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Fünfte Handlung.

Ufergegend. Im Hintergrunde hohe Felsen, die einen Landsee einschließen. Vorn ein Eichbaum auf einem Rasenhügel.

Gylfe. Bewaffnetes Volk.

Gylfe.

Hier laßt uns halten und die Schaaren ordnen,
Und dann frisch auf den Feind!

(Zu einem Knechte.)

Steig' auf die Höh',
Und ob sich Reis'ge nahn, die eine Dirne
Gefesselt mit sich führen, späh' und künde
Mir Botschaft an, wenn sie dein Aug' gewahrt. –
Ist sie gefangen, ist sie's nicht? – Hat sie
Ihr bös Geschick in meine Hand gegeben,
Ist sie gerettet – welche Kunde hör' ich?

Zweiter Knecht.

Sie nahn, die du erwartest, Kriegesknechte
Und ein gefangen Mädchen, das sie bringen.

Gylfe.

Willlommne Kunde! Ha, da sind sie selbst!

Vorige. Gylfe's Diener und Reisige, die gefesselte Turturell in ihrer Mitte.

Diener.

Hier ist das Mädchen, das du uns zu fahn
Geboten, hohe Frau. Verdienten Lohnes
Harrt unser Dienst und deines Beifalls.

Gylfe.

Beides
Ist euch gewiß. – Das also ist die Dirne,
Die keck mit Kön'gen buhlt, nach Kronen geizt?
Ein erst entblühtes Kind, kaum Jungfrau noch.

Turturell.

O, laß mich deine Knie umfassen, hohe Frau,
Und meine Thränen, die um Rettung flehn,
Laß sie dich rühren! – Eine arme Magd,
In Gottesfurcht erzogen, wuchs ich auf
In eines Waldes abgelegner Stille,
Wo ich nichts Böses übte noch erfuhr.
Kein Blümchen auf dem Anger, keinen Halm
Hab' ich beleidigt noch gekränkt. – Da stürzten
Die wilden Männer jählings aus dem Walde,
Und aus der Mutter Arme mit Gewalt
Die Tochter reißend, schleppten sie mich fort,
Mit schwerer Bande Last mich hart umwindend.
O, sey mir hülfreich, ehrenwerthe Frau,
Und laß mich ledig, mich, die nichts verbrach!

Gylfe.

Du nichts verbrochen? Kennst du Herrn Gawin?

Turturell (erschrocken).

Ach Gott!

Gylfe.

Du bebst? Ha, recht, verbuhlte Dirne,
Die du das Netz gestellt so edlem Wilde!
Sprich, Unglückselige, wie du's begonnen,
Mit welchen Liebezaubers Bann und Kraft
Du ihn an dich gerissen. Rede wahr,
Denn näher stehst du an der Todespforte,
Als jene Felsen an des Seees Welle,
Die ihren Fuß bespült!

Turturell.

Allmächt'ger Gott!

Gylfe.

Ruf um Erbarmen nicht zu ihm und Hülfe,
Er hört dich nicht! Dein Gott bin ich,
Und traun! ein furchtbarer, der Mitleid nicht,
Barmherzigkeit nicht kennt!

Turturell.

Entsetzlich!

Gylfe.

Sprich!
Hat dich Gawin geliebt, du ihn?

Turturell.

Ach Gott!
In Ehren hat der König mich gefreit,
Als seine Braut mich grüßend; keinen Zauber
Hab' ich geübt und kenne keinen! Glaub',
Ich bin nicht schuldig und mein Herz ist rein
Und ohne Trug und Falsch. Ach, ich erschrack
Ob solcher Hoheit unverhofften Glanz,
Die mir nicht ziemt. – Wär' er ein Hirt,
Der, seine Heerde hin zur Weide treibend,
Auf ödem Bergpfad einsam zieht und still,
Ein armer Jäger, der im dunklen Forst
Mit Mühsal nach der kargen Beute klimmt
Von Fels zu Fels – ach Gott in deiner Höh' –
Wie selig wollt ich seyn, von ihm geliebt!

Gylfe.

Von ihm geliebt?

Turturell.

Als mir sein Mund bekannte,
Er sey der König Gawin, und mir Glanz
Und reichen Schmuck verhieß, mich seine Arme
Umschlangen und sein Herz an meinem schlug –

Gylfe.

