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IV.

El Rayo.

Zu der Zeit, in welche unsere Geschichte fällt, zog in Mexiko ein Mann alle Neugier, allen Schrecken und was mehr ist, alle Sympathieen auf sich.

Dieser Mann war El Rayo, das heißt der Donner.

Wer war el Rayo? Woher kam er? Was that er?

Auf diese drei, obwohl sehr kurzen Fragen wußte Niemand mit Gewißheit zu antworten.

Und dennoch cursirten Gott weiß welche wunderbare Sagen über ihn.

Hier in wenigen Worten, was man Sicheres über ihn wußte.

Gegen das Ende des Jahres 1857 war er plötzlich auf dem Wege erschienen, der von Mexiko nach Vera-Cruz führt, dessen Ueberwachung er alsdann auf seine Weise übernommen hatte. Die Fracht- und Postwagen anhaltend, die Reisenden beschützend oder ein Lösegeld von ihnen fordernd, indem er die Reichen zu einem leichten Aderlaß ihrer Börsen zu Gunsten ihrer vom Glück weniger begünstigten Gefährten veranlaßte, nöthigte er die Escortenführer, die Personen, die ihrem Schutz anvertraut worden waren, gegen die Angriffe der Salteadores zu vertheidigen.

Niemand konnte sagen, ob er jung oder alt, schön oder häßlich, braun oder blond war, denn Keiner hatte je sein Gesicht unbedeckt gesehen. Was seine Nationalität anbetrifft, so war sie eben so wenig zu erkennen; er sprach mit derselben Leichtigkeit und mit derselben Eleganz Castillianisch, Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch.

Diese geheimnißvolle Persönlichkeit war von Allem vollkommen unterrichtet, was sich auf dem Gebiete der Republik ereignete; er kannte nicht allein die Namen und sociale Stellung der Reisenden, mit denen es ihm beliebte sich zu beschäftigen, sondern er wußte sogar geheime Einzelnheiten, die sie oft stark compromittirten.

Noch seltsamer als Alles, was wir berichtet haben, ist, daß El Rayo immer allein war und niemals zögerte, seinen Gegnern, so groß auch ihre Anzahl war, in den Weg zu treten. Wir müssen hinzufügen, daß der Einfluß seiner Gegenwart auf diese Leute so groß war, daß sein Anblick genügte, um jeden Gedanken an Widerstand zu verbannen, und daß eine Drohung von ihm ein Beben des Schreckens bei Denen hervorrief, an die er das Wort richtete.

Die beiden Präsidenten der Republik, die um einander auszustechen, einen erbitterten Krieg führten, hatten, Jeder für sich, zu wiederholten Malen versucht, die Landstraße von einem so unbequemen Caballero, der ihnen ein gefährlicher Mitbewerber zu sein schien, zu befreien; aber alle ihre Versuche waren ohne jedes Resultat gescheitert: el Rayo, stets von allen Bewegungen der zu seiner Verfolgung ausgesandten Soldaten, man wußte nicht auf welche Weise, unterrichtet, erschien immer unvermuthet vor ihnen, vereitelte ihre Listen und zwang sie zu einem schmählichen Rückzuge.

Einmal indessen hoffte die Regierung Juarez', daß el Rayo den zu seiner Gefangennahme getroffenen Maßregeln nicht entwischen würde.

Man hatte vernommen, daß er seit einigen Tagen die Nächte in einem in geringer Entfernung von Paso-del-Macho gelegenen Rancho zubrachte; sogleich wurde ein Detachement von zwanzig Dragonern, unter Befehl Carvajals, eines der grausamsten und entschlossensten Guerrilleros, im Geheimen nach Paso-del-Macho gesandt.

Der Commandant hatte den Befehl seinen Gefangenen, sobald er sich seiner bemächtigt haben würde, zu erschießen, wahrscheinlich um ihm zu einer Flucht, während man ihn von Paso-del-Macho nach Vera-Cruz transportirte, keine Zeit zu lassen.

Das Detachement brach also in aller Eile auf; die Dragoner, denen man eine große Belohnung versprochen hatte, wenn sie ihr gefährliches Unternehmen glücklich zu Ende führten, waren vollkommen bereit, ihre Pflicht zu thun, beschämt darüber, daß sie schon seit so langer Zeit von einem einzigen Manne im Schach gehalten wurden, und erfreut, endlich Revanche dafür zu nehmen.

