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Salat

 

Weh mir, wie mancher Kraftsalat
ging mir zu Schanden.

Aristophanes (Acharner)

 

Wer einen guten Salat zu bereiten versteht, wird unstreitig ein gutes Buch zu schreiben imstande sein! Die Haltbarkeit dieses Satzes ist eine von den vorzüglichsten Früchten, die meinen jahrelangen Bemühungen über Salat, über das Wesen desselben, dessen Bereitung und Bedeutung zuteil geworden sind. Ich stelle den Beweis davon nicht an die Spitze dieser Betrachtungen, damit ich nicht jenen Krämern gleiche, die das beste Stückchen ihrer Ware an den Eingang ihres Ladens hinstellen, um dann dem armen, herangelockten Käufer innerhalb desselben nur Mittelmäßiges zu bieten. Vielmehr habe ich die humane Absicht, den abgeneigten Leser, bei dem nicht viel versprechenden Äußeren meines Gegenstandes, das er mit allem Tüchtigen gemein hat, zu einem geneigten Eingehen zu ermutigen.

Sollte diese Äußerung den unbescheidenen Anstrich gewinnen, als wäre ich des glücklichen Erfolgs meiner Salatautorschaft mit Eigendünkel mir bewußt: so bemerke ich, daß ich leider noch gar nicht glauben kann, schon irgend im Leben guten Salat bereitet zu haben. Vielmehr klagte ich mich schon vor dem inneren Richter an, daß ich mich zur kleinen Schar der Auserwählten zählte, die bei dem Genuß dieses deutungsvollen, geheimnisvollen Gerichts angeregt werden zu allen jenen Offenbarungen, die das Insichaufnehmen eines gelungenen oder mißlungenen Salats so unausbleiblich zur Folge hat.

Wenn ich aber länger bei dem Salat verweile als bei anderen seither dargereichten Gerichten, so möge man beachten, selbst wenn man gar kein Lieblingsgericht hat, daß der Salat die Verzierungen liebt und keine Speise zum Sattessen ist; daß er ja seinen edlen Kern, das Herz, zwischen langen und längeren Blättern verhüllt, sein höchstes, lebendigstes Dasein verbergend unter reicher Fülle des Schmucks! Ist es ein Verdienst, seine Darstellung dem Gegenstande anzupassen und zu identifizieren, so möge man für diesmal einige Langblätterigkeit nicht entschuldigen – sondern anerkennen. Meine etymologischen Untersuchungen gebe ich nur, um die Puristen zu besänftigen, denen manche kulinarischen Ausdrücke gewiß Kopfschütteln verursacht haben. Ihnen zu Liebe, wie aus angeborener Sanftmut, habe ich das Geschichtliche mit dem Etymologischen vereinen wollen, obgleich es meine Schuld nicht ist, daß unsere Nachbarn jenseits des Rheins uns einen Vorsprung abgewonnen haben in der Terminologie der Küchenwissenschaften.

Gibt es aber etwas Trockeneres als dies Gebiet der Geschichte, die äußersten Salatblätter etwa ausgenommen, die, von Staub, Sonne und Gewürm zerfressen, einen so unerfreulichen Anblick gewähren? Und doch werden wir dies Gebiet miteinander durchwandern müssen, da, nach herkömmlichem Brauche, jeder Anfang einer Abhandlung durchaus das Geschichtliche seines Gegenstandes berühren muß, was sie »historisch fußen« nennen, und wonach jede literarische Geburt einer unglücklichen gleicht, die mit den Füßen zuerst zur Welt kommt.

Welcher Zeit, welchem Volke, welchem Sprachstamme gehört das auch in unsere Sprache aufgenommene Wort Salat an? Kaum ausgesprochen, werden diese drei bösen Fragen, wie schon so oft, wieder der Zankapfel aller Nationen und Länder. Denn kaum ergibt sich, daß es alten und neuen Völkern mit dem Salate wie mit allen großen und mit Ehrfurcht ausgesprochenen Dingen ergangen ist: daß sie nämlich einen Teil für das Ganze gesetzt und wegen des eminierenden Salzelements dieses gleich dem Universum aus vier Elementen entstandenen Gerichts als Ganzes »Salat« genannt haben, als schon zuerst die Griechen mit ihrem Halos ihn als ihr Eigentum vindizieren und sich deshalb auf Halle, Hallein und Schwäbisch-Hall beziehen, welche alle Salzstädte sind. Ja, in erster Stadt will man sogar seit alter Zeit attisches Salz zu Markte gebracht haben.

