Friedrich Theodor Vischer
Nicht I, a
Friedrich Theodor Vischer

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I. Aufzug.

Erster Auftritt.

(Küche. Luise am Herd, backend.)

Vikar (die Thüre halb öffnend, hereinsehend). Gut Morge, Luisle, was machst?

Luise. Flädle.

Vikar (eintretend). Gib mir au g'schwind e Küßle.

Luise. I kă net, i mueß bache.

Vikar. So gib mer e Flädle, weißt, frisch bache sind se so guet.

Luise. Da (ihm hinreichend).

(Vikar küßt sie, indem er es nimmt.)

Luise. Wart, Spitzbue!

Vikar. Mer kă jȃ net anders, De bist gar z'nett, absonderlich in dem frische weiße Kucheschurz.

        E Kuß und e Flädle,
        Wie schmeckt des so guet,
        O herzig netts Mädle,
        Wie stärkt des de Mueth!

Luise. Ja, Mueth, den werdet mer brauche, der Pape hat jetzt emȃl de Kopf aufg'setzt, i seh net naus.

Vikar (essend). Und i setz en au auf. I laß net von Dir. Weißt, Du bist jetzt eben emȃl mĕi Ideal, Du bist mĕi Fixstern. Wenn nŏ Du mir fest bleibst! Gelt, bleibst mir g'wiß fest?

Luise. Kăst zweifle?

Vikar. An Deim Vorsatz net, aber so e Mädlesherz ist halt net immer ganz b'häb, wenn em ebbes in d' Auge sticht, so e flotter Stadtjüngling oder en Offizier. I bin eben e ŭschĕibarer Vikare.

Luise. Karl! Weißt, des ist 's Ĕizig, was mi net an Dir freut, Dĕi Eifersucht. Des hat uns schŏ Ůfriede brȃcht und kann nŏ mĕh bringe.

Vikar. O lieber Gott! Weißt, des kommt ebe grad von der Liebe her – weil i Di ebe gar so gern hab. Und von der Ůg'wißheit, die sieht ebe G'spenster. Unser eigentliche Sorg ist ebe der Pape. Aber 's kann jȃ fast net fehle, im Dienst-Examen ist mer's guet gange; langt's trotzdem net ganz, er mueß doch en Ĕisehe habe, i laß net nȃch, er mueß weich gebe.

 

Zweiter Auftritt.

Luise. Pfarrer.

Pfarrer (den Kopf hereinstreckend). Herr Vikare, was macht d'Predigt?

Vikar. Sie ist glei voll fertig (enteilt).

Pfarrer. Luisle, i sag' Dir jetzt noch emȃl und ĕi für allemȃl, ich will des G'schmus nemme. Du kennst Dein Vater; sĕi Wort steht fest. Niemand kann sage, i sei e hoffährtiger Mann, aber des darf i ăspreche: en Schwiegersoh, der I, a g'macht hat; kein Numro z'letzt, kein II, b.

Luise. Aber Pape, 's ist em jȃ im Dienst-Examen so guet gange!

Pfarrer. Mer wollet sehe. Er meint's vielleicht; i glaub's net. Er hat sich net gnueg preparirt, grad über dem G'schmu ist er net derzuekomme. – 's ist übrigens dȃ no ebbes, des Du net verstehst. 's betrifft die ŭruhige Zeite. I kann dȃ kein Hitzkopf an meiner Seit' leide, der so Ideee hat und obenaus will.

Luise. Ach, er ist doch so brav und guet!

Pfarrer. Ja, so im Allgemeine, aber – jetzt kurz und guet, i will nex mĕ höre. Ich sag' Dir noch emȃl und abermals: Du läßst von dem junge Mensche oder i schick Di fort zur Bas nȃch Münsinge – –

Luise. Aber, Pape

Pfarrer. Punktum! 's ist ausg'schwätzt. Jetzt gang an Dein Herd und protzel wieder! (Will abgehen, kehrt noch einmal zurück.) Du machst guete Flädle, ich weiß. Sei wieder brav und laß den Vikare, so bist mĕi liebs Luisle. (Ihre Wange tätschelnd. Ab.)

