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Vierte Handlung.

Halle in König Singalds Burg.

Gawin. Pendragon

Gawin.

Ist alles, wie ich es befahl, vollzogen?
Zwingt nichts mich mehr zu längerem Verweilen?
Sind unsre reis'gen Schaaren wohl bereitet,
Zur Stunde aufzubrechen, und den Weg
Zur Heimath anzutreten?

Pendragon

Unter Waffen
Steht schon das Kriegsvolk, deines Winks gewärtig.
Die Helme sind geschmückt mit grünen Zweigen,
Des frohen Sieges freudenreiche Zeichen;
Die Rosse wiehern und die Reiter jubeln,
Und fröhlicher Gesang schallt in die Luft.
Den lust'gen Schaaren folgt ein langer Zug
Saumrosse, schwer beladen, mächt'ge Last
Kostbarer Beute nach der Heimath tragend.
Es schwellen Lust und Sehnsucht jedes Herz,
Weil, hingewandt zum väterlichen Herd,
Die sieggekrönten Banner wieder fliegen.

Gawin.

Bin ich denn Sieger oder bin ichs nicht?
Ist Friede, oder wüthet noch der Krieg?
Kaum weiß ich's selber! Zwiespalt ist in mir,
Gedoppelt theilt im Kampf sich meine Brust,
Von Trauer bald bewältigt, bald von Lust.
Wer siegt, ich weiß es nicht! – Schwingt sich die Seele
Auf Freudefittigen zum Himmel auf,
Reißt sie ein lastendes Gewicht zur Erde
Schnell wieder, und ein ahnungsbanges Schauern,
Das ich umsonst bekämpf' in meinem Geist,
Verkündet Unglück mir in diesen Mauern.

Pendragon

Darum verlass' sie schnell, da nichts dich mehr
Zurückhält, daß das Herz sich wieder frei
Im Räume fühle, die geengte Brust
Dem freud'gen Leben wieder offen sey.

Vorige. Gylfe.

Gylfe.

Was muß ich hören, Vetter? Ist es wahr?
Du willst von hier und schon gerüstet,
Bereit zum Abzug stehet dein Gefolge?

Gawin

Karg zugemessen sind die Stunden mir. –
Aus meinen Landen hat die Kriegesarbeit
Mich lang entfernt gehalten; ungestüm
Ruft mich, und laut, mein Volk zurück, und wahrlich,
Auch meine Sehnsucht zieht mit starken Banden
Mich nach der Heimath. Darum, Königin,
Vergönne, daß ich Urlaub nehme.

Gylfe.

Gawin!

Gawin.

Dein sey der Ruhm, des Friedens holde Palme
Gesenkt zu haben in den reichen Boden
Der heimathlichen Flur; dort soll sie grünen,
Von keines Sturmes Wehen je gebeugt.
So scheid' ich jetzt getrost von dir und lasse
Den Segen deines Werkes dir zurück.

Gylfe.

Nein, nein, Gawin! nein! nimmermehr! Du darfst
Jetzt nicht von mir – so nicht! – Wär's möglich,
Du hättest nicht gesehn – du wüßtest nicht – ?
Ich muß – Verlaß uns, Pendragon!
Was deinem Herrn zu sagen mich verlangt,
Erduldet keine Zeugen zwischen uns.

(Pendragon geht ab.)

 

Gylfe. Gawin

Gylfe.

Wir sind allein. – Wo soll ich Worte finden,
Und wie beginnen? Wie den edlen Stolz
Bezwingen meiner Seele! O, Gawin,
Ja, ungroßmüthig bist du, herzlos, falsch!
An meinem Schmerz willst du dich laben, willst
An meinen Qualen deine Augen weiden.
Wie, du hätt'st in mein Innres nicht geschaut,
In meines Busens Grunde nicht gelesen?
Du könntest nicht errathen, was ich dir
Zu sagen habe? könntest nicht dem Herzen
Die Scham des eigenen Geständnisses
Ersparen?

Gawin.

Base, hör' –

Gylfe.

O, du bist grausam!

Gawin.

Ich steh' befremdet –!

Gylfe.

