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Drittes Buch.

Bran der Tölpel.

I.

Wo liegt so still und einsam wohl ein Ort,
An welchem Strand der ungeahnte Port,
Wo liegt, o sagt es, wo, in welchem Meer,
Das Eiland mit dem Wogengurt umher,
Wo jene Alpenzinke, mächtig hoch,
Unwegsam, ew'ger Schnee auf ihrem Joch –
Daß nicht des Schicksals Aug' euch dort erspürt,
Daß nicht dahin sein dunkler Nachen führt?
Wo ist der Ort, wo's euch nicht folgt, nicht sucht
Und nicht erreicht auf eurer scheuen Flucht?

*

Es lebten fern der Heimath nun am Meer
Gest und Ingvelde. Gladgaards Haus stand leer.
Sie lebten still in ungetrübtem Glück,
Und dachten ungern nur daran zurück.
Ein neues Haus und ein Gehöft entstand,
Erbaut in schöner, grüner Bucht am Strand,
Und fruchtbar Land durchschnitt der scharfe Pflug,
Und Knecht' und Heerden hatten sie genug.
Ein jeder Wunsch des Herzens war erfüllt,
Der Ehe Glück von keiner Wolk' umhüllt!
Es kam der Lenz mit seinen Wonnen an,
Mit neuem grünem Schmucke angethan,
Und wenn im Grund die süßen Blumen wach
Und auf das Heer der sammtnen Knospen brach,
Entwand sich auch mit dem erneuten Jahr
Ein Menschenknöspchen wie ein Röslein klar
Ingveldens Schooß! – So spielt' zu ihrer Lust
Ein Knabe schon; der zweit' an ihrer Brust
Sah noch bewußtlos in den klaren Schein
Des Himmels und des Mutterblicks hinein! –
Kein Wunsch trübt' in Ingveldens Herzen mehr
Den süßen Liebesfrieden um sie her;
Sie selbst war sanft und mild und unterthan
Dem Willen Gests, und nur, wenn er begann
Ein Wort zum Frieden mit der Thorstein Haus,
Flammt' ihr Gesicht und eifernd rief sie aus:
»Nicht solchen Rath! Leicht dürft' es sonst geschehn,
»Ich möcht' den Spalt in deiner Lippe sehn!« –
So fließt der Jahre Wechsel still dahin,
Und kaum sehn die Beglückten, daß sie fliehn.
Und ob auch wohl, den Blick zum Grund gesenkt,
Ingvelde manchmal Klaufe's noch gedenkt,
Gefolgt ist ihr sein Schatten nicht hieher.
Nur einmal sah sie ihn auf offnem Meer
Hinfahren, wie hoch auf des Schiffes Rand
Er, seinen Blick auf sie gerichtet, stand;
Indeß das Schiff durch's strudelnde Gewog'
Fort wie ein Pfeil in Windessäuseln flog! –

Und wie jetzt Gladgaard öd' und ohne Herrn,
Die Eigner fort, vom alten Herde fern,
Lebt auch seit jenem blutigen Gefecht
In Thorsteins Haus ein anderes Geschlecht.
Fünf junge Söhne Glasers lebten dort;
Sie hatten noch getheilt nicht Gut und Hort,
Und hatten wenig des Besitzes Acht,
Noch ihn zu mehren waren sie bedacht.
Auf Abenteuer zogen sie umher,
Suchten Gefahren auf zu Land und Meer;
Sie dachten kaum mehr an der Ihren Tod
Und waren ihn zu rächen nicht in Noth! –
Der jüngste nur der Söhne Glasers glich
Den Brüdern nicht; der lebte still für sich
Und schien einfältig und von blödem Geist,
Und nicht wie jene wackern Sinns und dreist.
Wenn die sich tummelten im Sturm zu Schiff,
Den Wogen trotzend und dem scharfen Riff,
Die Streitaxt schwangen und das lange Schwert,
Und ihren Muth das Lied der Skalden ehrt' –
Lag der gedankenlos am warmen Herd
Auf weichem Schaffell, schweigend auf der Erd',
Und streckt die Füße nach der Asche hin,
Und schaut die Funken glühn und glimmen drinn.
Bran hieß der Bursch, der nun an zwanzig Jahr
Und kräftig sonst und stark von Gliedern war;
Doch blieb er ungeschickt zu jedem Ding
Und seine Brüder hielten ihn gering,
Der nicht von Thorsteinart, wie sie, erschien;
Und »Bran den Tölpel« nannt' die Sippschaft ihn.

Einstmal geschah's, daß auch die Brüder aus
Und Bran allein geblieben war im Haus;
Zum Feuerherde hatt' er sich gesetzt,
Dort saß er spät noch und entschlief zuletzt.
Als er sich endlich ausstreckt und erwacht,
War's finster in der Halle – Mitternacht;
Erloschen war die Gluth und nur der Schein
Des Mondes glitt mit fahlem Licht herein.
Ihm gegenüber stand ein ries'ger Mann,
Mit grauem Mantel seltsam angethan;
Von seinem Hals aus tiefem Wundenmal
Rieselt's wie Blut und tröpfelt in den Saal,
Wie nach Gewitterregen, einzeln, schwer
Die Tropfen niederfallen lang nachher.
Und Bran der Tölpel schaut ihn ruhig an
Und staunet nicht, von wannen denn der Mann,
Und wie er fraislich und wie sein Gesicht
Blutlos und bleich, eines Lebend'gen nicht.
Er fragt ihn nicht nach Nam' und Heimath aus,
Noch wessen Stamm und wie er kam in's Haus;
Nicht Wort noch Handschlag, Gruß! Auf seinem Fell
Bleibt er in Ruh, bläst nur die Flamme hell,
Und wie sie brennt setzt er sich wieder hin,
Und was der Fremde thut, nicht kümmert's ihn!
Doch wie das Reh der Drache, der geballt
Am Felsthor liegt, mit seines Blicks Gewalt
In Haft hält wenn er's mit dem Aug' erfaßt,
So ging es Bran dem Tölpel mit dem Gast,
Der steten Blickes schweigend auf ihn schaut,
Bis Jenem vor dem stummen Fremden graut.
Da greifet er verlegen nach dem Krug
Und spricht: »Wollt ihr? hier ist des Meths genug!«
Der aber nimmt den Krug und kostet draus,
Giebt ihn zurück und spricht zu Bran: »Trink aus!
»Und daß du wissest, wer dir that Bescheid,
»Dein Vetter Klaufe bin ich! Auf der Heid'
»Lieg' ich erschlagen und kein Thorstein ächt
»Hat mich an meinem Weibe noch gerächt!« –
Und Bran der Tölpel that wie er befahl,
Trinkt und setzt hin den Krug; da auf einmal
War ihm, als ob nach einer langen Nacht
Er plötzlich wär' aus schwerem Schlaf erwacht.
Und weiter hört er Klaufe's blut'ge Mähr':
Wie fruchtlos er dem Grab entstiegen wär'
Und umgeirrt zu Wasser und zu Land,
Und keinen Sippen ihn zu rächen fand. –
»Schwör' einen Eid mir,« rief ihm Klaufe zu,
»Schwör' einen Eid mir, gieb der Seele Ruh,
»Daß du die Blutschuld strafst an meinem Weib
»Und an der Frucht aus ihrem schnöden Leib!«
Und streckt die Rechte aus! Und Bran zum Pfand
Legt ab den Schwur in Klaufe's todte Hand.
»Blutbrüder sind wir nun, das merke wohl!«
So tönt des Todten Stimme dumpf und hohl.
Da zuckt ein Schlag Bran durch Gebein und Mark,
So daß er wankt, und wie er immer stark,
Ihm schwand der Geist und es erlosch sein Blick.
Als endlich ihm Besinnung kam zurück,
Da war die Halle leer und ausgethan
Die Flamm' am Herd, und wieder einsam Bran.

