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III.

Die Salteadores.

So rollte die Berline, von ihrer Escorte umgeben, auf dem Wege nach Orizaba dahin. Aber in geringer Entfernung von dieser Stadt schlug sie einen Seitenweg ein, welcher sich mit dem Wege von Puebla vereinigte, und fuhr, während die beiden Reisenden in eine Unterhaltung vertieft waren, auf die Pässe von Las-Cumbres zu.

Die Dame, welche den Greis begleitete, war ein junges Mädchen von höchstens sechszehn bis siebzehn Jahren; ihre feinen, zarten Züge, ihre blauen Augen, deren lange Wimpern beim Niederblicken einen dunklen Halbkreis auf ihre sammetartigen Wangen zeichneten, ihre gerade Nase mit rosigen Flügeln, ihr kleiner Mund, dessen halbgeöffnete Korallenlippen eine doppelte Perlenreihe zeigte, ihr durch ein Grübchen getheiltes Kinn, ihr bleicher Teint, dessen Weiße noch matter erschien durch die seidenweichen, dunklen Locken, die ihr Gesicht umrahmten und auf ihre Schultern fielen, gaben ihr eine jener seltsamen und sympathischen Physiognomieen, wie sie allein die Aequinoctialländer hervorbringen und die, ohne die Zartheit unserer spröden Schönheiten der kalten Klimate des Nordens zu besitzen, jene unwiderstehliche Anziehungskraft haben, welche uns in der Frau den Engel träumen läßt und nicht allein Liebe, sondern selbst Anbetung hervorruft.

Anmuthig in eine Ecke des Wagens zurückgelehnt, halb in den Falten des Schleiers verborgen, ließ sie mit träumerischem Ausdruck ihre Blicke über die Landschaft schweifen, indem sie nur einsylbig und mit zerstreuter Miene die Reden ihres Vaters beantwortete.

Obwohl der Greis eine gewisse Sicherheit zur Schau trug, so schien er dennoch ziemlich unruhig.

»Sieh, Dolores,« sagte er, »dies Alles ist nicht recht klar; trotz der wiederholten Versicherungen der Häupter der Regierung von Vera-Cruz, und des Schutzes, mit dem sie mich dem Anscheine nach umgeben, habe ich kein Vertrauen zu ihnen.«

»Warum denn nicht, mein Vater?« fragte nachlässig das junge Mädchen.

»Aus tausend Gründen; hauptsächlich weil ich ein Spanier bin, und Du weißt, daß leider in unserer jetzigen Zeit dieser Name ein Grund mehr zu dem Haß der Mexikaner gegen alle Europäer im Allgemeinen ist.«

»Das ist nur zu wahr, mein Vater, aber erlaubt mir eine Frage.«

»Sprich, Dolores, ich höre.«

»Wohlan, ich wünschte, daß Ihr mir den so dringenden Beweggrund mittheiltet, der Euch veranlaßt hat, so plötzlich Vera-Cruz zu verlassen und mich auf dieser Reise mitzunehmen, wo ich Euch doch sonst nie auf Euren Auflügen begleiten durfte.«

»Der Grund ist sehr einfach, mein Kind, ernste Interessen erfordern meine Anwesenheit in Mexiko, wohin ich mich so schnell als möglich begeben muß; anderntheils bewölkt sich der politische Horizont von Tag zu Tage mehr, und so glaubte ich, daß der Aufenthalt in unserer Hacienda-del-Arenal in kurzer Zeit für unsere Familie gefährlich werden könnte. Ich beabsichtige Dich daher in Puebla zu lassen bei unserm Verwandten, Don Louis de Pezal, dessen Pathe Du bist und der Dich sehr liebt, dann nach Arenal zu gehen, Deinen Bruder Melchior zu holen, und diesen mit Dir nach der Hauptstadt zu bringen, wo es uns leicht sein wird, einen wirklichen Schutz zu finden, in dem leider voraus zu sehenden Falle, daß, ich will nicht sagen eine neue Revolution, – denn wir unterliegen derselben schon seit langer Zeit – wohl aber eine Sündfluth losbrechen sollte die plötzlich die constituirte Macht umstoßen würde, um daselbst die von Vera-Cruz einzusetzen.«

»Und Ihr hattet keinen andern Grund als diesen, mein Vater?« fragte das junge Mädchen, sich mit einem leichten Lächeln halb vorbeugend.

