Frank Wedekind
König Nicolo oder So ist das Leben
Frank Wedekind

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Prolog

Vor dem Zwischenvorhang gesprochen von König Nicolo im Kostüm des neunten Bildes und von Prinzessin Alma im Kostüm des achten Bildes.

König Nicolo: Nur kein Gelächter! Toren seid auch ihr
So blind wie ich. Gleich werd' ich's euch beweisen:
Ihr geht, so glaubt ihr, auf Vergnügungsreisen,
Um fremder Menschen fremdes Land zu schauen,
Am seltnen Anblick schneebedeckter Höhen,
Am nie erträumten Blau weltferner Seen,
Um euren Sinn an all dem zu erbauen,
Was nicht ihr selber seid. Und hofft auch hier
In diesem Haus am Funkelnagelneuen,
Am Unbekanntesten euch zu erfreuen –
Ich schwör's euch zu: Erst dann seid ihr entzündet,
So wie's bei jedem anderen Wunderding
Im Grund besehen auf eurer Reise ging,
Wenn ihr in uns euch selber wiederfindet.

Prinzessin Alma: Wer seid ihr nun, die ihr euch hier vereint?
Kapitalisten, Krieger, Volksvertreter,
Gelehrte, Hochzeitspärchen, Schwiegerväter –
Und wieder weiß ich ganz genau: Ihr scheint
Euch all so grundverschieden an Gestaltung,
Kunstwerken gleich, die sich zur Prachtentfaltung
Ein großer Lebenskünstler auserkor.
Und doch nenn' ich sofort euch zwei Gestalten
Die unbotmäßig in euch allen walten:
Ein kleiner König und ein großer Tor.

König Nicolo: Des Königs Auftritt komm' ich nun zu melden:
Ein König, wie zu dutzend Malen schon
Er hoffnungslos gekämpft um seinen Thron.
Ehrt ihr in ihm den Menschen statt des Helden,
Dann sei für uns der Ruhm heut auserbeten,
Vor einem Haus von Königen aufzutreten.

Prinzessin Alma: Und dann meld' ich zugleich euch einen Toren,
Wie kaum noch einer die Vernunft verloren.
Mit nichts als Einfalt, nichts als Unverstand,
Mit nichts als kümmerlichen Winkelzügen
Ringt er verzweifelt um das kleine Land,
In dem der Kindheit Märchenträume liegen.
Und regnet's Prügel knüppelhageldick,
Er schrickt vor weiteren Kämpfen nicht zurück.
Doch seiner Torheit Gipfel zu beschreiben,
Muß unserem Schauspiel vorbehalten bleiben.
Eins nur verrat' ich noch: Was an Verbrechen
Ein Mensch in blindem Aberwitz begeht,
Sei er zu richten, sei er frei zu sprechen,
Mit eherner Schrift in seinem Schuldbuch steht:
Beleidigung der eigenen Majestät.

König Nicolo: Nehmt unser Spiel denn als ein buntes Bild
Der Menschenwürde mit Genuß entgegen.
Ich zeig' es euch nicht äußeren Glanzes wegen.
Und wenn's von Torheit maßlos überquillt,
So mögt ihr um so ernster überlegen,
Daß es der nackten Menschenwürde gilt.

Prinzessin Alma: Nur keinen Beifall! Flammende Morgenröte
Pflegt Botin eines trüben Tags zu sein,
So wahr uns Abendglut auf Sonnenschein
Auch für die morgige Feier Aussicht böte. – –

König Nicolo (Prinzessin Alma die Hand reichend):
Nun laß uns in der Seele Schlünden wühlen,
Laß schweifen uns durchs dunkle Menschentum!

Prinzessin Alma (zum Publikum):
Dann werdet ihr die stolze Freude fühlen,
Mit Freiheit, Adel, Majestät und Ruhm
Gleichwie mit goldnen Äpfeln Ball zu spielen!


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