II.

Sucht nicht den Schlüssel alles Wesens auf;
Viel giebt's Verborgnes in der Dinge Lauf,
Und viel, das ihr mit blödem Geist nicht seht,
Ist dennoch wahr und lebet und besteht.
Meint ihr wahrhaftig, keinerlei Verkehr
Sey nach dem Tode mit den Schatten mehr,
Und wenn ihr tief den Leib mit Erde deckt,
Sey auch mit ihm zugleich der Geist versteckt? –
Wohl schließt das Schattenreich ein dunkles Thor,
Ein breiter, tiefer Strom wälzt sich davor,
Doch leicht wird von der Schemen Tritt berührt
Der dünne Draht, der hin und wieder führt.
Geräuschlos wandeln sie, man hört sie nicht,
Man ahnt ihr Kommen, doch man sieht es nicht;
Nur Flimmerlichter hüpfen hin und her
Und leuchten ihnen über Land und Meer,
Wenn sich der Mond in dichte Schatten hüllt,
Und tiefe Nacht den Erdkreis rings erfüllt.
Nicht Jeder, der sie sieht am stillen Ort,
Fühlt ihren Zwang, und Mancher hört ihr Wort
Und mag von dannen gehen, unversehrt
Von ihrer Macht, vom Zauber unbeschwert.
Doch wen sie sich zu ihrem Werk erkürt,
Tauscht die Natur, von ihrem Bann berührt;
Er ist vervehmt der unbekannten Kraft,
Die mit ihm schaltet und nach Willkür schafft.

*

Als von dem Zug die Brüder heimgekehrt,
Lag Bran der Tölpel nicht mehr faul am Herd.
In gut Gewand war er jetzt angethan
Und schien mit einmal ein ganz andrer Mann;
Erhabner viel und mächt'ger von Gestalt;
Das strupp'ge Haupt von Locken schön umwallt,
Die Stirne licht, der sonst Gedanken fern,
Und Feuer stob aus seiner Augen Stern.
Vor ihm lag schön Gewaffen auf der Bank,
Er aber schliff ein Schwert und putzt' es blank;
Auch sonst schafft er umher im Hause frei,
Als ob er drin der Herr und Eigner sey.
Als ihn die Brüder so verändert sahn
Und sie erkannt, es täusche sie kein Wahn,
Da riefen sie erstaunt: »Was ist geschehn,
»Seit wir uns in den Landen umgesehn?
»Ein Tölpel schien uns Allen Bran zuvor,
«Nun gleicht er, traun, dem allgewalt'gen Thor!« –
Es kam das Mahl; sonst, wenn sie sich gesetzt,
Bekam sein Theil der Speise Bran zuletzt;
Was jene übrig ließen war für ihn;
Jetzt langt zuerst er in die Schüssel hin,
Aß nach Belieben, trank bis es genug
Und reichte dann den Brüdern erst den Krug;
Die sahn sich an und saßen staunend da,
Und wußten nicht zu deuten was geschah.
Wie nun das Mahl geendet war, sprach Bran:
»Wo ist das Gut der Thorstein? sagt mir an;
»Das reiche Gut? noch liegt es unberührt,
»Und keiner kennt den Theil, der ihm gebührt.
»Holt es herbei! theilt's fünffach und gebt Acht,
»Daß ihr die Loose gleich im Werthe macht!«

Und immer mehr erstaunten sie dem Wort,
Und Einer sprach zum Andern, als er fort:
»Was ist mit Bran? Beim rothen Bart des Thor!
»Er ist noch eins so mächtig als zuvor!
»Wie Sturmgewölk die Stirn, daß fast mir graut,
»Wenn er auf mich mit strengen Blicken schaut.
»Ist er nicht hoch und breit, als wär' zur Stell'
»Held Klaufe selbst? Wie wuchs er denn so schnell?
»Nicht ihm entgegen kämpft' ich gern; Gewinn
»Hätt' schwerlich einer, kreuzt er seinen Sinn.
»Drum besser, wir vollziehen sein Gebot,
»Denn, bei der Asen Macht, er schlüg' uns todt!«
Und sie gehorchten. Was verborgen lag
Manch langes Jahr, jetzt kam es an den Tag:
Geschmeide, Gold, das sich in Fülle fand,
Und edle Stein' und Kleinod allerhand;
Sie trugen mühsam in den Saal sie her,
Wie rasch sie trugen, ward der Schatz nicht leer.
Am Abend endlich war das Werk gethan
Und zu vertheilen fingen sie jetzt an.
Fünf Loose legten sie von gleichem Werth,
Bald ward ein Theil vermindert, bald vermehrt,
Bis sie so scharf gemessen, daß auch nicht
Um einen Strohhalm irrte das Gewicht.
Als sie nun sahn, daß gut die Theilung sey,
Da gingen sie und riefen Bran herbei.
»Nun wähle! die fünf Theile liegen hier;
»Das Loos, das dir gefällt, es bleibe dir!«
So sprachen sie zu ihm. Da nahte Bran,
Sah sich mit flücht'gem Blick die Theilung an,
Und als er sie betrachtet, warf er stumm
Mit seinem Fuße die fünf Haufen um
Und ging davon. – Die Brüder, als er fort,
Theilten auf's neu den mächt'gen Thorsteinhort
Und sonderten; und wohl noch eins so groß
Als ihre, machten sie des Bruders Loos;
Und riefen dann auf's neue Bran herbei,
Ihm meldend, daß die Theilung fertig sey;
Doch wie das erstemal, so jetzt auch, stumm,
Stieß er die Loose mit den Füßen um.
Die Brüder sahn's und runzelten die Stirn
Und zweifelten, ob Bran gesund im Hirn.

Und wieder fingen sie zu theilen an.
Da trieb sie, eifernd, von der Arbeit Bran,
Und von dem Hort macht' er der Theile zwei;
Drauf zu den Brüdern sprach er: »Kommt herbei!
»Die eine Halbscheid nehmt, die andr' ist mein,
»Dafür soll mein die ganze Rache seyn!
»All unsre Sippschaft liegt erschlagen lang:
»Der alte Thorstein mit der Eisenstang'
»Und Glaser, unser Vater, und im Feld
»Bei Gladgaard Klaufe, der gewalt'ge Held.
»Sie alle liegen ungerächt in Staub,
»Ihr über bliebt für ihre Mahnung taub!
»Ihr zieht umher zu Land und auf dem Meer,
»Doch nicht begierig seyd ihr allzusehr
»Der Feinde Blut von eurer Klingen Stahl
»Triefen zu sehn, und ihrer Todesqual
»Zu lauschen, wenn ihr sterbend Auge bricht;
»An hoher Rache Werke denkt ihr nicht.
»Ich aber will's! Schon morgen aus dem Haus
»Zieh ich des Wegs, in's weite Land hinaus.
»Nicht will ich ruhn, bis ich Ingvelden schau,
»Die blutige Walkür, einst Klaufe's Frau;
»Ich will ihr binden ihre weiße Hand,
»Von ihren Schultern reißen ihr Gewand,
»Winden ihr blond Gelock um meinen Arm
»Und in den Nacken hau'n mein Schwert, daß warm
»Auf ihres Busens Schnee der rothe Guß
»Hinströmen soll, ein uferloser Fluß! –
»Drauf Gest und ihre Kinder tilgt mein Stahl,
»Für Klaufe's Geist gehäuft zum Todtenmal.
»Blutrache sühne so des Todten Geist,
»Der ruhelos noch um die Gräber kreist!« –

Und wie er sprach, wurde sein Antlitz bleich
Und keinem Lebenden sah er mehr gleich;
Wild glomm und roth sein Blick und Funken klar
Entstoben seinem hochgesträubten Haar;
Da sahn die Brüder wohl, nicht eigne Kraft,
Die Kraft der Asen sey's, die in ihm schafft!