Diesen nun folgen die Römer und ihre Sprachzweige. Das französische »Salade« stammt aus dem lateinischen »Sal«, Salz. Die Italiener nennen eine Kopfbekleidung – eine Art von Helmen – »Celata« aus dem lateinischen »Caelare«, ursprünglich die Kunst, erhabene Arbeit, Bas- und Haut-Relief zu verfertigen, weil jene Helme mit Figuren geschmückt waren. Die Franzosen nannten aus Unverstand diese Helme Salades, so daß man oft nicht wußte, ob von einem Helme oder Salatnapf die Rede war.

»Sal«, Salz, ward im Altertume so hoch geschätzt, daß man Lohn »Salarium« nannte. Die Römer sagten nicht: Er verdient sich sein Brot – sondern: Er verdient sich sein Salz. Wie denn auch in Indien von Leuten, die einem anderen dienen, gesagt wird: Sie essen sein Salz, und die Holländer sagen, wenn sie jemandes Unterhalt gesichert haben: Er verdankt mir sein Salz.

Die Deutschen und Slawen haben noch deutlicher sprechende Dokumente, als »Sal«, »Sol« und Salz. Adelung meint, da der Salat vorzüglich breite Blätter hat, so scheint es, daß diese breite Beschaffenheit seiner Blätter zu seiner Benennung Veranlassung gegeben, und das Wort Lattich mit latus, breit, einen Begriff bilde. Goethe (in einem Briefe aus Palermo vom 12. April 1787) sagt: Der Salat ist hier zu Lande herrlich, von Zartheit und von Geschmack wie eine Milch; man begreift, warum ihn die Alten »Lactuca« genannt haben.

Den Deutschen feindlich gegenüber stehen Araber, Türken und Juden, Im Hebräischen heißt Schelet: Schild (Schalten). Das arabische Wort Sultan bedeutet Kaiser und ist abgeleitet von: Salata, herrschen. Daß das deutsche Wort Galla von dem arabischen Khalaat oder Chalaat abstammt, hat schon Reiske bewiesen (im 3. Bande der Gesellschaft der freien Künste). Chalaat bedeutet in Persien das Geschenk, welches ein vom Stand Höherer dem Geringeren gibt. welche behaupten, daß der Salat bei ihrer früheren patriarchalisch-nomadischen Lebensweise ein Hauptgericht gewesen sei, deshalb den Namen ihres Oberhauptes erhalten habe, und aus Scholten, Sultan, Chalaat – wohl das deutsche Wort »schalten«, herrschen – entstanden sei, woraus denn die Benennung Salat gebildet worden. Sie führen für sich an, daß in die Mischung ihres Salats gar kein Salz eingehe, und sie sich bloß der sauern Milch und des Honigs bedienen, ja die Juden ihn noch heute mit Sirup oder Zucker bereiten, und daß endlich diese letzteren und der ostgotische Dialekt der Schlesier ihn Schlatte, als dem Stammworte am nächsten kommend, nennen.

Ernst und besonnen, ganz im Geiste der kontemplativen Philosophie des Hindu, senkt ein im Sanskrit Eingeweihter seinen inneren Blick nach dem Magen, wo er in demselben nichts als Salat findet, weil ein frommer Bramin, gleich dem Pythagoräer, nichts anderes ißt als Kräuter, und über demselben den »Plexus solaris«, das nervöse Sonnengeflecht, das mit seinen Lichtstrahlen bis zur »Clairvoyance« erleuchtet. Da offenbart sich ihm, wie der echte Etymologe zuweilen nicht nur eine Anzahl von Lauten bei einem zu unterscheidenden Worte wegwerfen und zusetzen darf, sondern wie vorzüglich anagrammatische Verwandlungen und Versetzungen ihn zum Ziele führen und ihm die gesamte Lehre der Kombinationen und Permutationen zu Gebote steht. Da findet er dann, daß Salat nichts anderes sei als jene heilige Blumensprache des Wischnu aus Lotos; denn Lotos im reichsten Sprachgezweig der Inder – welches allerdings nur ein Gemisch aus dem Mongolischen, Arabischen Daher offenbar das damit verwandte Arabische el Sidra, der Lotos. Selbst auf den meisten Tempeln von Tibet fand Turner den Namen Lotos, und der Oberst Symes in seiner Nachricht von seiner Gesandtschaft in Ava versichert, daß derselbe an den Pagoden der Birmanen stehe, wie denn auch die Chinesen von einer Lotos essenden Jungfrau sprechen und diese Jungfrau-Göttin von allen chinesischen Sekten verehrt wird. und dem toten Sanskrit ist – heißt schon getrübt in der mehr zur irdischen sich hinneigenden Puri-Sprache: Latas, und daß dies Salat sei, bedarf keines weiteren Beweises.

