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VI. Der Mann, der Sheffield haßte

1.

Jenseits des Waldes der Seligen Träume, der ein fieberverseuchtes Marschland ist, schön fürs Auge, aber todbringend, wenn man ihn durchschreitet, liegen die Jagdgründe des Isisivolkes, und weiter darüber hinaus sind die vorgeschobenen Posten der N'Gombis, eines Stammes, der manchmal die Kleineren N'Gombis genannt wird und manchmal die N'Gombi-Isisis, was ziemlich dasselbe bedeutet.

Hier lebt in den Tiefen des Urwaldes, der noch von niemand erforscht ist, außer von Jägern und Kautschuksammlern, frei von jeder Berührung mit seinen Nachbarn und schrecklich eifersüchtig auf seine Unabhängigkeit bedacht, ein gewisser Nebenstamm, der die »kahlen Männer von I'Fubi« genannt wird. Sie führten keinen Krieg, stahlen weder Weiber noch Ziegen, lebten ohne Salz und führten ihr Dasein, ohne irgend jemand zu nahe zu treten.

Einmal im Jahre kam Sanders, nach einem mühsamen Marsch durch den Urwald, auf seiner jährlichen Besuchsreise auch zu diesen eigentümlichsten seiner Schutzbefohlenen; aber wenn er dort Palaver hielt, um die sich während eines Jahres angehäuften Beschwerden zu hören, erfuhr er nichts, außer, daß irgendein unglücklicher Mann der Isisis oder der Groß-N'Gombis auf ihr Reservat übergetreten war oder ihre Affen getötet hatte. Von Privatstreitigkeiten hörte er niemals; er stellte wenig Fragen und vermutete viel.

Ein Gerücht hatte ihn erreicht, daß ein Mann dieses Stammes sein Weib mit großer Grausamkeit geschlagen und seinem Häuptling getrotzt hatte; aber als Sanders diesem nachging und erwartete, Klagen wider den Rebellen zu hören, wurde keine Klage vorgebracht. Und als Sanders auf das vorsichtigste fragte, was diesem Manne zugestoßen sei, sagte man ihm lustig, er sei an der Krankheit »Mongo« gestorben, und zeigte dabei auf sein seichtes Grab, auf dem die zerrissenen Streifen seines Hüftentuches schwach im Winde flatterten und die zerbrochenen Kochtöpfe seines Haushaltes zerstreut herumlagen. Sie zeigten ihm auch den Platz, auf dem seine Hütte gestanden hatte; und alles, was Sanders jetzt davon sehen konnte, war ein heruntergebrochenes Dach, halb durch Elefantengras verborgen, und klüglicherweise verfolgte er seine Nachforschungen nicht weiter. Die »Krankheit Mongo« konnte irgend etwas bedeuten, von Beriberi bis zu dem blitzenden gekrümmten Henkermesser, das dauernd an dem Eingang der Hütte des alten Häuptlings hing.

Diese kahlköpfigen Männer – und es ist eine merkwürdige Tatsache, daß sogar die Köpfe der Jugend dieses Stammes wie poliertes Ebenholz glänzten – verursachten niemals eine Störung; sie trugen niemals Speere, um ihre Nachbarn damit zu töten; sie bezahlten regelmäßig ihre Steuern; sie waren sauber und fleißig; und wenn sie geheime Gebräuche übten und sonderbare Heiltränke brauten, von denen kein anderes Volk am Fluß jemals gehört hatte, gab es doch bei ihnen, soviel man wußte, kein Zur-Ader-Lassen; und sie dienten einem höchst nützlichen Zweck, indem sie in ihrer Eifersucht als Wächter der Pans dastanden, die sich als unnatürlich anmutende Ebene, bar jedes Strauches oder Baumes, hinter dem Walde in einer Länge von vierzig Quadratmeilen ausdehnten. Zwischen den Europäern der Küste ging das Gerücht, daß die Pans reich an Alluvialgold seien. Gewiß unternahm es das Gouvernement niemals, die Wahrheit dieses Gerüchtes zu prüfen, weil es die Gewißheit eines Zuflusses ganz unerwünschter Leute, die jeder Entdeckung von Gold auf dem Fuße folgten, gegen eine solche Entdeckung in die Wagschale warf.

In dieses stille Land kam ein Weißer, der sich Odwall nannte. Sein Name war ursprünglich Obenwitsch gewesen. Aber aus Gründen, die nur er selber kannte, hatte er sich verengländert, hatte seinen Bart abgenommen, den er sonst zu tragen pflegte, und verlief sich, auf diese Weise äußerlich verändert, in die Gegend der Pans, die nur durch das Land der Kahlköpfe zugänglich war. Diese stillen Seelen, die glaubten, daß es nur drei weiße Männer in der Welt gäbe, nahmen Mr. Odwall mit der ergebenen Hochachtung und der verwirrten Verwunderung auf, die eine Kirchengemeinde einem zweiten und bisher unvermuteten Erzbischof von Canterbury entgegenbringen würde.

