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Der Offizier.

Das Glück sucht seine Günstlinge auf, das ist ein alter Satz, dessen Wahrheit sich auch an unserm Falk bestätigte. Kaum war er einige Wochen Unteroffizier gewesen, als der Krieg, den man vorausgesehen hatte, wirklich ausbrach, und das Husarenregiment, in welchem Wilhelm diente, wurde gleich bei Eröffnung desselben in kleinen Scharmützeln so bedeutend mitgenommen, daß bald ein Mangel an Offizieren entstand. Falk hatte sich einige Male durch seine Bravour sehr vortheilhaft ausgezeichnet, doch würde ihm dies, wie es wohl manchen Andern erging, wenig geholfen haben, wenn er nicht das Glück gehabt hätte, bemerkt zu werden. Da dies aber der Fall war, so wurde er zum Offizier vorgeschlagen und auch dazu ernannt. Wie pochte ihm das Herz, als er die blitzende knappe Offizieruniform zum ersten Male anlegte, und sich mit selbstgefälliger, wohl verzeihlicher Eitelkeit im Spiegel musterte! Wie hob sich seine Brust, als ihn das Offizierkorps, dem er sonst nur in streng dienstlicher Haltung zu nahen gewohnt war, seinen Kameraden nannte, und er dann auf seinem muthigen Engländer vor die Front seines Zuges sprengte, der geschlossen und gerichtet seine Befehle erwartete! Zwar ward ihm auch das bittere Gefühl, von manchem seiner neuen Kameraden über die Achsel angesehen zu werden, doch waren dies meist nur solche, aus deren Freundschaft er sich, bei näherer Betrachtung, nicht viel machte, und da er sich bei jeder Gelegenheit sehr hervorthat, so wagte es keiner von ihnen, ihn geradehin zu beleidigen.

Bis jetzt hatte er nur in dem Vorspiel des Krieges seine Rolle mitgespielt, bald sollte er aber die Launen desselben in ihrer ganzen Ausdehnung kennen lernen.

Prinz Hugo, der in diesem Feldzuge die ersten Lorbeeren um sein jugendliches Haupt flechten sollte, damit die einst zu erwartende Krone desto sicherer darauf ruhe, war mit einer ziemlich bedeutenden Truppenabtheilung dem Hauptheere vorausgesandt, welches, da es bei dem plötzlichen Ausbruche des Krieges noch nicht ganz zusammen war, einige Tagemärsche hinter ihm zurückblieb, und ihm war die schwierige Aufgabe geworden, den ihm bei weitem überlegenen Feind von dem Uebergange eines ziemlich bedeutenden Flusses so lange abzuhalten, bis das Hauptheer ankäme. Er hatte brave Truppen, behauptete sich wirklich so lange, bis das Hauptheer eintraf und sich alsobald das ganze Spiel umkehrte, indem der König, welcher in eigener Person die Armee führte, jetzt darauf bedacht war, den Krieg nach der Seite des Feindes zu spielen.

Nicht geringen Antheil an dem glücklichen Erfolg der Unternehmung des Prinzen hatte Wilhelm; denn da der Feind in drei Kolonnen gegen den Fluß heranmarschirte, so mußte dem Prinzen, der viel zu schwach war, die ganze Linie des Flusses genügend zu vertheidigen, alles daran liegen, sichere Nachricht zu erhalten, auf welcher Stelle der Feind im Ernst seine Anstalten zum Uebergange treffen würde, und diese Kunde wurde ihm durch ein verwegenes Wagstück des Lieutenant Falk, der sich mit einem Trupp seiner kühnsten Husaren über den Fluß und mitten unter die Feinde wagte.

War er vorher schon angesehen bei seinen Kameraden, so schaute man jetzt mit einer Art Bewunderung auf den wackern jungen Reiteroffizier, zumal da er sich in den hellsten Strahlen der prinzlichen Gnade sonnte. Besonders einträglich wurde ihm jedoch sein muthiges Hervorthun noch, indem es ihm einen Freund zuführte, der es durch das ganze Leben hindurch blieb. Es war der Lieutenant Moritz Schlegel, der mit ihm in einem Regimente diente und ihm an wackerer Sinnesart, so wie an kriegerischem Muthe gleich stand. Wie er selbst von bürgerlicher Herkunft, stand er ihm desto näher, und in dem bewegten, vielgestalteten Kriegerleben, wo sich der Freund so treu und fest an den Freund kettet, als es unter andern Verhältnissen wohl kaum denkbar ist, umschlang bald die innigste Bruderliebe die muthbeseelten Jünglinge.

