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Friedrich II. von Preußen

Friedrich II. von Preußen
Bildquelle: de.wikipedia.org

Voltaires Briefwechsel mit Friedrich II.

1736-1778

Friedrich II., König von Preußen, geboren 1712, französisch erzogen, mit ausgesprochener Neigung für Musik, Poesie und Philosophie, in schwerem Konflikt mit seinem streng lutherisch gesinnten und einseitig militärisch veranlagten Vater, Friedrich Wilhelm I.; er suchte sich dem eisernen Joch 1730 durch die Flucht zu entziehen, wurde in Küstrin gefangen gesetzt, 1733 mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Bewern vermählt, mit der er sehr unglücklich lebte, pflegte mit Vorliebe den Umgang mit Gelehrten und Künstlern auf Schloß Rheinsberg, begann 1736 den Briefwechsel mit Voltaire und wurde 1740 König. Alles Weitere ergibt sich aus dem hier folgenden Briefwechsel, dürfte auch bekannt genug sein, um hier weitere Aufzählungen überflüssig zu machen.

 

Voltaires Urteil über Friedrich den Großen.

Als Krieger werden Friedrich (von Preußen) und Moritz von Sachsen den erlauchtesten Feldherren der Vergangenheit an die Seite gestellt und als die bedeutendsten Heerführer des 18. Jahrhunderts erklärt ... Friedrich hatte über Moritz den unschätzbaren Vorteil, die Truppen nach seinem Ermessen ausheben und drillen zu können ...

Friedrich hat aber mit mehr Schwierigkeiten und Gegnern zu kämpfen gehabt: Österreicher, Franzosen, Russen ... Auf all seinen Kriegszügen trug er stets die Uniform seiner Garde, wie sie gekleidet, teilte er ihre Nahrung, ihre Lagerstatt; ganz dem Kriege hingegeben, schenkte er dem Luxus, ja den Forderungen der Natur keine Beachtung. Als König seines Landes und in seiner innern Verwaltung war er dessen Gesetzgeber, reformierte die Rechtswissenschaft, schaffte die Prokuratoren ab, beschleunigte die Prozesse, verhinderte die Söhne aus guten Häusern, sich zu ruinieren, baute Städte, über 300 Dörfer und bevölkerte sie, förderte Ackerbau und Industrie, war prächtig an Tagen der Gala, schlicht und äußerst anspruchslos im übrigen. Betrachtet man bei ihm die allgemein menschlichen Gaben, so wird man erstaunt sein, daß er alle Künste gepflegt hat; die beste Geschichte von Brandenburg ist ohne Zweifel die seine; er hat französische Verse geschrieben, die gerechter und nützlicher Gedanken voll sind; er war ein ausgezeichneter Musiker, und in der Unterhaltung hat er nie weder von seinen Talenten, noch von seinen Siegen gesprochen. Er geruhte, die Schriftsteller zu seiner nächsten Umgebung zuzulassen und hat sie nie gefürchtet. Wurde dieser innige Verkehr durch einige Wolken getrübt, so ließ er auch wieder das heiterste und mildeste Wetter darauf folgen.

 

312. Der Kronprinz von Preußen an Voltaire.

Berlin, 8. August 1736.

Mein Herr, obgleich ich nicht die Genugtuung habe, Sie persönlich zu kennen, sind Sie mir nichtsdestoweniger durch Ihre Werke bekannt geworden. Es sind Schatzkammern des Geistes, wenn man sich so ausdrücken darf, mit so viel Feinheit, Geschmack und Kunst gearbeitet, daß ihre Schönheiten bei jeder neuen Lektüre auch wieder neu erscheinen. Ich glaube den Charakter ihres scharfsinnigen Verfassers darin erkannt zu haben, der unserm Jahrhundert und dem menschlichen Geiste Ehre macht ...

Mit der Eigenschaft eines ausgezeichneten Dichters verbinden Sie eine Menge andrer Kenntnisse, die allerdings eine gewisse Verwandtschaft mit der Dichtkunst haben, aber sich doch nur unter Ihrer Feder damit verschmelzen. Kein Dichter reimte bisher metaphysische Gedanken: dieser Ruhm gebührt Ihnen als erster

Weil Sie in Ihren Schriften so viel Geschmack an der Philosophie beweisen, fühle ich mich dazu bestimmt, Ihnen die Übersetzung zu schicken, die ich von der Anklage und Verteidigung des Herrn Wolf habe machen lassen, des berühmtesten Philosophen unsrer Zeit Christian Freiherr von Wolf, Philosoph und Mathematiker, geboren 1679, Professor in Halle (Leibnizianer), der Irrlehre angeklagt, 1723 des Landes verwiesen und 1740 durch Friedrich II. zurückberufen, 1754 gestorben. ...

Die Freundlichkeit und Hilfe, die Sie allen beweisen, die sich mit Kunst und Wissenschaft beschäftigen, lassen mich hoffen, daß Sie mich nicht von der Zahl derjenigen ausschließen werden, die Sie Ihrer Unterweisung würdig finden.

... Ich hege den lebhaftesten Wunsch, alle Ihre Werke zu besitzen. Ich bitte Sie, mein Herr, sie mir ohne Rückhalt mitzuteilen und zu schicken. Im Besitz Ihrer Schriften werde ich mich reicher schätzen als durch den Besitz der vergänglichen und verächtlichen Güter des Glücks, die derselbe Zufall gibt und nimmt ...

... Wie oft habe ich mir nicht gesagt: Unsinniger, versuche dich doch nicht an einer Last, die du nicht heben kannst (beim Dichten). Um Voltaire nachzuahmen, muß man Voltaire selbst sein.

In solchen Augenblicken habe ich die Nichtigkeit des Vorzugs der Geburt gefühlt, die Eitelkeit der Größe, mit der man uns einlullt, und die so wenig, ja gar keinen Wert hat ...

Sollte das Geschick mir nicht die Gunst erweisen, Sie eines Tages bei mir zu haben Friedrich II. hat diesen Wunsch von Anfang an gehegt. In der Folge hat Voltaire ihn zuerst September 1740 in Moyland bei Cleve besucht, im November 1740 in Berlin, im August 1742 in Aachen, im August 1743 wieder in Berlin, um dann von Juni 1750 bis März 1753 in Berlin zu wohnen., so kann ich doch wenigstens hoffen, einstmals den mit Augen zu sehen, den ich schon lange von fern bewundere, und Sie persönlich all der Achtung und Verehrung, die denen gebührt, die der Fackel der Wahrheit folgen und für die Allgemeinheit arbeiten, zu versichern, daß ich, mein Herr, Ihr wohlgeneigter Freund bin.

Fédéric Der ganze Briefwechsel ist Fédéric unterzeichnet., Kronprinz von Preußen.

 

313. Voltaire an den Kronprinzen.

Paris, 26. August 1736.

Königliche Hoheit, der müßte gefühllos sein, den der Brief, mit dem Ew. Kgl. Hoheit mich zu beehren geruhten, nicht unendlich rührte. Meine Eigenliebe war dadurch nur zu sehr geschmeichelt, aber die Menschenliebe, die ich stets im Herzen trage und die, ich wage es zu behaupten, der Grundzug meines Charakters ist, hat mir eine tausendmal reinere Freude verursacht, als ich sah, daß die Welt einen Fürsten besitzt, der menschlich denkt, einen fürstlichen Philosophen, der die Menschen glücklich machen wird. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß alle Erdbewohner es Ihnen danken müssen, daß Sie sich die Mühe nehmen, in einer Seele, die zum Herrschen und Befehlen bestimmt ist, die wahre Philosophie zu pflegen. Glauben Sie mir, die wahrhaft guten Könige haben stets begonnen wie Sie; sie unterrichteten sich, lernten die Menschen kennen, die Wahrheit lieben, Aberglauben und Verfolgung verabscheuen. Jeder Fürst, der so denkt, vermag in seinen Staaten das goldene Zeitalter heraufzuzaubern. Warum aber streben so wenige Fürsten nach diesem Ziel? Sie fühlen es, Hoheit; diese Fürsten denken mehr an die Königswürde als an die Menschheit. Sie aber tun das Gegenteil. Glauben Sie, wenn nicht eines Tages der Tumult der Geschäfte, die Bosheit der Menschen einen so herrlichen Charakter verändern, werden all Ihre Völker Sie anbeten, und die ganze Welt wird Sie lieben.

