Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Aufzug.

Zimmer in Sternau's Hause.

Erster Auftritt.

  Sternau. Louise.

Sternau. Ja, es ist meine Pflicht als Oheim und Vormund, das Glück meiner Nichte im Auge zu halten. Buchen ist ein leichtsinniger Mensch, der jeder Schürze den Hof macht. Mit einem solchen Ehemanne wäre dem armen Kinde schlecht geholfen. Ich habe daher dem Herrn Galan ein sehr verbindliches Billet geschrieben und ihn gebeten, das Haus nicht ferner mit seiner Gegenwart zu beehren.

Louise. Hermine sieht vermuthlich mit andern Augen. – So ein junges Mädchen, das von der Welt noch nicht mehr kennt, als es von ihr aus seinem Fenster gesehen hat, glaubt freilich solche Betheuerungen aufs Wort. Wir wissen freilich besser, was diese Münzen werth sind.

Sternau. Wir handeln hier mit aller Ueberlegung und als Leute, die die Sache verstehen. Nun, in Ehestandsangelegenheiten dürfen wir, wie ich meine, schon ein Wörtchen mitsprechen; wir beweisen durch unser eigenes Beispiel, daß unsere Theorien gut sind.

Louise. Gewiß, mein Freund! Wir sind in der That ein sehr glückliches Paar, und solche fangen an, hier in der Stadt selten zu werden.

Sternau. Wir sind nun fünfzehn Jahre verheirathet: wie sind diese Jahre hingegangen? Ich habe sie gar nicht gemerkt, ich weiß nicht, wo sie hingeflogen sind. Sage selbst, Louischen: wann ist unser Glück in dieser Zeit auch nur einen Augenblick gestört worden?

Louise. Gewiß, niemals.

Sternau. Waren zwischen uns Eifersuchten?

Louise. Niemals.

Sternau. Du weißt, ich prahle nicht; – ich bin jetzt einige vierzig Jahre: die erste Jugend ist vorüber; aber ich darf, ohne mir zu schmeicheln, sagen: ich war, was man einen hübschen Mann nennt. Und du, Louischen, wenn du deinen Spiegel jetzt noch fragen wolltest –

Louise. Mein Freund, Sie occupiren so alle Spiegel im Hause, daß ich nicht dazu komme, solche Fragen zu stellen; indeß weiß ich auch ohne Spiegel, daß ich nicht schön bin.

Sternau. Allzu bescheiden! Die geringe Meinung, die Madame Sternau von sich selbst haben, ist durch competente Richter glänzend widerlegt worden. Wir wissen, was wir wissen. Ich sitze zwar fast immer hinter dem Schreibtische, und es kann viel in der Welt geschehen, das ich nicht sehe; das aber hab' ich denn doch bemerkt: die gebührende Anerkennung hat nicht gefehlt.

Louise. Du bist nicht gescheidt!

Sternau. Kurz, wie wir Beide hier in diesem Augenblicke stehen, hängt es nur von uns ab, noch jetzt die schönsten Eroberungen der Welt zu machen, wenn wir nur irgend Lust dazu hätten.

Louise. Mein Freund, Sie sind unausstehlich eitel! Es ist nur ein Glück, daß Sie so wenig Zeit haben, auf Irrwege zu gerathen.

Sternau. Laß das gut seyn, Louischen! Unter vier Augen dürfen wir uns so etwas wohl vertrauen. Aber bei alle dem, wann ist es uns je eingefallen, unsere Vorzüge auf diese Weise geltend zu machen? Wann haben wir uns auch nur entfernt zur Eifersucht Anlaß gegeben?

Louise. Mein Gott, ich bin sehr gut, ich sah oft durch die Finger.

Sternau. Haben aber hinter Ihren lieben schönen Fingern nie etwas zu sehen bekommen. Nein, nein! Ich weiß, ich habe den Frauen gefallen – nun, lache immer zu; du mußt aber doch selbst eingestehen, nicht ganz ohne Verdienst. – Indessen habe ich doch nur Augen und Herz für dich gehabt. Und kurz und gut, meine Nichte Hermine soll eine eben so glückliche Frau wie ihre Tante werden; nur einen Mann, wie ich bin, soll sie heirathen.

