiten, hoffet; auf baldiges Wiedersehen.«

Und ihm ein letztes Lebewohl mit der Hand winkend, entfernte sich der Abenteurer durch einen Seitengang.

Der junge Mann blieb träumerisch stehen, so lange die sich entfernenden Schritte seines Freundes sein Ohr erreichten, dann sank er wieder auf das Pelzlager nieder und murmelte mit leiser Stimme:

»Er hat mir zu hoffen erlaubt.«

Wir werden hier Dominique seinen Reflexionen überlassen, die, seinem Gesichtsausdruck nach zu urtheilen, angenehm sein mußten, und Don Jaime auf seiner abenteuerlichen Expedition folgen.

Die unterirdische Wohnung lag ungefähr eine halbe Meile von der Stadt entfernt, Don Jaime mußte also etwas länger als eine halbe Stunde seinen Weg unter der Erde fortsetzen, bevor er Puebla erreichte.

Aber dieser etwas weite Weg schien ihn nicht zu beunruhigen, er ging raschen Schrittes durch den Gang, der durch unbemerkbare Spalten hinreichendes Licht empfing, um sich leicht inmitten der unzähligen Krümmungen, die er zu machen genöthigt war, zurecht zu finden.

Nach Dreiviertelstunden gelangte er endlich an eine Treppe, die aus fünfzehn Stufen bestand.

Der Abenteurer stand einen Augenblick still, um Athem zu schöpfen, dann ging er hinauf.

Sobald er die höchste Stufe der Treppe erreicht hatte, suchte er nach einer Feder, die er bald fand, drückte mit dem Finger darauf, und sogleich löste sich ein ungeheurer Stein aus der Mauer, drehte sich in unsichtbaren Angeln und es öffnete sich ein ziemlich breiter Raum. Don Jaime ging hinaus und ließ den Stein wieder zurückfallen, der sogleich seine erste Lage wieder einnahm, und sich so vollkommen schloß, daß man selbst mit der größten Aufmerksamkeit nicht die geringste Spaltung in der Mauer wahrnehmen konnte.

Don Jaime schaute prüfend um sich, er war allein.

Der Ort, an dem er sich befand, war eine Kapelle der Hauptkirche von Puebla; die geheime Pforte, welche den Abenteurer eingelassen, öffnete sich in einem Winkel dieser Kapelle, welcher durch einen Beichtstuhl verdeckt war.

Die Vorsichtsmaßregeln waren so gut getroffen, daß man keine Gefahr lief, entdeckt zu werden.

Don Jaime verließ die Kirche und befand sich auf der Plaza Mayor.

Es war gegen Mittag, die Zeit der Siesta, der Platz beinahe leer.

Der Abenteurer schlug seine Capuze über die Augen nieder, verbarg seine Hände in seinen Aermeln, und ging gesenkten Hauptes, mit ruhigem und gemessenem Schritt schräg über den Platz in eine der auf denselben mündenden Straßen.

So gelangte Olivier an das Thor eines reizenden Hauses, welches sich, zwischen Hof und Garten erbaut, aus einem Bouquet von Orangen- und Granatblüthen zu erheben schien.

Das Thor war nur durch einen Riegel verschlossen; der Abenteurer zog ihn zurück, trat ein und schob ihn wieder vor.

Er befand sich in einer mit Sand bestreuten Allee, die einen Bogengang bildete und zu der Thür des um einige Stufen höher liegenden Hauses führte, vor welchem sich nach mexikanischer Sitte eine breite Veranda hinzog.

Olivier blickte spähend um sich, der Garten war leer.

Er schritt weiter, aber anstatt nach dem Hause zu lenken, trat er in eine Seitenallee ein und gelangte nach einigen Umwegen vor eine Nebenthür, die wahrscheinlich für die Dienerschaft bestimmt war.

Dort angelangt, zog er eine silberne Pfeife hervor, die er an einer feinen goldenen Kette um seinen Hals trug, und ließ einen sanft modulirten Ton erschallen.

Sogleich antwortete ein ähnlicher Pfiff aus dem Innern des Gebäudes, die Thür wurde geöffnet und ein Mann erschien.

Der Abenteurer machte diesem Manne das Zeichen der Freimaurer, dieser antwortete ihm auf die gleiche Weise und folgte ihm in das Haus.

Schweigend führte er ihn durch mehre Gemächer; endlich an einer Thür angelangt, öffnete er dieselbe und ließ den Abenteurer eintreten, worauf er sie hinter ihm schloß und draußen blieb.

Das Zimmer, in welchem der Abenteurer sich befand, war elegant meublirt, breite, vor den Fenstern befindliche Rouleaux hielten die Sonnenstrahlen ab, der Boden war mit einer jener weichen Matten bedeckt, wie nur die Indianer sie zu verfertigen wissen, eine Hängematte von Aloegarn, an silbernen Ringen befestigt, die an eben solchen Krampen hingen, theilte das Gemach in zwei Hälften.

