Vergil
Landbau
Vergil

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Nicht umsonst auch spähn wir den Untergang und den Aufgang
Deutender Stern' und des Jahrs vierfach abwechselnde Gleichheit.
Wenn einst frostiger Regen daheim den Ackerer aufhält,

260  Manches, was bald müßt' eilig geschehn am heiteren Himmel,
Schafft er mit regerem Fleiß. Er schärft vorhämmernd des Pfluges
Stumpfen Zahn, er höhlt sich Nachen und Trog aus dem Baumstamm,
Zeichen auch prägt er dem Vieh und die Zahl dem Haufen Getreides.
Andere spitzen sich Pfähl' und zweigehörnete Gabeln,
265  Oder bereiten der Reb' amerinischeBei der umbrischen Stadt Ameria wuchsen Weiden mit rötlichen geschmeidigen Zweigen, die man zum Anbinden des Weins und zur Korbflechterei gebrauchte. Im nördlichen Italien kannte man einunddreißig Weidenarten. Hier ist die Rotweide (salix rubra) gemeint. Weiden zur Fessel.
Jetzo geschmeidige Körb' aus Brombeerranken geflochten,
Jetzo die Frucht am Feuer gedörrt und mit Steinen zermalmt.
Denn auch an festlichem Tag' etwas zu betreiben erlaubt uns
Religion und GesetzAn Herbst- und Winterfesttagen waren die Beschäftigungen, die nur des Gewinnes halber unternommen wurden, verboten; dringende landwirtschaftliche Arbeiten dagegen waren an diesen Tagen (wie bei uns) gestattet. . Abfließende Bäche zu leiten
270  Wehrt kein Götterverbot, Saatfeld mit Gehege zu sichern,
Schlingen zu legen den Vögeln und anzuzünden den Dornbusch,
Auch die blökende Herd' im heilsamen Bache zu badenNur um die Räude zu verhüten, welche am häufigsten beim Schafe und Pferde vorkommt, nicht um die Wolle zu waschen, durften die Schafe auch an Festtagen in die Schwemme getrieben werden. .
Oftmals lastet mit Öl dem langsamen Esel die Schultern
Oder gemeinerem Obste sein Herr, daß geschärft er den Mühlstein
275  Oder den Klumpen des Pechs von der Stadt heimbringe zur Wirtschaft.

Andere Tage verlieh in anderer Ordnung uns Luna,
Glücklich zum Werk. Den fünften geflohn; der erbleichende Orkus
Sproß und die Furien dann; es brütete Tellus zum Unheil
Cöus samt Japetus aus und den wilden TyphoeusCöus, Japetus, Titanen, Söhne des Himmels und der Erde; Typhoeus, ein Ungeheuer mit hundert Drachenköpfen, eine Ausgeburt des Tartarus und der Erde, wurde, als er den Jupiter stürzen wollte, durch dessen Blitz in den Tartarus, nach einer anderen Sage unter den Ätna geschleudert, wo er fortlebend Feuer speit. Die Himmelstürmer (V. 280) sind die Riesensöhne des Aloeus (Aloiden), Otus und Ephialtes, die den Himmel einreißen wollten. ,

280  Auch das Riesengeschlecht der verschworenen Himmelstürmer:
Dreimal rang's, zum Bau auf Pelion Ossa zu wälzen,
Siehe, und hoch auf den Ossa den waldumrauschten Olympus;
Dreimal donnerte Zeus die getürmeten Berg' auseinander.

Heilsam ist nach dem zehnten der siebente, daß man den Rebling

285  Senk' und gefangene Stier' einjoch' und Garn des Gewebes
Zettele, besser der neunte zur Flucht, ungünstig dem Diebstahl.

Vieles sogar wird besser in nächtlicher Kühle vollendet,
Oder wenn Luzifer taut auf blinkende Felder im Frührot.
Nachts wird nichtige Stoppel und nachts die trockene Wiese

290  Besser gemäht; die Nächte verläßt nicht linde Befeuchtung.

Mancher auch wohl, vom Glanze des Winterherdes umleuchtet,
Wacht noch spät und schneidet mit Stahl sich spitzige Fackeln:
Während sein Weib, durch Gesang der Arbeit Weile verkürzend,
Emsig mit rasselndem Kamm die gewechselten Fäden durchwebet

295  Oder dem süßen MostSüßen Weinmost kochte man mit würzigen Kräutern und Blüten ein, und zwar in Nächten ohne Mondschein oder, wenn dieser am Himmel war, bei Tage. Er diente alsdann entweder mit Milch vermischt als Festgetränk oder als Zusatz zu anderen Weinen, um sie dauerhaft zu machen. Um jeden Beigeschmack, den kochender Wein leicht annimmt, zu verhüten, nahm man Blätter, nicht Holz. an der Glut die Feuchtigkeit auskocht,
Oft mit Laub abschäumend die Wallung des zitternden Kessels.