Louise. Ich fürchte nur, Hermine wird zu lange warten müssen, bis die Natur dieses Meisterstück wiederholt. Wer weiß, ob sie so lange Geduld hat.

Sternau. Sie muß Geduld haben. Buchen bekommt sie nun ein- für allemal nicht! – Buchen ist gar nicht solid. Ich habe gehört, daß keine Frau in der Stadt ist, der er nicht nachgestellt hat.

Louise. Ich muß gestehen, daß ich früher selbst recht viel auf ihn gehalten habe; doch seit ich hörte, daß er dem mageren Pfau, der Räthin Tritthahn, den Hof gemacht hat, ist er mir durchaus fatal!

Sternau. Du beneidest ihr doch nicht Buchens Eroberung?

Louise. Daß mich Gott bewahre! Ein Mann, der an dem Wagen zieht, dem muß es hier fehlen. Buchen hat keinen Verstand.

Sternau. Und ein solcher wird auch nicht der Gemahl meiner Nichte, dabei bleibt es!

Louise. Doch scheint mir Hermine lichterloh zu brennen.

Sternau. Desto eher muß man löschen. – Nach dem Briefe, den er von mir bekommen, wird Buchen wohl öffentlich unser Haus nicht mehr besuchen; es muß daher nur noch gesorgt werden, daß es auch nicht heimlich geschehe, und daß niemand im Hause die Hand dazu biete. (Er klingelt.)

Zweiter Auftritt.

  Vorige. Laurette.

Laurette. Was befehlen Sie?

Sternau. Herr von Buchen scheint Absichten auf meine Nichte zu haben, die ich durchaus nicht begünstigen will. Ich habe gute Gründe, zwischen ihr und ihm alle Verbindung aufzuheben, und habe daher den jungen Herrn ersucht, unser Haus nicht mehr zu beehren, und dich ersuche ich, deine Hände fein aus dem Spiele zu lassen und deinen Diensteifer nur auf das zu beschränken, wofür du gemiethet und bezahlt bist.

Laurette. Ich, Herr Sternau?

Sternau. Ja, Sie, Jungfer Laurette! – Ich weiß, daß Personen Ihrer Art in den Häusern gewöhnlich das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten besorgen; ich verbitte mir alle diplomatischen Verhandlungen zwischen Herminen und den fremden Mächten, insbesondere mit Herrn von Buchen.

Laurette. Sie thun meinen geringen Fähigkeiten zu viel Ehre, Herr Sternau! Wie käme ein armes Mädchen, wie ich, zu einem so erhabenen Posten?

Sternau. Erspare dir alle weiteren Worte. Die geringste Uebertretung meiner Befehle, und du hast zuverlässig deine augenblickliche Entlassung, darauf kannst du rechnen. Komm, Louise.

  (Er geht mit Louisen ab.)

Dritter Auftritt.

Laurette allein.

Ich meine Hände aus dem Spiele lassen? ich am Nährahmen und Strickstrumpfe sitzen, während hier im Hause eben die interessantesten Krisen sich vorbereiten? Die ganze Intrigue in vollem Gange? Und Sie meinen, Herr Sternau, in einem solchen glänzenden Momente würde ich meinen Talenten die günstigste Gelegenheit zu ihrer Ausbildung rauben? Warum nicht gar! – Sie wollen keine diplomatischen Verhandlungen? Gerade deßhalb sollen Sie welche haben, und will's der Himmel, sollen sie so verwickelt werden, als nur immer möglich ist! – Ich habe noch in keinem Hause gethan, wofür ich gemiethet und bezahlt wurde. – Aber das hat man davon, wenn man in bürgerlichen Familien dient! Solche Zumuthungen werden einem gemacht. Ei, Herr Sternau, wenn Sie ein Kammermädchen nur zum Nähen und Putzmachen haben wollen, so hätten Sie es nicht aus den ersten Diensten der Residenz nehmen sollen, und noch dazu eines, das wie ich in einer französischen Kostschule erzogen wurde, – Nein! ich bin nicht für diese bürgerlichen Haushaltungen; meine Sphäre ist der Salon, oder, um mich bescheiden auszudrücken – das Cabinet! –

Vierter Auftritt.