So stehen also – gleich den sieben Städten Griechenlands um die Ehre, Homer geboren zu haben – alle Völker der Erde von allen Richtungen der Windrose etymologisch gewaffnet einander gegenüber und fordern mit fast gleich gerechten Ansprüchen ihr vorenthaltenes Eigentum; und meine drei Fragen haben zu nichts geführt als zu einem allgemeinen Kriege. Doch ich sage mit Ariost:

Nur jener Friede wird von mir geehrt,
Der erst durch Krieg zum Frieden sich bewährt!

In der Tat kann dieser Krieg zu einem allgemeinen Frieden führen. Einmal weil sich klar aus ihm ergibt, wie durch Scheidung hier nichts zu gewinnen sei; und dann, weil dieser Streit erkennen läßt, wie in den unendlichen Verästungen profaner Geschichte die Strahlen einer großen Idee immer nur als verschiedene, gebrochene Farben erscheinen, die in dem Urquell aller Geschichte, in der Heiligen Schrift, sich vereinen zum hellen, reinen Licht.

So auf die Genesis gewiesen, um dem Historischen und der Idee des Salats gründlich nachzuspüren – finden wir, wie am dritten Schöpfungstage des Herrn Wille gebot, daß sich die Erde bekleide; wie da Pflanzen und Kräuter aller Art hervorsproßten, und – merkwürdig genug! gerade bei diesem Tage heißt es: der Herr sah, daß es gut sei! – Aber dies Wort ist kein müßiges, sondern ein vielfach bedeutendes! – Wie sollte es nicht gut gewesen sein, da nicht nur die leichteste und gesundeste, sondern auch die einzig humane Nahrung für die noch zu erschaffenden Wesen da war? Denn diese wurden eben nicht erzeugt, sich gegenseitig aufzufressen und also gegessen zu werden – wie einige ältere und neuere Philosophen die Idee der Schöpfung konstruieren wollen – sondern vielmehr zu Frieden, Freude und Genuß. Das Gräßlichste, der Menschen- und Brudermord, mußte erst geschehen, die Sündflut das verworfene Geschlecht vertilgen und reinigen, ehe Noah und seine Nachkommen die Erlaubnis erhielten, Fleisch zu essen und alles, was lebt und sich regt. Die Reinheit und Mäßigkeit der Pythagoräer und der vegetabilischen Hindu, die schon vor dem bloßen Gerüche von Fleisch und Blut schaudern, hat daher, meines Bedünkens, als das Suchen einer Rückkehr nach einem besseren, verlorenen Zustande, etwas hoch Erhabenes, ist jedenfalls rührend, vielleicht sogar heilig.

Die ruhigsten und, wenn ich so sagen darf, die menschlichsten Tiere leben von Pflanzen. Bei Menschen, die eben diese Speisen wenigstens öfter genießen, hat man nach Herder (»Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«) eben diese gesunde Ruhe und heitere Sorglosigkeit bemerkt. Auch ist, was wohl zu beachten, in Raubtieren das Gehirn kleiner, in grasfressenden Tieren aber größer. Nach Xenophon bedeutet daher vieles Fleisch essen so viel wie sich der Fähigkeit des Denkens berauben.