... Ich sehe mit der Freude eines von Menschenliebe erfüllten Herzens, daß Sie einen gewaltigen Unterschied zwischen denen machen, die in Frieden die Wahrheit suchen (Philosophen), und denen, die um unverständlicher Worte willen Streit anfangen wollen (Theologen usw.) ... Ich würde es als ein gar großes Glück betrachten, Ew. Kgl. Hoheit meine Huldigungen darzubringen. Man geht nach Rom, um Kirchen, Bilder, Ruinen, Basreliefs zu sehen Von dem Papst spricht Voltaire aber nicht.; ein Fürst wie Sie verdient weit mehr eine Reise, denn er ist eine viel wunderbarere Seltenheit. Aber die Freundschaft, die mich in meiner Zurückgezogenheit hält, gestattet mir keine Reise. Und Sie denken sicher mit dem vielverleumdeten Julian, daß die Freunde den Königen stets vorgehen Voltaire hat für den geistreichen Kaiser Julian stets eine große Vorliebe gehabt. Vgl. »Discours de l'empereur Julian contre les chrétiens«..

In welchem Teil der Welt ich aber mein Dasein beschließe, seien Sie versichert, Hoheit, daß ich nie aufhören werde, Ihnen, d. h. Ihrem ganzen Volk das Beste zu wünschen. Mein Herz wird Ihr Untertan, Ihr Ruhm mir immer teuer sein. Ich werde hoffen, daß Sie sich stets selbst gleichen und die andern Fürsten Ihnen nachahmen mögen. Ich bin, mit wahrer Hochachtung, Ew. Kgl Hoheit sehr ergebener usw.

 

314. An Voltaire.

9. September 1736.

Wenn ich etwas dringend wünsche, so ist es, gelehrte und geschickte Leute um mich zu haben. Ich glaube, daß die Mühe sie an sich zu ziehen, keine verlorene ist: ist es doch eine Huldigung, die ihrem Verdienst gebührt, und das Geständnis, daß man der Aufklärung durch ihr Wissen bedarf.

Was die Theologen betrifft, so glaube ich, daß sie alle gleich sind, welcher Religion und Nation sie auch angehören. Ihre Absicht ist stets, sich eine drückende Herrschaft über die Gewissen anzumaßen, und das genügt, um aus ihnen Verfolger all derer zu machen, die mit edler Kühnheit die Wahrheit zu entschleiern wagen ... Ich hätte nicht so eifrig für Wolf Partei ergriffen, wenn ich nicht Leute, die sich sonst verständig nennen, in blindem Zorn ihr Gift und ihre Galle gegen einen Philosophen hätte verspritzen sehen, der frei zu denken wagte ...

 

315. An den Kronprinzen.

November 1736.

Königliche Hoheit, ich habe beim Lesen Ihres Briefs vom 9. September Freudentränen vergossen. Hierin erkenne ich einen Fürsten, der sicher die Wonne des Menschengeschlechts sein wird.

 

316. An Voltaire.

Rheinsberg, 3. Dezember 1736.

... Ich habe die Abhandlung über die Seele gelesen, die Sie an den Père Tournemine richteten »Au Père Tournemine, jésuite«, der Père Tournemine war ein tüchtiger Gelehrter..

Jeder vernünftige Mensch, der nur glauben kann, was er versteht, und der nicht anmaßenderweise über Dinge entscheidet, die unser schwacher Verstand nicht ergründen kann, wird stets Ihrer Ansicht sein ... Mit großer Ungeduld erwarte ich die »Philosophie de Newton« und würde Ihnen unendlich dankbar dafür sein. Ich sehe schon, ich werde keinen andern Lehrer haben als Herrn von Voltaire. Sie werden mich in Vers und Prosa unterrichten, und ich müßte ein recht verstocktes Herz haben, um Ihre Unterweisungen nicht gelehrig aufzunehmen.

Berlin, Dezember 1736.

317. ... Ich bin in nichts groß. Nur mein Fleiß wird mich vielleicht einmal meinem Vaterlande nützlich machen, und das ist der einzige Ruhm, den ich erstrebe.

 

318. An den Kronprinzen.

Leyden, Januar 1737.

Königliche Hoheit, wäre ich unglücklich, ich würde bald getröstet sein: man schreibt mir, daß Ew. Kgl. Hoheit mir Ihr Bildnis zu schicken geruhen; etwas Schmeichelhafteres konnte mir ... nicht widerfahren ... Die Marquise du Châtelet ... die meine Bewunderung für Ew Kgl Hoheit teilt, wird sich dieses kostbare Pfand nicht entreißen lassen, es wird der Hauptschmuck des reizenden Hauses Des restaurierten Cirey. sein, das sie in der Einöde erbaut hat. Man soll dort folgende kleine Inschrift lesen: Vultus Augusti, mens Trajani.

 

319. An Voltaire.

Berlin, Januar 1737.

Nein, mein Herr, ich habe Ihnen kein Porträt von mir geschickt. Ein solcher Gedanke ist mir nie gekommen. Mein Bild ist weder schön noch selten genug, um Ihnen geschickt zu werden. Der Irrtum beruht auf einem Mißverständnis. Ich hatte Ihnen als Zeichen meiner Verehrung eine Kleinigkeit geschickt, eine Büste des Sokrates als Spazierstockgriff ... Diese Büste verdiente eher als mein Bildnis, Ihnen geschickt zu werden ...

Sie werden mich durch Übersendung Ihrer neuen Schriften sehr erfreuen. Die guten Bäume tragen immer gute Früchte.

Rheinsberg, 8. Februar 1737.

 

320.

Lassen Sie sich, mein Herr, nicht dadurch stören, daß man in der Öffentlichkeit von unserem Briefwechsel weiß Dieses Ereignis war ja eine sensationelle Neuigkeit, die der damalige Journalismus nach Kräften ausbeutete.. Dieses Gerücht kann uns ja nichts antun. Allerdings sind abergläubische Leute, deren es hier und auch wohl anderswo so viele gibt, darüber entsetzt, daß ich mit Ihnen in schriftlichem Verkehr stehe. Diese Leute argwöhnen auch, daß ich nicht alle ihre Glaubensartikel wörtlich annehme ...

Sie würden mich erfreuen, wollten Sie mir Ihre Zweifel betreffs der Wolfschen Metaphysik mitteilen ... Die metaphysischen Fragen gehen über unser Verständnis hinaus ... Mein System besteht darin, ein allgütiges und alliebendes höchstes Wesen anzuerkennen, das durch diese Eigenschaften unsere Anbetung verdient; den Menschen, deren elende Lage mir bekannt ist, zu helfen und Erleichterung zu bringen, und mich im übrigen dem Willen des Schöpfers zu unterwerfen, der mit mir nach Gutdünken verfahren wird, und von dem, komme was da wolle, ich nichts zu fürchten habe. Ich denke so ähnlich wird auch Ihr Glaubensbekenntnis lauten.

Rheinsberg, 6. März 1737.

321. Ich bitte Sie, mein Herr, mein Lehrer in der Verskunst sein zu wollen, wie Sie es ja in allem sein können. Sie werden nie einen gelehrigeren und fügsameren Schüler finden. Weit entfernt, Ihre Verbesserungen übelzunehmen, werde ich sie für die sichersten Beweise der Freundschaft halten, die Sie für mich empfinden Voltaire hat Friedrichs Verse ganz gründlich durchkorrigiert und ihm seine Meinung nicht verhehlt. ... Möchten Sie in Cirey alle Annehmlichkeiten des Lebens genießen ... Sagen Sie, bitte, der Marquise du Châtelet, daß ich mich entschließen kann, nur ihr allein Herrn von Voltaire zu überlassen, wie auch nur sie allem würdig ist, ihn zu besitzen.

Während der Jahre 1737/38 unterhalten Voltaire und Friedrich sich eingehend über die Willensfreiheit. Sie schreiben Seiten auf Seiten. Die beiden folgenden Stellen kennzeichnen ihre beiderseitigen Standpunkte.

 

322. An den Kronprinzen.

Cirey, Oktober 1737.

... Ich nenne Freiheit meine Macht, an eine Sache zu denken oder nicht daran zu denken, mich zu bewegen oder nicht zu bewegen, so wie es mir selbst gefällt Unter Friedrichs Einfluß hat Voltaire seine Anschauung in diesem Punkte geändert und sich gleichfalls zum Determinismus bekehrt..

 

323. An Voltaire.

Berlin, 26. Dezember 1737.

Alle Menschen müssen den Absichten des Schöpfers gemäß handeln und sich bei all ihren Handlungen von den ewigen Gesetzen, die er schuf, bestimmen lassen. Sie gehorchen ihnen, ohne sie zu kennen; sonst wäre Gott ja der müßige Zuschauer der Natur.

 

324. An den Kronprinzen.

1737.

... Die ganze Metaphysik besteht meiner Ansicht nach aus zwei Teilen: dem einen, den alle vernünftigen Menschen kennen; dem zweiten, den sie nie kennen werden. Die nördlichen Länder Europas haben diesen Vorzug vor den südlichen voraus, daß diese Seelenknechter (Mönche usw.) dort weniger Macht haben als anderswo. Die Fürsten des Nordens sind daher auch weniger abergläubisch und gewalttätig als die andern ...

 

325. An Voltaire.

Rheinsberg, 9. Mai 1737.