Nicht verstelle dich!
Ich sollte glauben, was nicht glaublich ist? –
Du kanntest mich und kanntest meinen Haß,
Und hättest nicht gewußt, was mich getrieben
Zum schnellen Frieden und Vertrag mit dir?
Du hättest nicht die Quelle ausgespürt,
Der meines Handelns rascher Strom entrauscht?
In meinem Auge nicht gelesen und
Doch hätten deine Blicke Antwort mir
Gegeben? –
Du hättest meine Wünsche nicht errathen,
Und ich die deinen deutlich doch erkannt?

Gawin.

O, höre, Base –!

Gylfe.

Nein, nicht trügst du mich!
An meiner Schwäche willst du dich erfreun.
Wohlan, ich gönne diese Freude dir!
So hör' aus meinem Munde das Bekenntniß –

Gawin.

O, halte ein!

Gylfe.

Was soll mich hindern, frei
Dir zu bekennen, was du lang schon weißt?
Ich liebe dich, Gawin! Ja, dieses Herz,
Das unbezwungen, hat sich dir geweiht
Auf ewig; laut und offen will ich's rufen,
Vor aller Welt es froh verkünden:
Ich liebe dich! und stolz bin ich auf mich,
Daß ich dem Besten nur mich hingegeben,
Dem schlechten Manne nie mein Herz geglüht.

Gawin.

O, Königin! welch unglücksel'ger Irrthum!

Gylfe.

Ein schöner Tag geht blühend für uns auf,
In einem goldnen Lichte glänzt die Welt!
Nicht ein gewöhnlich tagliches Ereigniß
Ist dieses Bündniß, wie bedeutungslos,
Zufällig oft die Menschen sich vereinen;
Ein Schluß des Schicksals waltet über uns.
An unsre Liebe schließt sich freudig nun,
Was früher sich an unsern Haß geschlossen.
Ein hohes Pfand gewahrt uns das Geschick,
Das selbst den Weg gebahnt zu unsrem Glücke,
Ein sichres Zeichen seiner künft'gen Gunst.
Vor wenig Stunden konnt' ich dem Geliebten
Ein treues Herz, ein glühend Leben nur,
Nur meine heiße, ew'ge Liebe bieten,
Nur was das Weib besaß, dem Manne weihn;
Nun naht dem König eine Königin,
Zu einer Krone froh die zweite legend.
Das einz'ge Söhnlein Singalds nahm der Tod,
Erloschen ist dieß eherne Geschlecht,
Zum Haß geboren und zum Haß erzogen;
Der Strom, der in zwei Arme feindlich sich
Getheilt, wird fort in Einem wieder fließen.
Nur Einen Stamm des Volkes wird es geben
Und nur Ein König herrschen über ihn,
Mein Herr und mein Gemahl; und ein Geschlecht
Von Helden zeige der erstaunten Welt
An ihrem Ruhm den Adel ihrer Abkunft.
Nicht immer einet das Geschick mit Starkem
Das Starke auch; die Nachwelt aber, mein' ich,
Soll an den Kindern ihre Ahnen kennen,
Den tapfern Gawin stolz und Gylfen nennen.

Gawin.

Welch kühnes Wort entfloh aus deinen Lippen!
Du wolltest den Gemahl, dem du verbunden
Durch der Natur geheiligt festes Band – ?

Gylfe.

Nicht an sein Leben leg' ich meine Hand.

Gawin.

Wer wird der Ehe Bündniß lösen können?

Gylfe.

Die Hand, die's knüpfte, wird es wieder trennen.

Gawin.

Und soll er flüchtig wandern aus dem Reich,
Den eignen Boden meiden?

Gylfe.

Alsogleich
Auf ein entlegnes Schloß verbann' ich ihn;
Dort bring' er ruhig seine Tage hin.

Gawin.

Wie, Königin! Wär's möglich? Könntest du
So große Huld und Gnade, als an dir
Der König, dein Gemahl, geübt, vergessen?
Der aus dem Staube niedriger Geburt
Zu seines Bettes Ehren dich erhoben,
Mit goldner Krone deine Stirn geschmückt
Und ausgeziert mit königlichen Würden?
Deß zum Vergelte könntest du ihn jetzt
Von eben diesem Stuhle selbst vertreiben,
Auf den dich seine Großmuth erst gesetzt?