Der Genuß des Fleisches wirkt auf die Absonderung der Galle, und dadurch begünstigt er die Entwickelung des cholerischen Temperaments. Es ist dagegen von Newton bekannt, daß er sich in der Zeit seiner tiefsten Forschungen nur von Pflanzenstoffen ernährte. Rousseau sagt: Einen Beweis, daß das Fleisch dem Menschen keine natürliche Nahrung ist, sieht man an der Gleichgültigkeit, welche Kinder dagegen haben, und der Vorzug, den sie den Vegetabilien geben, ist wichtig, um Kinder nicht zu fleischfressenden Tieren zu machen. Wenn dies nicht aus Gesundheitsrücksichten geschieht, sollte es zur Erhaltung ihres Charakters geschehen. Es ist gewiß, daß die großen Fleischesser aller Länder und Zeiten im allgemeinen wild und grausam sind. Sie gehen in den Krieg wie zur Jagd und behandeln die Menschen wie die Bären. In England dürfen die Schlächter in Kriminalsachen nicht Richter werden. Mörder machen sich unempfindlich durch Bluttrinken. Homer ließ die abscheulichen Zyklopen Menschen fressen; Aber doch mit rücksichtsvoller Behandlung. In dem Bruchstück eines verlorengegangenen griechischen Lustspiels drückt sich Polyphem gegen die Gefährten des Odysseus sehr zart aus: »Ich ergreife euch alle, meine teuren Freunde; ich lasse euch schmoren, kochen, auf dem Rost über Kohlen zubereiten, am Spieß braten, um euch in Salzwasser zu legen, in eine saure Sauce, eine bittere, eine Knoblauchsauce, wenn sie hübsch siedend ist; und derjenige, der mir am besten zubereitet scheint, o tapfere Krieger, sei derjenige, den ich zuerst verschlinge.« die Lotophagen schildert er dagegen als Pflanzenfresser überaus liebenswürdig. Die Kinder der Natur, die sich bloß vom Brotbaum und den Palmen nähren, sind sanft, heiter und fast nie krank.

Man hat gefragt, warum Pythagoras sich des Fleisches enthielt. Ich frage im Gegenteil, und zwar mit ihm: Wer reizte zuerst durch gemordete Geschöpfe die Lüsternheit des Gaumens? Wessen Zähne zermalmten Fleisch und Knochen eines getöteten Tieres zuerst? Wer ließ sich geschlachtete Körper vorsetzen und verschlang die Glieder, die einen Augenblick vorher noch sangen und sahen, liefen oder flogen? Wessen Hand konnte das mörderische Eisen in ein empfindendes Wesen stoßen, wessen Auge den Mord ansehen? Wer ein armes Tier wehrlos bluten lassen, erwürgen, ersticken, den Anblick der zitternden Glieder ertragen? – Und empörte das Blut nicht sein Herz, ward ihm nicht unheimlich, überfiel ihn nicht Ekel, als er die Wunde wusch, Haut und Knochen auf der Erde liegen sah und das Fleisch am Feuer? Speiste er ohne Zittern und Grauen von dem Lamme, das noch sterbend seine mörderische Hand leckte?

Und ist nicht jede dieser Fragen eine Verherrlichung des Obstes und der Kräuter? – und, um auf unsern Gegenstand zurückzukommen – insbesondere des Salats, der erquickend, erfrischend, gewissermaßen als Gegengewicht jene Gier mildernd, genossen wird, das hitzige Blut abzukühlen? Wenigstens empfiehlt Rousseau Wachsamkeit des Staates gegen Blutgier gerade vermittels Salatessens.

Salat kommt, wie gesagt, wenigstens was das deutsche Wort betrifft, von Salz. Der Begriff geht freilich bis zum Apfelsinensalat, wo der gegnerische Begriff, der auf die Pflanze übergegangen ist, gänzlich verschwindet, weil in jenem ja gar kein Salz enthalten ist. Die Pflanzen, die wir vorzugsweise Salat nennen, sind seifenartige Fettpflanzen. Was wir gewöhnlich mit Kopf- und Endiviensalat bezeichnen, sind zwei ganz verschiedene Pflanzen, von deren besondern Eigenschaften weiter unten die Rede sein wird.

Es hat die Natur die große Idee des Salats hier und da angedeutet, so z.B. im Sauerampfer, der bekanntlich eine Salzpflanze ist; deshalb suchen auch allerlei Tiere, vorzüglich Ziegen, Salzpflanzen. Aber nur die höchste Kunst bringt alle aufblitzenden einzelnen Ideen für den höchsten Zweck in Konflikt.