Die Ankunft des Königs hatte die Heeresabtheilung des Prinzen von dem beschwerlichen Dienste befreit, und eine kurze Ruhe wurde den ermüdeten Truppen gegönnt. – Der Soldat überläßt sich leicht der sorglosesten Ruhe, wenn auch die gräßlichsten Kriegsscenen und die drohendsten Gefahren, die er gestern erst bestand, ihn morgen schon wieder erwarten, wenn nur die Lebensmittel nicht fehlen und das Wetter nicht allzu unerträglich ist. Beides war hier nicht der Fall, und so bot denn das Bivouak des Heeres ein Bild der unbefangensten Gemächlichkeit dar. Den Reitern, welche singend und pfeifend ihre Pferde besorgten, dem Fußvolk, welches bei Erzählung von allerhand Schnurren und Abenteuern die Gewehre reinigte, den breitschultrigen Kanonieren, die mit emsiger Sorgfalt und Genauigkeit die Brauchbarkeit ihrer Geschütze prüften, den Müssiggängern endlich, welche nach vollbrachter Arbeit hier und dort umherschlenderten, oder sich um die Bude einer Marketenderin gruppirten oder sich gemächlich um ein Feuer lagerten, um den Erzählungen, die ein bärtiger Korporal auftischte, zuzuhören, hätte man es wahrlich nicht angesehen, daß jedem von ihnen, was doch alle wußten, die erste Kugel des Feindes in der nächsten Stunde schon den Lebensfaden abzuschneiden drohte. So geht es aber. Der Tod, der uns daheim im Lehnstuhle als ein schauerlich gespenstisches Gerippe erscheint, wird dem Soldaten durch sein häufiges Erscheinen in den verschiedenartigsten Gestalten ein so gewöhnlicher Gast, daß er seine drohende Nähe kaum mehr beachtet, ja ihn oftmals als den Befreier von Drangsalen und Entbehrungen, die härter als der Tod selbst sind, willkommen heißt.

Im traulichen Gespräche saßen die beiden Freunde vor Wilhelm's Zelt und freuten sich des herrlichen Morgens, den der April schöner bot, als es oft der Mai zu thun pflegt. Döppner, Falk's Bursche, ein alter gedienter Husar, war beschäftigt, das frugale Frühstück für seinen Herrn und dessen Freund auf dem von ihm gezimmerten Tische vor der Zeltthür aufzutragen, und wenn er sich dieses Geschäfts auch nicht mit der Gelenkigkeit der Marqueurs in den Hotels unserer Residenzen entledigte, so suchte er sich doch so geschickt dabei zu benehmen, als es ihm möglich war. Der gesunde Appetit der beiden Offiziere wurde auch weder dadurch, noch durch das einfache, kriegsfeldmäßige Tischgeräth im geringsten gestört, denn sie langten wacker zu, und der Wein, den sie sich durch ein glückliches Ungefähr zu verschaffen gewußt hatten, schmeckte ihnen aus dem handfesten Pumpfuß, welchen Namen das derbe Schnapsglas, ihr einziger Hausrath dieser Art, führte, eben so gut und wohl noch besser, als der alte Tockaier eines hohen Gönners dem feinschmeckenden Gaumen irgend eines Schmarotzers aus dem köstlichsten Pokale.

Als Döppner nach beendigtem Frühstück die Pfeifen gestopft hatte, erhielt er die Erlaubniß, seinem eigenen Vergnügen nachzugehen, und diese benutzend, schlenderte er die Lagergasse hinab zu einem Feuer, bei dem sich mehrere seiner Kameraden um den Korporal Klaus versammelt hatten. Willig räumte man ihm einen Platz auf dem Strohlager ein, und der Korporal begann sogleich in seiner derben Manier:

»He, sieh einer den stämmigen Eisenfresser! Hast Du alter Kriegsknecht auch schon Zeit, umherzulottern? Was macht Dein Herr?«

