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Zwanzigstes Capitel.

In welchem Tartelett in allen Tonarten wiederholt, daß er fort will.

Als Tartelett hörte, daß es auf der Insel nicht nur Bären, sondern auch Tiger gab, fingen seine Klagen aus tiefstem Herzensgrund von Neuem an. Jetzt konnte er gar nicht mehr wagen, auszugehen! Die Raubthiere würden zuletzt gewiß noch den Weg nach dem Will-Tree ausfindig machen! Dann gab' es keine Sicherheit mehr! In seinem ersten Schrecken verlangte der Professor zum Schutz richtige Fortificationen, mindestens steinerne Mauern mit Pfeilern und Gegenpfeilern, Courtinen, Bastionen und Casematten, um die Gruppe der Sequoias wirksam vertheidigen zu können. Wenn das nicht zu beschaffen wäre, wollte er oder wünschte er wenigstens seiner Wege zu gehen.

»Ja, ich auch,« antwortete Godfrey trocken.

In der That waren die Verhältnisse, in denen die Bewohner der Insel Phina jetzt lebten, nicht mehr die nämlichen wie früher. Gegen den Mangel, für die Erlangung der nöthigsten Lebensbedürfnisse zu kämpfen, das war ihnen, dank einigen glücklichen Umständen, wohl gelungen Gegen die schlechte Jahreszeit, gegen den Winter und seine Härte, hatten sie sich gewiß auch zu wahren gewußt, aber sich auch noch gegen reißende Thiere zu vertheidigen, von denen ein Angriff jeder Zeit zu gewärtigen war, das lag doch anders, und dazu fehlten ihnen die Mittel.

Die schon sehr kritische Lage wurde dadurch sehr ernst, wenn nicht zuletzt unhaltbar.

»Aber, wiederholte sich Godfrey immerfort, wie ist es gekommen, daß wir während vier Monaten nicht ein einziges Raubthier auf der Insel gesehen, und warum mußten wir uns nun binnen vierzehn Tagen gegen einen Bären und einen Tiger wehren? .... Was soll das heißen?«

Diese Thatsache mochte unerklärlich sein, doch, wir müssen es wohl anerkennen, deshalb nicht minder unbestreitbar.

Godfrey, dessen Kaltblütigkeit und Muth mit der wachsenden Gefahr Schritt hielten, ließ sich jedoch nicht niederbeugen; da jetzt wilde Thiere die kleine Colonie bedrohten, so galt es eben, sich ohne Zögern gegen deren Angriffe zu schützen.

Doch welche Maßregeln sollte er dazu ergreifen?

Zunächst wurde ausgemacht, daß nur noch seltene Ausflüge nach dem Walde oder nach dem Strande gemacht werden sollten, daß man immer gut bewaffnet ausgehen wolle, und auch das nur dann, wenn die unabweisbare Nothwendigkeit dazu zwang.

»Bei den beiden Begegnungen mit Raubthieren sind wir gilt genug davon gekommen, sagte Godfrey öfter, ein ander Mal gelingt uns das vielleicht nicht so gut! Es hat sich also Niemand ohne dringende Nothwendigkeit einer solchen Gefahr auszusetzen!«

Freilich genügte es noch nicht, die Ausflüge zu beschränken, auf jeden Fall mußte auch der Will-Tree gesichert werden, und zwar die Wohnung selbst ebenso, wie das Zubehör, der Hühnerstall, das Thiergehege u.s.w., wo ihnen wilde Thiere so leicht unersetzlichen Schaden zufügen konnten.

Godfrey hegte also den Gedanken, wenn auch nicht den Will-Tree nach Tartelett's großartigem Plane zu befestigen, doch die vier oder fünf großen Mammuthbäume, welche ihn umgaben, untereinander zu verbinden. Wenn es ihm gelang, eine feste und hohe Palissade von einem Stamme zum andern zu errichten, so befand man sich dahinter in verhältnismäßiger Sicherheit, wenigstens geschützt gegen unerwartete Ueberrumpelung.