Die Soldaten langten bei dem Rancho an; ungefähr zwei Meilen von Paso-del-Macho waren sie einem Mönche begegnet, welcher, die Capotte über sein Gesicht geschlagen und auf einem elenden Maulesel reitend, seinen Rosenkranz betend, dahertrabte.

Der Commandant hatte den Mönch aufgefordert, sich seiner Truppe anzuschließen, was dieser auch nach einigem Zögern gethan hatte. In dem Augenblick wo das Detachement, welches in ziemlicher Unordnung marschirte, den Rancho bald erreichen mußte, stieg der Mönch von seinem Maulesel ab.

»Was macht Ihr denn da, Pater?« fragte ihn der Befehlshaber.

»Ihr seht es wohl, mein Sohn, ich steige ab; meine Geschäfte rufen mich nach einem in geringer Entfernung gelegenen Rancho, und indem ich Euch Euren Weg fortsetzen lasse, bitte ich um die Erlaubniß, Euch verlassen zu dürfen, indem ich für Eure angenehme Gesellschaft, welche Ihr mir seit unserer Begegnung leistetet, herzlich danke.«

»Oh! oh!« meinte der Commandant mit rohem Gelächter, »dies wird nicht angehen, Pater, wir können uns nicht auf diese Weise trennen.«

»Weshalb denn nicht, mein Sohn?« fragte der Mönch, indem er, seinen Maulesel am Zügel führend, sich dem Officier näherte.

»Aus einem sehr einfachen Grunde, mein würdiger Bruder ...«

»Pancratio, zu dienen, Sennor Caballero,« versetzte, sich verbeugend, der Mönch.

»Pancratio, wohl, es sei,« erwiderte der Officier. »Ich bedarf Eurer, oder, um ganz offen zu sein, Eures Dienstes, mit einem Wort, es handelt sich darum, die Beichte eines zum Tode verurtheilten Mannes zu hören.«

»Und wen meint Ihr?«

»Kennt Ihr el Rayo, Sennor Pater?«

» Santa Virgen! ob ich ihn kenne, erlauchter Commandant.«

»Wohlan, er ist es, der sterben soll.«

»Ihr habt ihn verhaftet?«

»Noch nicht, aber in wenigen Minuten wird es geschehen sein, ich suche ihn.«

»Ah bah! wo ist er denn?«

»Seht dort, in jenem Rancho, den Ihr von hier aus bemerkt,« antwortete der Officier, sich gefällig zu dem Mönch neigend und den Arm in der angegebenen Richtung ausstreckend.

»Ihr seid dessen sicher, erlauchter Commandant?«

»Caraï! ob ich dessen gewiß bin?«

»Nun, ich glaube, Ihr irrt Euch.«

»Hm? was wollt Ihr damit sagen, solltet Ihr vielleicht etwas wissen?«

»Gewiß, weiß ich etwas, weil ich selbst el Rayo bin, verfluchter Spitzbube!«

Und bevor der Officier, bestürzt durch diese plötzliche Eröffnung, die zu erwarten er weit entfernt war, seine Kaltblütigkeit wieder erlangt hatte, ergriff ihn El Rayo bei den Beinen, warf ihn auf die Erde, schwang sich an seiner Statt in den Sattel und stürzte, zwei sechsläufige Revolver unter seinem Kleide hervorziehend, auf das Detachement los, gab mit beiden Händen zugleich Feuer, indem er sein schreckliches Kriegsgeschrei: El Rayo! el Rayo! ertönen ließ.

Die Soldaten ebenso und noch mehr als ihr Officier von diesem unerwarteten Angriff überrascht, lösten sich in Unordnung auf und flohen nach allen Richtungen.

Nachdem El Rayo durch das ganze Detachement gedrungen war, von dem er sieben Mann tödtete und den achten vom Pferde warf, mäßigte er plötzlich den schnellen Lauf seines Thieres und machte einige hundert Schritt von demselben mit verächtlicher Miene Halt – ohne daß ihn die Dragoner, die nur an eine Flucht dachten, zu verfolgen suchten, sondern ihren Officier verließen, – wendete um und kehrte zu diesem zurück, welcher noch immer für todt auf dem Erdboden lag. »He! Commandant,« sagte er zu ihm und sprang zur Erde, »hier ist Euer Pferd, nehmt es zurück, es wird Euch dazu dienen, Eure Soldaten wieder einzuholen; was mich anbetrifft, so bedarf ich desselben nicht mehr, ich werde Euch im Rancho erwarten, wo Ihr mich zu Eurem Empfange, wenn Ihr noch den Wunsch haben solltet, mich zu verhaften und erschießen zu lassen, bis morgen früh acht Uhr finden werdet; auf Wiedersehen.«

Darauf grüßte er mit der Hand, bestieg seinen Maulesel und schlug die Richtung nach dem Rancho ein, wo er wirklich eintrat.