Obenwitsch setzte sich und sprach in ihrer eigenen Sprache zu ihnen; und sie gaben ihm zu Ehren ein großes Fest und einen Tanz junger Mädchen; und sie erzählten ihm von ihrem Geheimnis, und warum ihre Köpfe kahl seien; aber das interessierte ihn weiter nicht. Noch war er sonderlich ergriffen, als der alte Ch'uga, der Dorfhäuptling, ihm im geheimen, im Flüstertone und in der dunkelsten Ecke seiner Hütte erzählte, daß ein neues Kraut aufgefunden worden sei, das den Wahnsinn heile. Denn die Kahlköpfe sind sehr erfahren im Gebrauche von Kräutern, und weil sie das sind, sind sie kahl, wie wir bald erfahren werden.

Geschickt und allmählich lenkte er das Gespräch auf die Pans und den gelben Staub, der aus der dunklen Erde gewaschen werden könne; aber beim ersten Worte darüber schüttelte Ch'uga den Kopf.

»Herr,« sagte er, etwas betroffen, »über diese Dinge reden wir nicht, Sandis, unseres Vaters wegen; noch graben wir in der Erde, denn auch das ist verboten. Und wenn fremde Männer kommen und kleine Löcher in den Boden graben, dann bekämpfen wir sie mit unseren Speeren, und sie laufen fort.«

Mr. Obenwitsch (wir nennen ihn besser Odwall) war schrecklich interessiert daran, stellte aber keine weiteren Fragen. Er brauchte nach seiner Berechnung wenigstens drei Monate, um besser mit dem Häuptling bekannt zu werden, und er hatte Zeit, das abzuwarten.

Es war sehr unglücklich für ihn, daß er am nächsten Morgen, als er durch die baumbestandene Dorfstraße schlenderte, einem anderen weißen Manne begegnete, der aus dem Walde kam, und der von sechs Soldaten in rotem Tarbusch begleitet war. Mr. Odwall fiel nicht in Ohnmacht; er zog eine kleine Grimasse, die man hätte versucht sein können, für ein Lächeln zu halten, und faßte an den Rand seines nicht allzureinen Tropenhelmes.

»Guten Morgen, Herr Bezirksamtmann! Mein Name ist Odwall ...«

»Ihr Name ist Obenwitsch«, antwortete Sanders mit seinem harten Lächeln. »Vor drei Jahren hatte ich die Genugtuung, Sie mit einem Tritt aus diesem Lande hinauszubefördern, und ich habe die Idee, daß ich dieses Verfahren wiederholen werde; aber diesmal, denke ich, wird der Tritt etwas stärker ausfallen.«

Mr. Odwall war beinahe einen Kopf größer als der muntere Bezirksamtmann; er war untersetzt gebaut und hatte etwas von einem rohen Boxer; aber er nahm die Drohung sanft auf, und nicht nur die Gegenwart der Soldaten hielt ihn zurück.

»Sie befinden sich ohne Erlaubnis in den reservierten Gebieten,« sagte Sanders, »und das wird wohl nicht das einzige sein ... Darf ich Ihr Gepäck sehen?« Das Gepäck, das aus einem abgenutzten Handkoffer bestand, wurde aus des Häuptlings Hütte gebracht (alle kahlköpfigen Männer standen umher und hielten ängstlich ihre Seiten und wunderten sich, was wohl käme). Sanders öffnete den Koffer und kehrte den Inhalt um. Darin befand sich eine Viertelflasche Kornschnaps; an dieser roch er und goß danach den Inhalt auf die Erde.

»Sie tragen Spirituosen bei sich, und das in einem verbotenen Bezirk,« sagte Sanders kurz, »und ich werde Sie mit sechs Monaten Gefängnis und Zwangsarbeit bestrafen.«

»Hören Sie, Sanders! Sie verfahren etwas sehr willkürlich ...«

»Sie können ruhig mitgehen, oder Sie können in Fesseln mitgehen«, unterbrach Sanders. »Ich wünsche keine Auseinandersetzung mit Ihnen.«

Mr. Obenwitsch ging als Gefangener unter Bedeckung zum Fluß und wurde dem Gefängnis überwiesen.

Sanders erklärte den Kahlköpfen nicht, warum er seinen Landsmann mit sich genommen hatte, denn es war seine Aufgabe, die Flagge des Europäertums aufrecht zu halten; und Mr. Odwall kannte ihn genügend, um dieser Zurückhaltung sicher zu sein. Er saß seine sechs Monate ab und wurde nach England zurückgebracht, denn er war britischer Untertan. Aber in seinem Inneren blieb kein Haß gegen Sanders zurück, denn Walter Odwall war ein gewohnheitsmäßiger Übertreter des Gesetzes, und solche Leute respektieren die gesetzmäßige Gewalt.

Er kam mit gerade genug Geld nach London, um eine Wohnung in einem Erdgeschoß der Jermyn-Straße zu mieten, und um mit einem angesehenen Papierhändler ein Abkommen über gewisse Drucksachen zu treffen.

Sechs Monate hatte er im Gefängnis damit zugebracht, Pläne zu machen und wieder zu verwerfen, und sein Unternehmen war lückenlos in jeder Hinsicht bis auf eins, und diesem Mangel konnte leicht abgeholfen werden. Er rief einen Geldmann zu sich.