  Laurette. Buchen. Bald darauf Hermine.

Laurette. Wie, Herr Buchen? Sie wagen, trotz dem Briefe, den Sie von Herrn Sternau erhielten, noch in diesem Hause zu erscheinen?

Buchen. Wie Sie sehen, Mamsell Laurette. – Herr Sternau hat mir, auf die höflichste Weise von der Welt, die Thür gewiesen. Ehe ich aber von seiner Artigkeit Gebrauch mache, möchte ich zuvor von dem Grunde unterrichtet seyn, der ihn bestimmt, sich meine Besuche zu verbitten.

Laurette. Von mir werden Sie das schwerlich erfahren, und in sofern dieser Besuch mir gegolten hat, muß ich ihn gleichfalls verbitten.

Buchen. Sie scherzen, liebe Laurette.

Laurette. Ich rede in allem Ernste. – Herr Sternau hat mir meine Entlassung angekündigt, wenn ich Ihnen bei Fräulein Herminen Vorschub leiste. Indessen, sobald ich auf meinem Platz und in meinem Berufe stehe, lasse ich mich nicht so leicht erschrecken, Ueberdieß liebe ich Fräulein Herminen und wünsche ihr Glück. Und endlich – will ich Herrn Sternau einen Streich spielen – denn er hat mich schnöde behandelt und unziemlich von dem Amte eines Kammermädchens gesprochen. Rechnen Sie daher nur immer auf meinen Beistand, Herr von Buchen.

Buchen. Aber, um des Himmels willen, was hat man denn eigentlich gegen mich?

Laurette. Ich, nicht das Geringste; Herr Sternau aber, wie es scheint, desto mehr.

Hermine  (tritt auf). Ich sah Sie in das Haus kommen und muß Sie bitten, sich eilig wieder fort zu machen. Ich habe eben eine solche Lektion von Onkel und Tante um Ihretwillen bekommen, daß meine ganze Liebe für Sie dazu gehört, noch diese Unterredung zu wagen.

Buchen. Ich kann mich von Erstaunen nicht erholen! – Was in, aller Welt, theure Hermine, ist denn in Ihren Oheim gefahren, daß er sich einer Bewerbung widersetzt, die, sobald sie Ihre Zustimmung hat, keine Ursache zu irgend einer vernünftigen Einwendung darbietet, ja, die ihm früher selbst ganz zulässig schien?

Hermine. Von dieser Meinung ist mein Oheim nun durchaus abgekommen. Er hat mir eben ein langes Register aller Ihrer losen Streiche aufgezählt, und bei jedem behauptet: ein solcher Mann könne unmöglich ein guter Ehegemahl werden. Ich habe diese Schlußfolge ans blinder Liebe freilich nicht so unbedingt einsehen wollen; indessen läßt es sich nicht läugnen, Sie haben kolossale Treulosigkeiten begangen, und dem armen Frauengeschlechte auf eine verzweifelte Weise mitgespielt. In der That, wenn auch nur der zehnte Theil davon wahr wäre, wie soll ich Vertrauen zu einem Manne fassen, der sein ganzes Leben damit zugebracht hat, eben so leichtsinnig Verbindungen zu brechen, als sie einzugehen?

Buchen. Eben darin liegt meine Empfehlung und Ihre Sicherheit, meine beste Hermine.

Hermine. Eine saubere Empfehlung, das muß man gestehen!