Aber das rötliche Korn mäht ab in der Hitze des Mittags
Und in der Hitze des Mittags zermalmt auf der Tenne die Ähren.

Nackend gepflügt und nackend gesät; im Winter gefeiert.

300  Während der Kälte genießt des Erworbenen gerne der Landmann,
Froh mit der Nachbarschaft umgehende Schmäuse besorgend.
Festlich rufet der Winzer zur Lust und verbannet die Sorgen:
Wie wenn schwer von Lasten die Kiel' in den Hafen gelangt sind,
Und ihr Steuerverdeck umkränzeten fröhliche Schiffer.
305  Aber auch dann ist's Zeit, die laubige Eichel zu sammeln,
Lorbeer auch und Oliven, und blutige Früchte der Myrte;
Dann den Kranichen Schlingen und Garn zu legen den Hirschen,
Auch langlöfflige Hasen im Lauf und die Gems zu erjagen,
Drehend die hanfene Schnur der balearischenDie Bewohner der Balearischen Inseln (Majorka und Minorka) waren berühmte Schleuderer. Schleuder,
310  Wenn hoch lieget der Schnee und der Strom Eisschollen herabdrängt.

Was noch der Herbstunwetter bei tobenden Sternen erwähn' ich,
Und, wenn kürzerer Tag schon ist, und milderer Sommer,
Welcherlei Sorg' uns geziemt? auch wenn platzregnend der Lenz sinkt
Wenn schon nickende Ähren dem Feld' aufstarreten, und wenn

315  Junges Getreid' in der Grüne des Halms sich blähet von Milchsaft?
Oft sogar, wenn der Schnitter in gelbliche Fluren der Landmann
Führte, vom trockenen Halme die Gerst' in der Eile zu schneiden,
Ringsher sah ich zum Kampfe der Wind' Aufruhr sich versammeln,
Welche die schwangere Saat weithin mit den untersten Wurzeln
320  Hoch in die Lüfte gerafft, fortschleuderten: so wie des Winters
Schwarzer Orkan Strohhalme zerstreut und fliegende Stoppeln.
Oft auch schwärmt um den Himmel ein Heer endloser Gewässer;
Graunvoll drängen den Schwall dickwogender Schauer die Wolken,
Schwarz aus dem Meer aufziehend; es stürzt mit Geprassel der Äther,
325  Daß der gewaltige Guß Fruchtpflanzen und Werke der Ringer
Weit zerschwemmt und die Gräben erfüllt; der gehöhlete Bergstrom
Steigt mit Getös' und es brauset in stürmenden Sunden die Meerflut.
Selbst der ewige Vater hervor aus des grausen Gewölks Nacht
Schwingt helleuchtenden Blitz in der Hand, daß ganz von der Regung
330  Bebet die Erd'; verscheucht ist das Wild, und den sterblichen Herzen
Sank das zagende Herz vor dem Schrecklichen. Jetzo den Athos,
Jetzt der Ceraunien Haupt und des Rhodope schlägt sein entbrannter
Donner hinab: Es erneu'n sich die Wind', und der dichteste Regen,
Daß nun Hain, vom Sturme zerwühlt, nun Meeresgestad' hallt.

335 

Dessen besorgt, späh' oben der Monate Gang und der Sterne,
Wo der kalte SaturnusSaturn durchläuft in der weitesten Entfernung von der Sonne seine Bahn. Er bringt, besonders in Italien, im Steinbock Platzregen, im Skorpion Hagel. sich hingewendet am Himmel,
Was für Kreise verirrt das cyllenischeMerkur, der Sohn der Maja, heißt Cyllenius von seinem Geburtsorte, dem arkadischen Berge Cyllene. Er durchläuft unter allen Planeten die kleinste Bahn in einem Zeitraum von 87 Jahren 23¼ Stunden, während die Umlaufzeit des Saturn 29½ Jahre beträgt. Mithin durchläuft Merkur mehrere Male seine Bahn, ehe Saturn die seinige nur einmal vollendet. Feuer durchwandre,
Doch die Unsterblichen ehre zuerst und erneue der großen
Ceres ihr jähriges Fest, auf lachenden Augen ihr opfernd,