Die untern Tiere sind schon mehr oder weniger Salatesser; aber der eigentliche Salat ist ein Produkt des freien intellektuellen Geistes. Denn wie nur Pflanzenfresser ruminieren, weil sie längere Zeit zur Assimilation des vegetabilischen Stoffes brauchen, so müssen umgekehrt, um die zu starke Tätigkeit des Magens bei fleischfressenden Tieren zu mäßigen und eine allzu schnelle Verdauung zu hindern, gegen Ende aller Fleischmahlzeiten Pflanzen zugemischt werden.

Der Prozeß der allgemeinen Ernährung geschieht, indem der Nahrungsstoff alle Stufen von der untersten Vegetation, ja selbst von dem Mineral – wie bei den Lothophagen, Erd- und Steinmarkfressern – bis zur höchsten Animalisation durchläuft. So sind Pilze schwerer zu verdauen als höhere Pflanzen; diese schwerer als niedere Tierstufen und Fische, und diese wiederum schwerer als warmblutige Tiere. Das Fressen von sandigen und steinigen Konkrementen bei Vögeln ist dem Salatessen der Säugetiere nahe verwandt. So sieht man nicht selten bei Kindern, deren Verdauungsgeschäft gehindert ist, daß sie aus innerem Antrieb zu Kohlen, Kalk und Sand ihre Zuflucht nehmen.

Da die Witterung überhaupt auf die Digestion von bedeutendem Einfluß ist, eine schlechte Mischung der Dünste, der Elektrizität und der respirablen Gasarten den Magen auf eine niedere Stufe der Tätigkeit herabdrückt, so ist's kein Wunder, wenn fleischfressende Tiere bei einem gewissen Stande des Barometers mit etwas Salatähnlichem ihrer Verdauung zu Hilfe kommen; daher man Regen prophezeit, wenn Hunde Gras fressen. In dem portugiesischen Süd-Amerika (bei Porto Felix) ist eine sehr hohe Felswand, Arara-Ita-Guaba genannt, d.h. der Ort, wo die Araras Steine fressen. Diese Felswand überzieht ein feiner Mergel und ein weißes Salz, vermutlich Alaun. Man will bemerkt haben, daß nach dem Ende der Regenzeit die Araras und andere Vögel von weit und breit hier zusammenkommen, um die salzige Effloreszenz vom Gestein mit dem Schnabel abzuschaben und sie zu verzehren (Spix, »Reise nach Brasilien«).

Es ist daher vorzugsweise der Süden das eigentliche Land des Salats, weil die meisten und ausschließlich fleischfressenden Tiere im Süden leben, dort auch überhaupt schneller verdaut wird. Im südlichen Teile von Europa wird fast vom ganzen Volke durch das ganze Jahr Salat gegessen; in Deutschland und den damit verwandten Klimaten etwa ein halbes Jahr hindurch von der Hälfte der Menschenzahl; im größeren Teile von Rußland aber nur ein Vierteljahr hindurch höchstens von einem Viertel der Menschenmenge. Vielleicht gibt es kein Land in der Welt, wo mehr Salat gegessen wird als in Frankreich. Es ist ein bekanntes Sprichwort, daß der französische Soldat nur zwei Speisen nötig habe, nämlich Suppe und Salat.

Der Gebrauch einzelner nordischer Länder, zu Fischen, die auf keiner hohen Stufe der Tierheit stehen, Salat zu essen, leuchtet von selbst als unvernünftig ein, und wirklich hat die Natur den Ländern, wo der Mensch fast nur von Fischen lebt, jede Vegetation und folglich jede Idee zum Salat verwehrt, ja ihnen nicht einmal die Essiggärung gegönnt, die eine Temperatur in Anspruch nimmt, welche der Thermometer jener Länder nie erreicht. Aber auch diese Regel leidet eine unabweisbare Ausnahme beim gebratenen, gerösteten Fisch. Brathecht ohne Kopfsalat ist kaum denkbar. Und welcher Gastrosoph wird sich nicht bei dem ihm präsentierten »Sole frite« nach Zitrone umsehen? Die gebratene Butter bedingt hier die Säure.