Wir haben nicht nöthig hinzuzufügen, daß er friedlich bis zum Morgen schlief, ohne daß der Officier und die auf seine Verfolgung so erbitterten Soldaten, es gewagt hätten, seine Ruhe zu stören; sie waren nach Vera-Cruz zurückgekehrt, ohne hinter sich zu blicken.

So war der Mann, dessen unerwartetes Erscheinen inmitten der Escorte der Berline den Soldaten einen so großen Schrecken verursachte und ihren Muth vollkommen erstarrt hatte.

El Rayo blieb einen Augenblick ruhig, kalt und finster den vor ihm gruppirten Soldaten gegenüber, darauf sagte er mit kurzer, rein accentuirter Stimme:

»Sennor, es scheint mir, als habet Ihr vergessen, daß Keiner außer mir das Recht hat, auf den Landstraßen der Republik als Herr zu befehlen. Sennor Don Felippe Neri,« setzte er hinzu und wandte sich zu dem einige Schritte von ihm unbeweglich harrenden Officier, »Ihr könnt mit Euren Leuten zurückkehren, der Weg ist bis Puebla vollkommen frei; Ihr versteht mich, nicht wahr?«

»Ich verstehe Euch, Caballero, indessen scheint mir,« setzte der Colonel zögernd hinzu, »daß es meine Pflicht ist, zur Escorte ...«

»Kein Wort weiter,« unterbrach ihn heftig el Rayo, »erwäget meine Rede wohl, und vor Allem benutzet sie. Diejenigen, die Ihr einige Schritte von hier zu finden hofftet, sind nicht mehr dort; die Leichname mehrer von ihnen dienen in diesem Augenblick den Geiern zur Speise. Das ist für heute eine verlorene Partie, glaubt mir, wendet um.«

Der Officier zögerte zum zweiten Mal, dann ritt er um einige Schritte vorwärts.

»Sennor,« begann er mit vor Bewegung zitternder Stimme, »ich weiß nicht, ob Ihr ein Mensch oder ein Dämon seid, um also, allein gegen Alle, Euren Willen tapferen Männern aufzulegen: sterben ist nichts für einen Soldaten, wenn er Angesichts des Feindes geschlagen wird; einmal schon bin ich vor Euch zurückgewichen, ich will nicht ferner, daß es also sei, heute tödtet mich, aber beraubt mich nicht meiner Ehre.«

»Ich höre Euch gern so sprechen, Don Felippe,« erwiderte kalt El Rayo, »die Tapferkeit steht einem Soldaten gut; trotz Eurer räuberischen Gewohnheiten, sehe ich mit Freuden, daß es Euch nicht an Muth gebricht, ich verzweifle nicht, Euch später zur Besserung zu führen, wenn nicht eine Kugel rasch den Faden Eures Lebens durchschneidet und plötzlich den Lauf Eurer guten Absichten hemmt. Gebt Euren Soldaten, die wie Feiglinge zittern, den Befehl, einige Schritte zurückzuweichen, ich werde Euch die Genugthuung gewähren die Ihr begehrt.«

»Ach! Caballero,« rief der Officier, »sollte es möglich sein, daß Ihr einwilligt?«

»Mein Leben gegen das Eure einzusetzen,« unterbrach ihn spöttisch El Rayo; »warum nicht? Ihr wünscht eine Lehre, diese Lehre sollt Ihr haben.«

Ohne einen Augenblick zu verlieren, wandte sich der Officier, um seine Soldaten zurücktreten zu lassen, ein Manöver, welches diese mit dem löblichsten Eifer ausführten.

Don Andrès de-la-Cruz – denn jetzt werden wir ihm seinen wirklichen Namen beilegen – hatte als sehr interessirter Zuschauer dieser ganzen Scene beigewohnt, in welche er sich bis dahin nicht zu mischen wagte.