 

Dritter Auftritt.

Luise allein.

Luise. Ach Gott, ach Gott! Wie kann der Pape so bös sĕi und ist sonst so guet! und jetzt wieder zum Schluß, aber lieber Gott, er muethet mer z'viel zue. Wonaus jetzt? Ach wenn mer no d' Mame besser helfe thät! Bald sieht's aus, als wär' se ganz auf unsrer Seit', bald, als hätt' se wieder andre Gedanke – se ist so e bisle weltlich, weil ihr Vater Oberregierungsrath gwese ist, so ebbes dȃnumzue hätt' se gern zum Schwiegersŏh – O, es steht ganz letz! En andere thät heule – I aber net, nĕi, grad net! I gib d'Hoffnung net auf. Und kein andere nemm i net. Der Pape wird doch oft auf ĕimȃl wieder guet. Vielleicht verzwinget mern nŏh. – Aber wenn's doch nex wär'! 's Madele hilft nȃch Kräfte – aber was kann se viel helfe! ach Gott! ach Gott! 's ist ebe doch traurig! (Weint.)

 

Vierter Auftritt.

Luise. Madele tritt ein.

Madele. Herr Je, Jungfer Luisle! Was greinet Se denn?

Luise. O Madele! Madele! Alles ist verlore! Grad ist der Pape in der Kuche hinneg'wese, der Vikare ist rĕikomme g'wese, i han em e Flädle gebe, des ist doch g'wiß kĕi Sünd', der Pape hat en abg'fange und ist in en allmächtige Aerger komme und hat mer alle Hoffnung gnomme – 's ist zum Verzweifle!

Madele. O, Jungfer Luisle, mer mueß nie verzweifle. D'Welt ist rund, se dreht se. Der Herr Pape sind jetzt immer schlecht ufg'legt, die Zeite g'fallet em net, au wartet er immer uf ebbes, des in der Zeitung komme soll, und 's kommt äls net. Grad ist der Bot komme und hȃt de Merkur brocht, au en Brief.

Luise. Ist's e großer, hast e g'sehe? Miteme Amtssiegel?

Madele. Noi, nŏ so e kloiner.

Luise. So ist also 's Examenzeugniß nŏ net dȃ. Des steht en Ewigkeit ă, Herr Jeses!

Madele. Aber vielleicht stȏt sell Ding in der Zeitung, wo er schŏ so lang druf wartet; gebet Se Acht, nȃ wird er schŏ besser ufg'legt werde. Jetzt nŏ emȃl, verzwazlet Se net! Ich thue auf älle Fäll', was e kă, Ihne z'lieb und em Herr Vikare z'lieb, weil er so brav ist und so mögich. Der Herr Pape hent mer zwȃr kürzlich au so ebbes ăditte, er mueß g'merkt han, daß i schŏ e bisle g'holfe han. Aber 's thuet nex, mer werdet es schŏ durchhelfe. Jetzt i glaub', der lieb' Herrgott geit sein Sege derzue.

        Sollt' es gleich bisweilen scheinen,
        Als wenn Gott verließ die Seinen,
        O, so glaub' und weiß ich dieß,
        Gott hilft endlich doch gewiß –

Faßet Se Mueth! »Warum sollt' ich mich denn grämen?« – Se wisset schŏ weiter – Aber jetzt mueß i ans Putze – 's ist Samstag – Gut Morge, Jungfer Luisle! (Ab.)

Luise. Herr Jeses meine Flädle! (Sie eilt an den Herd.)

 

Fünfter Auftritt.

Studirstube des Pfarrers.

Madele (kommt mit einem Kübel und Lumpen herein, kniet auf den Boden und wischt. Dieß muß einige Minuten dauern, so daß ein Theil des Bodens als genäßt anzunehmen ist; unter der Arbeit spricht sie:) Was sŏi mueß, mueß sŏi. D' Frau Pfarrere hȃts wieder net erlaube welle, aber i han's durchdruckt – jetzt ist die Stub' vier Woche net putzt – der Herr ist spaziere –

 

Sechster Auftritt.

