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Fünfzehntes Capitel

Die Lösung des Dramas.

Der Kampf zwischen der Flottille und der Corvette hatte über zweiundeinhalb Stunden gedauert. Auf Seiten der Angreifer durfte man den Verlust wohl auf hundertfünfzig Mann an Todten und Verwundeten veranschlagen, aber auch die »Syphanta« hatte dabei kaum weniger von ihren Leuten eingebüßt. Diese Zahlen beweisen, mit welcher Hartnäckigkeit auf beiden Seiten gekämpft worden war. Die Uebermacht trug zuletzt aber doch den Sieg über den Muth davon, obwohl derselbe von Rechtswegen dem letzteren gebührt hätte. Henry d'Albaret, seine Officiere, Mannschaften und Passagiere befanden sich jetzt in der Hand des grausamen, unerbittlichen Sacratis.

Sacratif und Starkos war wirklich ein und dieselbe Persönlichkeit. Bisher hatte Niemand gewußt, daß sich unter diesem Namen ein Grieche verbarg, ein Kind der Landschaft Magne, ein Verräther, der sich für die Sache der Unterdrücker hatte gewinnen lassen. Ja, Nicolas Starkos war es, der die Flottille befehligte, deren entsetzliche Schandthaten diese Meere so lange Zeit in Schrecken gejagt hatten. Er war es, der mit dem verruchten Gewerbe des Seeräubers einen noch verabscheuungswürdigeren Handel verband; er verschacherte diejenigen seiner Landsleute, welche der Mordgier der Türken glücklich entgangen waren, zuletzt an die Barbaren, an Ungläubige! Und dieser Kriegsname, oder richtiger dieser Seeräubername, war der des Sohnes der Andronika Starkos!

Sacratif – so müssen wir ihn von jetzt ab wohl nennen – Sacratif hatte schon seit mehreren Jahren den Mittelpunkt seiner verbrecherischen Operationen nach der Insel Scarpanto verlegt gehabt. Hier im Grunde der unbekannten, kaum zugänglichen Buchten der Ostküste hätte man die Hauptstationen seiner Flottille finden können; hier bildeten Gefährten des Schurken, Leute ohne Glauben und Gesetz, die ihm blind gehorchten und denen er an grausamen und kühnen Bubenstücken alles nur Denkbare hätte zumuthen können, die Besatzung von etwa zwanzig Fahrzeugen, deren Oberbefehl ihm unbestritten zustand.

Nachdem er an Bord der »Karysta« von Korfu abgesegelt war, hatte Sacratif unmittelbar den Weg nach Scarpanto eingeschlagen. Seine Absicht ging dabei dahin, die Raubzüge im Archipel wieder aufzunehmen, während er gleichzeitig die Hoffnung hegte, der Corvette zu begegnen, die er hatte in See gehen sehen und deren Bestimmung er ja kannte. Während er sein Augenmerk indeß auf die »Syphanta« richtete, gab er doch nie den Gedanken auf, Hadjine Elizundo und ihre Millionen wieder zu finden, ebensowenig wie den, an Henry d'Albaret Rache zu nehmen.

Die Flottille der Seeräuber machte sich also an die Aufspürung der Corvette; obwohl Sacratif jedoch öfters von derselben reden und erzählen hörte, wie scharf sie den Seeräubern des nördlichen Archipels auf den Fersen blieb und dieselben schonungslos abstrafte, so gelang es ihm doch nicht, die Spur des Schiffes zu entdecken. Er war es, obwohl das vielfach behauptet wurde, auch nicht gewesen, der bei dem Gefechte in der Nähe von Lemnos, in dem der Capitän Stradena damals den Heldentod fand, befehligt hatte; dagegen war er es wirklich, der auf der Sacoleve aus dem Hafen von Thasos entfloh, indem er sich das Seegefecht, welches die Corvette nahe vor dem Hafen beschäftigte, zu nutze machte. Nur wußte er jener Zeit noch nicht, daß die Corvette in den Befehl Henry d'Albaret's übergegangen war, und hörte das auch erst, als er Jenen auf dem Markte von Scarpanto wiedersah.

Nachdem Sacratif Thasos verlassen hatte, war er in Syra vor Anker gegangen und erst achtundvierzig Stunden vor der Ankunft der Corvette von ebenda abgesegelt.