»Danke, Herr Unteroffizier,« versetzte Döppner; »er ist meinswegen (wie er in seiner eigenthümlichen Redeweise ›meinswegen,‹ sein Lieblingswort, stets vorzubringen pflegte) noch ganz frisch und munter, und erzählt sich was mit dem Herrn Lieutenant Schlegel von der zweiten Eskadron.«

»Ja, Gott verdamm' mich, Döppner, Dein Herr ist der beste Offizier in der ganzen Armee! Na's ist auch kein Wunder, er hat bei mir exerciren gelernt, und wenn ich Einen unter die Fuchtel kriege, der muß auch heran, daß was Ordentliches aus ihm wird, und wenn sein Vater General wäre.«

»Aber ich habe doch auch unter Eurer Fuchtel gestanden, Herr Unteroffizier,« fiel ein Husar mit komischem Tone ein, »und ich bin doch immer noch der Husar Kaunitz.«

»Das macht,« versetzte der Korporal, »Du bist ein Schafskopf, und der Herr Lieutenant war es nicht!«

Alle lachten und der Husar kratzte sich mitlachend hinter den Ohren.

»Na, aber die Geschichte muß ich Euch doch ordentlich erzählen, wie wir da drüben hinüber waren und spekulirten, wo der Feind uns zu Pelze wollte,« begann Klaus wieder. »Seht Ihr Heiducken, dann kriegt Ihr Respekt, wie sichs gehört vor solchem jungen Blut von Offizier; denn ich lasse mich auf der Stelle todtschießen, wenn in unserm Lieutenant nicht mehr Kourage sitzt, als in Euch allzusammen. Na, Döppner, Du weißts ja, Du warst ja auch dabei. Ihr wißt doch noch, daß den einen Montag Freiwillige vorgerufen wurden, und der Lieutenant Falk dann mit uns durch die Furth ging, nach drüben 'nüber. Das war nun eben nichts besonderes, denn es gingen ja alle Tage Patrouillen nach jenseit, aber daß diesmal was Appartes dahinter stak, merkte ich gleich, als wir drüben waren und der Herr Lieutenant mich zu sich rief. »Klaus,« sagte er da zu mir, »Klaus, ich habe Ihn besonders diesmal ausgesucht, weil ich Ihn für den bravsten Korporal halte, der schon ein gewagtes Reiterstückchen mit bestehen kann.« – Hört mal, Jungens, wie mir da zu Muthe war, als er das zu mir sagte, das kann ich Euch nicht erzählen, ich hätte können augenblicks für ihn durch das höllische Feuer gehen; denn es ist ein verdammter Unterschied, ob man von einem Offizier gelobt wird, der selbst das Herz auf dem rechten Flecke hat, oder ob es einem der erste beste nur so hinsagt, daß man gutwillig werden soll. – Na, und nun ging's immer vorwärts auf der Straße, wo der Feind anrücken sollte, den wir aber den ersten Tag noch nicht zu Gesichte bekamen. Den zweiten Abend aber sahen wir ihn von weitem anrücken, und wie der Wind fegten wir nun in ein Gebüsch, daß er uns nicht auch bemerkte. Da saßen wir nun mäuschenstill und sahen zu, wie er sich parat machte, zu bivouakiren. Es war nur die Avantgarde, aber das war uns eben recht, und der Lieutenant gab uns unsre Instruktion, daß ich bald merkte, wo er hinauswollte. Er sagte uns, daß beim Feinde ein Husarenregiment wäre, was beinahe eben solche Montirung hatte, wie wir, und daß wir vor morgen früh noch wissen müßten, ob dies Regiment bei der Avantgarde wäre. Der Feind dachte wohl nicht dran, daß wir ihm so dicht auf der Pelle säßen, denn er ließ unsern Busch ruhig liegen, ohne ihn zu durchsuchen und schob seine Vorposten doch beinahe dichte hinan. Bis nach Mitternacht saßen wir ganz stille, da aber brach der Herr Lieutenant auf, und ich und Döppner und noch zwei Husaren mußten mit. Unsere Pferde ließen wir zurück und schlichen nun ganz leise durch das hohe Haidekraut, das vor dem Busch stand, bis dicht an den ersten Posten, den zwei Infanteristen hatten. Das war aber eine verfluchte Geschichte. Ich sage Euch, wie die Schlangen mußten wir auf Bäuchen kriechen, denn wenn uns die Kerls bemerkten, war unsre ganze Geschichte in die Wicken. Wie ein Aal, so leise und geschickt kroch der Lieutenant immer vorweg bis dicht an die Posten. Da lag er mit einemmal an die Erde gedrückt ganz still und fest. Ich wußte erst nicht, was das heißen sollte, aber bald merkte ich, daß er leiser hörte als ein Pferd, denn gleich darauf kam die Visitirpatrouille, und wir waren schon so dicht heran, daß wir Parole und Feldgeschrei hören konnten, als der Posten anrief.