Madele und Pfarrer.

Pfarrer (im Schlafrock, Papiere in der Hand). Wa? – So sieht's aus? – Jetzt dȃ möcht einer schŏ – Wie viel tausendmal hab' i's g'sagt, mĕi Studirstub' wird nie aufgwasche, außer i geh en ganze Tag fort! (Er geht mit hohen Schritten und aufgehobenem Schlafrock, als watete er durch ein Wasser nach seinem Schreibtisch.) Verteufelte Putzwuth! Aufhörst im Augeblick! Vor euch Weibsleut mit Eurer Putzfurie ist 's Weltgebäud' net sicher, de liebe Herrgott thätet er aus seim höchsteigene Sternezelt nausfommle, wemmer Euch mache ließ!

Madele. I hău's guet gemŏit. Die Stub' sieht schŏ aus, wie Stall. 's ist jȃ e Schand vor de Leut', i därf doch de Herr Pfarrer net em Dreck versticke lăn. Ich hău ebe dächt –

Pfarrer. Was »dächt«? So heißt's allemȃl! – Du sollst nichts denken, ich bin's, der denkt –

Madele. Mer wird doch au nŏ denke dürfe!

Pfarrer. Unmündige sollen nicht selbst denken! Schweig!

Madele. I bi au e Mensch!

Pfarrer. Ich duld' kĕi Revolution! 's Maul hältst oder ich thue, was mich reut! Der Teufel soll – hätt' fast was g'sagt – Naus! Furt! Furt mit em Schandkübel und Saulumpe!

Madele. Descht kŏi Behandling!

Pfarrer. Hast's nŏ nöthig, z'rebellire, Du hältst's au mit em Vikar, Du machst d' Zwischeträgere, i weiß – i hab' Dir's schŏ emȃl g'sagt, Dir kann mer nemme traue!

Madele. Mir! jetzt dien' i 18 Jȃhr in dem Haus!

Pfarrer. Ja, einen Basilisken habe ich an meinem Busen aufgezogen – bist nicht zufrieden, schweigst nicht, so kannst ganz fort –

Madele (schluchzend). O, i arms Weib! So mueß i nŏ in meine alte Dag des erlebe! Was hău i schŏ alles durchg'macht – i arme Wittib! Z'airste in der theure Zeit 's halb' Vermögele ĕiboße, nȃ hȃt mĕi Mă selig den böse Hueste kriegt und hȃt des Restle Vermöge fast ganz in Bäredreck verschlotzt und ist nȃch vier Jȃhr g'storbe. Se hent mi nȃ ufg'nomme, ich vergeß net, i han Ihne aber au treu dĕent und Ihr Kind mitaufzoge – descht jetzt der Lŏh! O Jerem! Jerem! Jetzt hoißt's, naus ins Elend!

Pfarrer (während Madele mit dem Kübel fortstürzt). Fiat justitia, pereat mundus!

Madele (unter der Thüre für sich halblaut). Daß mer d' Frau 's Putze erlaubt hat, verrȃth i net.

Pfarrer (nach einer Pause, während man Madele draußen laut schluchzen hört). Was hat se g'sagt? Mĕi Frau? Hab' mer's doch halbe denkt. (Ruft zur Thüre hinaus.) Madele, De kannst mĕitwege bleibe!

 

Siebenter Auftritt.

Pfarrer und seine Frau, dann Madele.

Frau Pfarrerin. Was gibt's denn mit em Madele?

Pfarrer. Da sieh! Sieh den Ozean! Gege mein bekannte g'messene Befehl hat sie wieder aufgwasche. Ich soll wieder en Schnuppe hole, daß i mi z'todt hueste mueß! – I will net hoffe, daß Du se's g'heiße hast, sie hat im Abgehe so 'was falle laße – – ha! Deine Züge sind schuldbewußt! treuloses Weib!

Frau Pfarrerin. Ach, sei doch net so tragisch! 's Madele hat mer kĕi Rueh glaße, Du hast wolle en lange Spaziergang mache, hast kĕi Predig z'studire, morge predigt jȃ der Vikare, – 's 'wär guet auftrocknet – jetzt guck lieber in Dĕi Zeitung nĕi, ob der Artikel kommt, und da, den Brief hast jȃ nŏh gar net ăg'sehe.