... Ihre Nachsicht mit meinen Versen scheint mir verdächtig.

Ruppin, 20. Mai 1737.

326. Ich bitte Sie um Verzeihung, mein Herr, daß ich in meinem letzten Brief ungerechterweise an Ihrer Aufrichtigkeit gezweifelt habe. Ich sehe ein, daß meine Ode nichts taugt und gestehe all die Fehler ein, die Sie mir vorwerfen Die Ode ist gründlich durchkorrigiert..

Ruppin, 6. Juli 1737.

327. ... Als ich von meinem Freunde Herr von Kaiserling, der in Friedrichs Auftrag Cirey besuchen sollte. Abschied nahm, sagte ich: Denke, daß du ins irdische Paradies kommst, einen Ort, tausendmal schöner als die Insel der Kalypso. Dort wirst du den Geist des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit sehen, die Weisheit ohne Strenge, von Liebesgöttern und Lachen umgeben.

Mai 1738.

328. Mein lieber Freund, dieser Name gebührt Ihnen, in Anbetracht Ihres seltenen Verdienstes und der Aufrichtigkeit, mit der Sie mich auf meine Fehler aufmerksam machen. Ich bin von Ihrer Kritik entzückt, werde alle Stellen, die Sie bezeichneten, verbessern und sozusagen unter Ihren Augen arbeiten.

17. Juni 1738.

329. Ich bitte Sie inständig, das »Siècle de Louis XIV.« fortführen zu wollen. Nie hat Europa eine ähnliche Geschichte gesehen. Vor der Experimentalphysik zittre ich. Ich fürchte das Laboratorium und alles, was die Experimente für die Gesundheit Schädliches mit sich bringen. Wenn Sie sich nicht in acht nehmen wollen, kann ich nicht glauben, daß Sie die geringste Freundschaft für mich empfinden. Wahrlich, die Frau Marquise sollte darüber wachen. Wäre ich an ihrer Stelle, ich wollte Ihnen so angenehme Beschäftigungen verschaffen, daß Sie alle Experimente darüber vergäßen Die Marquise experimentierte mit. ...

 

330. An den Kronprinzen.

Cirey, 5. August 1738.

... Es ist wahr, daß die Marquise du Châtelet einen Aufsatz über »Die Natur des Feuers« geschrieben hat, um den Preis der Akademie (der Wissenschaften, in Paris) zu erhalten. Es ist ebenso wahr, daß sie einen Anteil an dem Preis verdient und ihn auch vor jedem andern Richterstuhle erhalten hätte, nur nicht vor dem, der noch an Descartes festhält Die Marquise und Voltaire waren Newtonianer. ... |

 

331. An Voltaire.

Loo in Holland, 6. August 1738.

Mein lieber Freund, ich finde Sie, finde mein Fleisch in der schönen »Epître sur l'homme« »Discours sur l'homme« (in Versen). Sehr lesenswert, die 7 Abschnitte enthalten Voltaires Kredo. wieder, die ich soeben erhalte und für die ich Ihnen tausendmal danke ... Mögen die Mönche in ihren dunklen Kerkern ihre elende Theologie in ihrer schmutzigen Unwissenheit begraben; mögen unsere Nachkommen auf immer von den kindischen Torheiten des Glaubens, des Kultus, der Zeremonien, der Priester und Mönche verschont bleiben ...

Rheinsberg, 9. November 1738.

332. ... Thieriot hat mir soeben die Arbeit der Marquise du Châtelet über »Das Feuer« geschickt. Ich darf sagen, daß ich sie mit Staunen las; man würde nicht denken, daß eine Frau das geschrieben hat. Auch der Stil ist männlich und dem Gegenstand gänzlich angepaßt. Sie beide gehören zu jenen wunderbaren Menschen, die einzig in ihrer Art sind ...

Zu Rheinsberg fehlt uns nur ein Voltaire, um völlig glücklich zu sein, aber trotz Ihrer Abwesenheit ist Ihre Person sozusagen in unseren Seelen eingeboren.

Rheinsberg, 22. November 1738.

333 ... P.S. Ich habe eine Bernsteinkleinigkeit für Cirey und habe Ungarwein, von dem man sagt, daß er Balsam für meinen Freund sein wird.

Berlin, 8. Januar 1739.

334. ... Die Menschlichkeit ist meiner Ansicht nach die einzige Tugend und muß vor allem die Tugend derer sein, die sich in der Welt durch ihre Stellung auszeichnen. Ein Fürst, sei er groß oder klein, muß als ein Mensch betrachtet werden, dessen Amt es ist, soviel in seinen Kräften steht, dem menschlichen Elend zu steuern. ... Er empfängt Treue und Gehorsam seines Volkes und gibt ihm Überfluß, Gedeihen, Frieden und alles zurück, was dem Wohle und Wachstum der Gesellschaft dienen kann ...

Ruppin, 16. Mai 1739.

335. ... Augenblicklich gibt Machiavel Machiavel, Staatssekretär in Florenz, 15./16. Jahrhundert: das Interesse steht über der Moral. mir Arbeit. Ich beschäftige mich mit Anmerkungen zu seinem »Fürsten«, habe schon eine Schrift begonnen, die all seine Grundsätze widerlegen soll, sowohl weil sie der Moral als auch dem wahren Interesse der Fürsten widersprechen.

Berlin, 4. Dezember 1739.

336. ... Ich unterbreite Ihnen die ersten zwölf Kapitel meines Anti-Machiavel ... Sie müssen der Adoptivvater meiner Kinder sein und ihrer Erziehung in der französischen Sprache mit dem nachhelfen, was nötig ist, damit sie sich öffentlich sehen lassen können.

 

337. An den Kronprinzen.

28. Dezember 1739.

Der Anti-Machiavel sollte der Katechismus der Könige sein. Gestatten Sie mir aber, nach Madame du Châtelets Ansicht, die auch die meine ist, zu bemerken, daß man einige Zweige dieses schönen Baums ohne Schaden ausschneiden könnte. Ihr Zorn gegen den Lehrmeister der Tyrannen und Usurpatoren hat Ihre großmütige Seele ganz eingenommen und Sie manchmal zu weit geführt ...!

 

338. An Voltaire.

Rheinsberg, 3. Mai 1740.

Möge mein Ring, mein lieber Voltaire, niemals Ihren Finger verlassen. Dieser Talisman enthält so viele gute Wünsche für Sie, daß er Ihnen notwendigerweise Glück bringen muß. Soweit ich kann, werde ich dazu beitragen, indem ich Ihnen versichere, daß ich Ihr unverbrüchlich treuer Freund bin. Richten Sie, bitte, Ihrer liebenswürdigen Marquise meine Empfehlungen aus.

 

339. Der König von Preußen an Voltaire.

Charlottenburg, 6. Juni 1740.

Mein lieber Freund, mein Schicksal hat sich verändert, ich habe den letzten Augenblicken, dem Todeskampf und dem Hinscheiden eines Königs beigewohnt Friedrich Wilhelm I. war am 31. Mai gestorben.. Indem ich den Thron besteige, bedurfte ich sicher dieser Lehre nicht, um mir die irdische Herrlichkeit verächtlich zu machen ...

Ich hatte eine kleine metaphysische Arbeit im Kopfe, und sie hat sich in eine politische verwandelt ... Kurz, mein lieber Voltaire, wir sind nicht Herren unseres Schicksals. Der Wirbel der Ereignisse faßt uns, und wir müssen uns mitreißen lassen. Bitte, sehen Sie in mir nur einen eifrigen Staatsbürger, einen etwas skeptischen Philosophen, aber einen wahrhaft treuen Freund. Um Gottes willen, schreiben Sie mir nur als Mensch, und verachten Sie mit mir Namen, Titel und allen äußern Glanz. ... Adieu, mein lieber Voltaire, wenn ich lebe, werde ich Sie sehen, und zwar schon dieses Jahr. Lieben Sie mich stets, und seien Sie immer aufrichtig mit Ihrem Freunde.

Fédéric.

Charlottenburg, 12. Juni 1740.

340. (Der Brief beginnt mit Versen.) ... Sie sehen, lieber Freund, die Schicksalswendung hat mich nicht von meiner Reimwut geheilt, und vielleicht werde ich davon nie geheilt werden ... Kurz, mein lieber Voltaire, ich habe zwanzigerlei zu tun und beklage nur die Kürze der Tage, die mir um 24 Stunden zu knapp bemessen erscheinen.

 

341. Voltaire an den König von Preußen.

18. Juni 1740.

Majestät, wenn Ihr Schicksal sich verändert hat, so doch nicht Ihre schöne Seele; wohl aber die meine. Ich war etwas menschenfeindlich geworden, die Ungerechtigkeiten der Welt betrübten mich zu sehr. Jetzt überlasse ich mich gleich allen anderen der Freude. Ich danke dem Himmel, daß Ew. Majestät schon fast all meine Prophezeiungen erfüllt: Sie sind bereits in Ihren Staaten und in ganz Europa beliebt.