An deinem schlug? – Du hast den Tod umarmt,
Und dem Verderben lagst du an der Brust! –
Ergreift sie, Knechte! und von jenem Felsen
Stürzt häuptlings sie hinunter in die Wogen!
Dort in dem kalten, öden Wassergrabe
Harrt dein das Brautbett. Nun, wohlan, versuch',
Ob du's erwärmen kannst mit Liebeslust!

Turturell (zu ihren Füßen).

Ach! deine Händ' ergreif' ich, hohe Frau!
O, übe Gnade, sey barmherzig doch!
Nicht tödte mich. Fest deine Kniee umschling' ich,
Laß nicht von hinnen mich die Knechte reißen!
Bei deinem ew'gen Heile fleh' ich dich,
Bei deiner Eltern Haupt und bei den Kindern,
Die du getragen –

Gylfe.

Fort! Du flehst umsonst,
Und todte Helfer rufst du an! Die Brust
Sog nie ein Kind, ich kenne kein Erbarmen!

Turturell.

Bei deiner ersten Liebe sey beschworen!

Gylfe.

Fluch dir! Reißt sie hinweg, ihr Knechte! Fort!
Und in die Fluthen schleudert augenblicks
Sie mir hinab!

Turturell (von den Knechten ergriffen, noch immer am Boden auf den Knien, die Hände aufhebend).

Erbarmt euch mein, ihr Männer!
O, tödtet nicht mich armes Kind!

Gylfe.

Macht fort!

Turturell.

So helfe mir, o du, mein heil'ger Gott!

(Die Knechte tragen sie hinweg.)

Gylfe.

Blieb Liebe ungestillt, so hat die Rache
Mich süß gelabt und ungeahndet nicht
Verschmäht ward Gylfe! Ha, Gawin,
Traf dir der Pfeil in's Herz? Nun denn, wohlan!
Thu' mir ein Gleiches nun, mich kümmert's nicht,
Und warm von deinem Blute, das Geschoß,
Send' in die eigne Brust es mir zurück!

Vorige. Erster Knecht.

Knecht.

Auf, hohe Frau, zieh' aus dein gutes Schwert,
Herr König Gawin naht mit Roß und Mannen!

Gylfe.

Fand er die Hütte leer und sucht die Braut?
Die trägt die Welle schaukelnd schon von dannen.

Knecht.

Die Helme glänzen hell im Sonnenstrahl,
Und kampfverlangend blitzen ihre Lanzen.
Gleich einem Wald bewegt es sich im Thal.

Gylfe.

So fällt den Wald mit scharfgeschliffner Axt.
Wer tapfer ist, mag nicht die Feinde zählen;
Fort, laßt uns ziehn, die Schwerter zu vermählen!
(Sie geht an der Spitze ihrer Kriegsleute ab.)

König Singald (gewaffnet), von Kriegsleuten begleitet.)

Singald.

Ein wilder Lärm erscholl bis in die Tiefe
Der schwarzen Gruft, in der ich trauernd saß
Am Sarge meines Knaben, und, emporgeschreckt
Von meinem Sitze naht' dem Thor ich mich,
Das mit zwei mächt'gen, erzgegossnen Flügeln
Des Eingangs wahret in das Haus des Todes.
Da klang der Pforten Angel und dem Tagesstrahle,
Dem ungewohnten, sah des Grabes Mund
Ich nun geöffnet, und ein Diener kam,
Und kündete mir Staunenden das Wort:
»Steh' auf, o edler König Singald, auf,
Erhebe dich! Verlasse diese Gruft,
Den feuchten Dom im Eingeweid' der Erde,
Und steige aufwärts zu den luft'gen Hallen,
Wo, von dem Sonnenlicht gereift, das Leben wohnt.
Dort wappne dich, dein leuchtend Kriegskleid und
Den Panzer und den goldgebuckelten
Gewölbten Schild, den todabwehrenden,
Wirf schnell um dich; denn neu entbrannt ist
Fehd' und Bedrängniß auf der Oberwelt.«

Ein Ritter.