Kaum war alles wieder ruhig, so lehnten sich die beiden Posten, die an keine Gefahr dachten, mit den Rücken zusammen und stützten sich bequem auf ihre Gewehre.

Besser konnten wir's nicht wünschen und unser Lieutenant flüsterte mir zu: »Wenn wir nahe genug sind, so nehme Er den zur Rechten, ich werde den Andern nehmen, aber hüte Er sich, daß der Kerl nicht Zeit bekommt, weder zu schießen noch zu schreien!« Ich nickte mit dem Kopf und nun ging die Kriecherei wieder los, so behutsam und leise, daß wir's selbst nicht hören konnten. Wir hatten nicht mehr als zehn Schritte zu machen, aber es dauerte wohl eine Viertelstunde und der Schweiß lief uns dick in den Bart. Endlich waren wir an den schläfrigen Schuften, die uns noch nicht bemerkten, alles war mäuschenstill ringsum, da stieß mich der Herr Lieutenant wieder an, und wie zwei Erdgeister sprangen wir blitzschnell den Kerls an den Schlund. Ehe sie Zipp sagen konnten, lagen sie an der Erde und wir ihnen mit den Knieen auf der Brust.

»Schweigt, oder Ihr seid des Todes!« rief der Lieutenant mit gedämpfter Stimme und fragte dann, als sie sich nicht rührten:

»Sind Husaren bei Eurer Avantgarde?«

»Ja!« versetzte der Eine nur eben mit so viel Stimme, als des Lieutenants Daumen durch seinen gepreßten Kehlkopf durchließ.

»Das zehnte Regiment auch?« fragte er dann weiter.

»Nein, das ist bei dem Gros.«

Kaum war die Antwort heraus, so winkte er dem Döppner, der seine Instruktion schon hatte.

»Na, und daß wir nun den beiden Burschen ihren Paß zur großen Armee gaben, das weißt Du ja am besten, Döppner.«

»Ja,« meinte dieser, »die Kerls thaten mir meinswegen leid, aber sie durften uns nicht verrathen, und warum paßten sie meinswegen nicht besser auf!«

»Ganz recht,« nahm der Korporal wieder das Wort, »sie hatten's verdient. Aber nun kommt erst das Beste. Wir gingen sachte wieder in unsern Busch und zogen uns weiter zurück, denn wenn die Ablösung die Posten todt fand, so mußte das ganze feindliche Heer aus Eseln bestehen, wenn sie nicht umherspekulirt hätten.

Den andern Morgen warteten wir seitwärts von der Straße so lange, bis die Avantgarde sich in Marsch setzte, und das geschah denn auch noch, ehe der Tag ganz angebrochen war. Wir ließen sie an uns vorbei, da kommandirte unser Lieutenant »Marsch« und fort ging's immer neben her. Wir schlossen uns an eine Schwadron Dragoner, bei der sich ein Oberst befand, und was meint Ihr denn nun dazu, wenn ich Euch sage, daß sich der Herr Lieutenant Falk mir nichts Dir nichts ganz hübsch in einen Discours mit dem Oberst einließ? Donnerwetter, ich habe manches Stückchen mitgemacht, aber so kaltblütig, wie er that, war mir weiß Gott nicht zu Muthe. Weiß der Henker, wie er's machte, daß es ihm der Oberst glaubte, er sei vom 10ten Regiment, aber es ging alles gut, und bald hatte er denn auch so quantsweise erfahren, daß sich alle Pontons und Geräthschaften zum Uebergang über den Fluß bei dieser Kolonne befanden. Sie kamen auch darauf zu sprechen, daß in der Nacht der Posten überfallen wäre, und unser Lieutenant meinte ganz keck, daß es wohl gerathen wäre, das Terrain vorwärts erst mehr aufzuklären, weil man nicht wissen könne, was darin stecke. Der Oberst, der hier wohl was zu kommandiren haben mochte, meinte das auch, nahm die halbe Schwadron Dragoner dazu mit, und unser Lieutenant blieb mit uns bei ihm. Wir plänkerten mit den Dragonern immer vorweg, aber hielten uns dabei etwas zusammen, denn er hatte mir zugeblinkt.

