Edgar Wallace
Die drei von Cordova
Edgar Wallace

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4

In der Zwischenzeit hatte Frank Fellowe eine Weinstube in der Nähe der Regent Street erreicht.

Er trat ein, ließ sich in einer Ecke des geräumigen Lokals nieder und bestellte sich ein Glas Whisky-Soda. Außer ihm waren nicht viele Gäste zugegen. Zwei oder drei auffällig gekleidete Leute standen an der Bar und unterhielten sich. Jeden Neuankömmling musterten sie verstohlen. Frank wußte, daß es gewöhnliche Verbrecher waren, wie man sie in derartigen Lokalen vielfach antraf. Ihnen galt seine Aufmerksamkeit nicht; er hatte andere Absichten.

Er saß wartend in seiner Ecke, scheinbar in die Lektüre einer Abendzeitung vertieft.

Es war nicht das erstemal, daß er sich in diesem Lokal aufhielt, und es war auch nicht das erstemal, daß er hier ohne Erfolg gewartet hatte. Aber er war geduldig und zäh in der Verfolgung seiner Ziele.

Die große Wanduhr zeigte Viertel nach zehn; als die Schwingtür aufgestoßen wurde und zwei Männer hereintraten.

Ungefähr zwanzig Minuten lang unterhielten sich die beiden leise miteinander. Frank konnte über den Rand seiner Zeitung hinweg das Gesicht von Sparks sehen, der für Black arbeitete und in gewisser Weise das Faktotum des Obersts war. Black übertrug diesem Mann, der ihm blindlings ergeben war, die Ausführung der gemeinsten Aufträge. Auch den anderen kannte Frank. Es war ein gewisser Jakobs, ein gewöhnlicher Dieb, der eine Art Pension von Black bezog.

Die Unterhaltung wurde ab und zu unterbrochen, wenn sie auf die Wanduhr über der Bar schauten oder wenn Sparks seine Taschenuhr zog. Um Viertel vor elf erhoben sie sich und gingen fort.

Frank folgte ihnen auf die Straße; er ließ das Glas Whisky-Soda fast unberührt stehen.

Die beiden bogen in die Regent Street ein und gingen eine kurze Strecke die Straße entlang. Dann riefen sie ein Auto heran.

Frank gab dem nächsten Taxi, das vorüberfuhr, ein Zeichen.

»Folgen Sie dem Wagen dort«, sagte er dem Chauffeur. »Halten Sie sich in einigem Abstand hinter ihm; falls er hält, fahren Sie an ihm vorbei und lassen mich in einiger Entfernung davon aussteigen.«

Der Chauffeur langte an die Mütze, und die beiden Wagen setzten sich in Bewegung.

Sie fuhren auf den Victoria-Bahnhof zu, ließen ihn dann zur Linken liegen und wandten sich nach rechts zur Grosvenor Road. Bald darauf bogen sie in das Labyrinth der Straßen von Pimlico ein.

Der erste Wagen hielt schließlich vor einem hohen, schmalen Haus in einer Straße, die früher einmal ansehnlich gewesen sein mußte, jetzt aber einen heruntergekommenen Eindruck machte.

Frank sah, wie die beiden Männer ausstiegen, und ließ sein Auto etwa achtzig Meter weiter auf der anderen Seite der Straße halten. Er hatte sich das Haus gemerkt; es war leicht zu unterscheiden.

Sparks und Jakobs waren schon in dem Haus verschwunden, bevor Frank die Stelle erreichen konnte. Er überquerte die Straße und wählte einen Beobachtungsposten, von dem aus er die Haustür überschauen konnte.

Eine Kirchturmuhr in der Nähe hatte schon halb eins geschlagen, ehe sich irgend etwas ereignete.

Ein Polizist war auf seinem Streifengang an Frank vorbeigekommen und hatte ihn mißtrauisch von der Seite angesehen, und die wenigen Fußgänger, die zu dieser Zeit noch die Straße passierten, betrachteten ihn nicht weniger argwöhnisch.

Die Glockenschläge waren kaum verklungen, als ein Privatauto mit ziemlicher Geschwindigkeit die Straße entlangfuhr und plötzlich vor dem Hause anhielt.

In dem Herrn, der aus dem Auto stieg, konnte Frank von seinem Posten aus ohne Schwierigkeiten Oberst Black erkennen. Man erwartete ihn offenbar, denn die Tür wurde sofort geöffnet.