 ... Da Ew. Majestät oder vielmehr Ew. Menschlichkeit, mich weiter mit Ihren Briefen beehren, wage ich Sie zu bitten, mir mitteilen zu wollen, wie Sie Ihren Tag einteilen. Ich fürchte, Sie werden zuviel arbeiten, ... im Namen der Menschheit, der Sie so nötig sind, beschwöre ich Sie, eine so kostbare Gesundheit zu schonen ...

 

342. An Voltaire.

Charlottenburg, 27. Juni 1740.

... Die unendliche Arbeitslast, die seit meines Vaters Tode auf mir ruht, läßt mir kaum Zeit zu meiner gerechten Trauer. Seit meines Vaters Tode glaube ich mich ganz dem Vaterlande widmen zu müssen. Und in diesem Sinne habe ich mit allen Kräften gearbeitet, um die schleunigsten und passendsten Maßregeln zum Nutzen des Allgemeinwohls zu treffen ... Ohne Ranküne, Madame du Châtelet, ich darf Ihnen doch wohl beneiden, was Sie besitzen, und was ich vielen Gütern, die mir zugefallen sind, vorziehen würde!

Charlottenburg, 1740.

343. ... Adieu, reizender, göttlicher Voltaire, vergessen Sie die armen Sterblichen in Berlin nicht, die sich beeifern werden, nächstens die Götter von Cirey zu besuchen Dieser Plan, falls er überhaupt bestanden hat, denn Friedrich II. war ebenso eifersüchtig auf die Marquise wie diese auf ihn, wurde nie ausgeführt. Voltaire und Friedrich trafen sich September 1740 ohne die Marquise in Moyland.. Vale.

Fédéric.

Rheinsberg, 26. Oktober 1740.

344. Mein lieber Voltaire, das unvermutetste aller Ereignisse verhindert mich, Ihnen heute wie sonst mein Herz auszuschütten und mit Ihnen, wie ich möchte, zu plaudern. Der Kaiser ist gestorben Karl VI. von Österreich. Nun konnte der Kampf gegen dessen Tochter Maria Theresia beginnen..

 

345. An den König.

In einem Schiff an der Küste von Seeland,
wo ich wild werde.

Letzten Dezember 1740.

... Ich vermisse meinen König ... der Himmel bestraft mich (durch Unwetter) dafür, ihn verlassen zu haben, aber er möge mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ich ihn nicht zu meinem Vergnügen verließ ... Ich entreiße mich dem liebenswürdigsten Hof Europas um eines Prozesses willen Voltaire war inzwischen in Berlin gewesen, die Marquise prozessierte in Brüssel, vgl. Anm. 1 und 2 auf Seite 184. ... Aber, Sire, diese Frau hat um meinetwillen alles aufgegeben, um dessentwillen andere Frauen sonst ihre Liebhaber aufgeben. Es gibt keine Art der Verpflichtung, die ich ihr gegenüber nicht habe. Ihre Haube und ihre Röcke machen die Pflicht der Dankbarkeit ihr gegenüber doch nicht minder heilig Friedrich, der seine Gattin wie einen Haubenstock behandelte, hat diese Freundschaft und Treue nie verstanden..

 

346. An Voltaire.

Im Strelener Lager, 22. Juli 1741.

... Adieu, lieber Voltaire, als Sie mit Ihren Verlegern und Ihren anderen Feinden im Kampfe lagen, schrieb ich; jetzt schreiben Sie, und ich wehre mich mit Hauen und Stechen. So ist die Welt ...

Im Reichenbacher Lager, 24. August 1741.

347. ... Adieu, lieber Voltaire. Schreiben Sie mir öfter, vor allem aber, ärgern Sie sich nicht, wenn ich keine Zeit zu antworten habe; Sie kennen ja meine Gefühle.

Olmütz, 3. Februar 1742.

348. ... Was wollen Sie von jemandem, dessen Kopf mit Heu, Hafer und gehacktem Stroh vollgestopft ist.

 

349. An den König.

Paris, 26. Mai 1742.

... Ich denke an die Menschheit, Sire, ehe ich an Sie denke; habe ich aber als Abbé Saint Pierre die Menschheit, deren Schrecken Sie werden, beweint, so überlasse ich mich ganz der Freude über Ihren Ruhm Im I. Schlesischen Krieg 1740-42..

Juli 1742.

350. Oh, Sie außerordentlichster aller Menschen, der Schlachten gewinnt, Provinzen erobert, Frieden schließt, Musik und Verse macht, und alles so rasch und munter? Ich habe immer den ewigen Frieden erhofft, als sei ich ein Bastard des Abbé Saint Pierre ... Der als erster eine Abhandlung darüber verfaßte.

29. August 1742.

351. (Voltaire spricht von den Widerwärtigkeiten, die ihm sein »Mahomet« oder »le Fanatisme« bereiten.)

Ich kenne wirklich nichts, was mein Land mehr entehrt als dieser niederträchtige Aberglaube, der die menschliche Natur schändet. Der König von Preußen hätte mein Fürst, das englische Volk meine Mitbürger sein sollen.

 

352. An Voltaire.

22. Februar 1743.

Gestern haben wir so viel Gutes von Ihnen gesagt, wie man es von einem Sterblichen sagen kann. Der Soupersaal war ein Tempel, wo man Ihnen Opfer brachte.

Potsdam, 15. Juni 1743.

353. Ich wünschte, Sie kämen nach Berlin, um dort zu bleiben, und hätten die Kraft, Ihr leichtes Schiff den Stürmen und Winden zu entreißen, die in Frankreich so oft über Sie herfallen ... Vom Hof verachtet, von der Stadt vergöttert, diesen Widerspruch ertrüge ich nicht.

Potsdam, 29. November 1748.

354. Ich finde, da Sie nicht in Paris sind, könnten Sie ebensogut in Berlin wie in Lunéville Bei dem Exkönig von Polen, Stanislaus Leczinski, dem Schwiegervater Ludwigs XV., der dort einen sehr angenehmen Hof hielt, den Voltaire und die Marquise du Châtelet häufig besuchten. sein. Wenn Madame du Châtelet eine Frau ist, mit der sich handeln läßt, so schlage ich vor, ihr ihren Voltaire gegen Unterpfand zu entlehnen.

10. Juni 1749.

355. Hören Sie, ich bin wie besessen, Sie zu sehen; es wäre Verrat, wenn Sie nicht die Hand böten, mir diese Laune zu erfüllen. Ich will mit Ihnen studieren; dieses Jahr habe ich dazu Zeit; Gott weiß, wie es darum ein andermal aussieht ... Man bewegt doch seinen Körper, wie man will. (Voltaire hatte seine schlechte Gesundheit betont.) Man sagt zu ihm: Geh, und er gehorcht. Das ist einer Ihrer eignen Grundsätze, woran ich Sie gern erinnern möchte.

Madame du Châtelets Entbindung findet im September statt. Sie sind keine Hebamme, und sie wird ihre Niederkunft ohne Sie abmachen; und falls es nötig, können Sie dann wieder in Paris sein Der Versuch Friedrichs II., Voltaire gerade jetzt von Madame du Châtelet zu entfernen, spricht nicht gerade zu seinen Gunsten. – Die Marquise hatte sich seit etwa einem Jahr in den Marquis de Saint Lambert verliebt und Beziehungen zu ihm unterhalten, die für sie tragisch enden sollten. Voltaire tat sein möglichstes, um das Dekorum in dieser Sache zu wahren..

 

356. An den König.

Cirey, 29. Juni 1749.

... Auch Friedrich der Große kann mich nicht verhindern, eine Pflicht zu erfüllen, die ich für unabweislich halte. Allerdings, ich bin weder ein Kindermacher (faiseur d'enfants), noch Arzt, noch Hebamme; ich bin aber ein Freund und werde selbst wegen Ew. Majestät die Frau nicht verlassen, die im September sterben kann. Ihre Niederkunft läßt sich ziemlich bedrohlich an. Geht alles gut, so verspreche ich, Sire, Ihnen schon im Monat Oktober meine Aufwartung zu machen Ein nicht ausgeführter Plan. ...

 

357. An Voltaire.

Sanssouci, 15. August 1749.

... Man muß Franzose sein und Ihr Talent besitzen, um Ihre Leier schlagen zu können. Ich bessere, feile, streiche meine schlechten Geistesprodukte durch, um sie von den vielen Fehlern zu reinigen, die noch darinstecken ...

 

358. An den König.

Paris, 15. Oktober 1749.

