Edgar Wallace
Der Dieb in der Nacht
Edgar Wallace

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17

»Ich weiß nicht, wie ich dir das alles erklären soll, Jack«, begann Barbara, während sie sich erschöpft auf das Sofa fallen ließ und ihn an ihre Seite zog. »Es hängt alles mit dem Diamanten der Göttin Kali zusammen.«

»Wie kommt denn der hierher?« erkundigte er sich erstaunt. »Ist das nicht der Diamant, von dem Lord Widdicombe neulich sprach?«

Sie nickte ernst.

»Der Stein ist aufs neue entwendet worden. Du kannst dir ja vorstellen, welche Anziehungskraft er für viele Leute hat. Einige Zeit wurde der Diebstahl nicht entdeckt, aber schließlich kam ein Oberpriester des Heiligtums dahinter und setzte sich sofort mit der Kriminalpolizei in Verbindung. Er wußte, welche Unruhen es geben würde, wenn der Stein an dem Feiertag nicht ausgestellt werden konnte. Als man den Dieb endlich faßte, hatte er den Stein schon verkauft. Mit verschiedenen anderen Brillanten hatte ihn ein Zwischenhändler nach Europa verschachert.

Wir bekamen schließlich heraus, daß der Diamant in London gelandet war. Nun bekam ich den Auftrag, ihn dort zu suchen, denn ich bin seit drei Jahren beim Geheimdienst des Auswärtigen Amtes beschäftigt.«

Sie lächelte belustigt, als sie sah, welche Überraschung diese Worte für Jack bedeuteten.

»Was, beim Geheimdienst bist du? Dann bist du . . .«

»Etwas Ähnliches wie du. Aber erst laß mich dir schnell fertig erzählen«, unterbrach sie ihn und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Alle Steine wurden an die Juwelierfirma Streetley verkauft. Niemand hatte hier eine Ahnung, daß sich der berühmte Diamant der Göttin Kali darunter befand, denn die seltsame Inschrift war ja kaum zu erkennen. Nun wurde von Indien ein Beamter der Kriminalpolizei hergeschickt, der diesen Mr. Shing mitbrachte. Der ist nicht nur Anhänger der Kali-Sekte, der der Stein gehört, sondern auch ein hervorragender Juwelier. Er weiß genau, wie der Diamant aussieht.«

»Dann hatte also dieser Inder das Haus in der Bird-in-Bush Road gemietet?« warf Jack ein.

»Ja, er wohnte dort, und ihm wurden alle gestohlenen Brillantnadeln gebracht.«

»Aber warum wurden denn die Nadeln gestohlen?«

»Wir haben sie nicht alle gestohlen«, setzte ihm Barbara auseinander. »Streetley hatte die Brillanten, die er von einem Inder kaufte, dazu benützt, die herrlichsten Brillantnadeln anzufertigen. Die Steine waren groß und schön und paßten vorzüglich in die von ihm entworfenen Fassungen. Als nun die Polizei bei ihm nach dem Verbleib der Steine forschte, stellte es sich heraus, daß wohl auch der Diamant der Göttin Kali in solch eine Nadel gearbeitet worden war. Die Firma wandte sich daher an alle Kunden, denen sie eine solche Nadel verkauft hatte, und versuchte, unter irgendeinem Vorwand die Nadeln zurückzubekommen. Meistens erklärten sich die Kunden einverstanden, aber in einigen Fällen weigerten sich die Eigentümer. Manche glaubten, daß man ihnen irrtümlicherweise einen teureren Stein verkauft hätte, den man ihnen nun wieder abnehmen wollte.

In solchen Fällen gab es nur einen Weg, die Brillantnadeln wiederzubekommen – man mußte sie stehlen, und ich erhielt diesen ehrenvollen aber wenig angenehmen Auftrag. Leider hatte ich Pech und mußte bis zur letzten Möglichkeit weitersuchen; erst seit dem Fest bei Lord Widdicombe wußte ich, daß er nur noch in Dianas zweiter Brillantnadel stecken konnte.«

»Also hatte Diana doch recht, als sie behauptete, die gestohlenen Schmuckstücke unter deinem Kopfkissen gefunden zu haben?«

Barbara nickte vergnügt.

»Der Chefinspektor wußte natürlich Bescheid! Als er hörte, daß Diana hinter meine Schliche gekommen war, setzte er sich sofort mit Mr. Smith in Verbindung. Der fuhr gleich in meine Wohnung, nahm die Juwelen an sich und hinterließ den Zettel mit dem schadenfrohen Gruß.«

Jack begriff nun, warum ihm sein Vorgesetzter nicht den Auftrag gegeben hatte, auch den Juwelendiebstahl zu klären.

Er zog Barbara an sich.


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