Pfarrer. I bin z'guet für die Welt – I will mein gerechte Zorn, meine sittliche Entrüstung dieses Mal nŏh unterdrücke – z'ersten aber sorg', daß e Christemensch in dere Stub' existire kann.

Frau Pfarrerin (hinausrufend). Madele, bring 's Bodetuech!

Madele (die Augen wischend, bringt das Tuch. Frau Pfarrerin hilft ihr es über die Hälfte des Zimmers ausbreiten).

Frau Pfarrerin (zu Madele). So, jetzt putz' d' Wŏhstub'!

Pfarrer. Jȃ, dort kăst mĕitwegeethe!

Frau Pfarrerin (zum Pfarrer). Du mueßt aber erlaube, daß den Vormittag Dĕi Studirstub' d' Wŏhstub' ist – Was isch? Kommt's?

Pfarrer (der den Merkur durchgesehen hat, wirft ihn unwillig weg). Wieder net! Au die klĕi Freud' soll net sĕi – wenn mer emȃl e bisle als Schriftsteller auftrete möcht', der Welt seine Betrachtunge kundgebe – Vom Konsistorium ist au wieder nex dȃ, mer weiß wieder net, wie der Vikar b'standen ist. Heut' morge hab' ich ihn in der Küche verwischt beim Luisle, er hat grab aneme Flädle g'mampft, des er ihr natürlich abbettelt hat. I hab' em de Marsch g'macht und em Luisle emȃl recht de Deckel vom Hafe thŏ.

Frau Pfarrerin. Ach lieber Mann, wege so eme Flädle!

Pfarrer. 's ist net 's Flädle, 's ist der Mensch!

Frau Pfarrerin. Jȃ, i weiß', 's ist 's Examenzeugniß. Wie magst au immer und ewig an so eme Bagatell hange bleibe! I, a. I, b. II, a. II, b. – nex als Zahle! Kommt's auf des ă? Ist net d' Hauptsach, daß Einer e braver Mensch ist? So kĕi braver kommt net glei wieder, 's Mädle hat ihn emȃl gern – g'scheidt g'nueg ist er g'wiß au, um sich guet durch d' Welt z'bringe – was willst weiter?

Pfarrer. De weißt ja, 's kommt übrigens nŏ ebbes derzue. Er ist e politischer Hitzkopf, des ist höchst gefährlich in ere Zeit wie die jetzig. Dȃ bringt sich einer leicht um sĕi ganze Zuekunft. I han des em Mädle au z'verstehe gebe, aber sie kapirts jȃ nŏ net. Uebrigens 's ist wȃhr, scho sĕi niedrigs Zeugniß, des ist für mi entscheidend. Ich hab' schŏ im Lyceum immer 's best' Argementle g'macht, bin Primus g'wese, im Landexamen glänzend bestande, i hab' in Tübinge und in Stuegert I, a. g'macht, bin Repetent g'wese, hab' ĕis der beste Helferat kriegt, bin Spezial worde und hab' mi nur auf's Land, auf die guet Landpfarrei z'rückzoge, weil mĕi Podagra immer ärger worden ist und weil i 's Landlebe und b'sonders die Gegend lieb'. Sonst könnt' i, i darf's sage – ohne Anmaßung, sonst könnt' i Prälat sĕi. Ich habe ein gewisses Selbstgefühl und darf es haben. Hat der Wallenstein g'sagt: »meinen Eidam will ich mir auf Europens Thronen suchen,« so darf der gewesene Spezial, Pfarrer in Schusselfingen, sagen: ich will mir meinen Eidam im Korps I, a., im Eliten-Korps der Repetenten suchen!

Frau Pfarrerin. Des ist e g'fährliche Vergleichung, der hat obenaus g'wöllt und Du weißt, wie 's ihm nȃ gange ist und der Thekla und em Max.

Pfarrer. Er ist doch großartig untergange.

Frau Pfarrerin. O Mă!