III.

Die Hinde zieht mit leichtem Tritt durch's Holz,
Die Waldesfürstin, hohen Hauptes, stolz,
Dem Wasser zu, das tief im Thale quillt,
Mit dessen Fluth den heißen Durst sie stillt.
Sie hebt empor den schlanken Hals und lauscht,
Was durch die tannendunkle Wildniß rauscht –
Da blitzen aus der dichten Waldesnacht,
Wie Grubenlichter glühn im finstren Schacht,
Des Wolfes Augen! Und in schneller Flucht
Enteilt die Hinde über Berg und Schlucht!

*

Nicht mehr blieb Bran zurück im engen Haus,
Den Brüdern gleich zog er auf Thaten aus;
Bald dort, bald da, zu Lande wie zu Meer,
Und furchtbar ward sein Name rings umher.
Auch fügten sich die ältern Brüder gern,
Ihm dienend jetzt, die früher seine Herrn,
Bedenkend, daß er, in der Geister Bann,
Dem Zauber stärkrer Mächte unterthan! –
Wie schön auch jetzt der Held, nicht ohne Grau'n
Konnt' fest auf ihn der Menschen Auge schau'n.
Und immer bleicher ward mit jedem Tag
Sein düstres Antlitz; auf den Brauen lag
Unheimlich Brüten, schmerzlich zuckt' der Mund
Und seiner Augen trübe Gluth gab kund,
Daß wilde Träume, lagernd auf der Stirn,
Gewittern gleich, durchbrausten sein Gehirn.

Einstmals zog Bran mit einem Knecht durch's Land,
Wo sich vom Meergestad' die Straße wand
Durch grünes Blachfeld und bebaut Geheg;
Ein Buchenwald zur Seite säumt' den Weg,
Der aufwärts stieg in sanft gewundnem Zug.
Ein goldner Abend glomm; die Amsel schlug
In stiller Einsamkeit, und Demantthau
Hing schon am Gras der duftdurchwürzten Au.
Sie schritten fort; da kam im Abendgold
Ein Wagen durch den hohlen Weg gerollt,
Mit reichen Decken überhängt; ein Paar
Milchweiße Zelter, gleich an Bau und Haar,
Zog das Gefährt. Neben dem Wagen schritt
Ein starker Mann, die Rosse lenkend, mit,
Von edler, heldenkräftiger Gestalt,
Und mäßigt ihre feurige Gewalt.
Ein Weib saß oben, wunderbar zu schau'n!
Nicht in der Lenzesblüthe junger Frau'n,
Doch also schön, daß jeder, der sie sah,
Verwundert stand, als sey ein Zauber nah.
Nicht mädchenhaft, wie eben erst erblüht
Die junge Ros' in zartem Purpur glüht –
Nein, schlank und hehr, der weißen Lilie gleich,
Die in dem Mondglanz geisterhaft und bleich
Dem Thau der Nacht die keusche Brust enthüllt,
Der ihren Kelch mit feuchten Perlen füllt! –
So zog bei Bran vorüber das Gespann,
Und im Vorbeiziehn freundlich grüßt der Mann,
Der neben ging. Bran aber stand
Sprachlos und blickt' das Weib an unverwandt;
Er dachte nicht an Dank und nicht an Gruß,
Und fest am Boden haften blieb sein Fuß! –
Die Frau blickt lange auf den Fremden hin,
Da plötzlich sieht man Purpur überziehn
Den schönen Nacken und ihr Angesicht,
Und aus den Augen flammt ein grau'nvoll Licht.
»Unseliger! nicht grüße diesen Mann,« –
So ruft sie Gest mit zorn'gen Blicken an –
»Weißt du, wer's war? Ich sah ihn nie zuvor,
»Doch will ich schwören bei dem großen Thor,
»Ein junger Wolf ist's jener alten Brut,
»Die nun erschlagen auf der Heide ruht.
»Ein Thorstein ist's – so wahr die Knaben mein,
»Ein Thorstein ist's, es kann kein Andrer seyn!
»Wie oft manch Einen unwillkürlich graut
»Vor einem Dinge, wenn er's auch nicht schaut,
»Vor bösem Kraute, giftigem Gethier
»In seiner Nähe, so auch geht es mir!
»Es zuckt in meinem tiefsten Herzen kalt
»Ein eis'ger Krampf und schnüret mit Gewalt
»Mir in der Brust die Lebensgeister ein,
»Als schliche sich der Tod durch mein Gebein!
»Ob ich auch nie mit meinem Aug' ihn sah,
»Es schreit in mir: es ist ein Thorstein da!« –
Lang' schaute Bran dem Wagen staunend nach
Mit glüh'ndem Blick, bis er sein Schweigen brach.
»Wer ist das Weib? bei Odins Throne, wer?
»Ich muß es wissen, muß – wo kommt sie her
»Und wem gehört sie an? Wer ist der Mann,
»Der dort einherging neben dem Gespann,
»Der stattliche? Sprich, kennst du sein Geschlecht?«
So frug in schneller Folge Bran den Knecht.
»»Ich hab' ihn nie gesehn, ihn, noch sein Weib,
»»Die wahrlich einer Asin gleicht von Leib;
»»Wie dort der Sonnenstrahlen scheinend Licht,
»»So floß ein Glanz von ihrem Angesicht.
»»Der Mann auch schien mir wacker, kaum noch alt;
»»Nur seine Lippe hatte einen Spalt!«« –
»Das war Ingvelde!« schrie jetzt Bran in Hast,
»Ingveld' und Gest!« – Und von der Stund' an faßt
Seltsam Gebresten ihn, das tief in Nacht
Den Geist gehüllt und krank sein Hirn gemacht.
Er floh der Menschen Näh' und saß allein
In stillem Brüten da, Tag aus Tag ein.
Nicht Meth genoß er, Speise nicht, noch Trank;
Doch war der Geist nur, nicht sein Körper krank.
Als er die Tag' im Trübsinn so vollbracht,
Da plötzlich sprang er einmal auf bei Nacht,
Rafft sich empor und sendet Boten aus
Den Männern rings, zu kommen in sein Haus.
Und früh am Morgen zogen sie herbei
Mit Hack' und Sens' und Werkzeug allerlei;
Denn nicht auf Kriegswerk war ihr Sinn gestellt,
Nein, irgend Dienst zu thun auf Wies und Feld;
Doch eines Andern wurden sie belehrt,
Und weßhalb Bran der Held sie her begehrt.
Aus jener Männer Kreis, der ihn umstand,
Wählt er sich achtzehn, muthig und gewandt,
Die stets bereit zu jedem kühnen Zug,
Wo man im Kampf die Schwerter schartig schlug.
Achtzehn Mark Silber theilt' er unter sie,
Jedweden ein', als Sold, den er verlieh.
So zog er aus; man wußte nicht wohin
Und welch ein Werk zu thun die Männer ziehn.