Ein furchtbar scheußlicher Verrath –
So spricht Frau Gylfe – ward von ihr entdeckt,
Den König Gawin angesponnen hat:
Von Herrschbegier gestachelt, nach dem Thron
Und nach dem Leben selbst dir heimlich trachtend.
Man spricht, durch Beistand einer Dirne, der
Die Eh' er angelobet, ließ Gawin
Dein einz'ges Söhnlein tödten, edler Herr;
Denn eine schlechte Magd, Herrn Gawins Buhle,
Reicht' einen gift'gen Apfel Tags zuvor
Dem zarten Herrlein, als es eben sich
Ergötzt im Freien, von der Armbrust Sehne
Den Pfeil zu schnellen, schwache Kräfte übte,
Der Wärter aber auf dem Rasenplan
Sich einen Augenblick von ihm gewandt.

Singald.

Gift meinem Knaben? O, gerechter Himmel!

Ritter.

Die Dirne ließ die Königin zur Stelle
Ergreifen, ihrer Unthat Lohn
Soll sie empfahen nach der Herrin Spruch.
Dem König Gawin aber zog sogleich
Die starke Frau, die hochgemuthete
Zum Kampf entgegen mit den Tapfersten
Aus deinen Mittelsleuten und Vasallen.
Schon aneinander rannten beide Haufen,
Unsern von hier auf den gebreiteten
Sandebnen an des Seees flachem Ufer.

Singald

Daß ich ein Rächer meinem Kind erscheine
Gib Gott in deinen Wolken! Laß mein Schwert
Die Bahn sich machen in des Mörders Brust!
So laß uns hastig denn in's Treffen eilen,
Wo unsre Treuen stehen im Gefecht,
Daß wir mit ihnen Tod und Wunden theilen.
(Für sich.)
Doch gilt dort oben Gnade nicht für Recht,
So fürcht' ich, steht's mit unsrer Sache schlecht,
Und lange nicht wird die Entscheidung weilen.
Dich scheu' ich, Branor, abgeschiedner Geist,
Der du heraufsteigst aus des Grabes Grunde
Und aus der todten Brust der Unthat Kunde
Hinauf zum Richter in die Wolken schrei'st.
Dein Anblick ist's, der mir den Muth entreißt;
Denn mit dem Rechte steht die Rach' im Bunde.

Vorige. Fliehende Knechte begegnen dem Könige, der eben mit seinem Gefolge abgehen will.

Singald

Wohin, Ausreißer, feige Knechte, die
Wie scheue Hunde, die ein Steinwurf traf,
Vom Platze fliehn? Kehrt eiligst um, so rath' ich,
Wenn ihr dem Schwert, dem ihr entlaufen wollt,
Nicht zu begegnen wünscht.

Erster Knecht.

Entweich', o Herr!
Geschlagen sind die Unsern, König Gawin trägt
Durch unsre Reihen den gewissen Tod.

Zweiter Knecht.

Willst du dich retten, Herr, so eile schnell,
Denn, wie ein reifes Aehrenfeld der Schnitter,
So mäht vertilgend König Gawins Schwert.
Verwundet ist Frau Gylfe, oder todt,
Denn blutig niedersinken sah ich sie.

Ritter.

Der schlimmen Botschaft Wahrheit zu erkunden,
Blick' auf, o Herr! Dort naht, was sie bewährt.

Vorige. Gylfe, einen Pfeil in der Brust, wird auf einer Tragbahre von Baumzweigen aus dem Treffen gebracht. Als der Zug den König erblickt, wird Gylfe in der Mitte der Bühne niedergelassen.

Singald.

O, unglücksel'ge Schau! – Verwundet Gylfe!

Gylfe.

Zum Tode, hoff ich!

Singald.

Weh', das wende Gott!

Gylfe.

Dein Ohr mir leihend, Singald, höre nun,
Ein schwer Bekenntniß ungeheurer Schuld,
Das, nur mit schwacher Stimme ausgesprochen,
Und mit des Athems schon gelähmtem Hauche,
Doch wie ein Donner graunvoll tönen wird. –
Die Brust, die von des Todes Pfeil durchbohrt,
Entbrannt' im Glühen wilder Leidenschaft
Zu König Gawin, deinem edlen Vetter:
Nicht kannt' ich anderes Verlangen mehr,
Als ihn besitzen – und vom bösen Geist
Der Höll' entzündet, von der Wünsche Stachel
Mit immer heiß'rer Sucht getrieben – meint'
Ich ihm den Thron, den du mit mir getheilt,
Zur Morgengabe anzubieten – mit Gewalt
Herab dich stoßend –

Singald.