Buchen. Aber wollten Sie denn lieber, daß ich ohne Wahl mit der Ersten Besten, zu der mich der Zufall gebracht hat, eine Verbindung für das Leben eingegangen wäre? – Ich habe die Frauen aufgesucht, um sie kennen zu lernen; ich habe sie wieder verlassen, weil ich sie gekannt habe. – Ich habe das Geschlecht als Liebhaber, Kenner und Kritiker studirt. Meine Liebhaberei hat meine Studien angeregt, meine Studien haben mir zur Kennerschaft geholfen, und als Kenner konnte mein Geschmack sich nur mit dem Vortrefflichsten zufrieden stellen. – Hier haben Sie den Schlüssel zu meiner ganzen Lebensweise. Sie sehen, daß das, was man mir übel deutet, meine Unbeständigkeit, eigentlich eine meiner empfehlungswerthesten Eigenschaften, und auf wahre Grundsätze gegründet ist.

Laurette. Der Himmel wird wahrscheinlich Ihre Grundsätze viele Anhänger finden lassen.

Hermine. Wir wollen nicht hoffen. – Es wäre gräuelhaft, wenn ein solches System verbreitet würde!

Buchen. Wir Männer werden in Betreff der Treue wahrlich oft sehr unverdient vom bösen Leumund gemißhandelt. Die Frauen machen in diesem Punkte gewöhnlich die unbilligsten Forderungen und die seltsamsten Folgerungen von der Welt. – Wir sehen eine Dame einigemale, wir finden sie nicht übel, wir sagen ihr die gewöhnlichsten Artigkeiten, wir sprechen von Liebe in den allgemeinsten Beziehungen – und siehe da! – die Dame spricht von einer erklärten Verbindung! Wir wiederholen dasselbe Gespräch, bei derselben Veranlassung, bei einer zweiten – und siehe da! – die erste Dame schreit Zeter über Verrath und Treulosigkeit, Aber begründen denn herkömmliche Redeformen solche ernsthafte Ansprüche? Ich meines Theils werde mich, weil ich einer Frau sage, daß sie hübsch ist und daß sie mir gefalle, und sie es wohl aufnimmt, deßhalb schwerlich zu ewiger Treue verbunden glauben; und werden Sie es tadeln, theuerste Hermine, daß ich diesen Grundsätzen treu blieb, da meine Wahl, bis ich sie fand, auf keinen Gegenstand fiel, der sie vor meinem eigenen Urtheile gerechtfertigt hätte?

Hermine. Meine Lage ist bedenklich. Ich muß gewärtigen, daß, wenn Sie erst Ihre Kennerschaft zu Rathe ziehen, die Neigung zu mir vor den Augen eines so gelehrten und gründlichen Kritikers keine Gnade finden werde. – Was soll dann aus mir armem Mädchen werden? – Spreche ich von einer erklärten Verbindung, so behaupten Sie, mit mir nur in den allgemeinsten Beziehungen von Liebe gesprochen zu haben; klage ich über Treulosigkeit, so werden Sie mir antworten, daß solche herkömmliche Redeformen keine ernsthaften Ansprüche begründen. Und wenn ich am Ende auch noch Muth genug hätte, es mit Ihnen daraus zu wagen, so wird doch mein Oheim in keinem Fall auf Ihre feinen Distinktionen eingehen wollen. Sie haben darüber vorläufig schon seine Entschließung vernommen: er will nichts mehr von einer Verbindung zwischen uns wissen, hält Sie für einen wahren Habicht, der uns armen Tauben nach dem Leben trachtet, und verbittet sich in Zukunft die Ehre Ihres Besuches.

Buchen. Nie, nie werde ich meine Ansprüche an Sie aufgeben. Mein Herz hat entschieden und Sie, meine Hermine, Sie glauben mir. – Sie müssen meine Frau werden! Lassen Sie mich mit Ihrer Tante sprechen; meine Bitten werden sie bewegen.

Hermine. Meine Tante ist in der That nicht viel günstiger für Sie gesinnt als mein Oheim. Sie findet Sie verabscheuungswürdig und begreift nicht, wie man sich von einem solchen Menschen, der allen Weibern dasselbe sagt, die Cour machen lassen könne! Seit sie zudem von Ihrer Intrigue mit der Räthin Tritthahn gehört hat, scheint sie sogar von Ihrem Verstande nicht die schmeichelhafteste Meinung zu haben.