340  Wenn der äußerste Frost sich verzog, schon heiter der Lenz naht.
Dann sind fett die Lämmer, und dann sehr milde die Weine,
Dann ist lieblich der Schlaf, und dicht auf Bergen der Schatten.
Laß da die ländliche Jugend geschart anbeten die Ceres:
Du zerlaß ihr Honig in Milch und der Süße des Weines;
345  Dreimal umgeh' heilbringend die jungen Früchte das Opfer,
Welches der sämtliche Chor und die jauchzenden Freunde begleiten
Und mit Geschrei in die Häuser die Göttin rufen. Zuvor auch
Wolle dem reifenden Korn niemand anlegen die Sichel,
Bis er, vom Eichenkranze die Schläf' umwunden, der Ceres
350  Erst ungeordnete Reigen getanzt und Lieder gesungen.

Aber damit wir solches an sicheren Zeichen erkennen,
Sonnige Schwül' und Regen und kalt anhauchende Winde,
Ordnete Jupiter selbst, was sie mondebegrenzende Luna
Deutete, welchem Zeichen der Süd sich legte, wie oftmal

355  Vorgewarnt Landbauer das Vieh nah hielten der Stallung.

Gleich wenn die Wind' aufsteigen, beginnt entweder des Meeres
Ahnende Flut unruhig emporzuwallen, und hochher
Trocknes Gehölz zu ertönen im Bergwald; oder entlang wühlt
Hallend der Strand, und dumpfer in Holzungen schwillt das Gemurmel.

360  Doch jetzt kaum noch enthält sich des krummen Kiels dir die Woge,
Wenn aus der Mitte des Meers die verschüchtern Taucher entflattern
Und mit Geschrei zum Strande daherziehn; wenn auf dem Trocknen
Spielet das WasserhuhnDas Wasserhuhn (Bläßhuhn, fulica atra) ist in der ganzen Welt mit Ausnahme des höchsten Nordens verbreitet, und ebenso ist auch der graue Reiher (ardea cinera) überall heimisch. , und die traulichen Sümpfe verlassend,
Über das hohe Gewölk sich der fliegende Reiher emporschwingt.
365  Oft auch siehest du Sterne, sobald anhebet der Sturmwind,
Jähen Falls am Himmel entfliehn, und das nächtliche Dunkel
Hell nachstreifende Flammen in langem Zuge durchschimmern;
Oft, wie nichtige Spreu umfliegt und gefallene Blätter,
Oder wie schwimmender Flaum den Tanz auf dem Wasser beginnet.

370 

Doch wenn Boreas wild androht mit Leuchtungen, auch wenn
Eurus' und Zephirus' Burg laut donnerte, alle die Äcker
Schwimmen, die Gräben gefüllt, und all' im Meere die Schiffer
Rollen die triefenden Segel zurück. Nie, ohne zu warnen,
Schadete Regenguß. Entweder floh'n, wenn er aufstieg,

375  Tief in die Täler herab die KranicheDie Kraniche ziehen immer sehr hoch, nur bei nebliger und stürmischer Witterung und in finsterer Nacht niedriger als bei freundlicher Witterung und Sonnen- oder Mondenschein. , oder die Färse,
Blickend zum Himmel empor, schnob Luft in offene Nüstern,
Oder die zwitschernde Schwalb' umflog hinstreifend die Weiher,
Oder es quakten die Frösche im Sumpf ihr ewiges Klaglied.
Oft auch enttrug die Puppen den inneren Zellen die Ameis',
380  Schmal sich tretend den Pfad; auch trank der farbige Bogen
Weitgespannt, und die Weid' in mächtigen Scharen verlassend,
Rauschte das Volk der RabenDer Rabe vereint sich nie zu Scharen, wohl aber die Raben- oder Saatkrähe (corvus corone), an die hier wohl zu denken ist. daher mit dichtem Gefieder.
Dann die mancherlei Vögel des Meers, und was in Kaystrus'
Süßem Gesümpf ringsum die asischen Wiesen durchstöbert,
385  Siehst du mit reichlichem Naß sich eifrig besprengen den Nacken,
Bald ihr Haupt darstrecken der Flut, bald laufen ins Wasser,
Und wie betört frohlocken im eitelen Spiele des Bades.
Schamlos ruft auch die Kräh' aus vollem Halse dem Regen,
Während für sich einsam auf trockenem Sande sie wandelt.
390  Selbst an nächtlicher Spindel beschäftiget, waren die Mägdlein
Nicht unkundig des Sturms, wenn funkelnd in irdener Lampe
Sprühte das Öl und dem Dochte wie Schwamm anwuchsen die Schuppen.