O, entsetzlich Weib!

Gylfe.

Dein Knäblein aber, deiner Herrschaft Erben,
Hab' ich getödtet. –

Singald.

Ungeheuer!

Gylfe.

Gift
Im Trank ihm reichend –

Singald.

Täuschet Wahnwitz mich?
Geschehen ist der Gräu'l? O, harte Felsen,
Die ihr hinausstarrt in den wilden See,
Ich seh' euch zittern! Grau bemooste Föhren,
Ihr neiget schaudernd eurer Wipfel Haupt
Bei solcher Unthat!

Ritter.

König Gawin kommt.

Gylfe.

Weh' mir! Tragt mich von hinnen! Pfeil,
Du Todesbote – Bringer bittrer Qual –
Du starrst noch in dem bleichentfärbten Busen? –
Hast du mein Leben angeheftet, willst's nicht lassen? –
Ich reiße dich heraus, daß es entfliehe! –

Vorige. Gawin, gewaffnet, von Pendragon und Reisigen begleitet, tritt auf. Singald geht ihm entgegen. Das Gefolge nimmt die Königin in die Mitte, so daß Gawin sie nicht gewahrt.

Gawin.

Steh', König Singald, zieh' dein Schwert und ficht,
Willst du für Gylfe dich zum Kampfe wagen!
Doch rath' ich gut dir, laß dein Eisen ruhn,
Und an der Bösen übe streng Gericht!
Entflohen ist sie meinem Schwert, doch finden
Werd' ich die Frevlerin, wo sie verborgen;
Ihr Leben bürgt für Turturell.

Singald.

Nicht ich,
Dem sie den Sohn getödtet, schütze sie;
Doch deiner Rache kam die Hand zuvor
Des strengen Himmels. Sieh sie selbst. –

(Gylfe's Gefolge tritt zurück.)

Gawin.

Im Blute,
Von Todesschauer schon ihr Antlitz bleich! –
Nicht eh' entflieh' dem Leben und der Qual,
Bis du bekannt, wo Turturell verborgen.
Wo ist sie? Sprich!

Gylfe. (sterbend).

Verschlungen von der Fluth!

Gawin.

O, himmlische Barmherzigkeit! Getödtet?!

(Gylfe's Leichnam wird entfernt.)

Vorige, ohne Gylfe.

Ringald.

Die dir die Braut entriß, hat mir den Sohn
Erschlagen; doch nicht gleiches Leid hat uns
Betroffen: Schuldlos leidest du; doch ich
Vorlängst geübten Frevels Züchtigung,
Vergessener Gewaltthat Strafe trag' ich. – Mit Gewalt
Vertrieb ich meinen Ahn von seinem Sitze,
Den nicht ohn' arges Unrecht ich bestieg.
Es soll fortan ein Würdigrer ihn zieren:
Dir, Gawin, übergeb' ich Kron' und Land,
Und lege, was ich frevelnd nur besessen,
Das Zepter, dir in deine reine Hand.
So sey ein Theil von meiner Schuld vergessen.

Vorige. Argele.

Argele.

Zürnt nicht, ihr Herrn, daß eine arme Frau
Sich naht, die Schmerz und Jammer treibt umher.
Dich such' ich auf, Herr König Gawin, böse Kunde,
Die mir das Herz gebrochen, dir zu melden.
Als wir – der alte Spielmann, den du kennst,
Und ich – um die geraubte Turturell zu finden,
Zur Königsburg zu ziehn gedachten, Hülf'
Und Schutz zu stehn von Singald, unserm Herrn,
Und so hinziehn am See, trug uns die Welle
Den Leichnam Turturells entgegen, fort
Ihn langsam spülend an des Ufers Rande.
So ward die Unglückselige von uns gefunden.
Dort trägt der Greis sie her, den Wahnsinn schier
Ergriff beim Anblick seines todten Kindes?

Vorige. Der Harfner, Turturells Leichnam in den Armen tragend.