Er hatte Mr. Wilberry in einem jener gesellschaftlichen Kanäle kennengelernt, die man irrtümlicherweise als Nachtklubs bezeichnet. Kanäle in der Tat, denn hier mischt sich das Giftgas unechter Boheme mit dem guten roten Blut des Handels mit verheerender Wirkung. Mr. Wilberry war ein gut gestellter Fabrikant, dessen bedeutendste charakteristische Eigenschaft sein Haß gegen Sheffield war. Sein Haß nahm derart Besitz von ihm, daß er einen Umweg von hundert Meilen gemacht hätte, um diese Stadt zu vermeiden. Wenn er an den Leiter seiner Fabrik (die unzweifelhaft in Sheffield lag) schrieb, mußte sein Sekretär die Adresse schreiben – das Wort war ihm so verhaßt, daß er es nicht schreiben konnte.

Er war nicht nur Fabrikant, sondern auch Versuchschemiker; er besaß einen sehr hohen wissenschaftlichen Rang, und sein Steckenpferd und seine Voreingenommenheit war eine neue Sorte Stahl, die den ganzen Handel umwälzen sollte. Wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, war er ein besserer Geschäftsmann als Wissenschaftler. Und als er, unter Kosten von hunderttausend Pfund, mit Siegesgeschrei einen Stahl herstellte, der gleichzeitig fleckenlos und hämmerbar war, und Sheffield das Vorrecht (gegen eine kleine Abfindung, die ein selbstloser Statistiker auf drei Millionen jährlich schätzte) anbot, diesen Überartikel herzustellen, verhielt sich Sheffield zuerst ganz teilnahmslos, später skeptisch. Sheffield stellte Prüfungen an, und zwar mit unglücklichem Ergebnis; und das Ende vom Liede war daß sich die Sheffield-Fabrikanten zu einem Rat versammelten und dabei, unterstützt und geleitet von ihren technischen Fachleuten, sehr geringschätzig über Wilberry-Stahl sprachen und sich weigerten, diesen zu kaufen oder herzustellen. Und hiermit endete diese Angelegenheit, soweit sie die Sheffielder betraf.

Mr. Wilberry vergab Sheffield niemals; er haßte Sheffield mit einem Haß, der allen jenen unverständlich bleiben muß, die das Kind ihrer Träume nicht von grausamen, erbarmungslosen Händen hingemeuchelt gesehen haben. Er verkaufte seinen Grundbesitz in der Nähe der verhaßten Stadt; er hätte seine umfangreichen Werke geschlossen, nur – er war ein Geschäftsmann, und das wäre ganz ungeschäftsmännisch gewesen. Er ließ sich in Surrey nieder, mit einem großen Laboratorium, in dem er irgendwelche wissenschaftlich gebildete junge Herren anstellte, die dieselbe Ansicht über Wilberry-Stahl hatten wie er selbst.

Odwall hatte diesen Gentleman für seine großen Pläne ausersehen. Er selbst wußte wenig oder gar nichts über Stahl; aber während er im Gefängnis war, hatte er den Vorteil gehabt, Band XIV des Sachwörterbuches des Gefängnisses zu lesen; und ein sorgfältiges Studium des Artikels über Eisen sagte ihm, daß jede Geschichte, die er über ein Erzlager in den Schutzgebieten erzählen könnte, nicht die geringste Begeisterung in Mr. Wilberrys Busen erwecken würde. Denn Eisen muß nahe bei Kohle gefunden werden, und es muß eine gute Beförderungsmöglichkeit vorhanden sein.

In seinem dumpfen kleinen Wohnraum, von dem aus man die Jermyn-Straße überblickte, breitete er seinen Plan aus.

»Gold interessiert jeden,« sagte er; »es interessiert Sie, Mr. Wilberry; es interessiert den Jungen auf der Straße...«

Er ging weiter und erzählte die Geschichte der Pans, und seine Zuhörerschaft war hingerissen

Mr. Wilberry war ein zum Schwitzen neigender Mann mit einem roten Gesicht, der dicke Zigarren rauchte und weiße Gamaschen und einen Diamantring trug. Kleine Augen und ein kleiner schwarzer Schnurrbart vollenden die Beschreibung. Er war sehr reich und sehr skeptisch, bis Mr. Odwall ihm einen kleinen Beutel mit stumpfgelben Körnern zeigte.

»Es gelang mir, einen Eimer voll Erde auszuwaschen, und das habe ich daraus gewonnen«, sagte er eindrucksvoll.

Der interessierte Geldmann fragte nicht, wie es Mr. Odwall gelungen war, seinen Fund durch die strengen Untersuchungen hindurchzuschmuggeln, die einen Teil der Gefängnisdisziplin bilden. Wenn er gefragt hätte, wäre ihm eine sorgfältig ausgearbeitete Lüge erzählt worden, denn das Gold war auf Odwalls Rückreise von einem Manne in Dakkar gekauft worden.

»Es kommt mir nicht darauf an, ein paar Tausend hineinzustecken«, sagte Mr. Wilberry. »Diese dickköpfigen Sheffielder Schweine haben mich beinahe zugrunde gerichtet, und eines Tages, mein Junge, werde ich's ihnen zurückzahlen. Ich gäbe eine halbe Million darum, wenn ich diesen Gaunern den Hals umdrehen könnte.«

Sein Vermögensstand stimmte nicht zu dem Einwand, daß er arm sei; aber Odwall war nicht der Mann, der bei einer Inkonsequenz stutzte.

Sein Plan war einfach.