»Welchen andern Grund, als den Dir eben angeführten, sollte ich haben, meine liebe Dolores?«

»Ich weiß es nicht, mein Vater, deshalb frage ich Euch.«

»Du bist ein neugieriges Mädchen,« erwiderte er und drohte ihr lachend mit dem Finger, »Du möchtest wohl gern mich zum Geständniß meines Geheimnisses bringen?«

»Es giebt also ein Geheimniß, mein Vater?«

»Es ist möglich, aber jetzt mußt Du Dich begnügen, denn ich werde es Dir nicht sagen.«

»Wirklich, mein Vater?«

»Gewiß, ich gebe Dir mein Wort.«

»Oh! dann bestehe ich nicht weiter darauf; ich weiß nur zu wohl, daß Ihr dann böse werdet und Eure Stirn runzelt, und da ist alles Bitten vergeblich.«

»Du bist thöricht, Dolores.«

»Das ist einerlei; ich hätte so gern wissen mögen, weshalb Ihr einen falschen Namen für diese Reise angenommen habt?«

»Oh! das will ich Dir sagen: mein Name ist zu bekannt als der eines reichen Mannes, als daß ich es wagen sollte, ihn auf Wegen zu tragen, die von Banditen wimmeln.«

»Habt Ihr keinen andern Grund gehabt als diesen?« »Keinen andern, liebes Kind; ich glaube, er ist hinreichend, und die Vorsicht allein mußte mich veranlassen, so zu handeln, wie ich es gethan habe.«

»Mag sein, mein Vater,« antwortete sie kopfschüttelnd und mit schmollender Miene; »aber,« rief sie plötzlich, »blicket hinaus, mein Vater, es scheint mir, als gehe der Wagen langsamer.«

»In der That,« versetzte der Greis, »was bedeutet Das?«

Er ließ das Wagenfenster nieder und blickte hinaus, aber er sah nichts, die Berline war in diesem Augenblicke in den Paß von Las-Cumbres eingefahren und der Weg machte so zahlreiche Biegungen, daß der Blick nicht weiter als fünf und zwanzig bis dreißig Schritt vor oder rückwärts zu dringen vermochte.

Der Greis rief darauf einen der Diener herbei, die dem Wagen unmittelbar folgten.

»Was giebt es denn, Sanchez?« fragte er; »es scheint mir, als führen wir nicht mehr so schnell.«

»In der That, Sennor,« versetzte Sanchez; »seitdem wir die Ebene verlassen haben, kommen wir nicht mehr so rasch vorwärts, ohne daß ich die Ursache davon kenne; die Soldaten unserer Escorte scheinen unruhig zu sein, sie sprechen leise mit einander und schauen unaufhörlich um sich; es ist augenscheinlich, daß sie irgend eine Gefahr befürchten.«

»Sollten die Salteadores oder Guerrillas, welche die Wege unsicher machen, uns angreifen wollen?« sprach der Greis mit schlecht verhehlter Unruhe; »erkundigt Euch doch, Sanchez. Der Ort wäre allerdings zu einem Ueberfall gut gewählt, indessen unsere Escorte ist zahlreich und wofern sie nicht mit den Banditen einverstanden ist, zweifle ich, daß diese es wagen sollten, uns den Weg zu versperren. Seht zu, Sanchez, sucht die Soldaten auszuforschen und stattet uns von Dem, was Ihr gehört, Rapport ab.«

Der Diener verneigte sich, hielt den Zügel an und ließ den Wagen vorüber, dann schickte er sich an, den erhaltenen Auftrag auszuführen.

Aber Sanchez kehrte fast augenblicklich zu der Berline zurück; seine Miene war bestürzt, seine keuchende Stimme kam pfeifend zwischen seinen vor Schreck zusammengepreßten Zähnen hervor, eine leichenartige Blässe bedeckte sein Gesicht.

»Wir sind verloren, mein Gebieter,« murmelte er, indem er sich zu dem Wagenschlag neigte.