... Ich habe einen Freund verloren, den ich seit 25 Jahren Voltaire und die Marquise du Châtelet waren von 1733-1749 = 17 Jahre miteinander befreundet gewesen. – Vgl. mit den Briefen Voltaires und Friedrichs II. die der Marquise. besaß, einen großen Mann, der nur den einen Fehler hatte, Frau zu sein, und den ganz Paris beweint und ehrt. Im Leben hat man ihr nicht Gerechtigkeit erwiesen, und auch Sie haben sie vielleicht anders beurteilt, als Sie getan hätten, wäre ihr die Ehre geworden, von Ihnen gekannt zu sein. Eine Frau jedoch, die fähig war, Newton und Virgil zu übersetzen und die alle Vorzüge eines hochgebildeten Mannes hatte, wird zweifelsohne auch von Ihnen einen Gedanken der Trauer erhalten ...

 

359. An Voltaire Voltaire hatte sich endlich entschlossen, nach Preußen zu gehen. Am 8. Mai 1750 schrieb er dem König einen Brief, der einem Wink mit dem Zaunpfahl gleichkam: er sei für einen Schriftsteller reich, sehr reich, habe aber viele Ausgaben durch Auflösung seiner Wirtschaft in Cirey und Einrichtung eines Hauses in Paris gehabt. Unter 4000 Reichstalern könne er die Reise nach Preußen (im eigenen Wagen mit allem, einem Kranken nötigen Komfort) nicht machen. Wenn Mettra, einer der Berliner Wechselhändler, sie ihm vorstrecken wolle, solle er bei Beendigung der eben vor sich gehenden Liquidation von Voltaire bezahlt werden..

Potsdam, 24. Mai 1750.

... Da der Herr Mettra einen Wechselbrief in Versen beanstanden konnte, werde ich ihm durch einen Vertrauensmann einen solchen in üblicher Form schicken, das wird besser sein als mein Geschwätz (der Brief beginnt in Versen). Sie sind wie Horaz, Sie vereinen gern das Nützliche mit dem Angenehmen. Ich meinerseits glaube, daß man sein Vergnügen nicht zu teuer bezahlen kann, und werde meinen Handel mit dem Herrn Mettra für einen sehr vorteilhaften halten. Ich werde das Mark Geist dem jeweiligen Wechselkurs entsprechend höher bezahlen.

 

360. An den König.

1750.

Sire, wohlan, Ew. Majestät haben recht, so recht, wie man nur haben kann, und ich, in meinem Alter, habe in einer kaum wieder gutzumachenden Weise unrecht Voltaire hatte sich auf eine in Preußen verbotene Spekulation mit Sächsischen Steuerscheinen eingelassen und begann darauf gegen seinen Handelsmann Hirsch einen Prozeß. Vgl. Schirmacher, Voltaire, S. 309 ff.. Ich habe mich niemals von der verfluchten Angewohnheit befreien können, bei allen Dingen mit dabei zu sein, und obgleich sehr überzeugt davon, daß man bei tausend Gelegenheiten verlieren und schweigen können muß, ... habe ich absolut beweisen wollen, daß ich gegenüber einem Manne recht habe, dem gegenüber ich nicht recht haben darf Da der Handel eben in Preußen verboten war.. Glauben Sie, daß ich verzweifelt bin ... da habe ich mich leichtfertig des einzigen Gegenstandes beraubt, der mich hierher geführt hat, habe Unterhaltungen verloren, die mich unterrichteten und belehrten, habe dem einzigen Menschen mißfallen, dem ich gefallen wollte.

 

361. Billett des Königs Voltaire, seit lange mit Maupertuis im Streit, hatte die gegen ihn gerichtete Flugschrift, den »Doktor Akakia«, heimlich drucken lassen, vgl. Friedrichs II. Brief vom 25. 11. 1766 an Voltaire..

1753.

Ihre Frechheit setzt mich in Erstaunen; nach dem, was Sie getan haben und was klar wie der Tag ist, beharren Sie auf Ihrem Leugnen; bilden Sie sich nicht ein, daß Sie mir ein X für ein U vormachen können; wenn man nicht sieht, so will man eben nicht sehen; wenn Sie die Sache aber auf die Spitze treiben, lasse ich alles drucken, und man soll sehen, daß, wenn Ihre Schriften Denkmäler verdienen, Ihrem Betragen die Ketten gebührten.

Befragt, hat der Verleger alles eingestanden Friedrich II. stellte sich in diesem Streit auf Maupertuis' Seite, denn Maupertuis war Präsident der Kgl. Akademie der Wissenschaften, und Voltaire riß ihn schonungslos herunter.

Voltaire verließ Berlin, und der Briefwechsel wurde bis 1757 unterbrochen, dann aber in den Nöten des Siebenjährigen Krieges wieder aufgenommen.

 

362. An Voltaire.

Landshut, 28. April 1759.

Ich bin Ihnen sehr verbunden, meine Bekanntschaft mit Herrn »Candide« vermittelt zu haben, das ist ja der alte Hiob im modernen Kleide.

18. Juli 1759.

363. Sie sind, in Wahrheit, ein seltsames Menschenkind; wenn ich Sie schelten will, sagen Sie nur zwei Worte, und der Vorwurf bleibt mir in der Feder stecken.

 

364. An den König.

August 1759.

... Ich fürchte, Sie sind so beschäftigt, die Avaren, Bulgaren, Roxelanen, Skythen und Massageten aufs Haupt zu schlagen, daß Sie keine Zeit mehr für die Philosophie und die Vernichtung der Inf ... übrig haben. In meinem Testament werde ich mir erlauben, Ew. Majestät die Inf. zu empfehlen l'Infâme – die unduldsame Kirche..

Schloß Tournay bei Genf, 21. April 1760.

365. Ich werde den Tag segnen, an dem ich sterbend zu leiden aufhören werde, und zwar durch Sie zu leiden; ich werde Ihnen aber im Tode ein Glück wünschen, das Ihre Stellung nicht mehr zuläßt und das allein die Philosophie Ihnen in den Erschütterungen Ihres Lebens geben könnte, wenn das Schicksal Ihnen gestattete, sich darauf zu beschränken, lange Zeit den Fond von Weisheit auszubilden, der in Ihnen liegt; ein bewundernswerter Fond, den aber die Leidenschaften, die von einer starken Einbildungskraft unzertrennlich sind, ein wenig Launenhaftigkeit und die schwierigen Lebenslagen, die verbitternd wirken, nicht immer aufkommen lassen; endlich das traurige Vergnügen, das Sie stets darin fanden, die Menschen zu demütigen, ihnen verletzende Dinge zu sagen oder zu schreiben, ein Vergnügen, das Ihrer unwürdig ist, und um so unwürdiger, als Sie durch Ihren Rang und Ihre einzigen Gaben über den andern stehen. Sie fühlen diese Wahrheiten sicher selbst.

 

366. An Voltaire.

Meißen, 12. Mai 1760.

Ich weiß sehr gut, daß ich Fehler habe, und zwar große Fehler. Ich versichere Ihnen, daß ich mich nicht sanft anfasse und mir nichts durchlasse, wenn ich mit mir selbst rede. Ich gebe aber zu, daß diese Tätigkeit weniger unfruchtbar wäre, befände ich mich nicht in einer Lage, wo meine Seele dauernd den größten und heftigsten Erschütterungen ausgesetzt ist und es wohl auch noch lange sein wird. ... Der Frieden ist mit den Schmetterlingen entflohen, man spricht nicht mehr davon. Auf allen Seiten neue Anstrengungen, man will sich schlagen bis in Säcula säculorum.

Berlin, 1. Januar 1765.

367. Ich glaubte Sie so damit beschäftigt, die Inf. zu vernichten, daß ich annehmen durfte, Sie dächten an nichts anders. Die Hiebe, die Sie ihr versetzten, hätten sie längst schon umgebracht, wenn diese Hydra nicht immer wieder aus dem über die ganze Erde verbreiteten Sumpf des Aberglaubens neu erstände. Was mich betrifft, so zähle ich, seit lange von der Betrügerei der Menschen unterrichtet, den Theologen und den Astrologen, den Geheimschüler und den Arzt zu der gleichen Sippe.

Ich habe allerlei Leiden und Krankheiten und kuriere mich durch Geduld.

Sanssouci, 24. Oktober 1765.

368. Wenn ich auch nicht die Kunst habe, Sie zu verjüngen, so doch den Wunsch, Sie möchten noch lange zur Freude und Belehrung unsres Jahrhunderts leben. Was wären die schönen Wissenschaften, wenn sie Sie verlören? Sie haben keinen Nachfolger; leben Sie also so lange wie möglich. Ich sehe, daß die Errichtung der kleinen Kolonie, von der Sie mir schrieben, Ihnen am Herzen liegt Vgl. den Briefwechsel mit d'Alembert. – Es handelte sich um den Plan einer Auswanderung der Aufklärer, die ein gewisser Abraham Chaumeix von neuem denunziert hatte, so daß Voltaire allen Ernstes für die Genossen fürchtete.. ... Es genügt meiner Ansicht nach nicht, die Menschen aufzuklären; man müßte ihnen dazu noch geistigen Mut einflößen können, sonst werden Gefühl und Angst stets über die stärksten und logischsten Gründe den Sieg davontragen ...