»Da is so'n Schnösel von Offzier,« sagte er, »der auf irgend etwas 'reinfällt, was man ihm erzählt. Im Juni geht Sanders den Ochori 'rauf, zu seinen Palavern mit den nördlichen Häuptlingen, und er wird Hauptmann Hamilton mitnehmen.«

Odwall erläuterte Hamiltons Stellung und Persönlichkeit.

»Diesmal werde ich drei Monate freies Spiel im Gebiet haben, und wenn ich auf die richtige Seite dieses Knaben Tibbetts komme, werde ich meine Mutungen gesteckt und gebucht haben, ehe Sanders zurück ist.«

»Kennt dieser Tibbetts Sie?«

»Nicht von 'ner Krähe! Er war nicht da, als Sanders mich den Fluß hinunterbrachte, und er war nicht im Gebiet, als ich dort Handel trieb. Überlassen Sie das nur mir!«

 

2.

Bones war von nichts so sehr überrascht, wie von der Unfähigkeit seines vorgesetzten Offiziers, seine unzweifelhaften musikalischen Talente zu würdigen. Aber der Brief, den er von »Mr. Walter Bagen« erhielt, kam so unerwartet und war in seiner Art so ungewöhnlich, daß Leutnant Tibbetts von den Königshaußas eine ganze Nacht damit zubrachte, seine eigene Seele zu segnen. Nichtsdestoweniger verlor er keine Zeit und antwortete sofort.

»Geehrter Herr!« schrieb er. »Ich habe die Eere, den Embfank Ihres Brifes Ihres Briefes zu bestettigen. Vom 15ten ultimus. Ich danke Ihnen auch, daß Sie auf mich Bezuch, Bezug nehmen als (eine große Authirotät Otaurität Autorität)« – Bones hatte niemals das Geheimnis der Gänsefüßchen ergründet – »über den Gegenstand der Archäologie.« (Dieses Wort schrieb er richtig, weil er es Buchstabe für Buchstabe von dem mit der Schreibmaschine geschriebenen Briefe des Absenders abschrieb.)

Ich werde gewieß Aufzeichnungen von irgend ätwas irgend etwaß Ungewöhnlichem in der Richtung Römischer Überbleibsel als Bewais früherer Ciehwillisation machen ed ced ed cet. Ich danke Ihnen dafür, daß Sie mich zum Mitglied der Central Afrikanischen Arjilohgieschen Gesellschaft« (diesmal schrieb er das Wort aus dem Gedächtnis) »geweehlt haben und Sie können sich darauf verlassen, daß ich irgend etwas tun werde, um dem Siegeslauf der Arche der Gesellschaft vorwärts zu helfen.

Aufrichtigst

U. Tibbetts, Leutnant,

M. d. C. A. A. G.

Beim Frühstück erwähnte Bones wie zufällig seine neue Ehrenstellung.

»Mitglied wovon?« fragte Hamilton, Spannung in seinem gebräunten Gesicht.

»Arche... hm..., Sie wissen schon, lieber, oller Offzier ... Fossile un so was ...« Bones hustete und sah ernst und innerlich von seiner Bedeutung überzeugt aus. »Ich würde nicht ein bißchen überrascht sein, wenn ich nicht etwas ... so einen Dina ... hm ... einen von diesen netten ollen Vögeln finden sollte, die in prähistorischen Tagen, Ham, sozusagen als Sie noch ein Kind waren, herumzufliegen pflegten. Und den winzig kleinen Ich ... etwas ... Sie finden seine Knochen beinahe überall. Und Römische Überbleibsel...«

»Wollen Sie einen Haufen Mist über diese Sachen schreiben?« fragte Hauptmann Hamilton grob.

Bones hob seine Brauen und sah verletzt aus.

»Ich frage nur deshalb,« sagte Hamilton, »weil ich einen höhnischen Brief vom Generalrevisor erhalten habe, der wissen möchte, wieviel ›l‹ das Wort ›Flannel‹ (deutsch Flanell) hat – Ich vermute, daß er Ihren Bericht über unseren Warenbestand geprüft hat.«

Leutnant Tibbetts setzte sein Monokel fester.

»Gewöhnlich schreibe ich es mit drei ›l‹, aber es mögen vier sein, Ham!« Es klang wie ein leiser Vorwurf. »Der Witz ist der, Flanellhemden haben nichts zu tun mit Arche... na, Sie wissen schon.«

Der Essay über »Römische Fossilien und Andere Artiekels von Altem Uhrsprung« erblickte niemals das Licht der Öffentlichkeit, weil Mr. Bagen, alias Odwall, an Archäologie, gleichgültig, wie das Wort sich schrieb, nicht wirklich interessiert war. Und weil diese Gesellschaft nur auf dem Briefpapier existierte, das Odwall lediglich zu dem Zwecke hatte drucken lassen, um Bones die Mitgliedschaft dieser Gesellschaft zu übertragen.