Drei Minuten später fuhr ein anderer Wagen die Straße herunter und hielt in einiger Entfernung von dem Haus, als kenne der Chauffeur sein Ziel nicht genau.

Ein elegant gekleideter Herr stieg aus, und Frank sah in dem ungewissen Licht einer Straßenlaterne, daß es Sir Isaac Tramber war.

Als sich der Fremde zu seinem Chauffeur wandte, um ihm einen Auftrag zu geben, blitzte kurz eine weiße Hemdbrust unter einem dunklen Mantel auf.

Er zögerte am Fuß der Treppe, die zu der Haustür emporführte, stieg dann langsam hinauf und tastete nach der Klingel. Bevor er sie aber berührte, öffnete sich die Tür bereits, und nach einer kurzen Unterhaltung trat er ein.

Frank, der geduldig auf der anderen Seite der Straße wartete, sah plötzlich im ersten Stock Licht.

Er wußte allerdings nicht, daß dort oben die ›Aufsichtsratssitzung‹ einer Gesellschaft abgehalten wurde, deren Aktienkapital größer war als das der angesehensten Firmen in der City, einer Gesellschaft, deren Zweigniederlassungen und Agenten man in den verschiedensten Teilen der Welt antreffen konnte. Es wurden sogar Bücher geführt – man mußte sie nur finden und ihre chiffrierten Eintragungen entziffern können.

*

Oberst Black und der Herr, der eben gekommen war, saßen sich an einem langen Tisch gegenüber. Sir Isaac Tramber war ein gutaussehender junger Mann von sechsundzwanzig Jahren, mit einem schwachentwickelten Kinn und einem dünnen blonden Schnurrbart. Das Gesicht des sportliebenden Baronets war allen Rennstallbesitzern oder an Pferderennen interessierten Zuschauern wohlvertraut.

Aus einem bestimmten Grund wurde Sir Isaac von den Angehörigen der guten Gesellschaft gemieden, obwohl er aus einer Familie stammte, die in der Geschichte Englands eine Rolle gespielt hatte und Anfang des 17. Jahrhunderts geadelt worden war.

Er führte einen stolzen Namen, und viele seiner Vorfahren hatten ihn fleckenlos rein erhalten und stolz getragen. Trotzdem sprach man nicht von Sir Isaac; seine Einladungen wurden mit größter Höflichkeit abgelehnt und niemals erwidert.

Er war einmal in einen Skandal verwickelt gewesen, der nie ganz aufgeklärt worden war. Die gute Gesellschaft ist ihren Angehörigen gegenüber sehr nachsichtig; es gibt Verbrechen und Sünden, die sie, wenn auch nicht gerade bereitwillig, aber doch schließlich entschuldigt und verzeiht. Aber gewisse Vergehen können nie vergeben werden, und die Tore der Gesellschaft schließen sich mitleidslos vor jedem, der mit solcher Schuld beladen ist.

Sie hatten sich auch vor Sir Isaac Tramber geschlossen nicht, weil sein Name mit Skandalaffären verquickt war, sondern wegen eines Midland-Rennens, bei dem er sein eigenes Pferd geritten hatte. Sein Pferd war damals Favorit gewesen.

Die genaueren Umstände dieses Rennens sind in den Akten des ›Jockei Club‹ verzeichnet. Die erregte Menge stürmte die Barrieren und versuchte an diesen Amateurjockei heranzukommen. Auch die Sportjournalisten hatten das außergewöhnliche Ereignis in ihren Zeitungen genau geschildert.

Sir Isaac wurde vor die Rennleitung zitiert, und später wurde der Fall dem Vorstand des ›Jockei Club‹ unterbreitet. Als der Rennkalender des nächsten Jahres erschien, enthielt er die kurze, schwerwiegende Bemerkung, daß Sir Isaac Tramber wegen der Vorkommnisse in Newmarket Heath die Rennlizenz entzogen worden sei.

Erst nach vier Jahren wurde dieser Bann von ihm genommen.

Er konnte nun wieder auf Rennen erscheinen und eigene Pferde laufen lassen. Er tat auch beides. Aber die Ächtung der guten Gesellschaft, deren ungeschriebene Gesetze er verletzt hatte, blieb bestehen, und die Türen aller maßgebenden Häuser schlossen sich vor ihm.