»Verloren!« rief der Greis mit nervösem Schauder, indem er einen Blick auf seine vor Entsetzen stumme Tochter warf, – ein Blick, welcher die ganze Leidenschaft der väterlichen Liebe enthielt – »verloren! Ihr seid närrisch, Sanchez, erklärt Euch, um's Himmelwillen.«

»Es ist nicht nöthig, Sennor,« antwortete der arme Tropf stammelnd. »Hier kommt Sennor Don Jesus Dominguez, der Anführer der Escorte, ohne Zweifel will er Euch von Dem in Kenntniß setzen, was vorgeht.«

»Er möge kommen! Bei meiner Seele, eine Gewißheit, so schrecklich sie auch sei, ist besser als solche Angst.«

Der Wagen hatte auf einer Art Plattform von hundert Meter im Quadrat, Halt gemacht; der Greis warf einen raschen Blick hinaus. Die Escorte umgab noch immer die Berline, allein sie schien sich verdoppelt zu haben: anstatt zwanzig Reiter waren es deren vierzig.

Der Reisende begriff, daß er in einen Hinterhalt gefallen, daß jeder Widerstand Wahnsinn sein würde und ihm keine andere Chance blieb, als sich zu unterwerfen. Da er indessen trotz seines Alters noch rüstig, und mit einem entschlossenen Charakter und energischer Seele begabt war, so hielt er sich nicht auf den ersten Stoß für besiegt und beschloß, einen Versuch zu machen, sich so gut als möglich aus seiner schlimmen Lage zu ziehen.

Nachdem er seine Tochter zärtlich geküßt, ihr anempfohlen hatte, ruhig zu bleiben und sich in Nichts, was vorgehen würde, zu mischen, öffnete er den Schlag und sprang ziemlich behend auf den Weg, einen Revolver in jeder Hand.

Obwohl die Soldaten von dieser Handlung überrascht waren, machten sie keine Bewegung um sich gegen ihn zu vertheidigen, sondern standen unbeweglich in Reihe und Glied.

Die vier Diener des Reisenden stellten sich ohne Zögern hinter ihren Herrn, jeder mit einem Carabiner bewaffnet und bereit, auf Befehl ihres Gebieters Feuer zu geben.

Sanchez hatte die Wahrheit gesagt: Don Jesus Dominguez sprengte im Galopp heran; aber er war nicht allein, ein anderer Reiter begleitete ihn.

Dieser war ein untersetzter, dicker Mann, mit finstern Zügen und schielendem Blick, dessen röthliche Hautfarbe ihn für einen Indianer reinster Race erkennen ließ; er trug die reiche Kleidung eines Obristen der regulären Armee.

Der Reisende erkannte sogleich diese unheilverkündende Persönlichkeit als Don Felippe Neri Irzabal, einer der Befehlshaber der Guerrillas der Partei Juarez'; er hatte ihn in Vera-Cruz einige Male gesehen.

Mit einem nervösen Zittern und Schaudern erwartete der Greis die Ankunft der beiden Männer, indessen sobald sie sich nur noch einige Schritte von ihm befanden, war er der Erste, der das Wort ergriff.

»Holla, Caballeros,« rief er ihnen in stolzem Tone zu, »was bedeutet dies, und weshalb nöthigt Ihr mich, auf diese Weise meine Reise zu unterbrechen?«

»Ihr werdet es hören, lieber Herr,« antwortete höhnisch der Guerrillero; »und damit Ihr gleich wißt, woran Ihr Euch zu halten habt, so verhafte ich Euch im Namen des Vaterlandes.«

»Ihr verhaftet mich? Ihr?« rief der Greis, »und mit welchem Recht?«

»Mit welchem Recht?« versetzte der Andere mit einem Unglück verheißenden Hohnlachen, » vive Christo! Ich könnte Euch antworten, wenn es mir beliebte, mit dem größten Rechte und dieser Grund würde völlig entscheidend sein, denke ich.«

»In der That,« entgegnete der Reisende mit scherzender Stimme, »ich vermuthe, das ist das Einzige, was Ihr angeben könnt.«

»Nun, Ihr seid im Irrthum, mein edler Herr; das werde ich nicht angeben, ich verhafte Euch als Spion, des Hochverraths überführt.«

»Geht doch, Sennor Colonel, Ihr seid närrisch, ich ein Spion und Verräther!«

»Sennor, schon seit langer Zeit hat die Regierung des vortrefflichen Herrn Präsidenten Juarez ein Auge auf Euch; Eure Schritte sind überwacht worden, man weiß, aus welchem Grunde Ihr so schleunig Vera-Cruz verlassen habt und zu welchem Zwecke Ihr nach Mexiko geht.«