Der Brief, der darauf ankam, und der in tiefer Prägung den Kopfdruck trug:

Institut der Zentralafrikanischen Archäologischen Gesellschaft,
943 Jermyn-Straße.
Präsident: Der Herzog von...
Sekretär: Walter S. Bagen, F. C. A. A. S.,

bestätigte den Empfang von Bones' Essay, »der in den Veröffentlichungen der Gesellschaft gedruckt werden würde«, und unterrichtete Bones, wie folgt:

»Es ist die Absicht der Gesellschaft, eine kleine Anzahl Wissenschaftler in nächster Zeit an die Küste zu senden. Gleichzeitig wird Seine Durchlaucht der Präsident oder der Schreiber dieses bemüht sein, vorzusprechen, und Ihnen den Glückwunsch der Gesellschaft zu Ihrem bewunderungswürdigen Beitrag zu unserer Kenntnis eines verborgenen und fesselnden Gegenstandes übermitteln.«

An einem heißen Junitage schritt der Vertreter der Zentralafrikanischen Archäologischen Gesellschaft langsam den Strand herauf, an dem er in einem Brandungsboot gelandet war. Er hatte ein Gebet auf seinen Lippen, daß nichts Herrn Sanders' Abreise verhindert haben möchte.

Mr. Odwall trug einen weißen Drellanzug und einen weißen Tropenhelm; seine Schuhe waren weiß, kurz er war eine Illustration wissenschaftlicher Unbeflecktheit in Person. Seine dicken horngefaßten Augengläser, nicht minder das dicke Buch, das er unter dem Arm trug, gaben ihm ein ernstes und gelehrtes Aussehen.

»Sandi ihm nich leben hier, Herr!« sagte der Haußasergeant, der ihn auf halbem Wege traf. Das befreite Mr. Odwall von einer schweren Sorge.

»Militini ihm nich leben hier, Herr; ihm gehn lange Zeit flußauf; Mistah Tibbetti Sie sehn ihm, Herr?«

Odwall sprach genügend Küstenarabisch; er zog es im Augenblick aber vor, unbekannt mit dem Lande und seinen vielen Mundarten zu erscheinen.

Bones lag auf einem Liegestuhl auf der Veranda, seine großen Füße erhöht auf dem Geländer. Beim Erblicken des Besuchs strampelte er sich auf.

»Segen auf meine Seele, lieber, oller Sekretär!« japste er, als ihm die Ehre, die ihm widerfuhr, offenbar wurde. »Hatte niemals die geringste Idee, daß Sie kommen würden...«

Er sprach ein wenig unzusammenhängend. Mr. Odwall entnahm daraus, daß man ihn mit Musik empfangen hätte, wenn seine Ankunft vorher angekündigt worden wäre.

Beim Frühstück wurde Bones archäologisch.

»Niemand hat je zuvor diese netten, ollen Plätze in diesem Lande erforscht, Römische Ruinen! Da existiert so 'ne Sorte Viadukt oben im I'Fubilande... Sie wissen schon, Herr, eine Art Brücke, über die das Wasser läuft... schrecklich römisch! Und da gibt's noch 'ne endlose Menge von...« Bones gestikulierte krampfhaft mit seinen Händen... »eine Art von... Ich weiß nicht was, der nette, olle Schwibbogen... wie man ihn nennt... Es ist so 'ne Sorte Brunnenanlage..., und doch is es kein Brunnen. Wenn, Sie verstehen, lieber, oller Herr... Es is 'ne Art Wall ... nich grade 'ne Mauer...«

»Ich verstehe vollkommen,« sagte Mr. Odwall ernst, »es ist das, was wir eine Odaliske (einen Obelisken) nennen.«

»Das ist's! Sie haben das Wort gefunden, das ich mir auszudenken versuchte.«

An diesem Abend lancierte Mr. Odwall versuchsweise einen Plan.

»Ja–a«, sagte Bones, aber nicht gerade entzückt. »Sie könnten 'rauf gehen, natürlich ... Ich müßte natürlich den Bezirksamtmann fragen.«

»Ich habe einen Erlaubnisschein vom Kolonialamt«, deutete Mr. Odwall an.

Zwar besaß er etwas Derartiges nicht, aber er hatte ganz richtig vorausgesetzt, daß er unter diesen Umständen nicht dazu aufgefordert werden würde, dieses Dokument vorzuweisen.

Bones war erlöst.

»Wenn Sie das haben, lieber, oller Arche... Hm... Warum... Natürlich können Sie dann gehen. Ich ginge gern mit Ihnen, aber ich stecke hier gewissermaßen fest, bis Mr. Sanders zurückkehrt.«

Odwall mietete am nächsten Morgen Paddler, lud seine Habe in die Mitte des Kanus und machte sich, höchstselbst bequem unter einem schirmenden Dach von Palmblättern untergebracht, auf seine Reise. Nach sieben Tagen landete er an einem den Pans am nächsten liegenden Ort und setzte seinen Marsch durch den Urwald fort. Am zwölften Tage erreichte er das Dorf der Kahlköpfigen und wurde überschwenglich bewillkommnet.

Den größeren Teil einer Woche hielt er sich im Dorfe auf, indem er die meiste Zeit dazu verwandte, in der Einsamkeit der Pans herumzuwandern. Aber überall, wohin er ging, begleitete ihn der alte Häuptling.

»Gebieter, an diesen Ort zu gehen ist nicht gut!« sagte der alte Mann. »Denn dort sind Geister, und schreckliche Ju-jus hausen in der Erde. Auch hat Sandi, unser Gebieter, befohlen, daß kein weißer Mann hierher gehen soll, wegen des Übels, was daraus entstehen wird. Komm mit mir in die grünen Wälder, und ich werde dir eine kleine Blume zeigen, die den Männern großen Mut gibt, wenn sie beim Mondschein gepflückt und in einem großen Topfe gekocht wird...«

Mr. Odwall hatte ein solches Reizmittel nicht nötig. Was er nötig hatte, lag in der schwarzen Erde.