Die Annahme erwies sich auch als ganz zutreffend, daß die Sacoleve nach Kreta unter Segel gegangen sein werde. Hier, im Hafen von Grabusa, wartete die Brigg, welche Sacratif nach Scarpanto zurückführen sollte, um daselbst eine neue Expedition vorzubereiten. Die Corvette wurde seiner gewahr, kurz nachdem er aus Grabusa ausgelaufen war, und machte gleich auf ihn Jagd, konnte ihn aber nicht erreichen, da seine Brigg entschieden schneller segelte.

Auch Sacratif hatte die »Syphanta« recht wohl wieder erkannt. Zuerst kam ihm dabei der Gedanke, auf dieselbe zuzuhalten, eine Enterung zu versuchen und durch Zerstörung des Schiffes seinen Haß zu kühlen. Nach einiger Ueberlegung sagte er sich jedoch, daß es rathsamer sei, sich längs der Küste von Kreta verfolgen zu lassen, die Corvette dadurch bis in die Gegend von Scarpanto zu verlocken und dann in einem jener Schlupfwinkel zu verschwinden, die nur er allein kannte.

Das geschah denn auch, und der Piratenanführer beschäftigte sich dann ohne Säumen damit, seine Flottille in kampfbereiten Zustand zu setzen, um die »Syphanta« angreifen zu können, wenn die Umstände die endliche Lösung des Dramas nahe legen sollten.

Wir wissen, was vorgegangen war, wissen, warum Sacratif nach dem Markte von Arkassa kam, und wie er sich, als er Hadjine Elizundo unter den Gefangenen des Batistans gefunden, Henry d'Albaret als Befehlshaber der Corvette Auge in Auge gegenüber gesehen hatte.

In dem Glauben, daß Hadjine Elizundo noch immer die reiche Erbin des korfiotischen Banquiers sei, setzte Sacratif Alles daran, sie für sich zu erstehen; das Dazwischentreten Henry d'Albaret's allein ließ seine Absicht scheitern.

Mehr als je entschlossen, sich Hadjine Elizundo's zu bemächtigen, sich an seinem Rivalen zu rächen und die Corvette womöglich zu vernichten, zog Sacratif Skopelo mit sich fort und kehrte nach der Westküste der Insel zurück. Daß Henry d'Albaret sofort Alles vorbereitet hatte, Scarpanto so schnell als möglich zu verlassen, um die Gefangenen wieder ihrer Heimat zuzuführen, daran war gar nicht zu zweifeln. Die Flottille wurde also fast vollständig zusammengezogen und stach schon am nächstfolgenden Tage in See. Durch Zusammenwirkung besonders günstiger Umstände war die Corvette in seine Gewalt gekommen. –

Als Sacratif den Fuß auf das Deck der »Syphanta« setzte, mochte es gegen drei Uhr Nachmittags sein. Der Wind begann wieder aufzufrischen, was den andern Fahrzeugen gestattete, immer eine solche Stellung einzunehmen, daß sie die »Syphanta« mit allen ihren Geschützen bestreichen konnten. Die beiden, an den Flanken jener postirten Briggs warteten, bis der Chef auf einer derselben an Bord gehen würde. Vorläufig dachte dieser hieran aber noch gar nicht, sondern blieb mit etwa hundert Mann von den Piraten auf der Corvette.

Noch hatte Sacratif kein Wort an den Commandanten Henry d'Albaret gerichtet. Er begnügte sich zunächst, einige Worte mit Skopelo zu wechseln, der darauf die Gefangenen, Officiere und Mannschaften nach den Luken führen ließ. Hier vereinigte man sie mit denjenigen ihrer Kameraden, welche in der Batterie oder im Zwischendeck überrascht worden waren; hierauf wurden Alle gezwungen, sich nach dem Schiffsraume hinunter zu begeben, und dann schlossen sich die Deckel der Luken über ihnen. Welches Schicksal war ihnen aufbewahrt? Ohne Zweifel ein schrecklicher Tod, den sie gleichzeitig mit der Zerstörung der »Syphanta« finden sollten.

Auf dem Hinterdeck befanden sich jetzt nur noch Henry d'Albaret und der Capitän Todros, aber Beide entwaffnet, gefesselt und scharf überwacht.

Umgeben von einem Dutzend seiner verwilderten Spießgesellen that Sacratif einen Schritt auf sie zu.

»Ich wußte bisher nicht, begann er, daß die »Syphanta« von Henry d'Albaret befehligt wurde. Wäre mir das bekannt gewesen, so hätt' ich sicher nicht gezaudert, ihr in den Gewässern von Kreta einen Kampf anzubieten, und deren Commandant hätte dann nicht mehr auf dem Markte von Scarpanto erscheinen sollen, um anderen Leuten Concurrenz zu machen.