Ringald

Täuscht mich ein Traumbild!? – Furchtbare Gestalt,
Wenn ich dich kenne – o, entsetzlich wär's,
Wenn du, ein Geist, herkamst aus jener Welt!

Gawin (entgegen stürzend).

O Gott! nimm meinen Augen ihre Kraft,
Daß sie erblinden!

Harfner

(Turturell auf den Boden legend).

Ruh', unsel'ge Last!
Nicht weiter tragen meine Arme dich! –
O, Herr im Himmel! welcher Unthat Schuld
Strafst du an mir, daß ich nicht sterben kann,
Daß mir allein aus allen, welche leben,
Der Weg verschlossen bleibt in's dunkle Grab?
Mein Kind! Mein Kind!

Pendragon.

Was ficht den Alten an?

Gawin.

War' er ein Mensch und bliebe ohne Thränen
Bei solchem Anblick? Thiere dieses Waldes,
Ihr werdet weinen, wenn ihr Kunde hört,
Ihr kommt aus euren Höhlen, raubgewohnte Wölfe,
Und heult aus Mitleid!

Harfner.

O, mein Kind! mein Kind!
Du, meine Tochter, die im Alter spät
Mir erst geboren ward, du stirbst so früh,
Gehst mir voran zum Tode!

Pendragon.

Welches Räthsel?

Harfner.

Ihr staunt und blicket mich verwundernd an?
Der alte Branor bin ich, König einst
Und euer aller Herr; ein Bettler nun
Und kinderloser Greis; denn jene dort,
Die welke Blume, die am Boden schlummert,
Weißröschen ist's, mein trautes, liebes Kind.

Singald.

O, Rache Gottes! Auch mein Sohn ist todt!

Gawin.

Du Branor? Turturell dein Kind?

Pendragon. (zu Argele).

So war't ihr nicht die Mutter Turturells?

Argele.

Sie war das Kind nur meiner Lieb' und Pflege;
Doch hatte sie die ganz und gar besessen,
Daß ich schon lange Frist es ganz vergessen,
Es habe dieser Schooß sie nicht getragen,
Und sie die Milch nicht dieser Brust genährt.
Vor meiner Hütte blüht ein Rosenhag,
Da, als ich eines Tages heimgekommen,
Fand ich das Kind, das auf dem Grase lag,
Von blüh'nden Rosenzweigen überhangen,
Und eine Turteltaube flog herbei
Dem Kindlein in den Schooß. Das schlief so mild
Und friedlich fort im Schutz der Blüthenlaube,
Als sey's am Mutterbusen, und die Taube
Weht' mit der Flügel Schlag ihm Kühlung zu.
Da blieb ich weilen vor dem holden Bilde,
Und hob die Kleine liebend auf vom Boden,
Und weil ich kinderlos, ein einsam Weib,
Nahm ich, die Gott mir in den Arm gelegt,
Und trug sie in die Hütte, pflegte sie
Und zog sie groß, daß Mutterlieb' und Sorge
Sie nicht vermißt; die Namenlose aber
Ward nach der Turteltaube, die ich fand
Auf ihrem Schooße flattern, Turturell
Von mir genannt.

Pendragon.

Das lohne Gott dir wohl!

Gawin.

O hart Geschick!

Argele.

Dem Morde nur bewahrt
Hab' ich das unglücksel'ge Kind!

Gawin.

Entsetzlich!

Singald.

Weißröschen Sie? Du Branor? – Weh! Weh mir!

Harfner.

So ist es, Singald, wie das Weib gesagt.

Gawin.

Ja, dieses Weibes Red' ist wahr. Gezeugt
Von niederm Blute wird so Edles nicht.
Du bist mein Ohm, die todte Braut dein Kind.

Harfner.