Buchen. Begreift nicht? – So! – Es ist Schade, daß mein Herz von zu ernsthaften Gefühlen bewegt ist, um den Versuch zu wagen, es ihr begreiflich zu machen. Mein Verstand muß bei ihr wieder zu Ehren gebracht werden; ohne eine kleine Rache kann diese Beleidigung nicht hingehen.

Hermine. Herr von Buchen, meine Tante ist eine Frau von den besten Grundsätzen und ihrem Mann auf das innigste ergeben.

Buchen. Das bezweifle ich nicht; aber eine bescheidene Huldigung wird ihr ihre Sittsamkeit dennoch anzunehmen verstatten. Laurette. Recht, Herr von Buchen! Ich nehme Ihr Wort für Prophezeihung, Ich habe einen ähnlichen Gedanken. Ich dachte einstweilen über Mittel, Ihre Angelegenheiten, die in diesem Hause für diesen Augenblick nicht günstig stehen, wieder in Gang zu bringen, und mein Plan fängt nachgerade an, Gestalt zu gewinnen.

Hermine. So rede! erkläre uns –

Laurette. Nicht jetzt. Herr von Buchen, Sie sollen noch heute Ihre Instruktionen schriftlich empfangen, um Ihre Maßregeln mit den meinigen vereinigen zu können; jetzt aber ist es Zeit, daß Sie sich entfernen, Herr Sternau darf Sie nicht hier im Hause finden, – Vertrauen Sie mir getrost; Ihre Geschäfte sind, ohne Ruhm zu melden, in den besten Händen.

Buchen. Ich habe alles Zutrauen in Ihren Beistand. Ich verlasse Sie hoffentlich nicht auf lange, meine theure Hermine!

Hermine. Leben Sie wohl, Buchen! Zwar kenne ich Laurettens schnell entworfenen Plan noch gar nicht; doch hoffe ich, wird nicht mehr Spitzbüberei darin seyn, als wozu ein verliebtes Mädchen, um einen Mann zu bekommen, die Hände bieten kann, ohne ihr Gewissen allzusehr zu beschweren.

Laurette. Ei, machen Sie sich deßhalb keine Scrupel. Bei Staats- und Liebesgeschäften kann nicht alles auf dem geraden Wege abgemacht werden, und man muß deßhalb den Unterhändlern nicht gleich ihr Gewissen in den Bart werfen.

  (Hermine geht in die Seitenthür, Buchen durch die Hauptthüre ab.)

Laurette. (allein). Mein Plan ist mir zwar selbst noch nicht ganz klar, indessen ist er auf gute Grundlagen erbaut, die die Hoffnung des Gelingens in sich tragen. – Ja, so muß es gehen! Auf diese Weise allein gewinne ich sein Zutrauen! Sternau ist gutmüthig, sehr leichtgläubig und meint, die Welt sey noch so, wie er sie in Lafontaine's Romanen gefunden hat. Dabei ist er etwas eitel – und ich – ei nun, ich bin für einen Herrn von gewissen Jahren doch immer eine nicht zu verachtende Eroberung. Wird er mir aber glauben? – Gewiß! Daß man sie liebt, glauben die Männer alle; wie viel mehr erst einer, der überhaupt so leicht glaubt, als Sternau. Und glaubt er erst das, dann glaubt er auch alles Andere. Bei Madame wird es schwerer seyn, die Intrigue mit einer ähnlichen Mystifikation im Gange zu erhalten. Doch nur Muth! Madame ist eine Frau wie andere. Zwar liebt sie ihren Mann wirklich; doch wird sie es deßhalb nicht sehr übel nehmen, wenn auch außer ihm sie noch jemand liebenswürdig findet. Und nimmt sie es übel, desto besser! – Wohlan! ich lasse meine Federn springen.

Fünfter Auftritt.

  Laurette. Sternau.

Sternau. Ich hörte sprechen; wer war hier?

Laurette. Herr von Buchen.

Sternau. Buchen? Was wollte er? Wie konnte er nach meiner bestimmten Erklärung noch wagen –?

Laurette. Ein Liebhaber, wie Herr von Buchen, wagt alles, zumal in der Desperation.