IV.

Meßt nicht mit heut'gem Maß die Heldenzeit
Der Vorwelt; ihre Tage liegen weit!
Nicht eures Schlages sind, die einst gelebt;
Sie haben andrer Tugend nachgestrebt,
Von rauh'rer Art und ernstrem Angesicht,
Und ihre Amme war die Milde nicht.
Ihr sucht vergebens heute noch die Spur
Von dem Geschlecht; längst schon hat die Natur
Zerbrochen jene Form. Entwurzelt ist
Die Esche Ydrasil Ydrasil, der große Baum der Zeit, der in der Hölle wurzelte, und dessen Laub an den Himmel reichte. zu dieser Frist,
Und Mimers Quell in Asgaards Burg versiegt.
Das Heer der alten Asengötter liegt
In Odins Hallen todt; kein Runenstein
Zeigt mehr der Recken moderndes Gebein!
Doch aus der Skalden goldnem Spiegel strahlt
Der Zeiten Bild, auf dunklem Grund gemalt.

*

Bran führte die Gefährten weit in's Land,
Bis sich der Zug in einer Gegend fand,
Die Allen fremd. Sie zogen von dem Ort,
Wo Brea Ingvelden traf, noch weiter fort
Den selben Weg, den jene damals ging. –
Ein Tag war hingeschwunden und es fing
Am zweiten schon die Nacht zu dunkeln an,
Da hielt unfern vor einem Herrnhaus Bran.
»Wir sind am Ziel!« rief Bran, »hier hauset Gest;
»Gest und sein Weib! Bereitet euch zum Fest.
»Hört an mein Wort! Nicht steigt in ihrem Lauf
»Die Sonne hier des nächsten Tags herauf,
»Und weggespület, wie vom flachen Raum
»Des grauen Meergestades leichter Schaum,
»Soll seyn für ew'ge Zeiten Litolfs Blut,
»So wahr in mir der alten Thorstein Muth! –
»Bei Freya's Antlitz, sie ist schön, und nie
»Sah je mein Auge noch ein Weib wie sie!
»Und denk' ich ihres Reizes, faßt die Sinn'
»Ein wilder Taumel und, ich fühl's, ich bin
»Nicht mehr der Meister meiner eignen That,
»Und nicht von mir nimmt meine Seele Rath,
»Nein, von der dunklen Macht, die mich bezwingt
»Und hält, mit der mein Wille fruchtlos ringt. –
»Umsonst nicht gab ich diese meine Hand
»Hin einem Todten als der Rache Pfand;
»Blutbruder Klaufe's schwur ich mich! Ich weiß,
»Daß ich mich selbst losschlug um diesen Preis
»Und daß mein eignes Leben bald verfließt,
»Wenn erst mein Arm Ingveldens Blut vergießt;
» Doch soll es fließen! Klaufe sage nicht,
»Daß Bran das Wort das er gegeben bricht! –
»Wohlan, brecht auf mit mir, doch schließt den Mund
»Und nichts umher thu' eure Ankunft kund!
»Still nahn wir und umstellen rings das Haus,
»Und lassen nichts was Leben hat heraus;
»Was dann geschieht, laßt meine Sorge seyn,
»Mein sey die Rache, hört ihr, mein allein!« –
Und nach dem Hause Gests hin ging der Zug;
Ein jeder wahrt die Waffen, die er trug,
Daß nicht ihr Rasseln die Bewohner weckt
Und vor der Zeit sie aus der Ruhe schreckt.

Die Nacht war dunkel und es blinkt kein Stern.
Sie nahten still; doch als sie nicht mehr fern,
Bekamen Wind die Hunde, die in Ruh
Das Haus umlagen, und der Straße zu,
Dem Zug entgegen, sprangen sie in Hast
Und wollten bellen; doch ein Schrecken faßt
Sie Augenblicks; denn vor dem Zuge sehn
Sie Klaufe's Geist im nächt'gen Dunkel gehn!
Der scheucht sie fort und scheu zur Seite hin
Kriechen sie lautlos, angstvoll und entfliehn. –
So waren unbemerkt genaht dem Thor
Die Männer, da trat eben Gest hervor,
Der drinn im Haus ein leicht Geräusch gehört
Und sehn will was es sey, das ihn gestört;
Nichts ahnend, trug er Waffen nicht noch Wehr.
Flugs fallen über ihn die Männer her,
Den Mund ihm knebelnd, binden sie zur Stell'
Mit Strick' und Riemen ihm die Arme schnell.
»Bewahrt ihn wohl und laßt ihn nicht entfliehn,
»Denn euer Aller Leben zahlt für ihn!«
Ruft Bran und dringt in Haus und Kammer ein,
Ingvelden suchend, die am Herdesschein
Nicht eines Ueberfalls gewärtig war,
Und ihren Arm schlang um ihr Knabenpaar!
Jetzt hört sie Lärm und Stimmen vor dem Thor;
Nicht friedlich klangen sie! Sie springt empor
Und horcht bestürzt und ihrer Seele graut,
Als sie erst Bran und gleich drauf Gest erschaut,
Den man gebunden schleppt zu ihr herein.
Die Knaben bei des Vaters Anblick schrein
Laut auf, erschreckt, und schmiegen sich an sie
Und halten fest sich an der Mutter Knie.
Bran aber, als sein Aug' Ingvelden sah,
Steht plötzlich still und umgewandelt da.
Ein tiefes Staunen spricht aus seinem Blick
Und die geschwungne Keule sinkt zurück.
Es scheint vergessen was er erst gedacht,
Und wie, vom Schlummer jählings aufgewacht,
Nicht mehr die Seele wahrt den luft'gen Traum
Und neue Bilder füllen ihren Raum
Und andere Gedanken drinn erstehn,
So fühlet Bran, ist's seinem Sinn geschehn.
Nicht denkt er mehr der Blutpflicht, die ihn band,
Nicht mehr an Klauf' und seines Wortes Pfand;
Entschwunden war aus seinem Sinn, wie er
Ein Rächer des Erschlagenen hieher
Gekommen sey; und nicht Ingveldens Tod
Von seiner Hand that seinem Herzen Noth;
Sie zu besitzen treibt ihn die Begier,
Und um sie heim zu führen ist er hier. –
»Komm Weib und folge mir! Verlaß den Ort,
»Den einsamen, und ziehe mit mir fort;
»Denn mein sollst du fortan und mein allein,
»Und keines Anderen Genossin seyn.
»Dich tödten wollt' ich, doch ich kann es nicht;
»Ein Zauber schwebt dir um das Angesicht,
»Der meinen Zorn gewandelt hat in Lust;
»Nicht kann mein Schwert in diese weiße Brust
»Ich stoßen, kann nicht mit der Keule Schlag
»Zerschmettern diese Stirn, licht wie der Tag.
»Deßhalb besinne dich und hör' mein Wort
»Und zieh mit mir aus diesem Hause fort.
»Ein eigner Knecht nur hat dich heim geführt,
»Du sollst vermählt seyn jetzt, wie dir's gebührt!
»Blick hin, welch einen Mann du aufgerafft,
»Sieh seine Lippe, die zerrissen klafft,
»Dem wilden Eber gleich, es starrt voran,
»Wie dem die Hauer, ihm der weiße Zahn!«
So rief von ihrem Reiz getroffen Bran. –
Ihn sah Ingvelde strengen Blickes an:
»»Ich finde keinen Fehl an Gests Gestalt
»»Und nie noch sah ich seiner Lippe Spalt!«« –
Da knirschte Bran in schnell erwachter Wuth –
Ihm aus den Augen rann und Ohren Blut –
Und mit der Keule that er einen Schlag,
Und todt am Boden hingeschmettert lag
Ingveldens jüngstes Kind, daß sein Gehirn
Der Mutter blutig spritzt auf Wang' und Stirn! –
Sie taumelt und erbleicht, da faßte sie
Beim Arme Bran der Schreckliche und schrie:
»Siehst du den Spalt in seiner Lippe jetzt?« –
»»Ich sehe nichts, die Lipp' ist unverletzt!««
So sprach sie, und dem Mund erstarb das Wort,
Die Sinne schwanden ihr und, nachtumflort,
Weit auf die Augen, regungslos doch wild,
Starrt sie auf Bran, ein steingeworden Bild.
Doch sank sie nicht, nein, aufgerichtet stand,
Ob fern ihr Geist, sie fest und unverwandt!