Sein Aufenthalt hatte beinahe vierzehn Tage gedauert. Er hatte sich auf schlaue Weise einen Eimer voll Erde verschafft und diese gewaschen, ohne indessen die geringste Spur von Gold darin zu entdecken. Da kam eines Nachts der alte Häuptling zur Tür der Hütte, vor der Mr. Odwall saß und verdrießlich das häusliche Treiben des Dorfes beobachtete.

»Herr!« sagte dieser in seiner geheimnisvollen Weise, »weil du ein Freund Sandis bist, will ich dir einen großen Schatz geben.«

Der Häuptling sah sich um, um zu sehen, ob man ihn belauschen könnte, und Mr. Odwalls Herz hüpfte vor Freude.

»Dieses ist unser Geheimnis, wie du weißt. Es wurde mir von meinem Vater, dem großen Häuptling K'suro, anvertraut, und ich werde es auch meinem Sohne mitteilen, wenn die Hand des Todes auf meinem Gesichte liegt.«

Er holte unter seiner Häuptlingskleidung schmutziger Felle einen kleinen Tontopf hervor, der bis zum Rande mit einer gelbgrünen, in ihrer Zusammensetzung der Butter ähnlichen Masse gefüllt war. Mr. Odwalls Gesicht wurde lang. In einem Augenblick wilden Jubels hatte er erwartet, die dürre Hand würde mit einem kleinen Beutel Gold unter dem Gewande hervorkommen.

»Dieses ist unser Wunder!« sagte der Häuptling mit gedämpfter Stimme. »Mit seiner Hilfe unterscheiden wir uns von allen anderen Männern.«

Er ergriff seines Gastes widerwillige Hand und schmierte etwas von der grünen Butter auf den haarigen Arm; dann wischte er mit dem Saum seines Gewandes darüber. Wo Haare gewesen waren, zeigte sich jetzt eine glatte Oberhaut.

»Durch diesen Zauber sind wir kahl«, sagte der alte Häuptling, der glücklicherweise von dem aufsteigenden Ärger des anderen nichts ahnte. »Dieses gebe ich dir, weil es wunderbarer ist als sonst etwas auf der Welt.«

Mr. Odwalls erster Gedanke war, dem alten Manne den Topf an den Kopf zu werfen, aber er beherrschte sich und stellte den kleinen Topf neben sich auf den Erdboden.

»Das ist gute Rede und feiner Zauber, Häuptling!« sagte er lebhaft. »Aber ich habe von anderen Wundern dieses Waldes gehört, zum Beispiel von dem gelben Staube, der aus der Erde kommt. Nun sage ich dir, daß ich in meinem Lande ein sehr großer Häuptling bin. Ich habe viele Sklaven und große Reichtümer, und ich schlafe jede Nacht auf einem feinen Fellbett. Und wenn du mir die Wahrheit sagst, wo dieser gelbe Staub liegt, dann will ich dich zum reichen Manne machen. Der Wald soll voll sein von deinen Ziegen und der Häuser deiner Weiber so viele, daß sie ein Dorf ausmachen.«

Ch'uga, der Häuptling, war sichtlich beunruhigt.

»Herr, ich weiß nichts vom gelben Staub,« sprach der Häuptling bedrückt, »noch darf ich von solchem sprechen, denn das ist Sandis Befehl. Einmal kam ein Mann an das dritte Loch und nahm Staub mit sich fort, und das war ein schlimmes Palaver, denn Sanders folgte ihm bis ans Ende der Welt und fing ihn. Laß mich dir von unserer sonderbaren Schmiere erzählen, und wie wir sie herstellen! Zuerst nehmen wir Ziegenfett und kochen es in einem großen Topf, mit den roten Beeren...«

Mr. Odwall gähnte.

»Erzähle mir das morgen, Häuptling!«

Er hatte alles in Erfahrung gebracht, was er zu wissen wünschte. Das dritte Loch, das war die dritte seichte Pfanne, vier Meilen entfernt. Als in dieser Nacht das Dorf schlief, schlich er sich aus seiner Hütte fort. Er trug einen Segeltuchsack, der eine große Kelle enthielt. Odwall bewegte sich behutsam vorwärts, damit ihn der Wächter nicht sehen könne, ging durch einen Streifen Waldland und kam zu der Einöde. In einem großen Bogen, auf einem umständlichen Wege gelangte er zum »dritten Loche«. Der Erdboden war weich und bröcklich und gab der Kelle ohne besonderen Kraftaufwand nach.

Er kam bald durch die Oberschicht hindurch und stieß auf das, was er für die Alluvialschicht hielt; er öffnete den Sack und füllte ihn halb. Dann prüfte er dessen Gewicht; er konnte ihn zurück ins Dorf tragen und dort die Erde nach seinem Belieben waschen. Er war aufgestanden, hatte schon den Hals des Sackes zugedreht, um sich ihn auf die Schultern zu schwingen, als er sich umwandte und im Mondenlicht eine Gestalt dastehn sah. Es war der alte Häuptling.