Es geht ferner schon aus den angeführten Bestimmungen des Salats hervor, daß man solche Braten, die auf der höchsten Stufe der Animalität stehen, wie die von Wild und großen Schlachttieren, gleichzeitig mit Salat essen muß; nach anderen Fleischspeisen aber kann Salat gesondert gegessen werden. Im allgemeinen gilt hier die vielbewährte Regel: zu weißen Braten (Hühner, Kalb, Puten usw.) Salat sowie bei sehr zartem, jungem Reh und Damhirsch, sonst aber bei schwarzen Braten (Hammel, Wild, besonders Hase) eingemachte Gelees.

Den Ärzten zur Begutachtung überlasse ich meinen Vorschlag, wie man im Frühjahr allerlei blutreinigende Kuren von Kräutern oder Molken anwendet, eine Salatkur zu empfehlen und mit Vorteil anzuwenden.

Im streng wissenschaftlichen Sinn ist Salat freilich keine Pflanze, sondern ein Kunstprodukt aus Kräutern, Salz, Essig und Öl. So wird es schon, nach Adelung, im Persischen und Arabischen gebraucht. Was man bei uns Salat nennt, kennt kein Botaniker. Die vorzüglichsten Salatpflanzen sind:

1) Lattich. – Die Lattichsorten nehmen unstreitig die erste Stelle unter allen Salatpflanzen ein, und kein Küchengewächs hat infolge der Kultur soviel Spielarten gebildet als der Lattich. Alle rundköpfigen sind die eigentlichen Lattichsorten: Die Frühlingskopfsalate, der kleine weiße, der der Dauphiné, haben aber mehr oder weniger den Fehler, daß sie häufig schießen, oft bevor sie sich geschlossen haben. Die letzte Sorte ist schon die beste in dieser Hinsicht, weshalb auch die Engländer beinahe gar keine andere Frühlingssorte anbauen. Von Sommerlattich sind der blonde Versailler, der türkische und genuesische, welche beide letztern Sorten schwarzen Samen haben, bei weitem die besten Sorten, denn sie bilden große und zarte Häupter, schließen sich sehr schnell und schießen nicht so leicht. Vom Winterlattich verdienen die Passions, Morine und der kleine krause Kopflattich, mit schwarzem Samen, genannt zu werden. Den krausen Lattich zieht man in Frankreich häufig unter gläsernen Glocken; er wächst ohne allen Zutritt der äußern Luft, ohne zu vergeilen, wie er sich auch wieder leicht an die freie Luft gewöhnt. Diese Sorten sind alle sehr hart, überwintern, auch selbst bei nur einiger Bedachung, leicht und schließen sich im Frühling bei guter Zeit, so daß sie ganz gut anstatt des frühen Kopflattichs im Frühjahr genossen werden können.

Schnittsalat nennt man solchen, welcher sehr dicht gesät und abgeschnitten wird, sobald er das vierte Blatt getrieben hat, auf welche Art sich begreiflicherweise alle Sorten behandeln lassen; doch dienen hauptsächlich der Spinatlattich und Zichorien dazu. Ersterer treibt sogar nach dem Schneiden noch und kann also mehrmals geschnitten werden.

Von Bindesalaten (römischen Salaten) nenne ich den frühgrünen, grauen und blonden Pariser. Der graue Pariser ist der beste und zugleich größte von allen. In England zieht man den braunen Hamburger und den Kensingtoner Bindesalat den andern Bindesalatsorten vor. Es ist wohl zu beachten, daß das Begießen den Kopfsalat weißer und zarter macht, und daß er, je weiter er gedeiht, um so mehr Wasser erhalten muß.

Zwei ursprüngliche Varietäten des Lattichs veranlassen zur Einteilung dieser Pflanze in zwei Hauptgruppen, nämlich in die Lactuca capitata (Kopfsalat) und in die Lactuca longifolia, die in Paris Laitue romaine und in Rom Laitue parisienne genannt wird; von den Franzosen wohl auch Chicon, wiewohl mit Unrecht, weil dies nur eine besondere Varietät derselben ist, wie wir sehen werden. Jene Sorte zeichnet sich durch ihre gerundete Form, diese durch ihre Länge aus. Das Herz der letzteren entwickelt sich leichter, und sie hat auch einen viel mildern Geschmack. Sie ist unter allen Salatpflanzen unbedingt die vorzüglichste. Sie hat keinen deutschen Namen, man kennt sie kaum in unserm Vaterlande, obgleich der Gartenverein in Berlin Versuche gemacht hat, sie bei uns einheimisch zu machen. Eine Eigenschaft dieser Pflanze ist, daß sie vor dem Sonnenschein geschützt sein und mit Stroh zusammengebunden werden muß, wodurch die so geschützten Blätter eine goldgelbe Farbe erhalten, während die äußern grün bleiben und so unschmackhaft sind, daß sie weggeworfen werden müssen. Unsere Gärtner sind nicht gewohnt, einer bloßen Salatpflanze eine solche Sorgfalt zu widmen, und als ich einem renommierten Gärtner die Notwendigkeit davon auseinandersetzte, sagte er mir: Ja, wenn man ihn auch noch binden sollte! – Ich wendete mich schaudernd von diesem Unmenschen, der zu glauben schien, wenn er den Salat gepflanzt habe, so sei das schon genug.