V.

Horch! welche Stimmen schneiden durch die Luft?
Weß ist der Ton, der so voll Grauen ruft,
Ein unnennbarer, unbekannter Klang?
Es ist ein ahnungsvoller Chorgesang
Der Wesen all' und Geister um uns her,
Urkräfte, die in Luft und Erd' und Meer
Geheimnißvoll bestellt hat die Natur,
Ihr Werk zu thun, und die mit Zwange nur
Ihr dienstbar sind. Auf schreien sie empört
Ein furchtbar Lied, in Weisen ungehört:
»Lobt nicht den Menschen! Seines Geistes Licht
»Und seine Tugenden erhebt sie nicht!
»Blickt hin, wie die Geschicke seiner Welt
»Auf wilden Haß der Herzen nur gestellt;
»Wie in dem ganzen Reiche der Natur
»So tief gesunken keine Kreatur,
»Daß sie zerfleischt ihr eigenes Geschlecht
»Und in dem Blut, dem sie entsprungen, zecht!
»Der Mensch allein ist mit dem Mord vertraut
»Der eignen Art, vor der dem Thiere graut!«

*

Bran schien von seiner eignen That erschreckt,
Und seine Mordhand, die schon ausgestreckt,
Sank auf das Haupt des andern Knaben lind,
Und von ihm ungefährdet blieb das Kind.
Laut auf schrie Gest; – da reißen mit Gewalt
Aus diesem unglücksel'gen Aufenthalt
Die Männer ihn, die Bran hieher geführt.
Der schien von seinem Thun ganz ungerührt
Und kaum der That bewußt. Der Wiederkehr
Nach Thorsteins Hof trug nicht sein Herz Begehr.
Das schwoll in immer wildrer Leidenschaft,
Und wie das Feuer in des Berges Haft
Glühte die Lieb' in stillem Wahnsinn fort,
Bis sie entfesselt stürmt in Blick und Wort.
Allein umsonst! Ingveldens Ohr blieb taub.
Dort saß sie thränenlos und bleich im Staub
Am Boden, unbewegt, und schwieg und sah
Nach einer Stell', als läg' das Kind noch da.
Und als das Aug' sie willenlos auf Bran
Endlich erhob und starrt' ihn schweigend an;
Da, wie sie schaut, erblaßte Bran und nicht
Ertrug er jenes Blicks unheimlich Licht!
Er fühlt, ein ehern Band leg' um die Stirn
Ihm Wahnsinn jetzt, schnür' ein sein glühend Hirn.

Daß er entflieh' der dunklen Zaubernacht,
Stürzt er hinaus in's Schattenreich der Nacht.
Doch wie er 'rausritt sieht er Klaufen stehn;
Der trat vor ihn und hielt ihn auf im Gehn:
»Wo willst du hin? hältst du so deinen Schwur?
»Noch leben drei, es fiel ein Knabe nur! –
»Kannst du nicht sehn ein Tröpflein rothes Blut,
»Und bist ein Mann! Mein Weib hat bessern Muth!
»Ein Strom entstürzt' aus meinem Hals mit Macht,
»Ingvelde sah's und hatte deß kaum Acht.
»Und wie stets bleich und bleicher mein Gesicht,
»Strahlt ihres ros'ger stets, und freudig Licht
»Aus ihrem Auge funkelnd sich ergoß,
»Als brechend meines sich im Tode schloß!
»Da hättest blutbespritzt du sollen schau'n
»Voll Hohn die unbarmherzigste der Frau'n
»Auf ihrem Wagen hoch erhoben stehn,
»Und auf mich hin lächelndes Blickes sehn.
»Die Geißel schwingend jagte sie vom Ort;
»Mich aber ließ sie auf der Heide dort,
»Wie eines Thieres abgestorbnes Aas,
»Hungrigen Geiern zum willkommnen Fraß!
»Drum sollst du nicht der Pflicht entlassen seyn,
»Die du mir schwurst, so lang' noch an den Drei'n
»Geschehen nicht der Rache blutig Recht,
»Nicht ausgetilgt Litolfs und Gests Geschlecht!« –
Sprach's und verschwand. Nicht wußte Bran wohin,
Leer war die Stell' und nicht sah er, ob ihn
Die Erde nahm in ihren stummen Schooß,
Ob in die Luft Bild und Gestalt zerfloß, –
»Wo ist er hin? Wahr ist sein Wort,« sprach Bran,
»Was hat mir dieses Weibes Aug' gethan?
»Warum nicht tödt' ich sie, die sterben muß,
»Was hindert mich, was wanket mein Entschluß?
»Warum schmilzt meine Mannheit hin wie Schnee
»Im warmen Lenz, wenn ich sie vor mir seh'? –
»Gibt's keine andre Frau im Land zu frei'n
»Als sie, der schon hinschwand der Jugend Schein?
»Darf ich wohl Klaufen brechen meinen Schwur?
»Dem gnügt ihr Blut und das der Ihren nur!
»Was zaudr' ich länger noch – und muß es seyn,
»So sey es jetzt!« – Und wild stürzt er hinein.
Doch wie Ingvelde wieder vor ihm steht,
Ist er gelähmt; der rasche Zorn vergeht.
Von Neuem wird in ihm Verlangen wach,
Und sänftigt seine Augen allgemach.
Verwandelt war sein Sinn; doch welche Kraft
In ihm so mächtige Verwandlung schafft,
Er wußt' es nicht! Umsonst stand Klaufe's Bild
Vor seiner Seele, zornentbrannt und wild,
Nicht achtet er's. Ingveldens Tod zu schau'n
Wehrt ihm ein seltsam ungewohntes Grau'n;
Doch wie er auch in glüh'nden Worten spricht,
Das Weib blickt vor sich hin und hört ihn nicht.
So schwand ein Tag und wieder einer hin,
Und seiner Werbung hat er nicht Gewinn. –