So kamen wir denn auch an ein Dorf, als eben die Sonne aufgehen wollte. Jenseits des Dorfs zog sich ein Wald am Wege hin, und diesen Platz hatte der Lieutenant für seinen Streich ausgesehen; denn er hatte nichts Geringeres im Sinn, als den Obersten als gute Beute mitzunehmen.«

»Alle Hagel,« meinte einer der Zuhörer, »das war wohl der Oberst, der vorige Nacht wieder davon gegangen ist?«

»Ja ja, der wars. Es war auch ein wackerer Offizier, er hatte sein Ehrenwort nicht gegeben, und da kann's ihm kein Mensch verdenken, wenn er die Gelegenheit benutzte. Aber hört nur weiter. Wir kamen also an das Dorf. Die Dragoner mußten absitzen und mit dem Gewehr erst die Gärten recognosciren. Unterdessen ritten wir an der Seite etwas herum, und der Lieutenant, der mir schon Bescheid gesagt hatte, blieb mit einigen Husaren immer neben dem Oberst.

Da hörte ich mit einemmal ein dumpfes Schreien, als wenn Einem der Mund zugestopft wird, aber nur ganz kurz. Nun wußte ich, was die Glocke geschlagen hatte, der Lieutenant war mit dem Obersten davon und ich folgte mit den andern Husaren, erst ganz langsam hinterdrein, damit die Dragoner nicht zu früh Unrath merken sollten. Als wir aber erst ein bischen Busch hinter uns hatten, da ging's hetz hetz, was die Pferde nur laufen konnten, und bald hatten wir den Lieutenant wieder eingeholt. Der hatte schon dem Obersten das Tuch wieder vom Munde genommen, sich aber seinen Degen ausgebeten, und so nahmen wir ihn denn in die Mitte und brachten ihn mit hierher.«

»Potz Bomben und Granaten, das war denn doch ein Hauptstreich!« meinte der Husar wieder, der vorhin vom Korporal einen Schafskopf aufgetischt bekam. »Na, die Dragoner mögen schöne Gesichter gemacht haben, als sie merkten, daß sie sich ihren Obersten hatten stehlen lassen!«

»Ja ich denks meinswegen auch,« schaltete Döppner ein. »Aber das Beste war denn doch, daß wir nun wußten, wo uns der Feind ins Land wollte, und daß er nun recht hübsch bespickte Batterien fand, wo er so mir nichts dir nichts über den Fluß zu gehen dachte.«

»Da hast Du Recht, alter Zahn,« nahm Klaus wieder das Wort. »Wer weiß, ob wir uns sonst so lange gehalten hätten, bis der König ankam. Jetzt wird sich aber das Blättchen barbarisch umdrehn, denn wenn ich recht habe munkeln hören, so werden die Pioniers diese Nacht ihre Knochen nicht sparen dürfen, damit wir morgen über ihre Brücke auf den Feind marschieren können.«