– Hätte Nicolas Starkos sich uns in den Gewässern von Kreta gestellt, antwortete der Commandant Henry d'Albaret, so wäre er schon längst an der Fockraa der »Syphanta« gehenkt worden.

– Wirklich? erwiderte Sacratis. Hm, eine summarische, schnelle Justiz...

– Ja, die einzige, welche einem Piratenführer zukommt.

– Nehmt Euch in Acht, Henry d'Albaret, rief Sacratif, hütet Eure Zunge! Noch schwankt die Fockraa am Maste der Corvette und ich brauche nur ein Zeichen zu geben...

– So thut es doch!

– Man henkt keinen Officier, rief da der Capitän Todros dazwischen, ihm kommt höchstens der Tod durch Pulver und Blei zu. Jene entehrende Todesart...

– Könnte man sich von einem elenden Schurken einer andern versehen?« fiel ihm Henry d'Albaret in's Wort.

Auf diese letzte beleidigende Aeußerung hin gab Sacratif ein Zeichen, dessen Bedeutung seine rohen Helfershelfer nur zu gut verstanden.

Es war der Befehl zur Hinrichtung.

Fünf oder sechs Mann stürzten sich auf Henry d'Albaret, während Andere den Capitän Todros zurückhielten, der seine Fesseln zu sprengen sachte.

Der Commandant der »Syphanta« wurde unter lautem, wildem Fluchen und entsetzlichen Verwünschungen nach dem Vordertheile geschleppt. Schon war ein Hißtau am Ende der Raa befestigt worden und es hätte jetzt nur noch weniger Secunden bedurft, einen französischen Seeofficier auf diese ehrlose Weise vom Leben zum Tode befördert zu sehen, als plötzlich Hadjine Elizundo auf dem Verdecke erschien.

Das junge Mädchen war auf Befehl Sacratif's herausgeführt worden. Sie wußte es, daß der Anführer der Seeräuber der nichtswürdige Sacratif war, aber auch in dieser schrecklichen Minute bewahrte sie all' ihren Stolz und die bewundernswertheste Ruhe.

Zuerst suchten ihre Augen nach Henry d'Albaret, da sie nicht wußte, ob er inmitten seiner zum großen Theile gefallenen Mannschaft überhaupt am Leben geblieben war. Da bemerkte sie ihn... er lebte... lebte, aber schon schwebte ein furchtbarer Tod über ihm...

Schnell eilte Hadjine Elizundo auf ihn zu und rief:

»Henry, Henry!«

Die Piraten suchten sie wegzureißen, als Sacratif, der jetzt ebenfalls nach dem Vordertheile der Corvette kam, einige Schritte vor Hadjine und Henry d'Albaret stehen blieb. Mit grausamem Spotte sah er die beiden Liebenden an.

»Jetzt befindet sich Hadjine Elizundo in den Händen Nicolas Starkos'! sagte er, die Arme kreuzend. Ich habe also die Erbin des steinreichen Banquiers aus Korfu in meiner Gewalt.

– Die Erbin des Banquiers aus Korfu wohl, nicht aber die Erbschaft!« antwortete Hadjine kalt. Diesen Unterschied mochte Sacratif nicht gleich begreifen; er fuhr also fort:

»Ich gebe mich der angenehmen Hoffnung hin, daß die Verlobte Nicolas Starkos' ihm ihre Hand nicht verweigern wird, wenn sie ihn auch nur unter dem Namen Sacratif wiederfindet.

– Ich? rief entsetzt Hadjine.

– Ja, Du, mein Täubchen! antwortete Sacratif, wenn möglich noch spöttischer als vorher. Daß Du dem opferwilligen Commandanten der »Syphanta« dafür daß er Dich freigekauft, Deine Dankbarkeit zu erkennen geben willst, finde ich ganz in der Ordnung, doch was er gethan, war ich bemüht, ebenfalls zu thun. Um Deinetwillen, nicht wegen der anderen Gefangenen, um die ich mich den Teufel scheere, nur um Deinetwillen geschah es, daß ich mein ganzes Vermögen bei der Versteigerung auf's Spiel setzte. Noch ein einziger Augenblick, schöne Hadjine, dann wär' ich Dein Herr... oder vielmehr Dein Sclave geworden!«

Bei diesen Worten that Sacratif einen Schritt vorwärts. Das junge Mädchen schmiegte sich nur um so inniger an Henry d'Albaret an.

