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Ivan Iljitsch.

Ivan Iljitsch ist jetzt schon sehr alt. Alt, aber nicht hinfällig – im Gegenteil. Seine Stimme ist laut wie die eines Generals im Schlachtgetümmel, obwohl er als einziger Sohn einer Witwe nie Soldat gewesen ist und es nicht hat abgucken können, wie sich Generale im Schlachtgetümmel benehmen. Es ist aber kaum glaublich, wie fein diese gewaltige Stimme klingen kann – im Amt, den Vorgesetzten gegenüber. Da hört man sie kaum. Da säuselt Ivan Iljitsch nur so, und säuselt so angenehm, daß er jedes Jahr seine Gratifikation bekommt und an seinem fünfzigsten Geburtstag einen Orden auf seinem nagelneuen Frack befestigen kann. Jetzt ist Ivan Iljitsch natürlich längst pensioniert, und die feine säuselnde Stimme auch.

Seine Pension beträgt 800 Rubel. Er bewohnt eine halbe erste Etage in einer breiten, ruhigen Straße und verbringt den Sommer zwei Stationen von der Stadt entfernt, auf seiner Datscha. Er verbraucht jährlich etwa 5000 Rubel, was beweist – da er in Geldsachen ein ordentlicher Herr ist und keine Schulden hat – daß er seine Stellung im Amt, wie es sich auch gehört, gut ausgenützt hat.

In der Stadt und auf dem Lande hat Ivan Iljitsch Kartentische und da wie dort freundwillige Partner, die ein gutes Abendbrot gern mit einem Spielverlust von zwei bis drei Rubeln bezahlen. Ivan Iljitsch spielt nicht hoch, aber verliert ungern. Er verlangt wie im Leben, so auch am Kartentisch größtes Entgegenkommen, verkehrt und spielt darum am liebsten mit jüngeren Leuten, die Respekt vor Alter und Verdienst haben.

Ivan Iljitsch glaubt an Gott, die heilige Synode, den Zaren und vor allem an die Unfehlbarkeit der Beamten – von seinem Range an aufwärts. Er nennt sich konservativ aus Anstand und ist reaktionär aus Überzeugung. Sein politisches Bekenntnis läßt sich in zwei Worten zusammenfassen, die heißen: »Maul halten!« Wer das Maul nicht halten kann, soll gehängt werden. Für Ivan Iljitsch ist Volk Kanaille, Kaufleute sind Diebe und Gauner, Künstler – Hanswurste, Schriftsteller – Nihilisten, Zeitungsschreiber – große Lügner, Studenten – Anarchisten. Als Einzelindividuum läßt er gelten: ein hübsches Frauenzimmer von der Straße oder aus dem Kuhstall – und seinen Arzt, wenn er sich den Magen verdorben hat.

Geographisch ist Ivan Iljitsch unschuldig wie ein junges Kind: der Franzose trinkt Rotwein und schickt Gouvernanten nach Rußland, der Deutsche macht Würste und spricht jüdisch, der Engländer, der verfluchte, legt die Beine auf den Tisch, spuckt in die Ecke und fängt alle Schiffe ab. Im allgemeinen aber ist das Ausland für ihn »das, woher alles Böse kommt«.

Ivan Iljitsch sagt selbst, er sei zu alt, um noch mehr zu lernen. Dafür weiß er andere gute und nützliche Dinge: wie lange man die Erledigung einer Angelegenheit hinziehen muß, um das Maximum jener Erkenntlichkeit zu erreichen, die sich in 10- und 100- Rubelscheine umsetzt, wie oft man ganz zufällig dem hohen Vorgesetzten begegnen muß, um sich ihm in Erinnerung zu bringen, mit wieviel Schimpfworten man einen schüchternen Bittsteller ins Bockshorn jagt, und mit wieviel angehängten S-lauten man dem vornehmen Klienten seine Ergebenheit bezeigt.