Pfarrer. O Weib, Du hast kein Schwung!

Frau Pfarrerin. I mein, mer schwätzet jetzt lieber ebbes anders. Du hast vor lauter Jest den Brief nŏh net ăg'sehe. Guck doch: 's Postzeiche Berlin.

Pfarrer. Ich weiß schŏ; vor lauter viel Aerger net. I kenn' jȃ an d' Handschrift auf der Adreß', es ist von meim G'schwisterkindvetter, vom G'heimerrath. Die Klemmle machet alle e bedeutende Karrière. (Oeffnet und liest:)

»Lieber Herr Vetter!

Lang habe ich mich nach Ihnen und Ihrer werthen Familie nicht erkundigt; es ist hohe Zeit, daß ich mein Versäumniß gut mache. Sie verzeihen mir meine Schuld vielleicht um so eher, wenn ich Ihnen einen lebendigen Zeugen meines stets warmen Andenkens an meine theuren Verwandten in Schwaben zusende. Meinem Sohn Odomar, der so eben sein zweites Examen mit Glanz bestanden hat, soll eine Erholungsreise gegönnt sein, ehe er seine Laufbahn im Staatsdienst als Justizreferendär antritt, er soll ein Stück Welt, soll unsern schönen Süden, soll endlich seine lieben Verwandten sehen. Ich bitte Sie und Ihre werthe Frau, daß es ihm gestattet sei, einige Tage in Ihrem gastlichen Hause zu weilen. Ich hoffe, daß sein gewecktes, heiteres Wesen Ihnen und Ihrem Töchterlein Luise, das jetzt zur lieblichen Jungfrau herangeblüht sein wird, nicht mißfallen werde. Er wird von heut ab in zehn Tagen an Ihre Thüre klopfen. Er wird Ihnen erzählen von unserem Leben, unsern Verhältnissen. Ich gönne ihm auch, daß er sich dem Anblick unserer schrecklichen Zustände in Berlin entziehen kann. Was haben wir für Tage erlebt! Die Barrikadenkämpfe! Die Leichen! Das Nachgeben des Königs! Der Abzug des Militärs! Jetzt dieser Zustand, die Schutzlosigkeit gegenüber den drohenden wild empörten Massen! Ungern entbehren wir in solchen Tagen unsern Sohn. Aber gut monarchisch gesinnt, wie er ist, hat er sich durch manche starke Aeußerungen offener Parteinahme für die Sache der Ordnung bei dem Volke verhaßt gemacht und unsere Sicherheit selbst räth für jetzt seine Entfernung. Von Ihrem ländlichen Heim ist die politische Aufregung, die so leidig ganz Deutschland ergriffen hat, wohl fern geblieben, wir beneiden ihm die Idylle, worin er nun von Mühen und Stürmen aufathmen darf, und hoffen bald aus seinen Berichten zu entnehmen, daß Sie mit den Ihren erwünschter Ruhe und Wohlseins sich erfreuen!

Mit herzlichen Grüßen bleibe ich u. s. w.

Jetzt hă?

Frau Pfarrerin. Was hă?

Pfarrer. Siehst jetzt?

Frau Pfarrerin. Was soll i sehe?

Pfarrer. Was werde könnt'. So en Examen! So e solide G'sinnung! I sag nex, sondern überlasse Dich schweigend Deinem Nachdenken. (Ab.)

 

Achter Auftritt.

Frau Pfarrerin allein.

Frau Pfarrerin. Ob wohl der Vetter G'heimerrath in dere Stell: – »nicht mißfallen werde« ebbes ădeute will? es gibt eim immerhi z'denket. Wenn der Vater allemȃl an 's Königs Geburtstag oder sonst sĕi Oberregierungsraths-Uniform ăg'het hat und den Orden, 's ist e stolzer Ăblick g'wese, – wenn mĕi Luisle emȃl am Arm von soeme ăg'sehene Mann in de G'sellschafte auftrete könnt, – 's Herr Vetters Sŏh macht g'wieß au emȃl e schöne Karrière, wer weiß, ob's nȃ net au zur Frau G'heimerräthe lange thät – – vielleicht mĕh. Frau Presidente, des wär' au schö – oder gar Ministere! – – O, des! – – I mag de Vikare, er thät mi arg daure, wenn em 's Mädle abstünd' – aber weil's ebe sonst so viel Schwierigkeite hat – 's wird grad kĕi Versuchung vom Satan sĕi, daß sich dȃ 's weltlich Bluet in meine Adere regt, – Ja nŭ, jetzt vor der Hand läßt mer ebe komme, was kommt. Vorerst will i's emȃl em Luisle z'wisse thŭ. (Ruft in die Seitenthüre:) Luisle!