»O, Ko!« sagte Ch'uga düster. »Das ist ein schlimmes Palaver, und ich werde Sandi diese traurige Neuigkeit senden. Herr, willst du deinen Sack leeren?«

»Nichts leeren!« knurrte Odwall. Dann versuchte er auf Bomongo seine Gegenwart zu entschuldigen. Aber als er am Wächter der Pfannen vorbeiwollte, ergriff der alte Mann ihn sehr sanft, aber sehr fest am Arm.

»Herr, du gehst von hier nicht fort!«

Odwall versuchte, sich ihm zu entwinden; und da er das, beladen, wie er war, schwierig fand, ließ er seinen Sack fallen und stieß den alten Mann zurück. Er sah einen schimmernden Schlachtspeer warnend erhoben und schlug mit seiner scharfkantigen Kelle wild zu. Der Schlag traf, er alte Mann brach in die Knie und fiel als lebloses Bündel zusammen.

Odwall verfluchte seine Torheit, kniete nieder und legte den Häuptling auf den Rücken. Die Wunde blutete heftig, und beim Anblick des leblosen Gesichtes fühlte der Abenteurer, wie ein kalter Schauer über seinen Rücken lief. Wenn Sanders ihn jetzt erwischte, würde er erbarmungslos mit ihm verfahren. Ein Baum, ein Strick, und sein Name wäre ausgelöscht und vergessen.

Odwall nahm ein Taschentuch und verband die Wunde, so gut er konnte. Dann nahm er seinen Sack auf und ging, naß von Angstschweiß, zum Dorfe zurück, packte seinen Koffer und schlug den Weg zur Küste ein.

Drei Tage plackte er sich ohne Träger in der glühenden Hitze der tropischen Sonne, jeden Augenblick gewärtig, das Patschen von Füßen hinter sich zu hören; er schlief im Gehen, wenn er unter der schweren Last seines Schatzes vorwärts stolperte.

Endlich gelangte er an den Ort, wo er seine Paddler zurückgelassen hatte. Kaum hatte er ohne viele Umstände Sack und Koffer auf den Boden des Kanus geworfen, als er selbst auch schon wie ein Klotz auf seinen Platz am Heck sank; noch ehe die Paddler ihren Singsang begonnen hatten, war er eingeschlafen. Als er aufwachte, war es früh am Morgen, und das Kanu war bei einem kleinen Gehölz festgemacht. Er sah den roten Schein des Feuers und streckte seine Hand nach dem Sacke aus, der ihm soviel gekostet hatte. Der Sack war fort.

Sein heiserer Wutschrei trieb den Vormann der Paddler zu ihm.

»Herr, es war doch nur Erde und belastete das Kanu zuviel; denn nahe dem Isisifluß sind die Wasser wild, darum warfen wir den Sack über Bord.«

Odwall wütete, lief das Ufer auf und nieder wie ein Wahnsinniger, verfluchte die Paddler, verfluchte Sanders, verfluchte alles außer seiner eigenen sinnlosen Torheit.

Bones ging hinunter, um das Kanu anzutreffen, sobald es in Sicht kam. Er war bestürzt von dem unheimlichen Aussehen des Mannes.

»Lieber, oller Astrologe!« rief er aufs höchste beunruhigt. »Sie haben Fieber, lieber, oller Sekretär! Lassen Sie mich Ihnen etwas Chinin geben ...!«

»Wann läuft der nächste Dampfer vor?«

»Heute, lieber, oller Arche..., oder wie immer das Wort heißt. Haben Sie die römischen Ruinen gefunden? Dieses...« Bones' Hände fuchtelten herum.

»Ja, ja, ich hab's gefunden«, sagte der andere ungeduldig.

Er atmete auf, als er erfuhr, daß Nachrichten über sein Verbrechen noch nicht an die Station gelangt waren. Vielleicht war Ch'uga gar nicht tot. Diese alten Eingeborenen waren zähe wie Draht.

»Wollen Sie nicht warten und den Bezirksamtmann sprechen? Er kommt morgen zurück.«

»Morgen?« Odwall schrie das Wort beinahe. »Nein, nein, ich muß heute noch fort. Sie sagten doch, der Dampfer liefe heute vor?«

Mit dramatischer Geste deutete Bones auf die See. Ein großer deutscher Dampfer hatte Anker geworfen, und das Brandungsboot wurde zu Wasser gelassen.

Die Abreise Mr. Walter Bagens, des Sekretärs der Zentralafrikanischen Archäologischen Gesellschaft, war ihrer Natur nach etwas wie eine Enttäuschung für Bones, der eine Menge interessanter, aber ungenauer Nachrichten über eine unerwiesene griechische Besiedelung des Landes gesammelt hatte; diese war hauptsächlich auf das Vorhandensein einer korinthischen Säule gegründet, die die Veranda des Wohnhauses der Station stützte, und die, um bei der Wahrheit zu bleiben, von Sanders' Vorgänger ins Land gebracht worden war.

Nicht eher, als bis die flachen Ufer der Flußgebiete unter den Horizont des Ozeans gesunken waren, fühlte sich Mr. Odwall beruhigt.

Der Dampfer berührte keinen anderen britischen Hafen, bis er Plymouth anlief. Und nun konnte Odwall an die Erfindung einer Geschichte gehen, die seinen Geldgeber befriedigen sollte.