Gylfe.

Ich höre staunend deine Rede, Vetter!
Die, seltsam, das, was sie entschuld'gen sollte,
Mit ungestümer Zunge rasch verdammt!
Der sollte nicht die Flamme schmähn und schelten,
Der sie erregt; dem man zu Liebe sündigt,
Soll nicht ein Eifrer für die Tugend seyn,
Die man ihm opfert; soll nicht undankbar
Bezeugen sich der höchsten Frauengunst,
Die man aus freier Wahl ihm zugewandt.

Gawin.

O, Königin!

Gylfe.

Du mahnest mich, Gawin,
An meine Pflichten gegen meinen Herrn,
An meines Standes unbequeme Würden?
Ja, wenn der goldne Reif auch dieses Herz
Umfinge, wie dieß Haupt und diese Stirne,
Daß keine Gluth der Leidenschaft es faßte;
Wenn eine Königin aufhörte, Weib
Zu seyn, und wie ein Weib zu fühlen und
Zu lieben! Doch das Herz erstarret nicht,
Auch wenn der Purpur prunkend es bedeckt,
Es fordert seine Rechte; mahnend zeigt
Und dringend es den Schuldbrief der Natur,
Dem jede Menschenbrust verfallen ist. –
Und gibt es ferner eine Wahl für mich,
Noch zwischen dir und meinem Wollen? –
Verschmähest du den Thron, den ich dir biete,
Ich will ihn nicht, ich nicht! Wohlan, es sey!
Er bleibe seinem alternden Gebieter,
Er bleibe ihm! Still zieh' ich dann und arm
Wie ich hieher gekommen, wieder fort,
Und laß ihm zum Ersatz für leeren Schimmer,
Und für den eitlen Glanz, der mich geschmückt,
Verlorne Blüthen eines reichen Lebens,
Verwelkte Kränze meines schönern Glücks.
So, mein' ich, war' der Handel zwischen mir
Und deinem Vetter ausgeglichen, und
Wohl nicht auf meiner Seite der Gewinn.
Wohlan, Gawin! Ich stehe nun vor dir
Schmucklos und dürftig, eine niedre Magd,
Wie ich die niedre Hütte einst verließ,
Die mich, entfernt vom Kronenglanz, geboren;
Doch was ich bin und habe, sey für dich,
Und so werf' ich mich, arm, wie ich es bin,
Doch freudig und getrost an deine Brust,
Mein ganzes Seyn und Wesen dir zu weihn.

Gawin.

Nicht dünkt mich's ritterlich, an Singalds Ehre
Verrath zu üben; deines Herzens Schwäche
Mißbrauchend, was der Krieg ihm ließ zu eigen,
Im tiefen Frieden heimlich ihm zu rauben.
Gab ich ihm Land und Herrschaft denn zurück,
Die ich in ehrlich gutem Streit gewonnen,
Um sie im schlechten wieder zu entreißen?
Nicht also, Base! Gott bewahre mich,
Daß so unkönigliche That ich übe.
Mein Weg ist grad', das ist der deine nicht!
Hätt' Singald ich auf freiem Feld erschlagen,
Ich dich errungen mit des Schwertes Kraft,
Und wär' in Liebe dir mein Herz entbrannt,
So hätt' als Siegslohn ich dich heimgeführt,
Das darf ein Ritter und ihn ehrt solch Thun;
Doch Frauenraub am eignen Blutsfreund? – Nein!
Das wolle Gott nicht, daß so arger Sünde
Sich König Gawin schuldig wissen mag!

Gylfe.

Mit leichter Zunge sprichst du Schweres aus,
Grausamer Gawin! schmähst mit hartem Muthe
Mein überströmend Herz, weil herzlos du!
Nicht acht' ich deiner Worte, denn ich liebe;
Du aber kennst nur rauhes Waffenspiel,
Du selbst ein rauher Held, gleich hartem Eisen!
Nicht also klänge Rede dir und That,
Wär' dir im erzbedeckten Busen je
Erglüht der süßen Neigung Lust und Weh'!