Vor allem liebt Ivan Iljitsch seine Bequemlichkeit. Besonders auf der Datscha. Da geht er den ganzen Tag in einer gestickten Bluse umher, trinkt Tee von früh bis spät, und unterbricht diese Tätigkeit nur, um eine endlose Reihe von Speisen zu vertilgen, zu schlafen, Karten zu spielen und wieder zu schlafen. Natürlich ist er unmenschlich dick, ebenso dick, wie seine Frau mager ist. Er hat nämlich auch eine Frau – aber die sieht man selten und hört man nie. Sie macht den Eindruck eines Wesens, das man in einer Ecke stehengelassen und vergessen hat. Trotzdem erkundigen sich immer alle, wie es Anna Maximowna geht, und jedesmal sagt Ivan Iljitsch: »Ich danke, sie lebt.« Eines Tages wird er sagen: »Ich danke, sie ist gestorben«, und wird sich ebenso ruhig an seinen Kartentisch setzen.

Und doch hatte es eine Zeit gegeben, da diese dürftige, welke Frau, eine große Rolle im Hause gespielt hat, freilich eine passive Rolle und wohl auch eine aufgezwungene Rolle.

Ivan Iljitsch war nie sehr vornehm in der Wahl seiner Mittel, und überdies hatte er ein Prinzip: sich dem Vorgesetzten angenehm zu machen. Dies erschien ihm als eine heilige Pflicht, die Pflicht jedes wohlgesinnten Beamten. Mochten die Leute doch dies und jenes munkeln, Gott hatte sein Leben gesegnet, und schließlich hatte er selbst beinahe vergessen, wie er zu Wohlhabenheit und Ansehen gekommen war. Und wenn es einen dunklen Punkt gab, wie weit mußte man da zurückdenken ... fast vierzig Jahre.

Ivan Iljitsch war damals ein kleiner Schreiber, der letzte, erbärmlichste Schreiber im Ministerium. Sein nächster Vorgesetzter saß ihm gegenüber am zerkratzten, tintenbespritzten Schreibtisch. Es war ein dürres, verkümmertes Männchen, mit schmalen, bläulichen Lippen und einem krummen Rücken. Seine Augen waren stets entzündet und tränten oft. Er hieß Wassjkow und saß schon zwanzig Jahre an demselben Platz, auf demselben Kissen, das plattgedrückt und abgewetzt auf dem Stuhle lag. Seit zwanzig Jahren hatte Wassjkow Seite auf Seite mit seinen schönen, runden Buchstaben beschrieben, seit zwanzig Jahren täglich einen neidvollen Blick auf den jeweiligen Beamten am Fenster geworfen. Warum hat er diesen Platz nicht bekommen? War es nicht ungerecht, ihn in die Tiefe der dunklen Stube zu bannen, da wo nie ein Schimmer des Tageslichtes hereindrang? Eingabe um Eingabe hatte er geschrieben, um den Fensterplatz zu bekommen – die Jahre kamen und gingen, ohne ihm die Erfüllung seines Wunsches zu bringen. Die Talgkerze wurde vom Öl, das Öl vom Petroleum verdrängt, das Petroleum vom Gas, der Zar starb, ein anderer bestieg den Thron, Kriege wurden ausgefochten, Rebellen wurden gehängt, ein Feuersbrand vernichtete drei Straßen, Häuser stürzten ein, neue Gebäude wurden errichtet, eine Choleraepidemie raffte fast ein Drittel aller Beamten hinweg – Wassjkow aber saß jeden Morgen von acht Uhr früh bis fünf Uhr nachmittags auf seinem verhaßten Platz, nur einen Ehrgeiz im Sinn, nur eine Sehnsucht im Herzen: sein altes Kissen dort hinübertragen zu dürfen auf jenen Stuhl neben dem Fenster. Und doch wurde er nicht wahnsinnig darüber. Er schrieb und schrieb Hunderte von Akten, und jedes halbe Jahr eine neue Eingabe.