In der vornehmen Welt besaß Sir Isaac Tramber nur einen einzigen Freund. Aber viele Leute behaupteten, daß Lord Verlond, dieser unliebenswürdige und verbitterte alte Herr, die Bekanntschaft mit ihm nur aus Eigensinn aufrechterhielt. Diese Behauptung mochte vielleicht auch der Wirklichkeit entsprechen, denn Lord Verlond hatte die schärfste Zunge in ganz England.

Der Weg zur Hölle ist leicht, wie das Sprichwort sagt, und er war besonders leicht für Isaac Tramber, der schon so früh dekadente Neigungen gezeigt hatte und diese auch eifrig weiterentwickelte.

Nun saß er an dem einen Ende des Tisches, hatte beide Hände in die Hosentaschen gesteckt und den Kopf etwas auf die Seite gelegt wie ein kecker Vogel. Er war ein tüchtiger Geschäftsmann, wie Black schon während der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft hatte feststellen können.

»Ich glaube, wir sind vollzählig«, sagte Black und sah seinen Partner belustigt an.

Sparks und seinen Freund hatten sie in einem der unteren Räume zurückgelassen.

»Ich habe Sie heute abend hergebeten, um Ihnen einen Bericht über unsere Geschäfte zu geben, und ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß wir im letzten Jahr mehr verdient haben als jemals zuvor.«

Dann machte der Oberst noch genauere Angaben über seine Tätigkeit als ›Geschäftsführer‹, und er tat es mit dem Auftreten und Gebaren eines Mannes, der eine große Versammlung abhält.

»Man könnte einwenden«, fuhr Black geheimnisvoll fort, »daß das Geschäft eines nicht an der Börse zugelassenen Maklers mit meiner anerkannten Stellung in der Finanzwelt nicht vereinbar wäre. Aber der nichtkonzessionierte Börsenmakler ist eine sehr nützliche Persönlichkeit, besonders wenn er Tausende von Kunden an der Hand hat. Er kann zum Beispiel große Posten unserer Aktien seinen Klienten zum Ankauf empfehlen, ohne daß er in Verdacht kommt, selbst daran interessiert zu sein. Und gerade augenblicklich bin ich stark darauf angewiesen, daß der Ankauf dieser Aktien dem Publikum nahegelegt wird.«

»Haben wir durch Fanks' Tod irgendwelche Verluste gehabt?« fragte der Baronet sorglos. »Der arme Mann hatte Pech. Er war aber auch zu korpulent.«

Der Oberst betrachtete Sir Isaac mit ruhigen, kalten Blicken.

»Wir wollen nicht von Fanks sprechen«, erwiderte er ausweichend. »Sein Tod ist mir sehr an die Nieren gegangen – ich möchte nicht gern daran erinnert sein.«

Sir Isaac nickte.

»Ich habe ihm auch niemals richtig getraut, ebensowenig wie dem anderen, der hier im vergangenen Jahr eine so große Szene machte – ich glaube, es war im Februar.«

»Ja«, entgegnete der Oberst kurz.

»Und es ist gut für uns, daß auch er starb«, bemerkte Sir Isaac taktlos, »denn –«

»Wir wollen jetzt weiter vom Geschäft sprechen.«

Oberst Blacks Stimme klang beinahe heftig.

Aber Sir Isaac hatte noch etwas zu sagen. Er war um seine eigene Sicherheit besorgt, und als Oberst Black sich dem Ende seines Vortrags näherte, beugte er sich ungeduldig vor.

»Da ist aber noch ein Punkt, den wir nicht besprochen haben, Black«, begann er.

Der Oberst wußte sehr wohl, woran Sir Isaac dachte; er hatte es sorgfältig vermieden, diese Sache zu erwähnen.

»Wir werden doch von diesen Leuten bedroht – oder vielmehr Sie werden von ihnen bedroht. Wissen Sie eigentlich, wer der Manager dieser Gruppe ist?« sagte Sir Isaac beunruhigt.

Black schüttelte lächelnd den Kopf.

»Ich glaube nicht. Sie sprechen natürlich von den ›Vier Gerechten‹«

Sir Isaac nickte kurz.

»Ich erhielt einen anonymen Brief von diesen Leuten«, fuhr Black – scheinbar gleichgültig – fort, »aber ich zweifle nicht im mindesten daran, daß die ganze Geschichte ein großer Bluff ist.«

»Was verstehen Sie in diesem Fall unter Bluff?«

Black zuckte die Schultern.