Mr. Wilberry kam zu dem wieder bewohnten Erdgeschoß in der Jermyn-Straße; er war sich bewußt, daß er die Geschichte eines Fehlschlages hören würde; denn er war ein Geschäftsmann und durchaus befähigt, einen Brief zu deuten, der anfing: »Wie Sie sehen, bin ich zurückgekehrt; und obwohl die Ergebnisse meines Besuches nicht alle so waren, wie ich gern gewünscht hätte...«

»Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen«, erklärte Odwall, als der Mann mit dem roten Gesicht sich bequem in dem einzigen, ziemlich geräumigen Lehnstuhl niedergelassen hatte.

Merkwürdig genug, die Geschichte, die der zurückgekehrte Wanderer erzählte, war inhaltlich wahr – es war die einfachste und glaubwürdigste Erklärung seines fruchtlosen Versuches.

»Pech!« sagte Mr. Wilberry, der schon früher Geld verloren hatte. »Aber ich hätte geglaubt, der alte Vogel würde Ihnen geholfen haben, wenn Sie ihm Geld genug gegeben hätten.«

Odwall schüttelte den Kopf.

»Sie kennen den Einfluß nicht, den dieses Schwein, der Sanders, auf die Eingeborenen ausübt.« Und dann fiel ihm etwas ein. »Hier ist etwas, das Sie interessieren wird.«

Odwall ging in sein Schlafzimmer und kam mit einem kleinen Krug eingeborener Machart zurück; er nahm das Ölpapier ab, mit dem er den Inhalt bedeckt hatte, und zeigte die gelbgrüne Salbe.

Mr. Wilberry runzelte die Stirn.

»Ein Enthaarungsmittel? Ist es brauchbar?«

»Brauchbar?« Odwall lachte. »Es ist jetzt halb leer. Ich habe es auf der ganzen Rückreise von Afrika gebraucht, um mir das Rasieren zu ersparen.«

Wilberry streckte seine Hand aus, nahm den Topf, strich ein wenig aus das Haar neben seinem Ohre und wischte es mit seinem Taschentuch ab. Ein kahler Fleck zeigte, wo die Salbe gewirkt hatte.

Wilberry hielt seinen Atem an.

»Kennen Sie die ... die Formel seiner chemischen Zusammensetzung?« stieß er atemlos hervor.

Odwall schüttelte den Kopf.

»Nö ...! Darum habe ich mich nicht gekümmert. Sie können's ja analysieren lassen ...«

»Analysieren? Es ist ein Pflanzenerzeugnis, Sie Narr! Analytiker können uns gar nichts sagen. Hat er Ihnen die Zusammensetzung angeboten?«

»Ja; aber damit konnte ich mich nicht befassen. Ich war hinter Gold her ...«

Wilberry rang seine fleischigen Hände in Verzweiflung.

»Mein Gott!« heulte er und wandte sich mit flammenden Augen zu dem Abenteurer. »Sie hirnloser Narr, Sie! Sie riesenhafter, hirnloser Narr!« schrie er. » Gold wollten Sie? Und Sie hatten es!« Er hielt das Gefäß hoch. »Haben Sie eine Vorstellung von dem, was Sie hier haben? Was wir hätten haben können? Wenn ich die Zusammensetzung davon wüßte, könnte ich Sheffield zugrunde richten! Kein einziges Rasiermesser mehr könnte verkauft werden ... O, Sie kurzsichtiger Narr!«

»Aber... aber...« stammelte der andere.

»Aber! Aber!« äffte sein Geldgeber wütend nach. »Dieser Topf war eine Million Pfund in Gold wert... Er war zehn Millionen wert... Ich hätte halb Sheffield um Gnade bettelnd zu meinen Füßen gehabt. Denn die Formel für dieses Mittel hätte jedes Rasiermesser aus dem Handel verdrängt und jede Sicherheitsrasiermesser-Gesellschaft der Welt! Gold? Das hier ist Gold! Unter Ihrer häßlichen Nase! Und Sie konnten's nicht sehn!«

 

3.

Es ist eine sonderbare Tatsache, daß weder Bones noch Sanders den unzeitigen Tod des alten Häuptlings mit dem Besuch des Sekretärs der großen archäologischen Gesellschaft in Verbindung brachten. Sanders ging auf die Suche nach dem weißen Mann und erfuhr nun aus den Beschreibungen, die man ihm machte, daß Mr. Odwall auf irgendeine Weise in das Gebiet zurückgekehrt und wiederum entwischt war.

»Ich weiß nicht, ob es ein Zeichen der Trauer oder ob es einer anderen Ursache zuzuschreiben ist, aber das kahlköpfige Volk ist nicht mehr kahlköpfig«, sagte Sanders nach dem Essen am Abend nach seiner Rückkehr. »Anscheinend gebrauchten sie 'ne Sorte Zeugs, das der alte Häuptling machte, und dessen Geheimnis er seinen Leuten nicht weiter gab. Nun ist der arme alte Kerl fort, die kahlen Kerle werden wieder ganz normal. Sie sollten das Ihrer archäologischen Gesellschaft mitteilen, Bones!«

Ein Rat, dem Bones folgte, aber der Brief kam Zurück mit dem Vermerk: »Abgereist, Adressat unbekannt.«


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