Als er indessen die Wendung bemerkte, welche die Dinge nahmen, glaubte er einige Einwendungen machen zu müssen.

»Verzeiht, Caballero,« begann er, sich zu dem geheimnißvollen Unbekannten wendend, »wenn ich, indem ich Euch aufrichtig zu Dank verpflichtet bin wegen Eures Einschreitens zu meinen Gunsten, mir erlaube, Euch bemerklich zu machen, daß ich schon zu lange in diesem Paß zurückgehalten bin und den Wunsch hege, meinen Weg fortzusetzen, um so bald als möglich meine Tochter in Sicherheit zu sehen.«

»Donna Dolores droht keine Gefahr, Sennor,« antwortete el Rayo kalt, »die Verzögerung von einigen Minuten kann in keiner Weise für sie betrübende Folgen haben, überdies wünsche ich, daß Ihr diesem Kampfe, welcher einiger Maßen zur Vertheidigung Eurer Sache stattfindet, beiwohnt. Habt also Geduld, ich bitte Euch. Aber seht, hier kommt Don Felippe zurück, die Affaire wird nicht lange dauern. Stellt Euch vor, daß Ihr bei einem Hahnenkampf wettet; ich bin überzeugt, daß Ihr Vergnügen an dem Vorgange finden werdet.«

»Indessen, ...« fing Don Andrès wieder an.

»Es würde mir unangenehm sein, wenn Ihr noch länger darauf bestehen wolltet, Caballero,« unterbrach ihn el Rayo trocken, »Ihr habt, wie ich weiß, vortreffliche Revolver bei Euch, welche Euch Dèvisme aus Paris geschickt hat; wollt Ihr nicht so freundlich sein, einen davon dem Sennor Don Felippe zu leihen, Sie sind doch geladen, denke ich?«

»Sie sind geladen, ja, Sennor,« antwortete Don Andrès, indem er dem Officier eine seiner Pistolen reichte.

Dieser nahm sie, drehte sie in den Händen hin und her, dann erhob er den Kopf mit enttäuschter Miene und sagte:

»Ich weiß mich dieser Waffen nicht zu bedienen.«

»Oh! das ist sehr leicht,« versetzte el Rayo höflich, »und in wenigen Augenblicken werdet Ihr vollkommen mit ihrem Mechanismus vertraut sein; Sennor Don Andrès, habt doch die Güte diesem Caballero die Handhabung dieser Waffe zu erklären.«

Der Spanier gehorchte; der Officier begriff sogleich die ihm gegebene Erklärung.

»Jetzt, Sennor Don Felippe,« begann el Rayo immer kalt und gleichgültig, »hört mich wohl an; ich bewillige Euch diese Satisfaction unter der Bedingung, daß, welches auch der Ausgang des Kampfes sei, Ihr Euch verpflichtet, sogleich zurückzukehren und den Sennor Don Andrès und seine Tochter ihre Reise unbehindert fortsetzen zu lassen: seid Ihr einverstanden?«

»Vollkommen, Sennor.«

»Wohlan; jetzt haben wir Folgendes zu thun; sobald wir abgestiegen sind, stellen wir uns zwanzig Schritt von einander auf; ist Euch diese Entfernung recht?«

»Ja wohl, Herr.«

»Gut; auf ein von mir gegebenes Zeichen werdet Ihr alsdann die sechs Schüsse Eures Revolvers abfeuern: nach Euch werde ich schießen, aber nur ein Mal, denn wir haben Eile.«

»Verzeiht, Herr, aber wenn ich Euch mit diesen sechs Schüssen tödte?«

»Ihr werdet mich nicht tödten, Sennor,« erwiderte el Rayo kalt.

»Ihr glaubt?«

»Ich bin dessen sicher; um einen Mann meines Schlags zu tödten, Sennor Don Felippe,« bemerkte el Rayo im Tone beißender Ironie, »bedarf man eines starken Herzens und einer eisernen Hand; Ihr besitzt weder das Eine noch das Andere.«

Don Felippe erwiderte nichts, aber in dumpfer Wuth stellte er sich entschlossen, mit bleicher Stirn und fest zusammengezogenen Augenbrauen zwanzig Schritt von seinem Gegner auf.