 

Neunter Auftritt.

Pfarrerin, Luise.

Luise. Was willst, Mame?

Frau Pfarrerin. Du mueßt 's Gaststüble richte. Mer krieget en Gast, vielleicht morge schŏ.

Luise. Wen denn?

Frau Pfarrerin. Den Odomar, 's Vetters Sŏh aus Berlin. Er hat en äußerst glänzends Examen g'macht und möcht' jetzt au seine Verwandte kenne lerne.

Luisen So?

Frau Pfarrerin. Freust De net?

Luise. Warum denn net?

Frau Pfarrerin. Du siehst net dȃnȃch aus. Was hast denn?

Luise. Ach, der Pape ist wieder so bös.

Frau Pfarrerin. I weiß schŏ; er hat de Vikare verwischt, wie er Dir e Flädle abflattirt hat. Er hat au mit mir g'schwätzt, recht hart, i fang ă, z' ferchte, mer bring en nemme rum. Du weißt, i bin net gege d' Sach', bis jetzt hab' i durch d' Finger g'sehe, jȃ, mer kann sage, e bisle g'holfe; aber wenn's ebe partout net gehe will – am End – der G'scheidtst gibt nȃch – und dȃ kommt jetzt der Vetter – vielleicht – weißte – wer weiß –

Luise. Aber, Mame

Frau Pfarrerin. Zwinge thu i Di zu nex. Aber thu Du Dir au kein Zwang ă – Wenn jetzt der Vetter e sauberer, e wohlgebildeter, e recht empfehlenswerther junger Mensch wär, der au Dei'm Vater recht wohl g'fiel und der recht schöne Aussichte hätt – wirf en Blick in die Zukunft und –

Luise. O Mame, was denkst, soll i ŭtreu sĕi?

Frau Pfarrerin. Mer kann net mit em Kopf durch d' Wand. Was net geht, geht net; und am End – sitze bleibe?

Luise. Mĕi Karl bleibt mir treu und i ihm. Die glänzend' Zukunft soll mi net in Versuchung bringe. I bleib' fest.

Frau Pfarrerin. Luisle, i hab' jȃ g'sagt, zwinge thu i Di net. Jetzt wöllet mer nŏ z'erste emȃl de Vetter komme lasse. 's bleibt alles vorläufig dahing'stellt. Nŏ Ĕi's sag' i Dir bestimmt: freundlich gegen en!

Luise. Des gern! I freu mi aufrichtig, mein Verwandte emȃl z' sehe.

Frau Pfarrerin. Guet. Jetzt richt's Stüble. (Ab, sieht dann noch einmal herein und sagt:) Zieg Di au sauber ă, nimm Dĕi neu's Schmisle, thue Deine neue Schue ă, die alte därfst net ăb'halte, der link' ist jȃ schŏ ganz verschĕegt! (Ab.)

 

Zehnter Auftritt.

Luise allein.

Luise. Ach Gott! Dȃ ist leider nŏ ebbes anders verschĕegt. Also richtig d' Mame au net fest! Aber i kenn' ihr Herz, 's wackelt manchmȃl e bisle, aber d' Güete b'hält d' Oberhand. Grad der neu' Stĕi im Weg gibt mir jetzt neue Mueth. I bleib' fest.

 

Elfter Auftritt.

Vikar und Luise.

Vikar (eintretend). Ach, Luisle, seh' i Di wieder! Des ist jȃ e widerwärtige G'schicht' g'wese heut' morge!