Das schien ausführbar – Godfrey gewann die Ueberzeugung, nachdem er die Oertlichkeit genau untersucht – aber eine schwere langwierige Arbeit wurde es doch. Bei möglichster Einschränkung handelte es sich immer noch darum, eine Palissade von mindestens dreihundert Fuß Umfang herzustellen.

Daraus ließ sich ja beurtheilen, wie viele Bäume zu diesem Zweck ausgewählt, gefällt, hergeschafft und aufgerichtet werden mußten, um einen vollständigen Verschluß zu erzielen.

Godfrey schreckte vor dieser Arbeit nicht zurück. Er theilte seine Projecte Tartelett mit, der sie nicht nur billigte, sondern auch seine thätige Mitwirkung zusicherte; aber, was noch merkwürdiger erschien, es gelang ihm sogar, Carefinotu seine Pläne verständlich zu machen, und dieser war natürlich sofort bereit, hilfreiche Hand zu leisten.

Man ging also ohne Aufschub an's Werk.

Nahe einer Biegung des Baches, wenigstens eine Meile aufwärts vom Will-Tree, befand sich ein kleines Gehölz von Seefichten mittlerer Größe, deren Stämme in Ermangelung von Pfählen oder Planken, ohne vorher viereckig zugerichtet zu werden, durch Nebeneinanderstellen derselben eine feste palissadenartige Umzäunung liefern konnten.

Nach diesem Gehölz begaben sich Godfrey und seine beiden Gefährten am folgenden Tage, dem 12. November, schon mit Sonnenaufgang. Trotz ausreichender Bewaffnung drangen sie doch nur sehr vorsichtig weiter vor.

»Paßt mir ganz und gar nicht, diese Gänge auf Arbeit, brummte Tartelett, den diese neuen Prüfungen immer erbitterter machten. Ich wünschte, meiner Wege gehen zu können!«

Godfrey nahm sich jedoch gar nicht die Mühe, ihm zu antworten, Bei dem jetzigen Vorhaben konnte er nicht nach seinem Geschmack gefragt werden, ja, dasselbe nahm nicht einmal seine Intelligenz in Anspruch. Das allgemeine Wohl verlangte eben die Hilfe seiner Arme, und wohl oder übel mußte er sich bequemen, als Saumthier Dienste zu thun.

Der Weg von einer Meile, der den Will-Tree von dem Hölzchen trennte, wurde übrigens ohne jeden Zwischenfall zurückgelegt – vergebens durchspähten sie das Dickicht und überblickten sie das Wiesenland von einem Ende zum anderen. Die Hausthiere, welche auf der Weide gelassen werden mußten, verriethen kein Zeichen von Schreck oder Angst. Die Vögel schwirrten umher und erschienen eher noch sorgloser als sonst.

Die Arbeit wurde also sogleich begonnen. Godfrey wollte mit gutem Grunde die Bäume nicht eher wegschaffen lassen, als bis so viele, wie man bedurfte, gefällt waren. Jedenfalls ließen sie sich leichter zusammenpassen, wenn man sie alle beisammen hatte.

Carefinotu leistete bei dieser schweren Arbeit vortreffliche Dienste. Er wußte schon sehr geschickt mit Axt und Säge umzugehen. Seine Körperstärke erlaubte ihm auch dann noch unausgesetzt thätig zu sein, wenn Godfrey gezwungen war, etwas inne zu halten, um Athem zu schöpfen, und wenn Tartelett, zerschlagen an allen Gliedern, kaum noch die Geige zu halten im Stande gewesen wäre.

Und doch hatte Godfrey dem bedauernswerthen Lehrer des Tanz- und Anstandsunterrichts, der sich jetzt als Waldarbeiter abquälte, nur den am wenigsten anstrengenden Theil der Arbeit, nämlich das Abschlagen der schwachen Aeste, zugewiesen. Trotzdem, und selbst wenn Tartelett nur einen halben Dollar Tagelohn empfangen hätte, würde er gut vier Fünftel seines Lohnes geradezu gestohlen haben.