Der Veteran hatte sich in seiner Vermuthung nicht geirrt, denn als am andern Morgen die Sonne aufging, stand die Brücke fertig da, und die Kolonnen marschirten hinüber, unter dem Schutze einer langen Reihe wohlbesetzter Batterien, gegen welche sich die des Feindes nichts halten konnten. Das Husarenregiment, in welchem Wilhelm diente, war, da es der Armee an leichter Reiterei fehlte, zersplittert und zu mannichfachem Dienste verwendet worden. Die erste Schwadron stand noch auf dem diesseitigen Ufer, ganz auf dem linken Flügel der Truppen, die zum Uebergang aufmarschirt waren. Ungeduldig harrten die wackern Reiter des Augenblicks, der auch sie an den Feind und zum Einhauen führen sollte, denn unthätig waren sie dem Geschützfeuer des Feindes ausgesetzt. Vor der Front hielt der Rittmeister von Horn; und neben ihm seine beiden Offiziere, Falk und noch ein ganz junger Lieutenant. Unmuthig ob ihrer Unthätigkeit schauten sie hinüber zum Kampfe, der sich am jenseitigen Ufer entspann. Da zischte eine Granate von drüben herüber, machte dicht vor ihnen einen Aufschlag und riß, indem sie sich wieder erhob, den braven Rittmeister vom Pferde. Seinen beiden Kameraden blieb nicht Zeit, ihn zu bedauern, denn in demselben Augenblick bemerkte Falk, daß eine Abtheilung feindlicher Reiterei durch dieselbe Furth setzte, durch welche er einst zu seiner erfolgreichen Rekognoscirung gegangen war. Schon waren die Reiter im Begriff, sich am diesseitigen Ufer zu entwickeln, aber sofort setzte sich Wilhelm, nunmehr der älteste Offizier, an die Spitze seiner Schwadron, und jagte wie auf Sturmwindsflügeln darauf los, ohne den Feind zu zählen. Zwar war dieser erst im Aufmarsch begriffen, aber es war auch ein ganzes Regiment gegen die einzige Schwadron, und noch eilten fortwährend frische Feinde durch die Furth. Ein barbarischer Kampf entspann sich hier. Die Husaren thaten Wunder der Tapferkeit, Wilhelm war stets an ihrer Spitze, mit eigener Hand hieb er den feindlichen Standartenträger vom Pferde und entriß ihm sein Feldzeichen, aber wer weiß, ob er nicht noch der Uebermacht hätte erliegen müssen, wenn ihm nicht in dem mißlichsten Moment, wo auch seine Husaren schon anfingen in Unordnung zu fechten, einige Schwadrone Kürassiere zu Hilfe gekommen wären. So aber bekam er Luft und das Unternehmen des Feindes scheiterte gänzlich.

Auch bei der Brücke war der Feind zurückgeschlagen, mußte sich vom Flusse tiefer ins Land zurückziehen, und als Wilhelm bei der darauf Statt findenden Musterung sich seinem Könige vorstellte und ihm die eroberte Standarte überreichte, wurde ihm sehr huldreich erwiedert: »Ich danke Ihm, Rittmeister.«

Wilhelm, der die lakonische Redeweise seines Königs kannte, nahm durchaus keinen Anstand, die Gratulationen seiner Kameraden anzunehmen.

Die Schwadron empfing ihren neuen Rittmeister mit einem lauten Hurrah, denn seine Untergebenen verehrten in ihm ihr Ideal eines furchtlosen, unerschrockenen Reiteroffiziers. Höher hob sich Wilhelm's Brust bei diesem Jubel und mit doppelter Innigkeit preßte er seinen Freund Moritz, als sie das Kriegsspiel wieder zusammen führte, in seine Arme.

Mit wahrer Ungeduld sehnte sich Wilhelm nach neuen Kämpfen, da es ihm ja nur Glück zu bringen schienen, und fast war er versucht, sich für einen erlesenen Günstling des Kriegsgottes zu halten, der ihn so auffallend beschützte, daß er bis jetzt ohne die geringste Wunde davongekommen war. Lange wurde seine Ungeduld auch nicht auf die Probe gestellt, denn durch die bisherigen Vorfälle war nichts entschieden, der König folgte dem Feinde auf dem Fuße, und schon in den nächsten Tagen gab es hartnäckige Gefechte bei der Avantgarde, bei welcher sich auch Wilhelm's Regiment befand. Auch hier schien ihn sein Glücksstern nicht verlassen zu haben, und aus den gewagtesten Unternehmungen ging er stets unverletzt hervor. Sein kecker Muth wurde dadurch so hoch getrieben, daß Moritz ihn oftmals bat, sich doch nicht so muthwillig in die drohendste Gefahr zu stürzen, aber im ächten Soldatenglauben meinte Wilhelm stets, die Kugel oder die Klinge, die ihn einst treffen sollte, würde ihn doch schon finden, wenn er ihr auch aus dem Wege gehen wolle, und um so eher, je mehr er dies thäte. Dawider hatte nun Moritz freilich nichts einzuwenden, denn das war auch sein Evangelium. Die erste Schwadron mit ihrem kühnen Rittmeister, dem seine Husaren voll Begeistrung in die Hölle gefolgt wären, an der Spitze, erwarb sich bald einen Namen in der ganzen Armee, überall war Falk schon bekannt, und wo er an einem Haufen Soldaten vorüberging, bei dem sich ein Husar von seiner Schwadron befand, so sagte dieser stets mit stolzem Selbstgefühl: »Das ist unser Rittmeister.«