In jener grausen Nacht voll bangen Weh's,
Wo ihr, du, König Singald dort, und Gylfe,
Dein böses Weib, mit stahlbewehrtem Volke
Mich überfielt in meiner sichern Burg,
Und sie von Feuerbränden, die ihr warft,
Entzündet, hell in Flammen loderte
Und alles Burggesinde scheu entfloh,
Rafft' ich Weißröschen schnell vom Lager auf,
Und waldwärts eilt' ich, auf dem Arm mein Kind,
Durch Nacht und Sturm; denn wie im Aufruhr schien
Ob euerm Frevel die Natur zu grollen. –
Im Forst verborgen harrt' die Nacht ich aus,
Den finstern Himmel über mir zur Decke.
So saß ich armer alter Mann und weinte
Viel heiße Thränen in den weißen Bart;
Das Kindlein aber, in Gewand gehüllt,
Ruht' in den Armen mir und fror. – Da haucht'
Ich Wärm' ihm zu mit meines Mundes Odem,
Und schluchzte laut, wenn es die Aeuglein oft
So Hülfe flehend auf zu mir erhob. –
Als dann der Morgen graute und der Sturm
Vorüber war, und an dem heitern Himmel
Die Sonne wieder warm und freundlich strahlte,
Trug ich die Kleine vor des Weibes Thür,
Und sah, wie sie das halberstarrte Kind
Mit freud'ger Liebe in die Hütte trug;
Dann aber ging ich mit gebrochnem Herzen,
Daß ich mein und des Kindes Leben nicht
Gefährden möchte, weilt' ich länger noch.
Oft blieb ich stehn, und weint' und sah zurück!
So zog ich wandernd fort von Land zu Land,
Ein scheuer Bettler, eingehüllt den Leib
In härenes Gewand, und sang zur Harfe,
Gelehnet an der Pforten hohe Säulen,
Die Trauermähr' vom alten König Branor.
Ach, nie hat wohl der Hörer Einer noch
Geahnet, wenn die Saiten mir erklungen,
Ich hab' im Lied mein eigen Leid gesungen.

Singald.

Und ich, ich, Branor, bin's, der dich vertrieb!

Harfner.

Da meint' ich aller Schmerzen Becher leer
Getrunken und erschöpft das Leid; ich Thor!
Vor Alter blöd und schwach! – Da war ich froh,
Da lebte noch mein trautes todtes Kind!
(Er umschlingt Turturells Leiche)

Pendragon.

Hartherz'ges Schicksal, also spottest du
Der Hoheit und des Glückes?
Wenn du die mächt'ge Eiche niederbrichst,
Wie soll das schwache Bäumchen widerhalten?
Da steht ein König, und ein Vater und ein Greis!
Drei Namen, deren Einer schon allein
So höchst ehrwürdig und ein Freibrief scheint
Für den Besitzer, daß kein Ungemach
Ihn treff' und keine Noth des harten Lebens.
Da steht ein König, und ein Vater und ein Greis,
Und weint, und ist so tief getaucht in Schmerz,
Daß, was das härteste uns dünkt, der Tod,
Ihm als des Glückes reichste Gab' erschiene!

Singald.

Nicht deiner Rache, Branor, braucht es mehr,
Denn von des Himmels Strafgericht ereilt,
Büßt' ich mein Unrecht ab mit schwerer Buße.
Auch ich bin nun ein kinderloser Greis.

Harfner.

Ich trage Unglück, Unglück du und Schuld.
Von keiner Rache weiß der alte Branor. –
O, Gott in deiner Höh', in Lichteswolken!
Der du dein Auge wendest hier herab,
Sey meinem Flehen gnädig, höre mich!
Das Leben trug ich und sein Ungemach,
Und unerhörtes Weh' und jedes Jammers
Reich überfülltes Maß, und habe nicht
Gemurrt, mich zu befreien nicht den Dolch
Mir eingedrückt in das gequälte Herz;
Nun liegt mein Kind, mein bleicher Engel, todt,
Und nicht – wie wird mir – helle Farben glühn –
Die Glieder werden leicht – des Alters Schwäche
Ist schnell entflohn – es heben Schwingen mich –
Der Himmel theilt sich – Engelskinder quillen
Aus Rosenwolken – Turturell! –

Pendragon.

Er stirbt!

(Der Harfner sinkt in die Arme der Umstehenden. Gawin steht zwischen ihm und Turturells Leiche.)

Gawin

(nach einer kurzen Pause).

Verklungen ist der Mißton seines Lebens,
Und Himmelsharfen singen nun um ihn!
Die preis' ich selig, die hinüber ziehn,

(in Thränen ausbrechend)

Und ihnen nach sehnt sich mein Herz vergebens!

(Er sinkt vor dem Leichnam Turturells auf die Knie und beugt sich weinend über ihn.)

Der Vorhang fällt. Ende.


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