Sechs Tage lang, vom 12. bis 17. November, nahm diese Beschäftigung in Anspruch. Früh am Morgen zogen die unfreiwilligen Ansiedler aus, wobei sie etwas Frühstück mit sich führten, und kehrten nach dem Will-Tree zur Hauptmahlzeit gegen Abend zurück. Die Witterung war dabei nicht eben die schönste. Der Himmel bedeckte sich manchmal mit schweren Wolken, und Regenschauer wechselten mit kurzen Sonnenblicken ab. Goß es zu stark herab, so schützten sich die Holzfäller bestmöglich unter den Bäumen und nahmen dann die eine Weile unterbrochene Arbeit wieder auf.

Am 18. lagen alle Stämme von den Kronen und Aesten befreit auf dem Boden fertig, um nach dem Will-Tree geschafft zu werden.

Während der ganzen Zeit hatte sich kein Raubthier in der Umgebung des Baches blicken lassen und es entstand die Frage, ob überhaupt noch solche auf der Insel wären; ob der tödtlich getroffene Bär ebenso wie der Tiger nicht vielleicht – so unwahrscheinlich es auch war – die letzten ihrer Art gewesen sein mochten.

Doch ohne Berücksichtigung einer solchen Möglichkeit wollte Godfrey nicht von der Errichtung einer festen Umzäunung absehen, um gleichmäßig gegen einen Angriff durch Wilde, wie gegen einen Ueberfall durch Bären oder Tiger gesichert zu sein. Uebrigens war ja das Schlimmste vollbracht und es handelte sich nur noch darum, die Stämme bis zur Stelle zu transportiren, wo sie aneinander gefügt werden sollten.

Wir sagen, das Schlimmste vollbracht, obwohl dieser Transport viel Schwierigkeiten zu machen drohte. Wenn sich das nicht erfüllte, so lag es daran, daß Godfrey eine sehr praktische Idee hatte, welche dessen Ausführung wesentlich erleichtern sollte; er benützte nämlich die Strömung des Baches, welche infolge der vorangegangenen Regengüsse jetzt eine ziemlich schnelle war, die Stämme forttragen zu lassen. Man stellte deshalb kleine Flöße zusammen, welche gemächlich bis zu dem Platze hinabtrieben, wo der Bach die Gruppe der Mammuthbäume fast durchschnitt. Hier mußte die früher errichtete Brücke sie natürlich aufhalten; von hier aber war der Will-Tree kaum noch fünfundzwanzig Schritte entfernt.

Wenn Jemand über dieses Verfahren besonders befriedigt erschien, das ihm ja seine »stark compromittirte Menschenwürde« wieder herzustellen versprach, so war es der Prozessor Tartelett.

Am 18. wurden also die ersten Flöße abgelassen. Sie gelangten ohne Unfall bis zu genanntem Hemmniß; binnen weniger als drei Tagen, am Abend des 20., war Alles am Bestimmungsorte eingetroffen.

Schon am nächsten Tage begannen sich die ersten, zwei Fuß tief in die Erde eingerammten Pfähle zu erheben, um die stärksten Sequoias rund um den Will-Tree mit einander zu verbinden. Eine Durchflechtung mit starken, aber biegsamen Zweigen, welche die oberen zugespitzten Enden zusammenfügten, sicherte noch ferner die ganze Festigkeit des Baues.

Godfrey sah die Arbeit mit großer Befriedigung fortschreiten, aber es verlangte ihn auch danach, sie vollendet zu sehen.

»Wenn unsere Palissade fertig ist, sagte er zu Tartelett, dann leben wir wirklich hier erst zu Hause.

– Na, eigentlich leben wir wohl erst zu Hause, wenn wir wieder in der Montgomery-Street, in unseren Zimmern des Hôtel Kolderup wohnen.«

Dagegen ließ sich natürlich nichts einwenden.

Am 26. November war die Palissade zu drei Viertheilen errichtet. Sie umschloß unter den mit einander verbundenen Sequoias den Stamm des Baumes, in welchen: der Hühnerstall errichtet worden war, und Godfrey beabsichtigte nun, einen Stall für die anderen Thiere herzustellen.

Noch drei bis vier Tage, und die Umzäunung mußte fertig dastehen. Dann blieb nur noch die Anfertigung einer widerstandsfähigen Thür übrig, um die Umschließung des Will-Tree vollständig erscheinen zu lassen.