»Elender! rief sie.

– Ja wohl, ich befinde mich auch recht elend, Hadjine, antwortete Sacratif, aber ich rechne eben deshalb auf Deine Millionen, um mich diesem Elend zu entreißen.«

Da trat Hadjine etwas näher auf Sacratif zu.

»Nicolas Starkos, begann sie mit ruhiger Stimme, Hadjine Elizundo besitzt kein Vermögen mehr, das Eure Begehrlichkeit reizen könnte.

Sie hat dieses Vermögen hingegeben, um das Unrecht wieder gut zu machen, welches ihr Vater bei Erwerbung desselben beging. Nicolas Starkos, Hadjine Elizundo ist jetzt ärmer als der letzte jener Unglücklichen, welche die »Syphanta« nach ihrem Vaterlande zurückzuführen im Begriff stand.«

Diese unerwartete Aufklärung brachte bei Sacratif eine plötzliche Veränderung hervor; er wechselte sofort die bisherige Haltung und aus seinen Augen schossen wilde Blitze auflodernder Wuth. Er rechnete ja gar zu sehr auf die Millionen, welche Hadjine Elizundo gewiß gern geopfert hätte, um das Leben Henry d'Albaret's zu retten; und von diesen Millionen – sie hatte es ja eben mit so wahrhaftigem Tone, daß derselbe keinen Zweifel zuließ, selbst ausgesprochen – besaß sie zur Stunde nichts mehr!

Sacratif sah Hadjine und dann wieder Henry d'Albaret an. Skopelo beobachtete ihn, er kannte ihn hinlänglich, um voraus zu wissen, welche Lösung dieser Knoten des Dramas finden werde. Uebrigens hatte er schon die bezüglichen Befehle zur Zerstörung der Corvette erhalten und wartete nur des letzten Winks, dieselben zur Ausführung zu bringen.

Sacratif wendete sich nach ihm hin.

»Geh', Skopelo!« sagte er.

Gefolgt von einigen seiner Leute, begab sich Skopelo nach der zur Batterie hinabführenden Treppe und wandte sich von hier aus nach den Pulverkammern, die im Hintertheile der »Syphanta« lagen.

Gleichzeitig hatte Sacratif den anderen Seeräubern Befehl gegeben, sich nach den, noch immer neben den Langseiten der Corvette gelegenen Briggs zurückzuziehen.

Henry d'Albaret durchschaute Alles; jetzt genügte offenbar sein Tod allein Sacratif nicht mehr, seine Rache zu kühlen. Hunderte von Unglücklichen waren verurtheilt, mit ihm unterzugehen, um den Haß dieses Ungeheuers besser zu stillen.

Schon hatten die zwei Briggs ihre Enterhaken gelöst und begannen sich unter Beisetzung einiger Segel und unter Beihilfe vieler Ruder von der Corvette langsam zu entfernen.

Nur die Besatzung einiger Boote, welche neben der Corvette schaukelten, wartete noch auf der »Syphanta«, bis Sacratif auch ihr befehlen würde, mit ihm einzusteigen.

Eben erschien Skopelo mit seinen Leuten wieder auf dem Verdeck.

»Steig' ein! sagte Skopelo.

– Einsteigen! wiederholte Sacratif mit grauenerregender Stimme. Binnen wenigen Minuten wird nichts von diesem verfluchten Schiffe mehr übrig sein. O, Du wolltest ja keinen entehrenden Tod, Henry d'Albaret! Nun wohl, die Explosion wird weder die Gefangenen, noch die Officiere der »Syphanta« verschonen! Bedanke Dich bei mir, daß ich Dir einen Tod in so guter Gesellschaft gönne.

– Ja, ja, danke ihm, Henry, bat Hadjine, danke ihm! Auf diese Weise werden wir wenigstens zusammen sterben!

– Du, sterben, Hadjine? erwiderte Sacratis. Nimmermehr! Du wirst leben und meine Sclavin sein... meine Sclavin... verstehst Du?

– Nichtswürdiges Scheusal!« rief Henry d'Albaret.

Das junge Mädchen preßte sich dicht an seine Brust. Sie... in der Gewalt jenes Unmenschen!

»Ergreift sie! befahl Sacratis.

– Und steig' ein, mahnte Skopelo. Es ist nun hohe Zeit!«

Zwei rohe Burschen hatten sich auf Hadjine gestürzt und rissen diese nach einer Oeffnung in der Schanzkleidung mit sich fort.