Doch nicht minder aus Regen die Sonn' und heitere Bläue
Ausspähn kannst du zuvor und an sicheren Zeichen erkennen.

395  Denn nicht scheint an den Sternen der Glanz nun schwächeren Ansehns,
Noch mit des Bruders Strahlen belehnt die steigende Luna,
Oder wie wollige Flocken der Duft am Himmel zu schweben.
Nicht am Gestad' auch breiten die HalcyonenHalcyone, die Gemahlin des Königs Ceyx, stürzte sich ins Meer, als sie den Leichnam ihres durch Schiffbruch verunglückten Gatten ans Land treiben sah. Wegen dieser treuen Liebe wurden beide von Thetis in Eisvögel verwandelt, vgl. Ovid, Verwandlungen XI, 410ff. Wenn der Eisvogel am Ufer sich sonnend mit den Flügeln spielt, so galt dies als schlimmes Wetterzeichen. Übrigens ist hier nicht der bei uns vorkommende gemeine Eisvogel (alcedo hispida) gemeint, sondern der griechische Eisvogel (alcedo rudis), dessen Gefieder nur schwarz und weiß ist. Er findet sich in den Nilländern und in Westasien sowie in Dalmatien und Griechenland. der Thetis
Gegen die wärmende Sonne die Fittiche; nicht auf dem Hofe
400  Werfen besudelte Säue zerwühltes Gebund mit dem Rüssel.
Aber es senkt sich der Nebel gemach und deckt die Gefilde;
Auch die westliche Sonn' auf hohem Giebel bemerkend,
Übt umsonstDas Krächzen der Eule nach Sonnenuntergang galt in der Regel als Anzeichen schlechten Wetters, ohne daß dies immer folgte. ihr spätes Getön die jammernde Eule.
Hoch am gekläreten Himmel erscheint der schwebende NisusDer Feindschaft zwischen dem Meeradler und einem Ciris genannten Vogel lag folgende Mythe zugrunde: Szylla, die Tochter des Königs Nisus von Megara, schnitt, als Minos Megara belagerte, ihrem Vater die purpurne Haarlocke, von der dessen Schicksal abhing, ab, um sie dem Minos zu geben. Dafür wurde sie in den Vogel Ciris und Nisus in einen sie stets verfolgenden Meeradler verwandelt. Diesen Mythus benutzt der Dichter zur Ausmalung des Spiels der Vögel bei heiterem Himmel. Behandelt ist der Gegenstand in dem früher dem Vergil zugeschriebenen Gedichte Ciris. ,
405  Und für das purpurne Haar büßt ihm die Verräterin Szylla:
Wo sie luftige Höh'n im Entfliehn mit der Schwinge durchschneidet,
Siehe, voll feindlicher Wut, mit lautem Geräusch durch den Äther
Folgt ihr Nisus umher; wo Nisus sich hebt in den Äther,
Fliehet sie, luftige Höh'n pfeilschnell mit der Schwinge durchschneidend.
410  Jetzo erschallt auch Raben aus hellerer Kehle ihr dreifach,
Ja vierfaches Gekreisch; und oft in erhabenen Lagern,
Über Gewohnheit entzückt von unerklärbarer Wollust,
Rauschen sie wild in dem Laube; sie freut's, da der Regen geendet,
Wieder ihr kleines Geschlecht und behagliches Nest zu besuchen.
415  Zwar nicht heg' ich den Wahn, weil jenen der Geist von der Gottheit
Ausging, oder Verstand, der das Schicksal lenkt, sie beseelet,
Nein wenn jetzo der Sturm und die wankende Nässe des Himmels
Andere Bahnen gewählt, und Jupiter, triefend vom Südwind,
Dicht, was verdünnt war, drängt, und, was verdichtet war, auflöst,
420  Wandelt sich auch der Seelen Gestalt, und Regungen füllen,
Andere nun, und andre, da Wind die Gewölke verfolgte,
Ihnen die Brust. Daher solch Vogelgeschrei in den Feldern,
Solcherlei Freude der Herd', und die jauchzende Kehle der Raben.