»Ich glaube, daß es eine Organisation wie die ›Vier Gerechten‹ überhaupt nicht gibt. Das Ganze ist ein Märchen; in Wirklichkeit sind sie gar nicht vorhanden! Stellen Sie sich doch einmal vier Männer vor, die sich zusammentun, um Englands Justiz zu verbessern! Das klingt doch mehr nach einem sensationellen Roman als nach realen Tatsachen.«

Er lachte, scheinbar sorglos.

»Derlei passiert hier in Pimlico nicht«, fuhr er dann fort. »Ich vermute vielmehr, daß der Polizist, von dem ich Ihnen neulich erzählte, dahintersteckt. Diese ganze romantische Gemeinschaft der ›Vier Gerechten‹ setzt sich wahrscheinlich nur aus ihm zusammen.«

Er lachte wieder.

Aber Sir Isaac drehte nervös an seinem Schnurrbart.

»Das ist alles Unsinn, daß Sie sagen, die ›Vier Gerechten‹ existieren nicht. Wir wissen doch ganz genau, was sie vor sechs Jahren taten. – Und auch diesen anderen Menschen kann ich auf den Tod nicht leiden«, fügte er ärgerlich hinzu.

»Welchen anderen?«

»Diesen Polizisten, der seine Nase in alles steckt«, antwortete Sir Isaac gereizt. »Können Sie dem nicht den Mund stopfen?«

»Dem Konstabler?«

»Ja. Wenn Sie mit einem Sergeanten fertig werden, können Sie einen gewöhnlichen Konstabler doch wohl erst recht zur Ruhe bringen.«

Sir Isaac Tramber konnte manchmal sehr sarkastisch sein.

Black strich nachdenklich über sein Kinn.

»Merkwürdigerweise habe ich daran noch gar nicht gedacht. Man müßte es wirklich einmal versuchen.« Er sah auf seine Taschenuhr. »Nun möchte ich Sie bitten zu gehen. Ich habe um halb zwei eine Verabredung, die ich einhalten muß.«

Sir Isaac lächelte langsam.

»Sonderbare Zeit für eine Verabredung.«

»Unser Geschäft ist überhaupt sonderbar – da kommt dergleichen manchmal vor«, erwiderte der Oberst.

Sie erhoben sich beide.

»Was ist denn das für eine Verabredung?«

»Das ist ein ganz besonderer Fall –«, begann er, hielt aber plötzlich inne.

Es kam jemand eilig die Treppe herauf. Im nächsten Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und Sparks stürzte in das Zimmer.

»Das Haus wird beobachtet«, rief er atemlos.

»Wer beobachtet es denn?«

»Ein Detektiv, drüben auf der anderen Seite.« Sparks gestikulierte heftig mit den Händen. »Ich entdeckte ihn, aber als er sah, daß ich ihn beobachtete, ging er fort. Jetzt ist er wieder auf seinem Posten. Wir haben ihn gesehen.«

Black und Tramber folgten dem aufgeregten Mann nach unten, wo sie von einem niedrig gelegenen Fenster aus den Menschen unauffällig beobachten konnten, der es wagte, hier zu spionieren.

»Wenn das tatsächlich die Polizei ist«, brauste Black auf, »dann hat mich dieser Gurden im Stich gelassen. Er hat mir noch vor kurzem versichert, daß Scotland Yard nichts gegen mich habe.«

*

Frank hatte wohl erkannt, daß die Bewohner des Hauses unruhig geworden waren. Er hatte gesehen, daß plötzlich oben das Licht ausgegangen war. Frank war fest davon überzeugt, daß sie ihn nun durch die Glasscheiben der Haustür beobachteten. Er konnte jetzt nicht mehr viel herausfinden. Sein Erkundungsgang war erfolglos gewesen, denn daß Sir Isaac Tramber Blacks Partner war, hatte er auch vorher schon gewußt; ebenso, daß Jakobs und der ehrenwerte Sparks irgendwie an seinen Geschäften beteiligt waren.

Er war sich nicht klar darüber, was er zu finden hoffte oder was er eigentlich erreichen wollte.

Als er schon die Richtung nach dem Victoria-Bahnhof eingeschlagen hatte, wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich auf die Gestalt eines jungen Mannes gelenkt, der langsam die Straße auf der anderen Seite entlangkam und von Zeit zu Zeit stehenblieb und auf die Hausnummern sah.

Neugierig beobachtete er ihn, und plötzlich kam ihm der Gedanke, daß er Nummer 63 suchen könnte. Der Fremde blieb auch tatsächlich vor dem Hause stehen.