»Und nun, rief Sacratif, mögen Alle mit der »Syphanta« zu Grunde gehen... Alle...

– Ja... Alle... und auch Deine Mutter mit ihnen!«

Es war die bejahrte Gefangene, welche eben, aber diesmal mit unverhülltem Gesicht, auf dem Verdeck erschien.

»Meine Mutter!... Hier an Bord!... rief Sacratis.

– Deine leibliche Mutter, Nicolas Starkos, antwortete Andronika, und von Deiner Hand wird sie den Tod erleiden!

– Schafft sie hinweg!... Hinunter in ein Boot mit ihr!« heulte Sacratis.

Einige Leute drängten sich um Andronika.

In diesem Augenblicke aber stürmten die Ueberlebenden von der »Syphanta« auf das Verdeck. Es war ihnen gelungen, eine Scheidewand des Schiffsraumes einzudrücken und so auf dem Wege über das Vordertheil herauszudringen.

»Hierher!... Zu Hilfe!« rief Sacratis.

Die Piraten, welche sich auf dem Deck befanden, versuchten unter Anführung Skopelo's ihm zu Hilfe zu kommen. Die mit Aexten und Dolchen bewaffneten Mannschaften der Corvette hatten sie jedoch bald bis auf den letzten Mann niedergehauen.

Sacratif sah, daß er verloren war, wenigstens sollten aber doch Alle, die er haßte, mit ihm den Tod finden.

»So spring' in die Luft, verwünschte Corvette, brüllte er, spring' lustig in die Luft!

– Unsere »Syphanta«... in die Luft springen!... Nimmermehr!«

Xaris war es, der mit einer glimmenden Lunte in der Hand sich vorgedrängt und diese Worte ausgerufen hatte, nachdem es ihm gelungen war, jene Lunte von einer Pulvertonne wegzureißen. Dann sprang er mit Tigerwuth auf Sacratif zu und streckte den Schurken mit einem Axthiebe zu Boden.

Andronika stieß einen verzweifelten Schrei aus. Was im Herzen einer Mutter, trotz aller Schandthaten des Sohnes, an mütterlicher Liebe schlummerte, war noch einmal in ihr aufgewacht. Sie hatte den Schlag, der seinen Schädel zerschmetterte, abwenden wollen...

Dann sahen Alle, wie sie auf den Körper Nicolas Starkos' zuging und neben ihm niederkniete, als wollte sie ihm mit einem letzten Lebewohl eine letzte Verzeihung zuflüstern... bald aber sank sie an der Seite des Leichnams zusammen.

Henry d'Albaret eilte zu ihr hin...

»Todt! sagte er, Gott vergib dem Sohne aus Erbarmen für die Mutter!«

Inzwischen hatten einzelne der Piraten, welche sich schon in den Booten befanden, eine der Briggs erklimmen können. Sofort verbreitete sich die Nachricht von dem Tode Sacratif's.

Es galt, ihn zu rächen, und die Kanonen der Flottille begannen noch einmal gegen die »Syphanta« zu feuern.

Vergeblicher Versuch! Henry d'Albaret hatte das Commando der Corvette wieder übernommen. Was von seinen Leuten – vielleicht hundert Mann – noch übrig war, stürzte nach den schweren Geschützen in der Batterie und nach den Karonaden auf dem Verdeck, welche sehr bald erfolgreich auf die Breitenlagen der Seeräuber Antwort gaben.

Eine der Briggs – dieselbe, auf welcher Sacratif seine schwarze Flagge gehißt hatte – wurde schon von den ersten Vollkugeln in der Schwimmlinie zerschmettert und verschwand unter den schrecklichsten Verwünschungen der Piraten, welche sich darauf befanden.

»Nur Muth, Jungen, tüchtig darauf los! rief Henry d'Albaret seinen Leuten zu, wir retten noch unsere »Syphanta«!«

Noch eine Zeit lang dauerte der Kampf von beiden Seiten fort; jetzt war aber der unbezähmbare Sacratif nicht mehr vorhanden, der sonst seine Leute in blindem Ungestüm mit sich fortriß, und so wagten Jene auch nicht, noch einmal die Corvette selbst zu stürmen. Von der ganzen Flottille waren bald nur noch fünf Fahrzeuge übrig. Die Geschütze der »Syphanta« konnten dieselben auch in einiger Entfernung zum Sinken bringen. Da der Wind jetzt an Stärke zugenommen hatte, machten die Piraten sich denselben zu nutze und ergriffen die Flucht.