Berlin, 8. Januar 1766.

369. ... Hätten Sie vor zehn Jahren gesagt, was Sie am Ende Ihres Briefs Der Brief ist verloren gegangen. sagen, Sie wären noch hier. Gewiß, die Menschen haben ihre Schwächen, und die Vollkommenheit ist nicht ihr Teil, ich fühle das selbst und bin von der Ungerechtigkeit überzeugt, die darin liegt, von andern zu verlangen, was man selbst nicht fertig bringt. Damit hätten Sie anfangen müssen, und alles wäre gut gewesen, und ich hätte Sie mit Ihren Fehlern geliebt, weil Ihre Vorzüge groß genug sind, Ihre Schwächen zu verdecken. Nur das Talent unterscheidet die großen Menschen von der gemeinen Menge. Man kann sich vor Verbrechen hüten; aber ein Temperament ändern, das gewisse Fehler mit sich bringt, so wie der fruchtbarste Weizenboden auch Unkraut trägt, das ist unmöglich. L'Inf. ... bringt nur Giftkräuter hervor. Ihnen ist es vorbehalten, sie mit Ihrer furchtbaren Keule der Lächerlichkeit zu vernichten, die mehr wirkt als alle Argumente. Wenige Menschen nur überlegen, alle aber fürchten, lächerlich zu sein.

 

370. An den König.

1. Februar 1766.

Sire, spät erst komme ich, Ihnen zu danken; aber beinahe hätte ich Ihnen gar nicht mehr gedankt. Dieser strenge Winter hat mich fast umgebracht.

 

371. An Voltaire.

Potsdam, 7. August 1766.

... Sie schreiben mir von einer Philosophenkolonie in Cleve; ich habe nichts dagegen und kann Ihnen alles, was Sie verlangen, gewähren, ausgenommen Holz, das während des Aufenthalts Ihrer Landsleute in den Wäldern arg zerstört worden ist Im Siebenjährigen Kriege – Während der Verfolgung der Aufklärer, die 1766 im Prozeß la Barre besonders scharf einsetzte, faßte Voltaire die Gründung einer Philosophenkolonie in Cleve näher ins Auge. ... Ich stelle jedoch die Bedingung, daß die Philosophen sich nicht an denen reiben, die zu schonen sind, und in ihren Druckschriften den Anstand wahren.

Was sich in Abbeville zugetragen hat Der Prozeß gegen la Barre, d'Etallonde und Moniel. Vgl. Schirmacher, Voltaire, S. 437 ff., ist tragisch, sind aber die, welche man bestraft hat, nicht auch schuldig? Muß man denn die Vorurteile der Zeit, die im Geiste des Volkes heilig geworden sind, direkt angreifen? ...

... Die Menge verdient nicht, aufgeklärt zu werden ... wenn aber Ihr Parlament gegen den unglücklichen jungen Mann gewütet hat, ... so machen Sie die Gesetze Ihres Landes dafür verantwortlich Was Voltaire auch tat. Dafür zeugen seine Reformvorschläge für das Strafgesetz. ...

Fragen Sie, ob ich ein so hartes Urteil gefällt haben würde, so antworte ich nein. Ich hätte nach bestem Wissen die Strafe dem Vergehen angepaßt. Wer eine Bildsäule zerbricht, wird zur Wiederherstellung derselben verurteilt, wer den Hut nicht vor dem Gemeindepfarrer zieht, wird verurteilt, 14 Tage lang ohne Hut in der Kirche zu erscheinen. Sie haben die Werke Voltaires gelesen, junger Mann? Oho, da muß man Ihnen das gesunde Urteil schärfen, und Sie sollen verurteilt sein, die »Summa« des heil. Thomas, die Eselsbrücke des Herrn Pfarrers zu studieren. Der unbedachte Knabe wäre auf die Art vielleicht härter bestraft worden. Denn die Langeweile ist eine Ewigkeit, der Tod nur ein Augenblick.

Und hiermit bitte ich Gott, daß er Sie in seinen hohen und heiligen Schutz nähme Eine Formel, die Heinrich IV. in seinen Briefen häufig brauchte (que Dieu vous ait en sa sainte et digne garde)..

Fédéric

Potsdam, 13. August 1766.

372. ... Ich kann die Abbeviller Hinrichtung nicht so entsetzlich finden, wie die Marter des Calas. Calas war unschuldig, ... und die Richter haben, um ihn verurteilen zu können, die vorgeschriebene Form des Rechts verletzt.

Ganz anders in Abbeville ... Sie werden nicht bestreiten, daß jeder Bürger den Landesgesetzen gehorchen muß: nun gibt es Strafen, die der Gesetzgeber über die verhängte, die den öffentlichen Kultus stören. ... Diese Blutgesetze sind zu reformieren; solange sie aber bestehen, können die Richter nicht umhin, sie anzuwenden.

Die Toleranz soll in einer Gesellschaft jedem die Gewissensfreiheit sichern; sie soll aber nicht junge Leichtfüße dazu ermutigen, in unverschämter Weise das zu verspotten, was dem Volk heilig ist. So denke ich, und meine Anschauungen entsprechen dem, was öffentliche Freiheit und Sicherheit, diese obersten Ziele der Gesetzgebung, erheischen Vor dem Sacré-Cœur in Paris werden die Freidenker la Barre ein Denkmal errichten..

1766.

373. ... Alles, was mit den Calas, den Sirven und zuletzt auch in Abbeville passiert ist, läßt mich annehmen, daß die Rechtspflege in Frankreich mangelhaft ist, daß man leichtsinnigerweise Verfahren aufnimmt und mit Menschenleben spielt. ... Es ist schwer, die Menschheit gut zu machen, und besonders schwer vor allem andern, wilde Tiere völlig zu zähmen. Dieser Umstand bestärkt mich in dem Gefühl, daß die Meinungen einen nur geringen Einfluß auf unsere Taten haben; denn überall sehe ich die Leidenschaften über den Verstand siegen Und diese Tatsache wird in Frankreich vergessen; dort glaubt man, Aufklärung und Bildung genügten, um die Menschen gut zu machen. In den Staatsschulen wird die Erziehung über dem Unterricht vergessen.. ...

Sanssouci, 13. September 1766.

374. ... In Frankreich haben Sie die »Konvulsionare«, in Holland hat man die »Feinen«; hier die Pietisten. Von der Art wird es geben, solange die Welt steht, geradeso wie sich unfruchtbare Eichen in den Wäldern und Drohnen in den Bienenstöcken finden.

Der Aberglaube ist eine Schwäche des menschlichen Geistes, wohnt dem Menschen inne, existierte stets und wird stets existieren. Der Gegenstand der Anbetung mag wechseln ... der Aberglaube selbst wechselt nicht, und die Vernunft hat dabei nichts zu gewinnen.

Sanssouci, 25. November 1766.

375. Man soll die Toten ruhen lassen. Welchen Ruhm kann es bringen, jemanden zu bekämpfen, den der Tod entwaffnet hat? Maupertuis hatte ein schlechtes Buch geschrieben, es war ein Scherz in ernsthafter Form. Er hätte die Sache spaßhaft darstellen sollen, damit niemand sich über den Charakter der Schrift täuschen könnte. Sie nahmen die Geschichte tragisch, griffen diesen Scherz ernstlich an und zerschmetterten die Mücke mit ihrer fürchterlichen Keule (la diatribe du docteur Akakia).

Da ich den Frieden meines Hauses wahren wollte, tat ich alles, um Sie am Losbrechen zu verhindern. Trotz dessen wurden Sie der Störenfried, Sie schrieben fast unter meinen Augen eine Schmähschrift, benutzten eine Druckerlaubnis, die ich Ihnen für ein anderes Werk (la défense de Milord Bolingbroke) gegeben hatte, um dieses Libell unter die Presse zu bringen; kurz, Sie haben sich völlig ins Unrecht gesetzt. Ich habe ertragen, was sich ertragen ließ, und ich gehe über alle andern Anlässe zum Tadel hinweg, die Ihr Betragen mir sonst gab, da ich mich imstande fühle, Ihnen zu verzeihen Vgl. hierzu Voltaires Briefe aus der Berliner Zeit an Mme. Denis von 1750-1753, auf Seite 58-66..

Sie haben nichts verloren, indem Sie dieses Land verließen. Sie leben in Ferney mit Ihrer Nichte Diese Nichte, Mme. Denis, konnte Friedrich II. auch in der Entfernung nicht leiden, obgleich er sie persönlich gar nicht kannte. in Beschäftigungen, die Sie lieben, als Gott der schönen Künste verehrt, als Erzvater der Aufklärer, ruhmbedeckt, bei Lebzeiten Ihren Ruhm genießend, und zwar um so mehr, da Sie auf über hundert Meilen von Paris entfernt als tot betrachtet werden, – und man Ihnen deshalb Gerechtigkeit widerfahren läßt ...