Gawin.

Nicht herzlos bin ich, Gylfe, wie du sagst;
Ehrbarer Minne ist mein Sinn zu eigen. –

Gylsc.

Was muß ich hören?

Gawin.

Liebeslust und Weh',
Ich kenne Beides, und im tiefsten Leben
Trag' ich den Pfeil gleich einem edlen Wilde,
Das mit der Todeswunde traf der Schütz.

Gylfe.

Willst du mich tödten, Unglückseliger?

Gawin.

Doch seit ich reine Lieb' im Busen hege,
Fühl' ich ein edles Drängen nur in mir,
Das mich zum Guten treibt, und meine Seele
Ist mild und still geworden, und mein Herz
Hegt keine Wünsche mehr, die auswärts fliegen.
Denn so ist Liebe ja, wahrhaft von Art,
Daß sie die Herzen reinet, die sie einet,
Und was sie einet, rein und gut bewahrt.
Doch deine Liebe füllt mit wilden Gluthen,
Sie macht nicht gut und stammet nicht vom Guten.

Gylfe.

Und ihr erzittert nicht, ihr hohen Säulen?
Du öffnest, Erde, deinen Abgrund nicht,
Schlingst dieses Ungeheuer nicht hinab? –
So wenig furchtbar, Gawin, schien ich dir,
Daß du dein schamlos Spiel mit mir gewagt?
Verachtung tragen, Hohn aus deinem Munde
Soll Gylfe hören? –
Ha, Fluch! Fluch dir! Noch bin ich Königin!
Aufs neue wacht die Rache wieder auf
In meinem Busen und der alte Haß
Bricht wieder seine Fessel! – Wahre dich!
Denn wärst du in der Erde tiefstem Grunde,
Ich finde dich – von mir vernimmst du Kunde!

(Geht ab.)

Gawin (allein).

Nun seh' ich wieder deines Bildes Züge,
Das Trugbild ist verronnen, und verwischt
Da« Antlitz, da« es trug. Es schwand der Schein
Der frischen Lebensfarbe, und die Seele
Erscheint in ihrer angebornen Blässe.
Nun, immerhin! Mich dünkt, so sey es besser,
Und lieber ferne und geschieden bleibe,
Was nimmer sich zusammen fügen kann. –
Ohnmächtig Drohen soll mich nicht erschrecken,
Die gift'gen Worte dringen nicht in's Leben,
Und böser Zungen Pfeile tödten nicht.

(Geht ab.)

Gylfe. Der Diener.

Diener.

Das ist die Kunde, die der Mann gebracht,
Dem du befohlen, überall genau
Dem Könige zu folgen. Nah' im Forste
Steht eine Hütte, armer Leute Dach,
Dahin sah Herrn Gawin der schlaue Späher
Im stillen Abenddunkel heimlich eilen,
Und eine Dirne, die schon sein geharrt,
Flog liebend in die Arme ihm. Ihr Name
Ist Turturell; die Mutter aber ein
Viel arm und dürftig Weib, uns wohl bekannt.

Gylfe.

Nimm reisig Volk; schnell fort, brecht auf!
Die Dirne fah't, und fest mit eh'rnen Banden
Gefesselt, schleppt sie her! Wer sie vertheidigt,
Und wär's der König selbst, stoßt ihn zu Boden!
Um diese Beute ringt mit eurem Leben,
Und so ihr sie gewinnt, und mir sie bringet,
Sey eure Rüstung nicht so schwer an Eisen,
Als blankes Gold ihr sollt von hinnen tragen.

Diener.

Sey unbesorgt! Noch eben sah ich Herrn
Gawin im Burghof; eher nicht, als ich,
Deß sey gewiß, erreichet er den Forst,
Denn eines nähern Fußpfads hab' ich Kunde,
Den selbst die Jäger, die zu jeder Frist
Den Wald durchziehn, nur selten kennen. So
Eil' ich ihm vor und bringe dir die Beute.

Gylfe.

O, daß das Glück du hättest im Geleite!
Mein sey die Dirn' und dein der Lohn noch heute.
(Der Diener geht ab.)

Gylfe (allein).