Am nächsten Tage, am 27. November, wurde die Arbeit jedoch durch ein Greigniß unterbrochen, auf welches wir etwas genauer eingehen müssen, denn es vermehrte die Anzahl unerklärlicher Vorkommnisse, welche die Insel Phina nach und nach aufwies.

Gegen acht Uhr des Morgens war Carefinotu durch die Höhlung bis zur Gabelung der Sequoia hinaufgeklettert, Um die Oeffnung dichter zu verschließen, durch welche Kälte und Regen noch immer etwas Eingang fanden, als dieser einen eigenthümlichen Schrei ausstieß.

Godfrey, der an der Umzäunung arbeitete, wendete den Kopf und erblickte den Schwarzen, der durch deutliche Zeichen zu verstehen gab, daß er zu ihm herauf kommen möchte.

Ueberzeugt, daß Carefinotu ihn nicht stören würde, wenn er dazu nicht hinlängliche Ursache hatte, ergriff Godfrey das Fernrohr, kletterte gleichfalls innerhalb des Stammes in die Höhe, drängte sich durch die Oeffnung hinaus und saß bald rittlings auf einem der gewaltigen Aeste.

Carefinotu streckte den Arm nach dem abgerundeten Winkel zu aus, den die Insel Phina im Nordosten bildete, und zeigte nach einer Rauchsäule, welche sich in langen Wirbeln in die Luft erhob.

»Noch einmal!« rief Godfrey.

Das Fernrohr auf den betreffenden Punkt richtend, mußte er sich überzeugen, daß dieses Mal keine Täuschung unterlaufen könne, daß er einen Rauch sehe, der von ziemlich großem Feuerherde aufstieg, da er in einer Entfernung von fünf Meilen so deutlich sichtbar war.

Godfrey drehte sich nach dem Neger um.

Dieser drückte sein Erstaunen durch Blicke, durch Ausrufe, wie durch sein ganzes Benehmen aus. Offenbar nahm ihn jene Erscheinung nicht weniger wunder, als Godfrey selbst.

Uebrigens befand sich auf hoher See weder ein Schiff, noch ein Boot irgend welcher Art, überhaupt nichts, was hätte darauf hinweisen können, daß am Strande der Insel eine Landung stattgefunden habe.

»O, dieses Mal werde ich das Feuer zu finden wissen, von dem jener Rauch ausgeht!« rief Godfrey.

Er wies nach der nordöstlichen Ecke der Insel, dann nach dem Fuße des Mammuthbaumes hin und gab Carefinotu durch Zeichen zu verstehen, daß er sich nach dem Orte jener Erscheinung, und zwar ohne Zögern begeben wollte,

Carefinotu verstand ihn. Ja, noch mehr, er nickte auch mit dem Kopfe, um seine Zustimmung auszudrücken.

»Ja, sagte sich Godfrey, wenn sich dort ein menschliches Wesen aufhält, muß ich auch wissen, wie es und woher es hierher gekommen ist; ich muß ergründen, warum der Mann sich verborgen hält. Es gilt unser Aller Sicherheit!«

In der nächsten Minute waren er und Carefinotu wieder am Fuße der Sequoia angelangt. Godfrey unterrichtete Tartelett von dem, was er gesehen, was er beabsichtige, und schlug ihm auch vor, die Beiden bis zum nördlichen Ufer zu begleiten.

So gegen zehn Meilen an einem Tage zurückzulegen, reizte freilich einen Mann nicht, der die Beine als den werthvollsten Theil seiner Persönlichkeit betrachtete, die nur geschaffen seien, elegante Hebungen auszuführen. Er antwortete also, daß er vorziehen werde, im Will-Tree zurückzubleiben.

»Meinetwegen, so gehen wir allein, erwiderte, Godfrey, doch erwarten sie uns nicht vor dem Abend zurück.«

Mit diesen Worten brachen Carefinotu und er, einigen Mundvorrath mitnehmend, um sich unterwegs stärken zu können, schon auf, nachdem sie nur kurz von dem Professor Abschied genommen, der als persönliche Meinung daran festhielt, daß sie nichts finden und sich wieder einmal umsonst abmühen würden.