Aber der Kriegsgott ist ja von jeher unbeständig gewesen, und so sollte denn auch Wilhelm's Stunde schlagen. Es hatte sich, wie es in den letzten Tagen schon ganz gewöhnlich war, ein unbedeutendes Gefecht mit der Arrieregarde des Feindes entsponnen, doch meist nur bei der Infantrie, da das Terrain für die Reiter nicht günstig war. Der Feind zog sich zurück, wurde aber tüchtig verfolgt. Da öffnete sich mit einem Male eine große weite Ebene am Rande eines Waldes, und Wilhelm, der an seines Freundes Seite ritt, jauchzte laut auf, als sich in derselben wieder Feinde zeigten. Das Husarenregiment erhielt sogleich Befehl zum Einhauen, und wie der Sturmwind jagten die Reiter drauf los. Ein feindliches Kavallerieregiment warf sich ihnen entgegen, wurde aber mit einem heftigen Choc geworfen und floh vor den Husaren her. Leider hatte es aber der Feind nur grade so gewollt, denn so wie die Husaren über die Ecke des Waldsaumes hinauskamen, wurden sie in der Flanke von einem Dragonerregiment, was sich hier in Hinterhalt gelegt hatte, angefallen, und nun natürlich war kein Halten mehr. Die Husaren wurden auseinandergesprengt, aber auch der Rückzug war ihnen abgeschnitten; und so galt es denn, sich durchzuhauen oder niedergemacht zu werden. Um Wilhelm hatten sich mehrere seiner Husaren versammelt, und fochten mit ihm wie Verzweifelte.

Da gewahrte er bei den Dragonern denselben Oberst, gegen den er schon einmal so glücklich gewesen war, und der jetzt alles aufzubieten schien, den kühnen Husarenoffizier wiederum in seine Gewalt zu bringen. Er rief ihm zu, er solle sich ergeben, aber Wilhelm antwortete, er wäre nicht gewohnt, sich zu ergeben, so lange er noch seinen Säbel führen könnte, und vertheidigte sich wüthend gegen einen ganzen Haufen Dragoner, bis er einen schweren Hieb über den Kopf bekam und vom Pferde sank.

Der Oberst ehrte in ihm den tapferen Feind, ließ ihn aus dem Haufen der Gefallenen hervorziehen und aus dem Getümmel tragen.

Es blieb nicht allein bei diesem Reitergefecht, denn der Feind hatte sich hier mit seiner ganzen Macht gesetzt, und am Abend war Wilhelm's König so gut wie geschlagen. Von dem Husarenregiment waren Wenige entkommen, aber unter diesen war auch Moritz, die Meisten waren gefallen, Einige gefangen.

Mit bedeutenden Verlusten mußte der König wieder über den Fluß zurückgehen, den er unlängst mit so glorreichen Aussichten überschritten hatte, und wie er in das Land des Feindes einzudringen dachte, so that es dieser jetzt in das seinige.

Moritz blieb ohne alle Nachricht von seinem Freunde. War er todt oder gefangen, er wußte es nicht, denn Keiner war von denen, die sich zuletzt um Wilhelm gehalten hatten, entkommen.

Der Feind hatte beim Rückzuge des Königs noch eine bedeutende Anzahl Gefangener gemacht, die unter der Aufsicht jenes Dragoner-Obersten, den eine leichte Wunde für kurze Zeit unfähig zum Kampfe, machte, ins Innere des Landes transportirt wurden.

Wilhelm war fast ohne Leben. Mit vielen schwer Verwundeten lag er auf einem Wagen, und fast stündlich erwartete man sein Ende, aber seine Tapferkeit hatte seinem Feinde Achtung abgerungen, und so brachte es denn der Oberst dahin, daß ihm dieser Offizier gänzlich überlassen wurde, weil er alles Mögliche versuchen wollte, ihn ins Leben zurückzurufen.



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