Frank überquerte die Straße und ging auf ihn zu. Der junge Mann wandte sich erschrocken um, als er den plötzlich auftauchenden Frank sah.

Fellowe erkannte ihn.

»Sie brauchen sich nicht zu fürchten, ich bin Polizeibeamter. Wollen Sie in dieses Haus?«

Einen Augenblick sah ihn der andere schweigend an.

»Ja«, sagte er dann mit unsicherer Stimme.

»Sie wollen Oberst Black bestimmte Informationen über das Geschäft Ihres Chefs geben?«

Der junge Mann war fast gelähmt vor Schrecken, aber er nickte.

»Weiß Ihr Chef davon?«

Langsam schüttelte der Fremde den Kopf.

»Hat er Sie geschickt?« fragte er entsetzt.

»Nein«, erwiderte Frank lächelnd und überlegte, wer wohl mit dem ›er‹ gemeint sein könnte. »Ich bin aus eigenem Antrieb hier, und ich möchte Sie davor warnen, Oberst Black Ihr Vertrauen zu schenken.«

Der junge Mann warf den Kopf zurück, und Frank sah, daß er rot wurde.

»Sie sind Konstabler Fellowe«, sagte er plötzlich.

Frank war verblüfft.

»Ja, ich bin Konstabler Fellowe«, wiederholte er dann.

Während er sprach, hatte sich die Haustür geöffnet. Frank konnte dies jedoch nicht sehen, da er dem Hause den Rücken gekehrt hatte. Oberst Black trat leise aus der Tür und kam die Treppe herunter. Er hatte den lebhaften Wunsch, festzustellen, wer der Mann war, der ihn beobachtete, und er stand nahe genug, um Franks Worte zu hören.

»Fellowe!« rief er laut. »Sie mischen sich also schon wieder in meine Angelegenheiten!«

»Wenn Sie es so ausdrücken wollen, ja«, entgegnete Frank kühl und wandte sich wieder an den jungen Mann.

»Ich warne Sie«, sagte er nachdrücklich. »Sie werden es bis ans Ende Ihres Lebens bereuen, wenn Sie in dieses Haus gehen oder sich mit diesem Mann einlassen.«

»Das sollen Sie mir büßen«, fuhr Black auf. »Ich werde dafür sorgen, daß Sie die Uniform ausziehen müssen! Ich werde Sie anzeigen! Ich werde . . . ich will . . .«

»Sie haben eine ausgezeichnete Gelegenheit dazu«, erwiderte Frank. Sein geübtes Auge hatte auf der anderen Seite der Straße die Gestalt eines Polizisten entdeckt, der langsam auf sie zukam. »Dort drüben geht ein Schutzmann. Rufen Sie ihn doch her und zeigen Sie mich sofort an! Es ist kein Grund vorhanden, warum Sie das nicht tun sollten – kein Grund, warum Sie die Öffentlichkeit scheuen sollten.«

»Ach nein! Nein!« rief der junge Mann. »Oberst Black, ich werde ein andermal wiederkommen.« Dann drehte er sich wütend zu Frank herum. »Was aber Sie anbetrifft –«, begann er, da er in Blacks Gegenwart mutig wurde.

»Was Sie anbetrifft«, fiel ihm Frank ins Wort, »so meiden Sie schlechte Gesellschaft!«

Der junge Mann zögerte noch einen Augenblick, dann entfernte er sich schnell und ließ die beiden allein vor dem Hause zurück.

Die drei Leute im Hausflur beobachteten die Szene neugierig, und wenigstens zwei von ihnen glaubten, daß Black ihnen Instruktionen geben würde, die nicht gerade sehr günstige Folgen für Frank haben konnten.

Aber der Oberst unterdrückte seine Aufregung bald. Auch er hatte den Polizisten auf der anderen Seite der Straße gesehen.

»Hören Sie einmal zu, Konstabler«, sagte er mit gezwungener Freundlichkeit. »Ich weiß, daß Sie unrecht haben, obwohl Sie vom Gegenteil überzeugt sind. Kommen Sie mit mir herein; wir wollen einmal in aller Ruhe über die ganze Angelegenheit sprechen.«

Während er auf die Antwort wartete, dachte er über einen Plan nach, wie er mit diesem gefährlichen Feind fertig werden könnte. Er glaubte keinen Augenblick, daß Frank die Einladung annehmen würde, und war aufs äußerste erstaunt, als dieser wortlos die Treppe emporstieg.


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