Frank Wedekind
Mit allen Hunden gehetzt
Frank Wedekind

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Zweiter Auftritt

Rüdiger von Wetterstein tritt rasch ein.

Rüdiger (sobald er Luckner erblickt): Was tun Sie hier?!

Luckner: Wir zünden uns eine Zigarette an, wenn Sie nichts dagegen haben. (Er tut es.)

Rüdiger: Wollen Sie machen, daß Sie hier hinaus kommen! (Er fährt ihm an die Gurgel und will ihn zur Tür hinauswerfen. Sie ringen.)

Luckner: (schleudert Rüdiger in einen Klubsessel und zündet sich eine andere Zigarette an). Wenn Sie Diamantenwaschweib wenigstens solche Beine hätten, wie wir Arme haben! Himmel, Tod und Schiedsgericht! (Er lacht.) Sie hatten den heidenmäßigen Koller, die Dynastie Wetterstein zu etablieren. Hamurabi, Caesar, Bonaparte, Wetterstein! Gottbegnadeter Kladderadatsch! Wir begnügten uns zeitlebens mit dem splitternackten Geld. Morgen für Morgen beim Frühstück rechneten wir uns vor, was Zepter, Bücher, und Gefühle für altmodischer Trödelkram sind. Und Sie Nonpareil-Esel, Sie Rindvieh vom ersten Wasser, Sie wollten der fünfte Mensch des Erdballs sein: Rockefeller, Morgan, Krupp, Carnegie und Wetterstein! (Er lacht.)

Leonore (die während des Kampfes aufgesprungen ist): Ich befehle Ihnen, lassen Sie mich mit meinem Mann allein!

Luckner: Nicht um Chicago! Und wenn es Jauche regnet! Im Namen von zwei Millionen stehen wir hier. Wir trieben zeitlebens nur einen Sport: Weiber. Sonst ist jede Ader im Leib Geschäftsmann! Ihnen waren die Weiber Handwerkszeug! Ihr Sport heißt Verbrechen! All Ihre Verbrechen begingen Sie nur für die Affenfreude, Verbrechen zu begeben. Ei du gottsträfliches Familienglück! Sie sollen Ihre Freude haben! Das Weib gehört uns.

Rüdiger (im Klubsessel): Es ist mir unmöglich, über irgendeinen Gedanken nachzudenken. Lassen Sie mir bis morgen Zeit.

Luckner: Und wenn es Tiger und Elefanten hagelt, wir warten zwei Jahre lang! – In einer halben Stunde sind wir quitt. Wissen Sie, wie es die zwei Jahre in unseren Eingeweiden aussah? Flohwinkel und Ninive! Die französische Revolution ist ein Veilchenstrauß dagegen. Als Sie uns eine Million gestohlen hatten, wären wir beinahe schon losgeplatzt. Wir sagten uns aber: Luckner, Luckner, Sie unterschätzen das Götterweib! (Zu Leonore.) Wenn Sie wüßten, Gnädigste, was die Weiber schon gegen uns gebockt haben? Allbarmherziges Mordgewehr! Aber das hat der liebe Gott ja so unsagbar göttlich eingerichtet: Sträubt sich das Weib, dann wächst beim Mann die Kraft ins Uebermenschliche. Je verzweifelter der Widerstand, um so kunstgerechter räumt ihn der Mann aus dem Weg. Sträubt sich aber der Mann, – ja du grundgütiges Gewitter! Eiwei, eiwei! – Das muskulöseste Bombenweib kann sich mit seiner Liebe begraben lassen.

Leonore (tritt Luckner fest entschlossen dicht unter die Augen): Fürchten Sie denn nicht, daß ich Sie mit diesen beiden Händen erdrossle?

Luckner: Nicht im geringsten! In Hamburg, da hatten wir einer jung verheirateten Kaufmannsfrau, Mutter von zwei Kindern, ein Halsband umgelegt. Wir hatten uns ihrem Manne als das ungeheuerlichste Rindvieh zu erkennen gegeben, das sich noch halbwegs in Menschengestalt ausdenken läßt. Darauf hatte der Mann, nebenbei gesagt, ein stinkfeiner Kerl, folgerichtig unsere Unterschrift nachgezeichnet. Wir ziehen also zu und das entzückende Geschöpf schreit: Ich springe in die Alster! Ich springe in die Alster! – Bitte recht sehr, meine Gnädigste, springen Sie! Das verursacht noch lang keine Ueberschwemmung! Dann kamen die unvermeidlichen Förmlichkeiten: Wenn nur um Gottes Barmherzigkeit mein Mann nichts davon erfährt! In seinem Zorn würde er uns beide besinnungslos töten. – Gottgesalbter Janhagel, mein Schatz, wir schicken ihm doch nicht gleich eine Ansichtspostkarte. – Aber wenn er nur die allerleiseste Ahnung davon bekommt! – Ewig gewaltiger Honigmond, der kann noch hundert Jahre leben, er träumt sich im tiefsten Schlaf nichts Böses von dir! – Als wir uns dann beide den Mund wischten, da fragten wir so scherzhaft: Nun, war's nicht ganz vernünftig, daß du nicht hineingesprungen bist?! – Grundgütiger Kartätschenhagel! Das Weib flog mir wie eine abgefeuerte Granate an den Hals. Zehn Minuten lang klappten wir unter ihren Küssen wie ein Blitzableiter hin und her. Eiwei, eiwei! Sie hätte ihre Opferfreudigkeit gerne noch ein halbes Jährchen betätigt, wir hatten aber einträglichere Geschäfte in Berlin zu erledigen. (Zu Leonore.) Wir erwarten Sie in unserem Salon. Wir bleiben bis zehn Uhr im Hotel. (Ab.)


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