Godfrey trug ein Gewehr und einen Revolver; der Schwarze Axt und Jagdmesser, welch' letzteres allmählich zu seiner Lieblings Waffe geworden war. Sie überschritten die Plankenbrücke, gelangten damit auf die rechte Seite des Baches und richteten ihre Schritte nun quer über das Wiesenland nach jenem Punkt der Küste, wo man den Rauch noch immer zwischen den Felsen aufwirbeln sah.

Es war das heute etwas mehr östlich als die Stelle, an der Godfrey bei Gelegenheit seiner zweiten Nachsuchung dessen Ursprung vergeblich zu entdecken sich bemüht hatte.

Beide gingen schnell dahin, natürlich nicht ohne ein Auge darauf zu haben, ob der Weg auch sicher sei, ob Gebüsche oder Unterholz nicht irgend ein gefährliches Raubthier verbargen, dessen Angriff ihnen hätte verderblich werden können.

Ihre Befürchtungen erwiesen sich als grundlos.

Zu Mittag, nachdem sie ein wenig gegessen, ohne sich dabei einen Augenblick aufzuhalten, kamen Beide an der ersten Felsenpartie, welche das Ufer begrenzte, an. Der noch immer sichtbare Rauch erhob sich in einer Entfernung von kaum einer Viertelmeile, und wenn man nur einer geraden Linie folgte, mußte dessen Ursprungsstelle aufgefunden werden.

Sie beeilten also ihre Schritte, doch immer mit soviel Vorsicht, um selbst zu überraschen, nicht aber überrascht zu werden.

Zwei Minuten später verschwand der Rauch, als ob das Feuer urplötzlich erloschen wäre.

Godfrey hatte sich jedoch genau den Punkt gemerkt, über welchem jener vorher aufstieg. Dieser lag am Ende eines merkwürdig gestalteten Felsens, einer Art abgestumpften Pyramide, welcher leicht wiederzuerkennen war. Diese zeigte er seinem Begleiter und ging gerade darauf los.

Die Viertelmeile war bald genug zurückgelegt, und um den Felsen stürmend, standen Godfrey und Carefinotu jetzt auf dem Vorlande, kaum fünfzig Schritte von der Gesteinsmasse entfernt.

Sie liefen auf dieselbe zu ... Niemand da! ... Aber diesmal verriethen doch ein kaum erloschenes Feuer und umherliegende halbverbrannte Kohlenstücke unzweifelhaft, daß hier ein Brand unterhalten worden war.

»Hier ist ein Mensch gewesen! rief Godfrey, gewiß noch vor wenigen Augenblicken – das muß ich klar machen!«

Er rief laut ... keine Antwort ... Carefinotu stieß einen lang widerhallenden Schrei aus... keine Seele erschien.

Nun untersuchten Beide alle Felsen in der Nähe nach einer Höhle oder Grotte, die einem Schiffbrüchigen, einem Eingebornen, einem Wilden hätte als Schlupfwinkel dienen können ...

Vergeblich durchforschten sie aber die geringsten Einbuchtungen am Ufer. Nirgends fand sich etwas von einer älteren oder neueren Lagerstatt, nicht einmal die Fußspur eines Menschen, der sich daselbst aufgehalten hätte.

»Und doch war das, wiederholte sich Godfrey, dieses Mal nicht der Dampf einer heißen Quelle, sondern Rauch eines Holz- oder Reisigfeuers, und dieses Feuer hat sich nicht allein entzünden können!«

Leider blieben alle Bemühungen vergeblich, und ebenso unruhig und betroffen, nichts haben entdecken zu können, schlugen Godfrey und Carefinotu gegen zwei Uhr den Rückweg nach dem Will-Tree wieder ein.

Es kann nicht auffallend erscheinen, daß Godfrey sehr in Gedanken versunken dahinwandelte. Ihm erschien es fast, als stehe seine Insel unter der Herrschaft einer geheimen Macht. Das Wiedererscheinen jenes Rauches und das Vorhandensein von Raubthieren deutete doch mindestens auf irgend welche unerklärliche Einflüsse, die sich hier geltend machten, hin.