»Ich begebe mich wegen Handelsgeschäfte nach Mexiko und der Präsident weiß es wohl, weil er selbst meinen Geleitsbrief unterzeichnet und mir zur Begleitung gütigst eine Escorte bewilligt hat, noch bevor ich nöthig hatte, dieselbe von ihm zu erbitten.«

»Alles dies ist wahr, Sennor; unser großmüthiger Präsident, welcher stets strengen Maßregeln abgeneigt ist, wollte Euch nicht verhaften lassen, er zog es aus Rücksicht für Euer weißes Haar vor, Euch die Mittel zur Flucht zu lassen. Aber Euer letzter Verrath hat das Maß voll gemacht und der Präsident hat, sich Gewalt anthuend, die Nothwendigkeit erkannt, ohne Zögern mit Strenge gegen Euch einzuschreiten. Ich bin zu Eurer Verfolgung abgesandt, mit dem Befehl, Euch zu verhaften; diesen Befehl führe ich aus.«

»Und darf ich wissen, welches Verrathes man mich anklagt?«

»Besser als irgend Jemand müßt Ihr, Don Andrès de-la-Cruz, die Beweggründe kennen, welche Euch veranlaßt haben, den Namen eines Don Antonio de Carrera anzunehmen.«

Don Andrès, denn dies war in Wahrheit sein Name, wurde durch diese Eröffnung niedergeschmettert; nicht daß er sich schuldig fühlte, denn der Wechsel des Namens war nur mit Genehmigung des Präsidenten bewirkt worden, aber er war bestürzt über die Falschheit der Leute, welche ihn verhafteten und welche, aus Mangel an bessern Gründen, sich dieses Umstands bedienten und ihn in eine schändliche Schlinge lockten, um sich eines Vermögens zu bemächtigen, nach dem es ihnen seit langer Zeit gelüstete.

Dennoch beherrschte Don Andrès seine Bewegung und sich von Neuem zu dem Guerrillero wendend, sagte er:

»Hütet Euch in Dem, was Ihr thut, Sennor Colonel, ich bin kein Neuling, ich werde mich nicht berauben lassen, ohne mich zu beklagen, es giebt in Mexiko einen spanischen Gesandten, welcher mir Gerechtigkeit zu verschaffen wissen wird.«

»Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt,« antwortete unerschütterlich Don Felippe; »wenn es Sennor Pachero ist, von dem Ihr sprecht, so wird Euch sein Schutz, glaube ich, nicht viel nützen; dieser Caballero, der sich für den Gesandten ihrer Majestät der Königin von Spanien ausgiebt, hat es für gut befunden, die Regierung des Verräthers Miramon anzuerkennen. Wir Andern haben also mit ihm nichts zu schaffen und sein Einfluß bei dem Nationalpräsidenten ist vollständig werthlos; überdies habe ich nicht mit Euch zu streiten, – was auch geschehe, ich verhafte Euch. Wollt Ihr Euch ergeben oder gedenkt Ihr mir einen unnützen Widerstand zu leisten? Antwortet.«

Don Andrès warf einen Blick auf die Männer, die ihn umgaben, er sah ein, daß er außer von seinen Dienern, von Niemand Hülfe oder Schutz zu erwarten hatte; so ließ er denn seine Revolver auf die Erde fallen und seine Arme über die Brust kreuzend, sagte er mit entschlossener Stimme:

»Ich weiche der Gewalt, aber ich protestire vor Allen, die mich umgeben, gegen die mir angethanen Gewaltthätigkeiten.«

»Sei es, protestirt, lieber Herr, das steht Euch frei, mir ist es gleichgültig; Don Jesus Dominguez,« setzte er hinzu, indem er sich zu dem Officier wandte, der ruhig und gleichgültig dieser Scene beigewohnt hatte, »wir wollen ohne Verzug zur genauen Untersuchung des Gepäcks und hauptsächlich der Papiere des Gefangenen schreiten.«

Der Greis zuckte verächtlich die Achseln.