Sternau. Er bemüht sich vergebens; seine Anschläge auf Herminen sollen ihm nicht gelingen.

Laurette. Auf das Fräulein?

Sternau. Nun, auf wen denn sonst?

Laurette. Ja so! – Sie meinen also das Fräulein –?

Sternau. Was sollen diese lächerlichen Ausrufungen? »Das Fräulein? – Ja so! – Sie meinen – ?« Was zum Henker gibt es hier noch zu meinen? Laurette. Armer Herr Sternau! Sie dauern mich!

Sternau. Was soll das heißen?

Laurette. Ich fühle – ich bin – ach!

Sternau. Zum Henker, so rede deutlich! Wohin sollen alle diese Vorbereitungen führen?

Laurette. Was ich sage, klingt freilich etwas seltsam; aber ich kann mir nicht helfen. – Sie haben etwas so Einnehmendes in Ihrem Wesen –

Sternau. Das gehört nicht hierher.

Laurette. Ich habe Ihres Gleichen nicht gesehen. Ich bemerke das nicht allein; darüber ist in der ganzen Stadt nur Eine Stimme.

Sternau. Du bist eine Närrin!

Laurette. Und einen solchen Mann –! einen so schönen Mann –!

Sternau.  (für sich). Was zum Teufel will denn das Mädchen?

Laurette. Was ich Ihnen jetzt gestehe, Herr Sternau, hat nie über meine Lippen kommen sollen. Ich hoffe, Sie werden mir auch die Gerechtigkeit widerfahren lassen, einzugestehen, daß ich bis jetzt Kraft genug hatte, mein unseliges Geheimniß auch nicht mit einem Blicke zu verrathen. Gewiß, Sie hatten bis jetzt keine Ahnung, was in diesem Herzen vorging. – Nein, Sie werden nicht unwürdig von einem Mädchen denken, das ohnehin unglücklich genug ist.

Sternau. So komme doch, um des Himmels willen, endlich zur Sache.

Laurette. Ich kämpfte einen fürchterlichen Kampf; doch es handelt sich um Ihre Ruhe und Ihr Glück! – Das lös't mir die Zunge, da kenne ich keine Rücksicht!

Sternau. Ich verstehe dich noch immer nicht.

Laurette. Ich bin verlegen, welche Worte ich wählen soll, das zu bezeichnen, was ich Ihnen mitzutheilen im Begriff bin. 15

Sternau. Wähle die ersten besten, die dir in den Mund kommen.

Laurette. Die Männer haben mir oft gesagt – ich sey schön –

Sternau.  (sie seitwärts anblickend, für sich). Da haben sie nicht Unrecht gehabt.

Laurette. Ich lege darauf keinen Werth. Und hätte ich alle Vorzüge der Welt, was nützten sie mir? Mein Stand berechtigt mich nicht, ein Glück zu erwarten, wie ich es wohl zu schätzen verstände. Dennoch darf ich von mir sagen: dieses Herz ist eines edlen Mannes nicht unwerth.

Sternau. Wozu soll diese lange Einleitung führen? Was, zum Teufel, geht mich dein Herz an?

Laurette. Was es Sie angeht? – O Himmel! – und doch muß ich reden! Ich allein werde diesen bittern Kelch leeren. Urtheilen Sie nach dem, was Sie hören werden, nicht zu voreilig über mich. – – Herr Sternau! Sie sind mir sehr, sehr theuer!

Sternau. Gehorsamer Diener!

Laurette. Wenn ich Ihre Frau geworden wäre, die Frau eines solchen Mannes –!

Sternau. Nein, das ist zu arg!

Laurette. Eines so schönen, liebenswürdigen Mannes, von der feinsten Bildung, den angenehmsten Formen, dem edelsten, vortrefflichsten Herzen! – O Gott! Ich Unvorsichtige! Was hab' ich gestanden! Wohin führt mich mein Gefühl? – Doch warum es nicht sagen? – Ja, ich, Herr Sternau, ich hätte Sie nicht betrogen.

Sternau. Mamsell, Sie werden unverschämt!