*

Da zogen Handelsleut' am Hof vorbei
Und kehrten ein mit Gütern mancherlei.
Sie zogen im beständigen Verkehr
Fern um, weit über Land und über Meer,
Und brachten Stoffe, Gold und Edelstein
Und Waffen, reich Geräth, Kleinode fein;
Gefangne, die, zu arm, kein Lösegeld
Den Siegern bieten konnten zum Entgelt.
Was irgend nur der Menschen Wunsch erfreut,
Ein ferner Strand, ein Land dem andern beut,
Das Alles stand geordnet, Theil bei Theil,
Und war zum Tausch und zum Verkaufe feil.
Als nun der Handel ging, da kam auch Bran
Und sah sich um; dann trat er schnell heran
Zum Kaufherrn, und ein Roß von edler Art,
Das ungeduldig in den Boden scharrt,
Feilscht er von ihm: »Laß diesen Falben mir,
»Und eine Sklavin geben will ich dir.« –
»Ich soll die Sklavin nehmen für das Pferd?
»Nie ist sie mir im Tausch den Falben werth.
»Was thu' ich mit dem Weib, wo führ' ich's hin;
»Da bringt ein Gaul mir besseren Gewinn!«
Er drauf: »Erst seh sie an und sprich nachher!«
Und zu den Seinen: »Führt Ingvelden her!
»Doch du,« – rief er den Kaufmann herrschend an,
Und glüh'nder Zorn zu röthen ihn begann –
»Du nimm das Weib und weiche schnell vom Ort,
»Denn komm' ich wieder und du bist nicht fort,
»Beim Asathor, erschlagen liegst du mir,
»Und all dein Gut zur Stell' vernicht' ich dir!« –
Faßt unbekümmert drauf das Roß am Zaum
Und führt es schweigend in des Hofes Raum.
Der Kaufmann blickt' ihn hochverwundert an,
Doch sah er bald, daß wirr im Geiste Bran
Und daß nicht gut mit ihm zu streiten sey.
Was ist zu thun, der Handel ist vorbei;
Er nimmt die Sklavin statt dem Gaul mit sich
Und denkt, vielleicht gewann beim Handel ich.
Ich brauch' daheim grad' eine Magd wie die;
Fügsam und guter Sitte scheinet sie.
Ich will sie mit mir nehmen und ich weiß,
Sie gilt mir wohl noch den gezahlten Preis.

Und mit dem Kaufmann zieht Ingvelde weit
Von ihrem Haus in fremde Dienstbarkeit,
Von ihrem Gatten, ihrem Kind entfernt.
Noch hatte sie im Leben nicht gelernt,
Wie herb und bitter Brod der Knechtschaft schmeckt;
Doch blieb sie stark an Muth und unerschreckt,
Sie klagt und fleht nicht; ihre Wang' ist blaß,
Doch keine Thräne macht ihr Auge naß.

VI.

Ihr Nornen, Schicksalslenkerinnen, laßt,
Wen ihr im Grimm zum Opfer habt erfaßt,
Ungleichen Kampf nicht der Gewalt bestehn!
Fühlt einen Schlag und laßt ihn untergehn,
Den ihr erkürt; nicht schütz' ihn Odins Schild.
Doch seyd, ihr Götter, streng zugleich und mild
Und laßt ihn sterben an dem einen Schlag;
Nicht sterb' er Glied für Glied und Tag um Tag!
O hüllet sanft den hoffnungslosen Schmerz
In Sterbelinnen, machet starr das Herz
Und löscht die Leuchte des Bewußtseyns aus,
Jedweden Schimmer in des Geistes Haus!
Nicht soll Erinn'rung in des Elends Nacht
Fortweben das Gewebe dunkler Macht;
Sie kann nur Gluth aus Hekla's Schlunde seyn,
Ein frischer Stich in offne Wunde seyn,
Ein keuchend Ringen in der Todesnoth,
Ein ew'ges Sterberöcheln – und kein Tod!

*

Ingvelde zog weit hin in fremdes Land
In dem Geleit des Manns, der sie erstand.
Zwar wußt' er nicht wie ihre Herkunft sey;
Und ob sie gleich zu seiner Schaltung frei
Und er für sie an Bran gezahlt den Werth,
War etwas doch in ihr, das ihm verwehrt,
Sie zu behandeln einer Sklavin gleich
Er setzte sie auf einen Wagen weich
Und wandelt neben ihr den Weg entlang;
Und schien ein Dienst zu leisten noth, so sprang
Er schnell hinzu. Sie aber merkt es nicht,
Ließ es geschehn, als sey's gemessne Pflicht,
Und sprach kein Wort und blickte vor sich hin,
Ganz unbekümmert, welchen Weg sie ziehn. –

So kamen sie im Haus des Kaufmanns an,
Und eine Woche allgemach verrann;
Er ließ Ingvelden ungestört und hieß
Sie ruhn vom Weg auf weichem warmem Vließ;
Die beste Kammer war ihr eingeräumt
Und nichts, was einem Gast gebührt, versäumt.
Sie wohnt im Haus wie eine Sklavin nicht,
Nein, wie des Hauses Frau. Nach seiner Pflicht
Dient auf des Herrn Geheiß ihr das Gesind,
Und was sie wünscht, vollbracht wird es geschwind.
Doch nicht geändert schien Ingveldens Sinn;
Sie saß und blickt' tiefsinnig vor sich hin,
Und selten nur aus dem verschlossnen Mund
Gab ein »Ich dank' euch,« daß sie lebe kund.
Doch als ein Tag hin nach dem andern ging
Und einer stets dem andern glich im Ring,
Da meint der Kaufherr, Zeit sey's wohl nunmehr,
Daß er ihr deutlich mache sein Begehr.
So naht ihr eines Tages denn der Mann,
Und freundlich lächelnd spricht er so sie an:
»Jed' Ding hat seine zugemessne Zeit,
»Es endet Lust, es endet Traurigkeit;
»Genug gefröhnt hast du dem Leid, doch jetzt
»Vergiß, was dich vielleicht daheim verletzt.
»Ich hab' genug Besitzthum und Gesind,
»Doch bin ich ohne Weib und ohne Kind.
»Dich kauft' ich, du gehörst mir eigen an,
»Ich bin dein Herr, der dir gebieten kann;
»Doch du hast wunderbar mein Herz bewegt,
»Und des Verlangens heiße Gluth erregt.
»Du sollst nicht ferner meine Sklavin seyn,
»Sey du mein Weib; was mein ist sey auch dein!«

Ingvelde sah ihn finstern Blickes an:
»»Dein Roß hast du verloren gegen Bran.
»»Nicht lebt der Mann, der meinen Willen zwingt,
»»Drum glaube nicht, mein Freund, daß dir's gelingt!««
Dem Kaufmann schien bedenklich, was sie sprach.
Wohlan denn! dacht' er, heute geb' ich nach;
Es kommt vielleicht wohl bald herbei der Tag,
Wo sie des Bessern sich besinnen mag.
Doch schwand ein Tag ganz wie der andre hin
Und nicht geändert ward Ingveldens Sinn.
Da sprach er zürnend: »Deucht's beschwerlich dir
»Mein Weib zu seyn, so dien' als Sklavin mir.
»Ich will dich nicht umsonst ernähren; nicht
»Um anzusehen nur dein blaß Gesicht
»Erkauft' ich dich. Willst du mein Weib nicht seyn,
»Hier ist die Wolle, hier ein Webschiff fein;
»Es steht der Brunnen und der Trog zur Hand –
»So webe denn und wasche mein Gewand
»Und feg' das Haus, denn einer Magd gebührt,
»Daß sie den Besen und das Webschiff führt!« –
»»Ich diene nicht!«« sprach sie mit ruh'gem Ton;
Und mocht' er sie ermahnen oder drohn,
Sie saß auf ihrem Lager unbewegt,
Gleich einem Bild von Stein, das sich nicht regt.
Da meint' der Mann, er bä'nd'ge sie mit Zwang,
Durch enge Haft und durch des Hungers Drang.