Und mußte er in diesen Gedanken nicht noch mehr bestärkt werden, als sich, eine Stunde nachdem sie das Bereich der Wiesen betreten, plötzlich ein eigenartiges. Geräusch, eine Art trockenes Klappern, hören ließ? ... Carefinotu stieß ihn noch in dem Moment zurück, wo eine unter dem hohen Grase zusammengerollte Schlange sich eben auf den jungen Mann losstürzen wollte.

»Schlangen – nun sind auch Schlangen auf der Insel, als Nachfolger der Bären und Tiger!« rief er.

Es war in der That eines jener Reptile, leicht, erkennbar an dem Geräusch, welches seine Bewegungen hervorbrachten, eine sogenannte Klapperschlange der giftigsten Sorte, ein Riese aus der Familie der Crotalen!

Carefinotu hatte sich zwischen Godfrey und das Reptil gedrängt, welches sofort unter einem nahen Gebüsche verschwand.

Der Schwarze eilte demselben jedoch nach und hackte es mit der Axt in zwei Theile.

Als Godfrey nachkam, wanden sich schon die blutenden Reste auf dem Boden hin und her.

Später zeigten sich auch noch andere, nicht minder gefährliche Schlangen in großer Anzahl überall auf der Wiese, welche der Bach vom Will-Tree trennte.

Handelte es sich hier um ein plötzliches Eindringen der schrecklichen Thiere? Sollte die Insel Phina zur Rivalin jenes alten Tenos werden, welches die furchtbaren Ophidien im Alterthum berühmt machten und das der Viper seinen Namen verlieh?

»Vorwärts, Vorwärts!« rief Godfrey, und bedeutete Carefinotu durch Zeichen, schnellstens dahinzueilen Er war unruhig; ihn bewegten beklemmende Ahnungen, ohne daß er dieselben zu bemeistern vermochte,

Und als ob er schon ein schweres Unglück voraussehe, drängte es ihn, nach dem Will-Tree zurückzukommen.

Jetzt näherte er sich unter ganz anderen Verhältnissen der über den Bach geworfenen Nothbrücke.

Von der Sequoiagruppe her ertönte lautes Geschrei, Hilferufe eines zu Tode Erschrockenen, über welchen man nicht im Unklaren sein konnte.

»Das ist Tartelett! rief Godfrey, der Unglückliche ist angefallen worden! ... Schnell! Schnell!«

Zwanzig Schritte weiter, über die Brücke gelangt, sahen sie Tartelett, welcher davonlief, was ihn nur die Beine tragen konnten.

Ein gewaltiges Krokodil, das aus dem Bache gekommen schien, verfolgte ihn mit weitaufgerissenem Rachen.

Der vor Angst gänzlich kopflose arme Mann rannte, statt sich immer nach rechts und links zu wenden, schnurstraks geradeaus, war also weit mehr gefährdet, erwischt zu werden. Plötzlich stolperte er gar und fiel zu Boden ... er schien verloren.

Godfrey blieb stehen. Auch angesichts der entsetzlichen Gefahr verlor er glücklicher Weise seine Kaltblütigkeit keinen Augenblick. Er schlug das Gewehr an und zielte nach einer Stelle dicht unter dem Auge des Krokodils.

Die sicher gezielte Kugel traf das Ungeheuer, welches noch einen Seitensprung machte und dann regungslos niederfiel.

Da eilte Carefinotu zu Tartelett hin und hob ihn auf ... der Professor war diesmal mit dem Schrecken davon gekommen! Aber welche Angst hatte der arme Teufel ausgestanden!

Es war jetzt sechs Uhr Abends.

Noch eine Minute, und Godfrey war mit seinen beiden Gefährten nach dem Will-Tree zurückgekehrt.

Welch' bitteren Betrachtungen gaben sie sich bei dieser Abendmahlzeit hin! Welche bangen, schlaflosen Stunden bedrohten nun die Bewohner der Insel Phina, gegen welche sich das Mißgeschick verschworen zu haben schien!

Der Professor in seiner Heidenangst wußte weiter nichts, als die wenigen Worte zu wiederholen, in denen sich alle seine Gedanken concentrirten:

»Ich wünschte nichts weiter, als fortlaufen zu können!«


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