Als Ivan Iljitsch sich das erstemal ihm gegenübersetzte und sich ihm schüchtern vorstellte, fragte ihn der Alte kurz: »Beamtenfamilie?«, und als der Neuling ebenso kurz antwortete: »Nein, verarmter Edelmann!«, da lächelte Wassjkow höhnisch und murmelte: »Gratuliere. Da sind Sie ja bis an Ihr Lebensende versorgt, und wir werden wohl noch zwanzig Jahre hier zusammensitzen.« Ivan Iljitsch erschrak ernstlich – so hatte er sich die Karriere im Ministerium nicht vorgestellt. »Zwanzig Jahre hier in diesem dunklen Winkel?« »Ja, Verehrtester, oder hätten Sie etwa Protektion?« »Woher sollte ich Protektion haben? Die Meinigen sind während der Cholera gestorben. Nitschewo! Ich werde eine Eingabe schreiben, auf daß ich wenigstens den Fensterplatz bekomme.«

Der Alte verfärbte sich. »Schreiben Sie, junger Mann,« knurrte er, »Papier haben Sie ja genug!« Seit jenem Tage saßen sich zwei erbitterte Feinde gegenüber.

Zwei Jahre vergingen, ohne eine Veränderung zu bringen. Auch Ivan Iljitschs Augenlider begannen sich zu röten. Eines Tages wurde es plötzlich hell in der Stube, so hell, daß Ivan Iljitsch erschreckt aufsprang, weil er dachte, ein General sei hereingekommen, mit seinen sämtlichen Orden. Aber es war nur ein junges Mädchen. »Meine Tochter«, stellte der Alte knurrig vor. Sogar der Mann am Fenster sah sich um. Das Mädchen war wirklich sehr anmutig: eine echte russische Schönheit – blendende Haut, dunkelgraue Augen, reiches blondes Haar und dazu schüchtern bis zur Dummheit. Sie brachte jetzt ihrem Vater, der leidend war, täglich warmes Frühstück, wartete, bis er aufgegessen hatte, und nahm dann das leere Schüsselchen mit. Ivan Iljitsch versuchte dabei den Kavalier zu spielen, so gut das in dem dumpfen, dunklen, übelriechenden Raum ging.

Eines Tages trat der Bureauvorsteher unvermutet ins Zimmer. »Mach', daß du rauskommst«, stieß der Alte hervor und schob das Mädchen hastig hinaus. Der Bureauvorsteher war ein sehr eleganter, älterer Herr, der immer ein in Kölner Wasser getauchtes Taschentuch vor der Nase hielt, wenn er aus seinem behaglichen Arbeitsraum in die Kanzleistuben trat. Er ging an den beiden Schreibern vorbei, ohne sie anzusehen, und trat zu dem Beamten am Fenster, dem er ein Aktenstück abforderte. Neidvoll blickten die Schreiber auf den Glücklichen, und noch lange nachdem der Herr Bureauvorsteher die Stube verlassen hatte, roch es gut darin nach Kölner Wasser und feiner Seife.

»Warum haben Sie denn Ihre Tochter so plötzlich fortgeschickt?« fragte Ivan Iljitsch lauernd.

Wassjkow kniff die Lippen zusammen: »Es paßt sich nicht, daß ein anständiges Frauenzimmer unter Männern angetroffen wird. Mehr als ihren Ruf hat sie nicht! Soll ich sie später einmal im Rinnstein auflesen?«

Ivan Iljitsch war schon damals so klug, daß er den ganzen komplizierten Gedankengang des Alten ohne weitere Fragen begriff. Aber er sagte kein einziges Wörtchen, und das war noch klüger.

Als die Zeit heranrückte, da die beiden ihre Eingaben zu machen pflegten, fragte Wassjkow höhnisch: »Na, Sie junger Mensch, werden Sie sich nicht wieder einmal bemühen?« Ivan Iljitsch schüttelte den Kopf. »Ich hab' mir's überlegt, es wäre bitter für Sie, wenn meine Eingabe berücksichtigt würde. Sie warten länger!« Wassjkow sah ihn lange ungläubig an, dann reichte er ihm die Hand: »Sie sind ein edler, junger Mann!«

Zwei Wochen später wurde Ivan Iljitsch eingeladen, bei der Familie Wassjkow ein Glas Tee zu trinken, und nach weiteren sechs Machen fand seine Hochzeit mit der hübschen Anna statt.

Ivan Iljitsch war natürlich ein sehr verliebter Ehemann und konnte es nicht ertragen, seine junge, hübsche Frau solange allein zu Hause zu lassen. Mehrmals am Tage mußte sie ihn also im Bureau besuchen.