Ingveld' erhob nicht einen Klagelaut,
Doch schwand sie hin. Als dieß ihr Herr erschaut,
Da ward ihm bang', sie werd' aus ihrer Haft
Bald ohne Kaufgeld durch den Tod entrafft.
»Dieß Weib verhungert, eh' sie ihren Sinn
»Gehorchend beugt! Was hätt' ich deß Gewinn,
»Behielt ich sie mit Zwang noch länger hier
»Hin auf den nächsten Markt zieh' ich mit ihr;
»Dort geb' ich sie für jedes Angebot;
»Hab' denn mit ihr ein Andrer seine Noth!«

So dacht' der Mann, und als nicht lange drauf
In Drontheim Markt, führt er sie zum Verkauf
Dahin; band sie an's Holz mit einem Strick
Und bot sie feil. Da fiel gar mancher Blick
Verwundernd auf die herrliche Gestalt,
Die selbst im Elend hoher Reiz umwallt.
»Ja, einer Asin gleichet dieser Leib!
»Wer und woher ist sie – wer kennt das Weib?«

So sprachen viele Männer die sie sahn,
Und mancher wollte sie zu kaufen nahn,
Doch keiner that's, ein jeder hatte Scheu.
»Gebt wohl Acht, daß euch nicht der Handel reu'!
»Der Schwanenjungfrau'n eine ist's, wenn nicht
»Den Asen sie gehört, denn ihr Gesicht
»Ist irdisch nicht!« sagt dieser hier. – »»Gewiß
»»Gar eines starken Helden Weib ist dieß.
»»Kauft einer sie und führt sie in sein Haus,
»»Holt der mit Schwertschlag bald sie wieder 'raus
»»Und nimmt euch Hab' und Gut mit zum Entgelt,
»»Wenn er euch nicht das Haupt zum Gürtel spält!««
So sprach ein andrer; so daß keiner wagt
Und um des Weibes Preis den Kaufmann fragt.

Da tönt auf einmal plötzlich laut Geschrei:
»Auf, flieht, und laßt ihm Platz und Wege frei!
»Seht Bran den Tölpel auf dem Rosse dort,
»Mit mächt'gem Schlachtschwert tobt er; macht euch fort!
»Es ist der Held, wild in Berserkerwuth,
»Und wer ihm nahe tritt, der wagt sein Blut!« –
Und Alles floh. Es sprengt' Bran her zu Roß
Und schleunig aus einander stob der Troß.
Des Wahnsinns Zeichen waren leicht zu schau'n
Im bleichen Angesicht voll düstrem Grau'n:
Die Augen glühten – Flammen stob das Haar –
Es schäumt der Mund. – »Begegnung bringt Gefahr!«
Dacht' jeder und gab Raum. Schon war er nah,
Als grad' vor sich er Litolfs Tochter sah.
Bei ihrem Anblick staunend schrie er auf
Und hielt den Gaul schnell an im flücht'gen Lauf.
Noch eh' der Kaufmann wußte was geschah,
Lag schon sein redend Haupt am Boden da;
Das hieb ihm Bran mit einem Hieb vom Rumpf,
Daß in den Staub hintaumelte der Stumpf;
Erfaßt mit Macht Ingvelden dann und schwingt
Sie vor sich in den Sattelbug und bringt
Sie raschen Laufes fort, bis er am Rand
Des grauen Meers leer einen Nachen fand.

*

Als Bran Gests Weib verkauft dem fremden Mann,
Meint' er, zur Ruh gelangen werd' er dann;
Er hatte seines Wortes bittre Reu,
Und es zu brechen wie zu halten Scheu.
»Ihn rächen sollt' ich, das war Klauf's Begehr,
»Ich that's, was will er noch der Rache mehr?
»Ist's nicht genug, daß ich ihr Kind erschlug,
»Das liebliche, das sie im Arme trug?« –
So dacht' er; doch auf jeden Schritt und Tritt
Ging Klaufe's Schatten, ihn verfolgend, mit.
Und war er ledig auch den schlimmen Gast,
Hatt' er deßhalb noch nicht im Herzen Rast.
Ihn faßte dann die ganze heiße Gluth,
Der Wünsche Stachel, liebcsbrünst'ge Wuth.
»Was hielt ich sie nicht hier, daß ich mit Zwang
»Die Gunst, die sie verweigert, mir errang.
»Sie wehrt umsonst. Wenn dieser Arm sie hält,
»Dann ist sie mein und thut was mir gefällt!« –
Und so von wilder Leidenschaft gehetzt,
Von Haß und Rache, von Verlangen jetzt,
Verfehmt dem Geiste, der ihn rastlos trieb
Und wie sein Schatten ihm zur Seite blieb,
Ward immer wilder sein erregter Sinn,
Bis ganz des Hauptes flackernd Licht dahin.
So faßt' ihn rasende Berserkerwuth
Und seine Seele dachte nur an Blut.
In dunkler Nacht ergriff er plötzlich Gest
Und seinen Knaben, band sie beide fest
Und schleppt' sie auf den Weg hin mit Gewalt,
Wo Klaufe's grabentstiegene Gestalt
Er oft nah seiner Mordstatt sah. – »Wohlan,
»Held Klaufe!« – rief er – »so du willst, sieh an
»Den krieggewohnten Gest in seinem Blut!
»Nicht ihn allein, auch seine junge Brut!« –
Und wie er spricht, schwingt er sein breites Schwert,
Das durch Gests Haupt bis in die Schulter fährt,
Und schneidet drauf dem Kind das Hälschen ab
Und läßt die Leichen liegen ohne Grab;
Und wild umhauend, als ob Feinde da,
Eilt er von dannen. Als er heim, ersah
Er ein gezäumtes Roß; er schwang sich drauf
Und ließ es frei hinwenden seinen Lauf;
Er trieb es zwar, doch galt's ihm gleich wohin.
So trug das Roß gar bald nach Drontheim ihn,
Dort, als er eben kam, stellt das Geschick
Ihm Litolfs Tochter plötzlich vor den Blick.
So ward Ingvelde jetzt als Rachepfand
Gegeben in des Wahnsinns blut'ge Hand!
Doch nicht entbehrt das Grab Gest und sein Kind.
Zwei Geister kamen Nachts und hüllten lind
Vater und Sohn bei bleichem Mondenschein
In lange weiße Nebelschleier ein,
Die weithin niederwallten in der Luft,
Bis sie dem Aug' entzieht der Wolken Duft. –
Am Orte, wo einst Olafs Hütte stand,
Erhob ein Grab sich an des Stromes Rand,
Das, sagt man, Norfs und Olafs letzten Sproß,
Ingveldens Kind und ihren Mann, umschloß. –

VII.