El Rayo war abgestiegen und hatte mit stolz gebogenem Körper, rückwärts geworfenem Kopf, das rechte Bein etwas vorgestellt und die Arme auf dem Rücken gekreuzt, seinen Platz dem Officier gegenüber eingenommen.

»Jetzt,« sagte er, »zielt mit Aufmerksamkeit; die Revolver, so gut sie auch sind, haben im Allgemeinen den Fehler etwas hoch zu gehen; beeilt Euch nicht, seid Ihr bereit? gut, los!«

Don Felippe ließ sich die Einladung nicht wiederholen, er entlud dreimal hinter einander seinen Revolver.

»Zu schnell, viel zu schnell,« rief ihm el Rayo zu, »ich habe nicht einmal Eure Kugeln pfeifen hören. Versuchen wir noch einmal und nützet mit größerer Ruhe die Euch bleibenden drei Schüsse.«

Alle Blicke waren starr; jede Brust athmete schwer. Der durch die Kaltblütigkeit seines Gegners und den schlechten Erfolg seiner Schüsse verwirrte Officier fühlte sich unwillkürlich durch die schwarze, unempfindliche Statue vor ihm, von der er durch die Oeffnungen der Maske nur die Augen wie glühende Kohlen leuchten sah, wie bezaubert; kalte Schweißtropfen perlten an jedem seiner Haare, die sich vor Entsetzen emporsträubten; seine frühere Sicherheit hatte ihn gänzlich verlassen.

Indessen Zorn und Stolz gaben ihm die nöthige Kraft, um den Augen der Umstehenden die schreckliche Todesangst zu verbergen, welche er ausstand, mit einer letzten Willensanstrengung nahm er eine scheinbare Ruhe an und schoß von Neuem.

»Dieser war schon besser,« scherzte el Rayo, »nur etwas zu hoch, laßt sehen, den andern.«

Erbittert durch diesen außerordentlichen Spott, drückte Don Felippe ab.

Die Kugel traf den Felsen, einen Daumen breit Über dem Kopfe des Unbekannten.

Es blieb nur noch eine Kugel in dem Laufe des Revolvers.

»Tretet um fünf Schritte näher,« sagte el Rayo; »vielleicht verliert Ihr auf diese Weise nicht auch Euren letzten Schuß.«

Ohne auf diesen beißenden Sarkasmus etwas zu erwidern, sprang der Officier wie ein wildes Thier vor, faßte fünfzehn Schritte von seinem Gegner Posto und schoß.

»Jetzt ist die Reihe an mir,« bemerkte kalt der Unbekannte, indem er die erste Distance wieder einnahm; »Ihr habt vergessen, Eure Kopfbedeckung abzunehmen, das ist ein Verstoß gegen die Höflichkeit, den ich nicht gestatten kann.«

Darauf ergriff er eine der in seinem Gürtel steckenden Pistolen, streckte den Arm aus und schoß, ohne sich die Mühe zu geben zu zielen. Der Hut des Officiers rollte in den Staub.

Don Felippe brach in ein wüthendes Geheul aus.

»Oh!« rief er, »Ihr seid ein Dämon!«

»Nein,« entgegnete el Rayo, »ich bin ein Mann von Herz. Jetzt geht, ich schenke Euch das Leben.«

»Ja, ich gehe, aber, ob Mensch oder Dämon, ich schwöre es, ich werde Euch tödten und sollte ich Euch bis auf den Grund der Hölle verfolgen.«

El Rayo näherte sich ihm, ergriff ihn heftig beim Arme, zog ihn bei Seite und den Schleier lüftend, der seine Züge verbarg, zeigte er ihm sein Gesicht.

»Ihr kennt mich jetzt, nicht wahr?« sagte er mit dumpfer Stimme zu ihm; »allein erinnert Euch, daß von nun an, da Ihr mich von Angesicht zu Angesicht gesehen habt, unsere erste Begegnung tödtlich sein wird, geht.«

Don Felippe erwiderte nichts, er bestieg sein Pferd, stellte sich an die Spitze seiner verwirrten Soldaten und sprengte im Galopp auf dem Wege von Orizaba dahin.

Fünf Minuten später waren auf dem Plateau nur noch die Reisenden und ihre Diener zurückgeblieben. El Rayo, der ohne Zweifel den Augenblick der Verwirrung und Ueberraschung, die der Schluß dieser Scene hervorgerufen, benutzt hatte, war verschwunden.


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