Nun in die Waffen wieder und hinaus!
Und alle Kämpfe der vergangnen Zeiten,
Und aller frühern Kriege blut'ger Graus
Sey gegen dieses Tages Mord und Streiten
Nur wie ein Reihentanz zum Klang der Saiten
Beim Freudenmahl, im lust'gen Hochzeithaus.
Die Fackel schwing' ich mit dem blut'gen Brand,
Die um mich her die Erde soll entzünden;
Aufs neue blitzt das Schwert in meiner Hand,
Es soll dem Feinde Gylfe's Grimm verkünden,
Den blut'gen Weg zu seinem Herzen finden,
So wahr dem Fluch der Höll' ich mich verband!
Verachtung tragen soll ich? – Nimmermehr!
Verschmäht, von seiner Arglist hintergangen?
Verbirg dein Antlitz, Tag! Nacht um mich her,
Verhülle mich und halte mich umfangen,
Daß man die Scham nicht seh' auf meinen Wangen!
Du, edler Stolz, sey meine Wacht und Wehr! –
Hab' Frevel ich gesät und blut'ge That,
Daß mir kein Lohn und keine Ernte werde?
Keimt keine Glückesfrucht aus jener Saat,
Die, ahnungsschwer, ich senkte in die Erde?
Trug darum ich heilloser Angst Beschwerde,
Daß mich die Höll' verderbe und ihr Rath? –
Zurück nicht schreitet mehr die dunkle Bahn,
Wer einmal eingriff in der Zukunft Walten;
Wer selbst der Pforte Riegel aufgethan,
Der bebe nicht, wie furchtbare Gestalten
Auch dann, der Nacht entquillend, sich entfalten!
Hat er das Glück gesetzt an Glückes Wahn!

(Geht ab)

 

Platz vor Argelens Hütte.

Argele. Turturell.

Agele.

Warum in Thränen, mein geliebtes Kind,
Wo Freuden blühen hochzeitlicher Lust,
Wo Hoheit winket, Reichthum, Macht und Glück?
Ist denn des Elends gar so mächtig viel,
Wenn Kön'ge um uns frei'n? Stets warst du fromm,
Und eine sitthaft tugendsame Dirne,
Der Mutter folgsam; das belohnt der Himmel.

Turturell.

Ein König mein begehren? – Furchtbar Schicksal!
Er war zu hoch für solche niedre Magd,
Als er ein Ritter war noch aus dem Heer;
Nun soll ich meinen Blick zu ihm erheben,
Der über Alle herrschet und befiehlt?

Argele.

So wunderbare Gab' ist Frauenschönheit,
Daß sie dem reichsten Erdengute gleich
Geachtet wird im Leben. – Ward ihm Hoheit,
So ward, was aller Hoheit Höchstes ist,
Die Schönheit dir. Ward Macht ihm, nun, fürwahr,
Die höchste Macht, der Alles unterthan,
Ward dir gegeben: deines Leibes Reiz! –
Drum laß die traurige Bekümmerniß
Am hellen Strahle deines Glückes schwinden,
Wie Nebel sinken um der Berge Spitzen,
Wenn sich die Sonne zeigt auf ihrer Höh'.

Turturell.

Als ich den Namenlosen noch geliebt,
Der, Obdach suchend, in die Hütte trat,
Da war die Brust mit Seligkeit erfüllt,
Und leicht und frei fühlt' ich die Pulse schlagen,
Von keiner Last den Busen mir gepreßt.
Ach, ihm entgegen flog mein junges Herz,
So wie ein Vögelchen zum andern fliegt,
Die unbekümmert von den Blüthenzweigen
Vereinigt dann hinflattern in die Luft.

Argele.

Weil den ein prächtig bunt Gefieder ziert,
Und er so hell und farbig prangt – ei nun,
's ist doch ein Vogel auch, so wie ein andrer.
Und ist nicht auch mein lieblich holdes Kind
Gar ein viel selt'nes Vöglein, und ringsum,
Im ganzen Waldrevier kein solches mehr?

Turturell.