»Hoch Griechenland!« rief Henry d'Albaret, während die Flagge der »Syphanta« zum Top des Großmastes empor stieg.

»Hoch Frankreich!« antwortete die ganze Besatzung, um die beiden Namen nebeneinander zu stellen, welche im Unabhängigkeitskriege ja von jeher so eng vereinigt gewesen waren.

Es war jetzt um fünf Uhr Abends. Trotz der vorhergegangenen Anstrengungen kam doch keinem Mann an Bord der Gedanke zu rasten, bevor die Fregatte nicht wieder in völlig segelklaren Zustand gebracht war. So wurden denn, wo es nöthig war, Reservesegel beigesetzt, die Untermasten durch Wangen verstärkt, an Stelle des zersplitterten Besans ein Nothmast eingehoben; dann zog man frische Hißtaue ein, legte neue Mastseile und brachte das Steuerruder wieder in Ordnung, so daß die »Syphanta« noch am nämlichen Abend ihre Fahrt nach Nordwesten fortsetzen konnte.

Der auf dem Vordercastell niedergelegte Leichnam Andronika's wurde mit all' der Hochachtung aufgebahrt, welche das Andenken an ihren so oft bewiesenen Patriotismus verdiente. Henry d'Albaret wollte die sterblichen Ueberreste der muthvollen Frau nur in der heimatlichen Erde bestattet wissen.

An den todten Körper Nicolas Starkos' befestigte man dagegen eine Vollkugel, und mit dieser verschwand er dann im Gewässer des Archipels, den der Seeräuber Sacratif so lange durch seine Schandthaten beunruhigt hatte.

Vierundzwanzig Stunden später, am 7. September gegen sechs Uhr Abends, bekam die »Syphanta« die Insel Aegina in Sicht und lief dann, nach einjähriger Kreuzfahrt, welche die Sicherheit in den griechischen Meeren wieder hergestellt hatte, in den Hafen dieser Insel ein.

Hier ließen die Passagiere ein tausendfältiges Hurrah erschallen.

Bald nach der Ankunft verabschiedete sich Henry d'Albaret von den Officieren seines Schiffes, wie von der getreuen Mannschaft, und legte das Commando dieser Corvette, welche Hadjine der neuen Regierung zum Geschenk machte, in die Hände des Capitäns Todros nieder. Wenige Tage später wurde unter großem Zulauf der einheimischen Bevölkerung, sowie in Gegenwart der Stabsofficiere, der Mannschaften und der, von der »Syphanta« der geliebten Heimat wiedergegebenen Passagiere die Vermählung Hadjine Elizundo's mit Henry d'Albaret gefeiert. Am nächstfolgenden Tage schon reisten sie in Begleitung des erprobten Xaris, der sie niemals wieder verlassen sollte, nach Frankreich ab, aber mit dem Vorsatze, nach Griechenland zurückzukehren, sobald die Umstände es erlauben würden.

Auf den so lange Zeit unsichern Meeren wurde es allmählich schon friedlicher. Die letzten Seeräuber waren verschwunden, und die unter dem Befehle des Capitäns Todros noch eine Zeit lang kreuzende »Syphanta« fand niemals wieder eine Spur von jener schwarzen Flagge, welche mit Sacratif vom Meere verschlungen war. Jetzt stand nicht mehr der »Archipel in Flammen«, sondern öffnete seine friedlichen Straßen, nachdem auch die letzten Funken erloschen waren, wieder dem Handelsverkehre des fernen Morgenlandes.

Dank dem aufopfernden Heldenmuthe seiner Kinder, nahm nun das Königreich Griechenland bald seine Stelle unter den freien, unabhängigen Staaten Europas ein. Am 22. März 1829 unterzeichnete der Sultan einen Vertrag mit den alliirten Mächten. Am 22. September befestigte der Ausfall der Schlacht bei Patras den endlichen Sieg der Griechen. Im Jahre 1832 endlich setzte der Londoner Vertrag dem Prinzen Otto von Bayern die Krone auf's Haupt. Das Königreich Griechenland war damit endgiltig begründet.

Zu jener Zeit ungefähr kehrten auch Henry und Hadjine d'Albaret nach dem schönen Lande zurück, wo sie sich, freilich nur unter bescheidenen Vermögensverhältnissen, für immer niederließen; was brauchten sie aber Gut und Geld, um glücklich zu leben, da sie das reinste Glück schon in sich selbst gefunden hatten?


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