1766.

376. ... Sie fragen mich, was ich von dem Genfer Rousseau Rousseau war damals schon in der Schweiz auf der Flucht. halte? Er scheint mir unglücklich und bedauernswert. Ich liebe weder seine Paradoxen, noch seinen Zynismus. Die Neuchâteller haben ihn schlecht behandelt Sie hatten ihn aus seinem Asyl in Motiers-Travers verjagt.; man soll die Unglücklichen ehren; nur verdorbene Seelen setzen ihnen noch zu.

 

377. An den König.

5. Januar 1767.

Sire, ich ahnte wohl, daß Ihre Muse später oder früher wieder erwachen würde. Ich weiß, die andern werden staunen, daß Sie nach einem so langen und heftigen Kriege, mit allen Sorgen für Ihr Königreich belastet, das Sie ohne Minister regieren und wobei Sie alle Einzelheiten prüfen, noch Zeit für französische Verse finden ... Wissen Sie auch, Sire, daß Sie ein Autor geworden sind, dem man auf die Finger sieht?

 

378. An Voltaire.

Potsdam, 24. März 1767.

... Es ist den Waffen nicht gegeben, die Inf... zu vernichten, sie wird in den Armen der Wahrheit und den Lockungen des Interesses ihren Geist aushauchen ...

 

379. An den König.

5. April 1767.

... Ich bin noch immer untröstlich, außerhalb Ihrer Staaten sterben zu sollen. Möge Ew. Majestät mir wenigstens zum Trost einiges Gedenken bewahren.

 

380. An Voltaire.

Potsdam, 31. Juli 1767.

... Man altert riesig in dieser Welt, mein lieber Voltaire; alles hat sich stark verändert seit der Zeit, an die Sie denken. Mein Magen, der fast nicht mehr verdauen will, hat mich gezwungen, auf die Soupers zu verzichten. Des Abends lese ich oder unterhalte mich. Mein Haar ist weiß, meine Zähne fallen aus, meine Beine sind von der Gicht kaput. Ich vegetiere noch und sehe, daß die Zeit zwischen 40 und 56 Jahren eine große Veränderung bewirkt. Rechnen Sie dazu, daß ich seit dem Frieden mit Geschäften überlastet bin und nur noch etwas gesunden Menschenverstand mit einer wieder erwachenden Leidenschaft für Wissenschaft und schöne Künste im Kopfe habe. Die werden der Trost meines Lebens sein.

Ihr Geist ist jünger als der meine; ohne Zweifel haben Sie von einem Jungbrunnen getrunken oder ein Geheimmittel entdeckt, das Ihren großen Vorgängern unbekannt geblieben ist.

 

381. An den König.

November 1769.

... Was Sie auch sagen? ich bin recht alt geworden und trotz all meiner Koketterien mit der Kaiserin von Rußland, pfeife ich seit lange auf dem letzten Loche und schwinde dahin.

 

382. An Voltaire.

Potsdam, 25. November 1769.

Sie sind zu bescheiden, wenn Sie glauben, daß Ihr Schweigen während zweier Jahre mit Geduld zu ertragen sei. Durchaus nicht. Jeder Freund der schönen Literatur muß an Ihrer Unterhaltung Vergnügen finden und sich freuen, wenn Sie selbst ihm Nachricht von sich geben.

Potsdam, 18. August 1770.

383. Man soll das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Dieser Text war sicher auf Sie gemünzt. Ihr Genie ist eine Fackel, die die Welt erhellen soll. Mein Teil ist nur eine schwache Kerze gewesen, die kaum mich selbst erleuchten kann und deren matter Schein vor dem Glanz Ihrer Strahlen verschwindet.

 

384. An den König.

Ferney, 20. August 1770.

Sire, der Philosoph d'Alembert schreibt mir, daß ein großer Philosoph von der Sekte und Art des Marc Aurel, der Hüter und Förderer der Künste, freundlichst geruht hat, der Anatomie eine Aufmunterung zukommen zu lassen, indem er sich an die Spitze derer gestellt hat, die eine Subskription für ein Skelett begonnen haben, das Skelett besitzt eine alte, sehr empfindsame Seele, die von der Ehre, die Ew. Majestät ihm antun, durchdrungen ist Die Bildsäule Voltaires von Pigalle, auf Kosten seiner Verehrer hergestellt..

 

385. An Voltaire.

Potsdam, 16. März 1771.

Ich hätte Ihnen längst geantwortet, wenn die Rückkehr meines Bruders Heinrich aus Rußland Er hatte Katharina II. besucht, vgl. Voltaires Brief vom 6. 11. 1770 an die Kaiserin, auf Seite 276. mir Zeit gelassen hatte. Ganz voll von Bewunderung dessen, was er dort gesehen hat, erzählt er mir unaufhörlich von Ihrer Kaiserin; er kann den Eigenschaften, die sie ihres Thrones würdig machen, nur Beifall zollen, sowie ihren geselligen Vorzügen, die sich so selten mit der hochmütigen Größe der Fürsten verbinden.

Potsdam, 1. Mai 1771.

386. ... In meinem Alter sind gute Bücher die einzigen Feste. Sie, der ein so fruchtbarer Erzeuger derselben ist, verbreiten noch etwas Heiterkeit über meinen Lebensabend ...

 

387. An den König.

16. Oktober 1772.

Sire, die Medaille Denkmünze der ersten Teilung Polens von 1772. ist schön, gut geprägt, die Inschrift von edler Einfachheit; vor allem aber bringt die Karte des einst polnischen Preußens eine sehr gute Wirkung hervor. Ich danke Ew. Majestät sehr für dieses nordische Schmuckstück. So etwas haben wir augenblicklich im Süden nicht ...

 

388. An Voltaire.

Potsdam, 1. November 1772.

Ich muß Ihnen sagen, daß, da ich mich nie malen lasse, weder meine Bilder noch meine Medaillen ähnlich sind. Ich bin alt, krumm, gichtisch, aus der Mode, aber immer lustig und guter Dinge. Außerdem sind die Medaillen ja mehr Denksteine der Zeit als Muster von Ähnlichkeit ...

Ein wenig Tinte, und mit einem Federzug ist die Sache gemacht. Europa wird von seinen letzten Unruhen wenigstens befreit. Freilich, für die Zukunft stehe ich nicht ein.

Durchläuft man die Geschichte, so sieht man, daß nicht zehn Jahre ohne Krieg verfließen. Dieses Wechselfieber kann eine Zeitlang aufgehoben, nie aber geheilt werden. Der Grund davon liegt in der natürlichen Unrast des Menschen. Ist es nicht dieser, der Streit anfängt, so ist es jener, und oft verursacht ein Funke einen allgemeinen Brand ...

 

389. An den König.

Ferney, 18. November 1772.

... Ich füge hinzu, daß, da Kopernikus das wahre Weltsystem in Thorn fand und der Astronom Hevelius aus Danzig war, Thorn und Danzig Thorn und Danzig kamen erst in der zweiten Teilung Polens 1793 an Preußen. Kopernikus, 1473 in Thorn geboren, seit 1497 Kanonikus in Frauenburg, fand das »wahre Weltsystem« dort und nicht in Thorn. folgerichtig Ihnen gehören müssen. Ew. Majestät wird die Großmut haben, uns auf der Weichsel Getreide zu schicken, denn da bei uns dauernd über Ökonomie geschrieben wird, werden wir wie in den letzten Jahren nur noch komische Opern statt Brot haben.

 

390. An Voltaire.

Potsdam, 3. Januar 1773.

... Obgleich ich große Vorliebe für den Ruhm habe, schmeichle ich mir jedoch nicht damit, daß die Fürsten den bedeutendsten Anteil daran erhalten werden. Ich glaube im Gegenteil, daß die großen Schriftsteller, die das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und auf gefällige Art zu belehren wissen, einen dauerhafteren Ruhm genießen werden, da das Leben der guten Fürsten ganz Tat ist, und die Schicksalsfälle, die Menge der Ereignisse das Vorhergehende auslöschen. Während die großen Schriftsteller nicht nur die Wohltäter ihrer Zeitgenossen, sondern die aller Zeiten sind. Zu bescheiden, was der »alte Fritz« landesväterlich getan und geschaffen hat, wirkt auch für alle Zeiten.

Ich lasse meine Briefe kopieren, weil meine Hand anfängt, zittrig zu werden und da meine sehr kleine Schrift Ihre Augen ermüden könnte.

Potsdam, 12. August 1773.