Wenn du zur eilenden Sonne jedoch und den folgenden Mondes-

425  Wandlungen wendest den Blick, nie mag dich die morgende Stunde
Täuschen und nie die Tücke der heiteren Nacht dich betrügen.
Wenn die erneuete Luna, das kehrende Feuer versammelnd,
Jetzo mit trübem Gehörn den dunkelen Äther umspannet,
Drohn unendliche Güsse dem Landmann sowie dem Schiffer.
430  Doch wenn das Antlitz ihr jungfräuliche bedecket,
Mahnt der Wind: vor dem Wind' errötet die goldene Phöbe.
Wenn nun am vierten des Laufs, denn der gibt treffende Deutung,
Klar und nicht mit stumpfem Gehörn sie den Himmel durchwandelt,
Dann ist völlig der Tag, und die ihm folgend heraufziehn,
435  Bis zum vollendeten Monde vor Wind und Regen gesichert,
Und ihr Gelübde bezahlen gerettete Schiffer am Meerstrand
Dir, Panopea, und Glaukus, und Inos Sohn MelicertesGlaukus war ein böotischer Fischer aus Anthedon, der sich nach dem Genusse eines betäubenden Krautes ins Meer stürzte und in einen wahrsagenden Meergott verwandelt wurde. – Panopea eine Nereide. – Ino, eine Tochter des Kadmus, stürzte sich, als sie von ihrem rasenden Gatten verfolgt wurde, mit ihrem Sohne Melicertes von einem Felsen ins Meer. Sie wurde in eine Meergottheit verwandelt und hieß als solche Leucothea; ihr Sohn heißt seitdem Palämon. .

Auch die Sonn', aufstrahlend, und wieder ins Meer sich verbergendDer Untergang der Gestirne wird bekanntlich als ein Untertauchen ins Meer bezeichnet. ,
Zeichnet die Luft; es folgen der Sonne untrügliche Zeichen,

440  Beides die frühe sie trägt, und wenn auftauchen die Sterne,
Wird sie eben erwachend den Glanz mit Flecken besprenkeln,
Eingehüllt in die Wolk' und halb mit der Scheibe zurückfliehn,
Sehr dann hab' auf Regen Verdacht; denn hoch aus dem Meere
Stürmet der Saat und den Bäumen der Süd und der Herde zum Unheil.
445  Aber wofern der Morgen ihr Licht durch gedrängete Wolken
Rings ausbrechende Strahlen umhergießt, oder Aurora
Bleich aufsteigend verläßt das vergoldete Lager des Tithon,
Ach, gar schlecht dann schirmet die reifenden Trauben das Weinlaub,
So dicht prasselt herab auf das Dach der entsetzliche Hagel.
450  Des auch, wenn sie verläßt die durchwanderte Bahn des Olympus,
Frommt dir wohl zu gedenken noch mehr. Dann schauen wir oftmals,
Wie abwechselnde Farben der Sonn' umirren das Antlitz.
Blaugefleckt wird sie Regen verkündigen, feurig den Ostwind.
Aber sobald ihr Flecken zu rötlichem Feuer sich mischen,
455  Rings dann, schaue, zugleich von des Sturmes Gewalt und des Regens
Strudelt es. Daß mir keiner in solcherlei Nacht durch die Meerflut
Rate zu gehn, noch dem Land' unklug zu entrücken das Schiffstau.
Doch wofern, wenn sie bringet den Tag und senkt den gebrachten,
Strahlt ihr leuchtender Kreis, umsonst dann schrecken dich Schauer,
460  Und sanft siehst du die Wälder in hellem Norde beweget.

Kurz, was der Abend dir spät zuführ', ob heitere Wolken
Irgendwoher anwehn, ob laur' ein feuchtender Südwind,
Kündet die Sonne zuvor. Wer mag die Sonne der Falschheit
Schuldigen? Sie hat oft die Gefahr des verborgenen Aufruhrs

465  Angesagt und Verrat und heimlich gärende Kriege.
Sie blickt' auch auf Rom nach Cäsars Fall mit Erbarmung,
Als sie das strahlende Haupt in dunkele Bräune verhüllte,
Und vor ewiger Nacht sich fürchteten frevelnde Völker.