Ein König mein Begehren? Nimmermehr!
Ich unter Königen? Die arme Hirtin,
Die ihre Lämmer still zur Weide trieb,
Und unterm Dach der Bäum', am Rand der Quelle
Gelagert, süß und sorgenlos entschlief,
Ich eine Königsbraut? – Der Hoheit nicht,
Der Demuth war mein Herz beflissen, ach,
Und dienstbar seyn, nicht herrschen steht mir an.

Argele

Sey unbesorgt! In Glück und Hoheit lernt
Gar bald ein Weib sich finden und sich fügen.

Turturell.

Aus dieser kleinen Hütte soll ich treten
Hin in den Königssaal? – Aus Fried' und Stille
In Streit und Krieg? O, Mutter! – süße Mutter!
Du hast ja selbst von jenem bösen Hader
Mir oft erzählt, der in der Königsburg
Seit grauer Vorzeit bis auf diesen Tag
Zu Mord und Frevel die Bewohner riß.
Die Brust, die heil'gen Frieden eingesogen,
Die nur die stille Treu' und Liebe kennt,
Wie sollte die in Leidenschaft entbrennen,
Der wilden Zwietracht Haß und Rache üben,
Verfolgung tragen oder selbst verfolgen?
O, nimmermehr! Laß uns entfliehen, Mutter,
Laß uns entfliehn mit unsrer kleinen Habe,
Und eine niedre Hütte suchen, fern,
Und andre Triften, einen andern Wald!
Der Harfner zieh' mit uns, und du und ich –

Argele.

Und Ritter Gawin? – Denkst du sein nicht mehr?
Liebst du ihn nicht?

Tulturell.

Ob ich ihn liebe, Mutter?
Er ist mein Taggedanke und mein Traum!
Ach, eine offne, blut'ge Wunde ist
Mein Herz! Seit ihn zuerst mein Aug' erblickt,
Hab' ich kein Lächeln mehr unschuld'ger Freude,
Und keine Heiterkeit und keine Lust;
Nur Thränen, heiße Thränen, nichts als Thränen!
Das ist die Gabe, die mein Liebster mir
Gebracht: Unruh' für Ruh', für Friede Streit
Und end'ger Schmerz, so oft ich sein gedenke,
Und doch im Schmerz nur Leben und Genuß! –
Bin ich, ich eine Braut denn für Gawin?
Den königlichen, hohen Ritter ich? –
Nein, Mutter! – Laß uns fliehn und laß mich sterben!
Laß mich im Gram vergehn um ihn, so leid' ich
Viel süßen Tod, den mir mein Trauter gab,
Den Tod der Liebe, höchste Liebeslust.

 

Vorige. Bewaffnetes Volk, von Gylfe's Diener geführt, nähert sich spaßend.

Argele

Was für gewaffnet Volk späht dort und lauscht?

Turturell

Sie schau'n auf uns.

Argele

Sie deuten auf die Hütte
Und sprechen heimlich.

Turturell.

Mutter, ach, mir bangt
Vor diesen Leuten!

Argele

Ohne Sorge sey,
Mein liebes Kind! Viel Kriegesvölker ziehn
Jetzt hin und her durch's Land; da mag es leicht
Geschehen, daß ein Haufe sich verirrt.

Diener.

Du kennst sie auch?

Erster Knecht.

So wie mich selbst.
's ist Turturell, die Alte ihre Mutter.

Diener.

So ist die Beute unser und das Gold.
(Sie stürzen vor und ergreifen Turturell.)

Turturell.

Allmächt'ger Gott im Himmel! – Mutter! Hülfe!

Argele.

Mein Kind! Barmherzigkeit! – O, laßt sie los!

Diener.

Nichts nützt dein Flehen!

Turturell.

Hülfe! Hülfe!

Argele.

Nehmt
Mir eh' das Leben!

Turturell.

Hülfe!

Diener

(stößt Argelen weg).

Fort mit dir!
Die Dirn' ist unser, wenn des Waldes Bäume
Auf Euer Rufen auch zu Hülf' Euch eilten.

(Turturell wird fortgetragen.)

Argele

(will folgen; von den Reisigen zurückgestoßen, sinkt sie, händeringend, an der Thür der Hütte nieder).

Der Vorhang fällt.


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