»Das ist gut gespielt,« sagte er, »leider kommt Ihr ein Wenig zu spät, Caballero.«

»Was meint Ihr?«

»Nichts Anderes, als daß Geld und Werthsachen, die Ihr in meinem Gepäck zu finden hofft, nicht darin sind; ich kannte Euch zu gut, Sennor, um nicht meine Vorsichtsmaßregeln in Voraussicht dessen, was in diesem Augenblick geschieht, zu treffen.«

»Verflucht!« schrie der Guerrillero und schlug mit der Faust auf den Sattelknopf, Gachupine von Dämon, glaube nicht, uns so zu entwischen, und sollte ich Dich bei lebendigem Leibe schinden müssen, so werde ich wissen, das schwöre ich Dir, wo Du Deine Schätze versteckt hast.«

»Versucht es,« antwortete ironisch Don Andrès, und wandte ihm den Rücken.

Der Bandit hatte sich verrathen; nach dem Ausbruch, zu welchem ihn seine Habsucht hingerissen, wußte er Demjenigen gegenüber, den er auf eine so kühne, cynische Art zu plündern beabsichtigte, kein Maß zu halten.

»Gut,« sagte er, »wir wollen sehen,« und sich zu Don Jesus neigend, flüsterte er mit diesem einige Minuten.

Die beiden Räuber verabredeten ohne Zweifel mit einander die wirksamsten Mittel, welche sie anzuwenden gedachten, um den Spanier zu zwingen, sein Geheimniß zu entdecken und sich ihrer Willkür zu unterwerfen.

»Don Andrès,« sagte nach einer Weile der Guerrillero hohnlachend, »da es so ist, würde ich mir einen Scrupel machen, Eure Reise zu unterbrechen; bevor wir nach Vera-Cruz zurückkehren, wollen wir uns zusammen nach Eurer Hacienda-del-Arenal begeben, wo wir bequemer als hier auf diesem Wege von Geschäften werden sprechen können. Ich bitte, daß Ihr die Güte habt, den Platz in Eurem Wagen wieder einzunehmen, wir brechen auf; überdies bedarf Eure Tochter, die reizende Dolores, der Beruhigung.«

Der Greis erbleichte, denn er begriff die ganze schreckliche Trageweite dieser Drohung des Banditen, er hob die Augen gen Himmel und that einen Schritt vor, um sich dem Wagen zu nähern.

Aber in demselben Augenblick ließ sich der rasende Galopp eines Pferdes vernehmen, die Soldaten wichen entsetzt zurück und ein Reiter drang wie ein Sturmwind mitten in den Kreis, welcher sich um die Berline gebildet hatte.

Dieser Reiter war maskirt, ein schwarzer Schleier bedeckte vollkommen sein Gesicht, er hielt rasch sein Pferd an und richtete seine Augen, die wie glühende Kohlen durch die Oeffnungen des Schleiers glänzten, auf den Guerrillero.

»Was geht denn hier vor?« fragte er mit kurzer, drohender Stimme.

Durch eine instinktmäßige Geberde, drückte der Guerrillero, ohne zu antworten, auf den Zügel und ließ sein Pferd zurückweichen.

Die Soldaten und selbst der Officier bekreuzten sich vor Schrecken und murmelten mit halblauter Stimme:

»El Rayo! el Rayo!«

»Ich habe eine Frage an Euch gerichtet,« begann der Unbekannte nach einigen Secunden wieder.

Die vierzig Männer, die ihn umgaben, senkten jämmerlich den Kopf und sich immer mehr zurückziehend, erweiterte sich der Kreis allmählich bedeutend; Alle schienen wenig geneigt, sich mit dieser geheimnißvollen Persönlichkeit in ein Gespräch einzulassen.

Don Andrès fühlte die Hoffnung in sein Herz zurückkehren, ein geheimes Vorgefühl sagte ihm, daß die plötzliche Ankunft dieses Mannes seine Lage, wenn nicht vollständig ändere, so doch in eine für ihn vortheilhaftere Phase eintreten lassen würde. Noch mehr, er schien die Stimme des Unbekannten wieder zu erkennen, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, anzugeben, wo er dieselbe gehört, und so, als Alle furchtsam zurückwichen, näherte er sich mit einem instinktmäßigen Eifer, von dem er sich keine Rechenschaft ablegen konnte.

Don Jesus Dominguez, der Commandant der Eskorte, war verschwunden; er hatte schmachvoll die Flucht ergriffen.


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