Eines Tages erschien wieder mal der Bureauvorsteher. »Schick' sie raus«, flüsterte Wassjkow seinem Schwiegersohne zu. Ivan Iljitsch war aber so benommen von der Gegenwart seines hohen Vorgesetzten, daß er diesen wohlgemeinten Rat natürlich nicht hören konnte. Der Bureauvorsteher zog erst unwillig die Stirn kraus, als er eine Frauensperson in der Kanzlei seiner Schreiber bemerkte, aber da ihn ein zweiter Blick belehrte, wie jung und hübsch sie war, so verneigte er sich höflich vor ihr.

Hastig ergriff Ivan Iljitsch die einzig mögliche Gelegenheit, mit dem großen Herrn zu sprechen: »Meine Frau, Exzellenz,« sagte er ersterbend. Exzellenz geruhte zu lächeln: »Wo haben Sie denn das hübsche Frauchen aufgegabelt?«

Ivan Iljitsch verneigte sich so tief, daß er mit der Stirn auf den Tisch schlug. »Hier«, flüsterte er und zeigte auf Wassjkow, der zitternd vor Ärger dastand.

Seine Exzellenz hob die Augenbrauen sehr hoch.

»Ach was?! Wie kommen Sie zu so einer Tochter? Davon hat ja kein Mensch was gewußt!« und Exzellenz tätschelte dabei die dunkelrote Wange der jungen Frau.

»Gott sei Dank, Exzellenz.«

»Was heißt das: Gott sei Dank?« – Exzellenz biß sich auf die Lippe und ging steifen Schrittes aus dem Zimmer.

Ivan Iljitsch schüttelte bekümmert den Kopf. »Ach, ach, Väterchen, wie können Sie nur einem Vorgesetzten so antworten? Gott wird Sie strafen!«

Einige Tage später entdeckte man in einer von Wassjkows Abschriften einen kleinen Fehler und machte höheren Ortes großes Aufhebens davon. Man schien nicht übel Lust zu haben, dem Alten seinen Abschied zu geben.

»Ja,« sagte Ivan Iljitsch, »man muß sich den Vorgesetzten eben angenehm machen. Da gibt's nichts.«

»Du bist kein Edelmann, du bist ein Lakai«, fauchte ihn der Alte an.

Ivan Iljitsch malte einen wundervollen Schnörkel und entgegnete voller Würde: »Ich bin Beamter!«

Die Wochen vergingen für den Alten in qualvoller Ungewißheit. Ivan Iljitsch aber spazierte in der Stube umher, als wäre er ihr unumschränkter Gebieter. »Sorgen Sie sich doch nicht, Väterchen! Man wird meinen Schwiegervater doch nicht entlassen.«

Der Alte zuckte zusammen und blickte ihn mißtrauisch von der Leite an.

Eines Tages meldete er sich krank und ging statt in die Kanzlei zu seiner Tochter. Er wollte sie einmal allein sprechen, unter vier Augen, nicht in Gegenwart ihres Mannes, der sie zu terrorisieren schien.

Als die jungen Leute vor sechs Monaten ihre kleine, aus Stube und Küche bestehende Wohnung bezogen hatten, war diese mehr als ärmlich eingerichtet. Jetzt lag ein neuer, hübscher Teppich auf der Diele, und am Fenster stand ein bequemer Lehnstuhl.

Der Alte nahm unwillkürlich seine Mütze ab und blickte erstaunt um sich. »Habt ihr eine Erbschaft gemacht?« Die junge Frau wurde sehr rot und schüttelte den Kopf. »Ja, wissen 5ie denn nicht, Väterchen, mein Mann hat doch Zulage bekommen!« Der Alte riß die Augen auf. »Zulage? Er hat Zulage bekommen? Der junge Hund der! Und ich – ich ...« Er packte seine Tochter beim Handgelenk und riß sie zu sich herüber, daß er ihr gerade ins Gesicht sehen konnte. »Hast du etwa gebettelt um Zulage, hast du?«

Sie schlug die Schürze vor's Gesicht. »Für Sie Väterchen, hab ich gebettelt. Mein Mann hat mich zu Exzellenz geschickt, daß ich für 5ie bitte, daß Sie ihre Stelle nicht verlieren. Se. Exzellenz war so böse auf Sie! Furchtbar böse war Se. Exzellenz! Da bin ich ihm zu Füßen gefallen – alles für Sie, Väterchen!«