Habt ihr gesehn am heißen Erntetag,
Wenn schwül die Luft auf durst'gen Fluren lag,
Den Süd, wenn er die heißen Flügel schwingt,
Den Staub aufwühlt und schwere Wetter bringt,
Die dunkeln Wolken hin am Himmel fegt,
Bis schwarze Nacht den Horizont umhegt?
Wie heim die Heerde eilt in scheuer Flucht,
Der Reiher Schutz im Rohresdickicht sucht,
Wie dumpfes Rollen durch die Lüfte braust
Und immer stärker nah und näher saust?
Wie laut der Donner kracht, die Blitze sprühn,
Und doch kein Regen frischt der Lüfte Glühn,
Bis endlich schwer und dicht vom Himmelszelt
Der eis'ge Hagel prasselnd niederfällt
Und in die Erde tief die Halme schlägt,
Die sich, erst noch ein goldnes Meer, bewegt!
Nichts bleibt dem Aug' des Wandrers mehr zu schau'n,
Als der Verwüstung und der Oede Grau'n! –
So ist's im Leben, wenn der Götter Hand
Strafend um's Aug' uns legt das eh'rne Band
Der Leidenschaft! dann ruht nicht der Orkan,
Bis daß der Tod sein letztes Werk gethan!

Ingvelde sah, daß in des Thorsteins Hand,
Des Rasenden, umsonst ihr Widerstand,
Und daß gekommen sey der Augenblick,
Wo sie erliegen werde dem Geschick.
»Was willst du thun, unsel'ger Räuber! sprich,
Wo hast du Gest und wohin führst du mich?
Führ' mich zu ihm, wenn du die Asen ehrst,
Daß alte Schuld du nicht mit neuer mehrst!« –
Drauf lachte Bran. Doch seines Geistes Nacht
Stiert aus dem blassen Antlitz, wie er lacht,
Wild und entsetzlich, so daß eisig kalt
Ein Schauer durch Ingveldens Adern wallt
Und sie erbebt; das erstemal vielleicht
Im Leben ist's, daß sie aus Furcht erbleicht.

Und immer stärker treibt der wilde Bran
In seinem Lauf den flücht'gen Renner an,
Daß vor dem Aug' pfeilschnell der Raum entflieht.
Jetzt blitzt's von fern und nah, und näher zieht
Dunkles Gewölk und mächt'ger Donner rollt.
Da, in dem Aufruhr, der am Himmel grollt,
Erhebt die Stimme Bran und spricht: »Schweig still!
Was rufst du mich? Du siehst ja, daß ich will;
Schon bring' ich sie!« – Doch sieht Ingvelde nicht,
Wer ihm genaht ist und mit wem er spricht. –
So kommen sie an's Meer. Jetzt hält im Lauf
Mit einemmal Bran seinen Renner auf.
Es scheint, das Ziel der windesschnellen Flucht
Sey hier am Strand die kleine Fischerbucht.
Dort hebt Ingvelden er vom Pferd und spricht:
»Wie – du erbebst? Hörst du den Jubel nicht?
Heut geht's hoch her im Haus der blauen Ran, Ran, die Göttin des Meeres
Die Thorsteins sitzen drinn und schrei'n nach Bran.
Seekön'ge rudern ringsum ohne Zahl,
Goldglänzend, freudig, her zum Hochzeitsmahl!«
Und löst das Seil aus einem Eisenring,
Indem ein Nachen angebunden hing,
Und mit Ingvelden, trotz des Wetters Streit,
Fährt er hinaus in's Meer vom Strande weit.
Da noch einmal fragt Litolfs Tochter Bran:
»Bei Odins mächt'gem Schwerte, sag' mir an:
Wo ist mein Kind – was hast du Gest gethan?«
Und er darauf: »»Fluch seinem Eberzahn!««Und wie er spricht, erhellt ein Blitz im Meer
Ein Fahrzeug; drauf steht Klaufe wild und hehr
Mit der gewalt'gen Stange, stark und lang,
Die, weil er lebt', er statt dem Ruder schwang.
Wie er im Sturme nun vorbeiflog, nah
Am Nachen Brans, und ihn Ingvelde sah,
Deckt sie mit ihrem Schleier ihr Gesicht
Und ahnt gewissen Tod. Sie scheut ihn nicht.
Da faßt der aufgethürmten Wellen Macht
Ingveldens Kahn, daß sein Gebälk zerkracht
Und seine Trümmer tanzen auf dem Meer.
Die grauen Wogen wirbeln drüber her
Und schlingen, die er trug, in Nacht und Grau'n,
Und nichts ist von Ingvelden mehr zu schau'n
Und Bran. Auch Klaufe schwand. – Oed' ist die Fluth,
Der Donner schweigt, des Sturmes Athem ruht!

Hoch auf dem Felsen in der Bucht am Strand
Steht Helge, los ihr Haar und ihr Gewand;
Sie achtet nicht des Sturmes um sie her
Und singt, den Blick gerichtet auf das Meer:

»Wo fährst du hin durch Wetter,
Vom Todesboot getragen
Im grauen Wogenfelde?
Morsch krachen schon die Bretter,
Die Ruder sind zerschlagen;
Wo fährst du hin, Ingvelde? –
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Du fährst dahin zu sterben,
Wahnsinn an deiner Seite;
Dich, die der Treue Siegel,
Dich faßt nun das Verderben.
Schönwange, du geweihte,
Jetzt bricht der Schönheit Spiegel!
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Siehst du den blut'gen Schatten
Herrudern durch die Wogen,
Den Todten sonder Ruhe,
Den ränkevollen Gatten,
Der dich, den du betrogen?
Er schläft in eichner Truhe,
Doch ich – ich lebe noch!«

»Fluch ihm, der ohn' Erbarmen
Um deine schönen Wangen
Mich ließ, kaum erst gewonnen!
Einst nur nach meinen Armen
Begehrt' er, voll Verlangen,
Berauscht von meinen Wonnen!
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Seekönig Klaufe! Nimmer
Trittst du in Gimle's Hallen; Gimle war da« glänzendste Haus Odins zu Asgaard, dem
Aufenthalte der Asen
Rache wird meinen Thränen!
Nie siehst du Asgaards Schimmer! Gimle war da« glänzendste Haus Odins zu Asgaard, dem
Aufenthalte der Asen
Schon läßt sein Horn erschallen
Heimdal, mit goldnen Zähnen. Der Ase Heimdal, der Wächter der Götter, rief diese mit goldenem Heerhorn zur Versammlung
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Schon reiten zu Urds Welle Am Brunnen Urd, nächst der Brücke Bifrost, war der Platz, wo die Asen Gericht hielten
Die Asen zum Gerichte.
Gluth schnauben ihre Pferde;
Thor kommt zu Fuß zur Quelle;
Da, unter dem Gewichte,
Biegt Bifrost sich zur Erde! Am Brunnen Urd, nächst der Brücke Bifrost, war der Platz, wo die Asen Gericht hielten
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Sie richten streng und sprechen
Gerechten Spruch. Dich treibet
Vom Saale, licht umflossen,
Zu Hel Hel, Lokis Tochter, die Hekate der Skandinavier. er, wo Verbrechen
Die Nacht bedeckt. Es bleibet
Walhalla dir verschlossen,
Doch ich – ich lebe noch!« –

»Ingvelde – Bran – gebunden
Ruhn Alle jetzt im Grunde
Und in des Meeres Fluthen!
Begraben und entschwunden
Sind sie im Todesschlunde,
Die Schlimmen wie die Guten!
Doch ich – ich lebe noch!


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