In dieser Hängematte lag ein Mann ausgestreckt in festem Schlafe.

Dieser Mann war Don Melchior de-la-Cruz; neben ihm auf einem niedrigen Holztisch lag ein Messer mit silbernem Griff und langer, scharfer Klinge, neben zwei prächtigen sechsläufigen Revolvern, französisches Fabrikat, auf deren Lauf der Name Dévisme eingravirt war.

Selbst mitten in Puebla, in seinem eigenen Hause hielt es Don Melchior für nothwendig, sich gegen einen Ueberfall oder Verrath zu schützen.

Uebrigens hatten seine Befürchtungen nichts Ungewöhnliches, denn der Mann, der sich in diesem Augenblick vor ihm befand, konnte mit gutem Recht für einen seiner furchtbarsten Feinde gelten.

Der Abenteurer betrachtete ihn einige Secunden; dann schritt er mit unhörbaren Schritten auf die Hängematte zu.

Er nahm die Revolver, verbarg dieselben unter seinem Kleide, und nachdem er auch das Messer ergriffen hatte, berührte er leicht den Schläfer.

So leicht diese Berührung auch war, so reichte sie dennoch hin, Don Melchior aus dem Schlafe zu wecken.

Er schlug sogleich die Augen auf und streckte mechanisch den Arm nach dem Tische aus.

»Es ist unnöthig,« sagte Olivier kalt zu ihm, »die Waffen sind nicht mehr dort.«

Bei dem Tone dieser wohlbekannten Stimme, schnellte Don Melchior wie durch eine Feder in die Höhe und starrte mit verstörtem Blick den vor ihm unbeweglich stehenden Mann an.

»Wer seid Ihr?« fragte er mit vor Schreck erstickter Stimme.

»Habt Ihr mich denn nicht schon erkannt?« antwortete spöttisch der Abenteurer.

»Wer seid Ihr?« wiederholte er.

»Ah! Ihr wollt Gewißheit, sei es, blicket mich an!« und er warf sein Capuchon zurück.

»Don Adolfo!« murmelte der junge Mann dumpf.

»Weshalb dieses Erstaunen?« versetzte der Abenteurer noch immer in spottendem Tone; »erwartetet Ihr mich nicht? mußtet Ihr nicht vermuthen, daß ich Euch aufsuchen würde.«

Don Melchior blieb eine Weile in Gedanken versunken.

»Sei es,« sagte er endlich; »nach Allem ist es besser, ein für alle Mal zu Ende zu kommen.«

Und er drehte sich herum und setzte sich anscheinend ruhig und sorglos auf den Rand der Hängematte.

Olivier lächelte.

»Nun,« sagte er, »es ist mir lieber, Euch so zu sehen; plaudern wir, wir haben Zeit.«

»Ihr kommt also zu dem Zweck, mich zu ermorden,« sagte Jener.

»Oh! welch' schlechten Gedanken habt Ihr da, theurer Herr! Ich sollte Euch nach dem Leben trachten! Oh, nein, Gott bewahre mich davor, das ist die Sache des Henkers, ich würde mich wohl hüten, in die Fußtapfen dieses schätzbaren Beamten zu treten.«

»Thatsache ist,« rief Don Melchior hochmüthig, »daß Ihr Euch bei mir wie ein Missethäter unter einer Verkleidung eingeführt habt, ohne Zweifel, um mich zu ermorden.«

»Ihr wiederholt Euch, das ist ungeschickt; wenn ich verkleidet zu Euch kam, so geschah es, weil die Umstände diese Vorsicht forderten; überdies bin ich nur Eurem Beispiele gefolgt;« und indem er plötzlich seinen Ton änderte, setzte er hinzu: »Apropos, seid Ihr von Juarez befriedigt? Hat er Euch Euren Verrath gut bezahlt? Ich habe gehört, daß er ein ziemlich geiziger und filziger Indianer sein soll; er wird sich begnügt haben, Euch Versprechungen zu machen, nicht wahr?«

Don Melchior lächelte verächtlich.

»Seid Ihr deshalb auf so geheimnißvolle Weise zu mir gekommen, um diese Armseligkeiten zu sagen?« gab er zur Antwort.

Der Abenteurer richtete sich auf, ergriff mit jeder Hand einen Revolver, trat auf ihn zu und ihn mit unbeschreiblicher Verachtung messend, rief er mit donnernder Stimme:

»Nein, Elender, ich bin gekommen, um Euch niederzuschießen, wenn Ihr mir nicht sagt, was Ihr mit Eurer Schwester Donna Dolores gemacht habt!«


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