»Und da hat dich Exzellenz abgeküßt und hat deinem Manne Zulage gegeben?! Und das alles für mich, ja? Für mich! Weißt du, was dein Mann ist? Ein Schuft ist dein Mann! Erwürgen werd' ich ihn, deinen Mann ...«

Ohne eine Antwort abzuwarten, wie ein Wahnsinniger lief er davon. Nicht nach Hause, nein, geradezu ins Amt, unbekümmert darum, daß er sich krank gemeldet. Vorbei an dem Torwart raste er über die steinernen Stufen, den wohlbekannten, spärlich erleuchteten Korridor entlang, bis an die Tür Nr. 17.

»Du Hund, du ... du ...!«

Mit geballter Hand will er auf seinen Schwiegersohn los – auf der Schwelle bleibt er wie versteinert stehen. Ivan Iljitsch sitzt nicht am alten, zerkratzten Schreibpult, unter der schwelenden Petroleumlampe, nein ... Am Fensterplatz sitzt er. Und die Sonne, die über Gerechte und Ungerechte scheint, spielt auf seinen dicken, gelblichweißen Händen. Zweimal so breit, zweimal so groß sieht er da aus, aufgeblasen wie ein Frosch, listig wie ein Fuchs. Der echte Beamte! Ein Vorgesetzter beinahe, ein Protektionskind, ein Mann, der Zukunft hat ...

Der Alte knickt in sich zusammen. Die zum Schlag erhobene Hand sinkt kraftlos herab; noch kleiner, noch armseliger, noch geduckter fühlt er sich, wie er sich nun auf sein abgewetztes, plattgedrücktes, altes Kissen niederläßt. Alles verschwimmt vor seinen geröteten, entzündeten Augen, und dann fallen große, schwere Tropfen unaufhaltsam auf das von der Regierung gelieferte kostbare Papier.

– – – – – – – – – Wie weit, wie weit liegt das alles zurück! Jetzt hat das Zimmer Nr. 17 elektrisches Licht. Aber immer reißt man sich um den Fensterplatz, von dem aus man ein Stückchen blauen Himmels sieht, noch immer werden Eingaben um diesen Platz geschrieben, und immer wieder wird er von dem einen oder anderen durch List und Demut erobert oder bildet gar den Ausgangspunkt einer Karriere.

Ivan Iljitsch weiß dies und findet es richtig so. Wenn er die jungen Leute um seinen Kartentisch betrachtet, wie sie oft so unbedacht über ernste Dinge und große Herren reden, und ihm den Widerhall der lauten, aufrührerischen Stimmen da draußen in der Welt in seine stille, behagliche Stube bringen, wenn er sie so fürchterliche Worte aussprechen hört, wie »Menschenrechte«, oder gar »persönliche Rechte«, dann schlägt er wohl mit der Faust auf den Tisch, und schreit mit seiner Generalsstimme: »Was wollt ihr für Rechte, ihr Milchbärte? Die Rute sollte man euch geben! Glaubt ihr wirklich, man kommt mit Gewalt zu etwas auf der Welt? Demütig muß man sein, demütig; den Vorgesetzten muß man achten, muß ihm alles an den Augen absehen; dienen muß man ihm, jawohl, dienen. Keine Disziplin, keine Ordnung ist mehr auf der Welt! Was soll denn daraus werden, wenn sich alles erlaubt, das Maul aufzureißen und seine Meinung zu sagen? Ordnung muß doch sein!! Wenn alle so dächten wie ich, dann wäre Frieden im Land, Frieden und – Liebe! Seht mich an! Bin ich nicht ein glücklicher Mensch? – Na, also. Und was war ich? Nichts! Ein kleines Schreiberchen war ich, als ich anfing. Aber schon damals hab' ich's verstanden, was das heißt: Beamter sein. Der Beamte, das ist das allererste, das ist die Stütze des Staates. Das ist der Stand, der Zucht und Ordnung, und Sitte hält. Das ist ein heiliger Stand, – jawohl, ein heiliger Stand! So ist es ... – Sie spielen – coeur ist Trumpf!«

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