Luise. Ja, und der Pape hat nȃchher nŏ recht grausam g'schwätzt. Ach, lieber Karl, 's sieht net guet aus, gar net guet!

Vikar. I laß de Mueth net sinke – Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen – Wenn nŏ Du fest bleibst –

Luise. Des weißt, lieber Karl, des bedarf keiner neue Versicherung. – Vor der Hand nŏ ebbes Neu's! 's Vetters Sŏh von Berlin kommt, i soll glei 's Gaststüble richte.

Vikar. So?

Luise. 's ist grad recht, 's bringt doch e bisle Zerstreuung in die trüebe Tag. 's wird Di au freue.

Vikar. Au? Also Di freut's?

Luise. Warum net? Und warum soll i mein Vetter net gern kenne lerne?

Vikar. So?

Luise. O Karl, bist wieder eifersüchtig?

Vikar. Ja, ja, so e Berliner! Des ist was anders als so en ŭg'schlachter Vikare! Gelt? 's wird so e recht g'schnigelts, schnabelschnells Herrle sĕi – so e Stadtstutzer, so e Papagei, so e Paradiesvogel – mit Gezwitscher von schöne Redensarte – des geht süeß ĕi – i weiß schŏ –

Luise. Karl, Karl, wenn Du nŏ die Schwäche net hättest – Wie oft han i Dir's schŏ sage müeße –

Vikar. Ja, ja der Vetter wird Dir besser g'falle.

Luise. Karl, schwätz net so, sonst verzürnst mi nŏ, und des könnt mer nŏ brauche!

Vikar. Ja, des könnt mer nŏ brauche, daß Du mir abfällst! Halt emȃl, 's soll auf e Prob' ăkomme – Beweis mer Dĕi Treue, indem Du gege den Vetter recht spröd und sterch bist.

Luise (trappt). I sag', i werd' gegen ihn sĕi, wie sich's für e Bäsle gegen en Vetter g'hört, guet und freundlich!

Vikar. Ha! Treulose!

Luise. Des sagst mir in dem Augeblick?

Vikar. In dem Augeblick – ?

Luise. Wo i meiner Mame erklärt hab' –

(Man hat inzwischen einen anwachsenden Lärm von der Gasse her gehört. Jetzt vernimmt man Stimmen:) d' Franzose! d' Franzose! Läutet Sturm! (Es klopft heftig.)

Vikar. Was gibt's denn? Herein!

 

Zwölfter Auftritt.

Vorige. Der Schütz.

Der Schütz (tritt ein, eilfertig, keuchend). Wo? Wo ane? Wo ane ist der Herr Pfarrer?

Vikar. Was gibt's denn?

Schütz (stockend, athemlos). D' We – d' Welt gȏht unter –

Vikar. Ist Er narret?

Schütz. 20,000 –

Vikar. Was?

Schütz. 20,000 Franzose sind im Ămarsch – E Reitender ist im g'streckte Galopp ăkomme mit eme Schreibe vom Oberamt – Freischärler, wüthige Mensche, etlich' Deutsche seiet au drunter – Republik wellet se mache – Aelles soll frei sĕi, derseltwege schlaget se älles kurz und kloa, theent senge und brenne, morde und plendere –

Vikar. Glei mit mir zum Herrn Pfarrer! – Luisle, der Staat ist in Gefahr, da müssen alle Privatempfindungen zurücktreten! Nur Eines sage ich Dir noch einmal (leise, aber nachdrücklich ins Ohr.) fang' mer mit dem Vetter nex ă –

Luise. I thue, was recht ist . . . . .

Vikar (wie vorhin). Ha, bleibst Du mir nicht treu, so bleibt mir nur Ein Wunsch: im großen Weltkampf ehrenvoll zu fallen wie Hektor fürs Vaterland! (Mit dem Schützen ab.)

 

Dreizehnter Auftritt.

Luise allein.

Luise. Was gehet mi d' Welthändel ă! – Mi mit der blinde Eifersucht plȃge grad, wo i alles für unser Liebe dulde und wȃge will! Es ist net recht! Jetzt plȃg i ihn au!

(Vorhang fällt.)

 


 


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