391. Sie werden noch lange zu Ehren der Literatur und als Geißel der Inf... leben; und wenn ich Sie nicht von Angesicht zu Angesicht sehe, so bleiben die Augen des Geistes auf Sie geheftet und meine Wünsche begleiten Sie überall.

Der Einsiedler von Sanssouci.

 

392. An den König.

Ferney, 4. September 1773.

... Der Große Hans Gros-Jean, der Typ des Bauern. in seiner Einsiedelei pflanzt, ackert, baut, schafft eine kleine Kolonie Ferney., arbeitet, sinnt, zweifelt, faselt, leidet, stirbt, bedauert sehr aufrichtig die Trennung von Ihnen und legt sich bewundernd zu Ihren Füßen.

 

393. An Voltaire.

Potsdam, 9. Oktober 1773.

Mit Bedauern sehe ich, daß es fast 20 Jahre her sind, seit Sie uns verließen: Ihre Erinnerung stellt sich mich Ihnen vor, wie ich damals war. Sähen Sie mich jetzt, Sie würden statt eines Jünglings, der zum Tanz zu gehen scheint, einen wackeligen und hinfälligen Greis finden. Jeden Tag verliere ich einen Teil meines Wesens und mache mich unmerklich nach jener Wohnung auf, von der noch keiner Nachrichten gebracht hat ...

Potsdam, 24. Oktober 1773.

 

394.

... Seit mehr als einem Monat bin ich von meinen Reisen zurück. Ich war in Preußen, die Hörigkeit aufzuheben, barbarische Gesetze abzuschaffen, vernünftigere an ihre Stelle zu setzen, einen Kanal zu eröffnen, der die Weichsel mit der Netze, Warthe, Oder und Elbe verbindet; Städte aufzubauen, die seit 1709 durch die Pest zerstört sind, 20 Meilen Sumpf urbar zu machen und etwas Polizei in einem Lande einzuführen, dem sogar der Name davon unbekannt ist. Von dort bin ich nach Schlesien gegangen ... habe die Errichtung von 60 Dörfern in Oberschlesien betrieben, wo unbebauter Boden war ... habe große Straßen für die Bequemlichkeit des Handels anlegen, verbrannte Städte wieder aufbauen lassen ... Friedrich II. und Voltaire verfolgten also ungefähr das gleiche Ziel.

... Von den Truppen sage ich nichts: dieser Gegenstand ist in Ferney zu sehr verpönt, als daß ich daran rühren sollte ... Voltaire war kein Freund der Kriege und hatte das ausgesprochen.

Potsdam, 16. Februar 1774.

 

395.

... Ich wollte ebensogern gegen das Scharlachfieber wie gegen den Krieg predigen. Man wird ebensowenig die Verheerungen des ersteren, wie die Unruhen des letzteren verhindern. Seit Anbeginn der Welt gibt es Kriege, und es wird solche geben, lange nachdem Sie und ich der Natur unseren Tribut gezollt haben ...

Potsdam, 24. Juli 1775.

396. Ich habe soeben Le Kain Der Schauspieler der Comédie française, der in Voltaires Stücken die Hauptrollen schuf. gesehen. Er mußte mir berichten, wie er Sie gefunden hat, und ich habe mich sehr gefreut, von ihm zu erfahren, daß Sie in Ihrem Garten spazieren gehen, daß Ihre Gesundheit leidlich und Ihre Unterhaltung noch munterer ist als Ihre Schriften. Diese Munterkeit, die Sie sich bewahrt haben, ist der sicherste Beweis, daß wir Sie noch lange behalten werden ...

 

397. An den König.

3. August 1775.

... Welch seltsames Zusammentreffen, daß Le Kain und Mademoiselle Clairon Die Schauspielerin, die das gleiche mit den Frauenrollen tat. zu gleicher Zeit am Hof des Hauses Brandenburg sind ...

Wir verlieren den Geschmack, aber wir werden stark im Denken; besonders ein Herr Turgot verdiente mit Ew. Majestät zu sprechen. Die Priester sind in Verzweiflung. Das ist der Anfang einer großen Revolution Wie groß diese Revolution werden sollte, hat Voltaire freilich nicht geahnt. ...

 

398. An Voltaire.

Potsdam, 8. September 1775.

... Der Geschmack wird sich in Deutschland nur durch das wohlüberlegte Studium der klassischen Autoren verbreiten, der Griechen und Römer wie Franzosen. Zwei, drei Genies werden die Sprache verbessern, sie weniger barbarisch machen und sich mit den Meisterwerken des Auslandes durchdringen. – Was mich betrifft, so neigt sich meine Laufbahn ihrem Ende zu; ich werde diese glücklichen Zeiten nicht mehr sehen Doch nicht ganz richtig, von Lessing waren schon »Minna von Barnhelm«, »Nathan der Weise«, die »Dramaturgie«, von Goethe »Götz von Berlichingen« und »Werther« erschienen..

 

399. An den König.

Ferney, 21. Dezember 1775.

Sire, niemals war ein König noch ein Gichtischer ein größerer Philosoph. Sie müssen wirklich wie jener sein, der sagte: »Nein, die Gicht ist kein Übel.« Ihre Bemerkungen über diese Maschine, die, ich weiß nicht wie, die Fähigkeit hat, durch die Nase zu niesen und mit dem Gehirn zu denken, sind mehr wert als alles, was die Doktoren je auf griechisch und hebräisch über diesen Gegenstand gesagt haben ...

Das barbarische Abenteuer des Generals Lally Er war von dem Pariser Parlament zum Tode verurteilt worden. Vgl. Voltaires Briefe vom 24. 5., 30. 7. 1773 und 26. 5. 1778, auf Seite 164/65 und 174., der Zusammenbruch und die Schurkereien der Indischen Handelsgesellschaft haben mir gestattet, mich über gar mancherlei betreffs Indiens und der alten Brahmanen zu unterrichten. Es ist mir so klar wie der Tag erschienen, daß unsere heilige christliche Religion einzig auf die alte Religion des Brahma gegründet ist. Unser Fall der Engel, der den Teufel verschuldet, und der Teufel, der die Verdammnis der Menschen verschuldet, und der Tod Gottes um einen Apfel sind nur ein schwächlicher und kalter Abglanz der altindischen Theologie. Ich wage zu hoffen, daß Ew. Majestät diese Sache für bewiesen ansehen ...

Mehr denn je lege ich mich zu Ihren Füßen, die hoffentlich gar nicht mehr geschwollen sind.

 

400. An Voltaire.

13. August 1777.

... Die Schweizer werden gut tun, ihre Gesetze zu verbessern, falls sie zu hart sind Die Berner Akademie hatte auf Betreiben Voltaires einen Preis für die beste Schrift über Strafrechtsreform ausgesetzt.; bei uns ist das schon geschehen; ich habe auch zu meiner eignen Erleuchtung über diesen Gegenstand nachgedacht und sogar eine Kleinigkeit über die Regierung geschrieben, die ich Ihnen bei meiner Rückkehr unter dem Siegel des Geheimnisses schicken werde. Handelt es sich um den Fortschritt des Gemeinwohls und der Vernunft, so werde ich dazu mit Freuden beitragen. Die Bank wird Ihnen über Neuchâtel War preußisch, oranische Erbschaft. das nötige Geld für den Preis zukommen lassen, den die Herren Schweizer ausgesetzt haben.

Potsdam, 18. November 1777.

 

401.

Ich erwarte das lehrreiche Werk über die Mißbräuche der Gesetzgebung »Prix de la justice et de l'humanité« von Voltaire. mit Ungeduld, überzeugt, daß ich darin das Nützliche mit dem Angenehmen finden werde. Europa scheint sich jetzt über alle Gegenstände aufklären zu wollen, die auf das Wohl der Menschheit Einfluß haben, und man muß Ihnen das Zeugnis geben, daß Sie mehr als irgendeiner dazu beigetragen haben, Ihre Zeitgenossen mit der Fackel der Philosophie zu erleuchten ...

All das aber liegt mir weniger am Herzen als der Patriarch von Ferney: er soll leben und glücklich sein und soll die Abwesenden nicht vergessen. Das sind die Wünsche des Einsiedlers von Sanssouci. Vale.

Fédéric.

 

402. An den König.

25. November.

... Ich bin heute 84 Jahre alt und habe mehr Abneigung denn je gegen die letzte Ölung und die, welche sie verabfolgen. Einstweilen bin ich zu Ihren Füßen und betrachte Sie als meinen Tröster in diesem Leben und in jenem.

Der alte Kranke.

Paris, 1. April 1778 Der letzte Brief Voltaires an Friedrich II., von Paris aus, wohin er am 5. Februar 1778 gereist war..

 

403.

... Leben Sie länger als ich, um all die Reiche zu befestigen, die Sie gegründet haben. Möge Friedrich der Große auch Friedrich der Unsterbliche sein!

Genehmigen Sie die größte Hochachtung und unverbrüchliche Anhänglichkeit Ihres

Voltaire.


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