Damals zwar gab selber die Erd' und die Fluten des Meeres,

470  Unheildrohende Hund'Wenn die Hunde des Nachts bellten, glaubte man, sie sähen Gespenster. und unwillkommene Vögel,
Zeichen genug. Wie oft auf die Äcker umher die Zyklopen
Sahn wir im Schwall vorbrausen aus berstender Esse den Ätna,
Dem rotflammende Bäll' und geschmolzene FelsenDurch die Gluten eines ausbrechenden Vulkans können auch Steine geschmolzen werden; so beim Ausbruch des Vesuv im Jahre 1737. entrollten.
Klirrende Waffen vernahm Germania rings in des Äthers
475  Regem Gewölk; ungewohnter Erschütterung bebten die Alpen.
Auch ein häufiger Ruf durchscholl die schweigenden Haine
Mächtig, und die Gebild' in gräßlicher Todesblässe
Schwebeten durch Nachtdunkel; es redeten Tiere des Feldes,
Schauerlich! Ström' auch stehn, es zerspaltet das Land, ja vor Wehmut
480  Tränet das Elfenbein und schwitzet das Erz in den Tempeln.
Hochauf schwoll, und, drehend in wütendem Strudel die Wälder,
Trug der König der Ström' Eridanus durch die Gefilde
Weit mit den Ställen die Herden umher. Auch rastete nimmer
Traurigem Eingeweide der drohenden Fibern Erscheinung,
485  Noch den Brunnen die Ader des rötenden Blutes; und tief auch
Hallten in Mitternacht von heulenden Wölfen die StädteEs galt als böses Vorzeichen und wurde als Vorbedeutung eines bevorstehenden schlimmen Krieges angesehen, wenn Wölfe einer Stadt so nahe kamen, daß man ihr Geheul in der Stadt hörte. Auch Kometen (V. 488) hielten die Alten (wie auch heute noch abergläubische Menschen) für Verkündiger von allerlei Unglück. .
Niemals sonst entzuckten dem heiteren Himmel so viele
Leuchtungen; niemals brannten so oft graunvolle Kometen.

Darum sah in der Schlacht zum zweiten Male Philippi

490  Scharen von römischen Bürgern mit gleichem Geschoß sich begegnen;
Und nicht deucht' es die Himmlischen hart, daß Emathia zwiefach
Floß, und des Hämus Gefilde, mit unserem Blute getränket.
Siehe, dereinst wird kommen der Tag, da in jenen Bezirken,
Wenn mit gebogenem Pflug' er die Erd' aufwühlet, der Landmann
495  Römische Speer' auswühlt, vom schartigen Roste zerfressen,
Oder mit schwerem Karst hohlklingende Helme hervorschlägt,
Und anstaunet die großen Gebein' aus durchwühleten GräbernNach dem Glauben der Alten ist das Menschengeschlecht im Laufe der Zeit immer mehr ausgeartet und zu einem schwächeren und kleineren herabgesunken, und darum wundern sich die Nachkommen über die Größe der früheren Menschen. .

Heimische Mächte der Väter, und Romulus, Vesta du Mutter,
Welche den tuskischen Tiber und Roms Palatium schirmet,

500  Laßt ihn doch der zerrütteten Welt Heil bringen, den Jüngling.
Wehret ihm nicht: Schon haben wir längst mit unserem Blute
Abgebüßt Meineide der laodemontischen TrojaNach der Sage verweigerte der trojanische König Laomedon dem Apollo und Neptun, welche ihm die Mauern Trojas erbaut hatten, den ausbedungenen Lohn. .
Schon vorlängst mißgönnet dich uns, o Cäsar, des Himmels
Königsburg, unwillig, daß Menschentriumph du noch achtest;
505  Hier, wo Recht sich verkehret und Unrecht, Krieg durch den Erdkreis
Tobt, und des Greuls vielfache Gestalt, wo die Ehre des Pfluges
Hinschwand, öde das Feld die entführeten Pfleger betrauert,
Und zum starrenden Schwert umschmilzt die gebogene Sichel.
Dorther droht EuphratesGegen die Parther, die Vergil hier durch den Euphrat bezeichnet, kämpfte Antonius; um dieselbe Zeit (35 v. Chr.) war Agrippa gegen die Angriffe deutscher Völkerschaften an den Rhein gezogen. , und dort Germania Kriegswut;
510  Nachbarstädte zerrütten den Bund miteinander und tragen
Feindliche Wehr; rings wütet der frevelnde Mars durch den Erdkreis.
Wie wenn, aus offenen Schranken hervor sich stürzend, ein Vierspann
Kreis vollendet auf Kreis, und umsonst das Gezäume der Lenker
Spannt; ihn entreißen die Ross', und es trotzt der Wagen den Zügeln.

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