Laurette. Immerhin, Barbar! mag es seyn! Einen Tropfen mehr oder minder in den Leidenskelch, was thut das? Mein Geschick geht seinen Gang. Wohl! auch das! – Warum sollten Sie minder grausam seyn? Zertreten Sie dieses unglückliche Herz für die Schwäche, Sie gränzenlos zu lieben!

Sternau  (für sich). Davon hatte ich keine Ahnung!

Laurette. Herr Sternau, nun bitte ich um meinen Abschied.

Sternau. Was fällt dir ein, Laurette? Warum denn deinen Abschied? Diese vorübergehende –

Laurette. Nein, Herr Sternau! Nach dem Geständnisse, das Ihnen mein überraschtes Herz gemacht hat, verbietet es mir mein Zartgefühl, länger in Ihrer Nähe, unter Ihren Augen zu bleiben. Ach, warum hab' ich mir auch eine Stärke zugetraut, die ich nicht besitze! Warum war ich vermessen genug, mir einzubilden, ich könnte aus diesem Kampfe als Siegerin hervorgehen? In der Nähe des Mannes, den ich anbete, dessen Vorzüge immer vor meinem Auge, vor meiner Seele standen! wie war es möglich? – Nein, Herr Sternau! geben Sie mir augenblicklich meinen Abschied! Sie sollen mich beklagen, aber Sie sollen mich achten!

Sternau. Wie, Laurette? Du wolltest – Sie wollten –?

Laurette. Gehen, und mein Geheimniß mit mir nehmen.

Sternau. Was? noch ein Geheimniß?

Laurette. Soll ich Ihnen die Augen öffnen? – Soll ich Sie aus Ihrer glücklichen Blindheit wecken? Und wird, nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, das, was mir noch zu sagen übrig bleibt, nicht verdächtig scheinen?– Wäre es überhaupt edel von mir? Würden Sie nicht glauben, Eifersucht – O, mein Geist verwirrt sich! – ich bin sehr, sehr unglücklich!

Sternau. Armes, beklagenswerthes Mädchen!

Laurette. Und doch! – Soll ich den Mann, den ich über alles liebe, mißbrauchen sehen? Soll ich zugeben, daß man den schwärzesten Verrath gegen ein argloses Herz übe? gegen ein Herz, das der Himmel meines Herzens ist? – Nein! meiner Liebe soll jede kleinliche Rücksicht fern bleiben! Mag ich verkannt werden, sey es! wenn ich nur groß vor mir selbst stehe! – Herr Sternau! Sie glauben in der That, die Bewerbung des Herrn von Buchen gelte Ihrer Nichte?

Sternau. Ja, wem denn sonst?

Laurette. Armer, betrogener Gatte!

Sternau. Laurette!

Laurette. Fassung, Fassung in dieser schweren Stunde! Sie sind ein Mann! Die Lie – die Freundschaft hilft Ihnen tragen. – Mein Herz ist gebrochen, Ihr Herz ist verrathen! Mischen Sie Ihre Thränen mit den meinigen. – Herr von Buchen liebt nicht Ihre Nichte, Herr von Buchen liebt Madame Sternau!

Sternau. Das ist unmöglich!

Laurette. Und doch! Ich weiß es, ich hab' es entdeckt. O, die Liebe hat scharfe Augen! – Hier ist kein Zweifel. Madame Sternau liebt ihn wieder! Sie sind betrogen, Ihre Nichte ist betrogen, wir alle sind betrogen!

Sternau. Louise? Nein, es wäre schändlich!

Laurette. Das ist das Loos des Schönen auf der Erde! – – Und nun, Herr Sternau, bitte ich um meinen Abschied. Ich habe, nun ich mein Herz verrathen, hier nicht länger Ruhe. Diese Mauern lasten auf meiner Brust. – Ich muß fort, fort! – einsam weinen und (wirft sich an seinen Hals) dich nie vergessen, edler, unglücklicher Mann! (Sie geht schnell ab.)

Sternau. Das ist eine schauderhafte Geschichte!

  (Der Vorhang fällt.)

  Ende des ersten Aufzugs.


 << zurück weiter >>