Eine andere Eigenschaft dieser Pflanze ist die, daß sie ihren aromatischen Geschmack verliert, wenn sie ins Wasser gelegt wird. Man darf sie, will man sie vollkommen erhalten, nicht waschen, sondern bloß mit einem trockenen Leinentuch abwischen. Sie ist ohnedies rein, da sie weder von Staub, noch von Regen, noch von der Sonne gelitten hat. Sie hat einen Haselnußgeschmack und bedarf, bei ihrer fetten Natur, wenig Öl. Man kann sie auch ganz ohne Öl und Essig genießen, was französische Gastrosophen sehr empfehlen.

Ein Verzeichnis aller Varietäten des Lattichs ist fast etwas Unmögliches. Die in Frankreich geschätztesten Sorten sind: Neuestes Garten-Jahrbuch nach le bon Jardinier, von Freiherrn von Biedenfeld.

I. Kopflattich für den Frühling

a) Laitue gotte oder gau. – Klein, mit gefalteten konvexen Blättern, bildet schnell Köpfe, schießt aber auch schnell; hat zwei Untervarietäten mit schwarzem Samen, welche ihren Kopfschluß besser halten, besonders die Sorte, welche goutte lente à monter genannt wird.

b) Cordon rouge. – Klein und doch stärker als die vorige; hat grüne, blonde Blätter, wie geölt, bildet den Kopf schnell; er überwintert auch, hat weißen Samen.

c) Dauphine. – Ziemlich glatte Blätter, etwas gelblichgrün, auf dem Kopf ein wenig rot; gedeiht sehr zeitig, bleibt aber nicht lange gut; hat schwarzen Samen.

II. Sommerlattiche

a) Laitue de Versailles. – Sehr weit, mit kleine« Beulchen, weißlichgelben Blättern, großem Kopf, der aber weder reich noch fest ist.

b) Ronde à grain noir. – Glänzendgelb, oft wie vergoldet; Kopf fest, von guter Mittelgröße.

c) La Blonde de Berlin ist damit nahe verwandt.

d) Jaune d'été. – Sehr gelb, glatte Blätter; mit elegant gebautem Kopf, der dicht, etwas flach und ziemlich groß ist.

e) Blonde trapue. – Ausgebreitete, vielfach und reich gefaltete Blätter, eng geschlossen; schießt sehr schwer.

f) Batavia blonde oder de Silésie. – Sehr groß; die Blätter an den Rändern wellenförmig, goldgrün mit rot; wird leicht bitter, wenn er an Trockenheit leidet; sein Kopf wird selten sehr voll. Schlägt er gut ein, so ist er unbezweifelt einer der besten Lattiche und wird von keinem übertroffen. Same weiß. – Laitue de Malte ist eine schöne Untervarietät desselben; er ist blaßgrün, glatt, flachköpfig und sehr zart.

g) Chou oder Batavia brune mit großem Kopf. Eine prachtvolle Varietät, aber etwas hart; Same weiß.

h) Laitue turque. – Beinahe glatte, trübgrüne Blätter, mit sehr großem und festem Kopf; einer der schönsten und besten Sommerlattiche; Same schwarz.

i) Laitue de Gênes. – Sehr glatte Blätter, wie geölt, hie und da wie vergoldet; gut gebildeter Kopf, an der Spitze rot; hält sich lange; Same schwarz.

k) Meterelle. – Hat Ähnlichkeit mit dem Versailles ist aber etwas grüner; dichter Kopf aus sehr weit umgebogenen Blättern gebildet, formt sich langsam und schießt nicht leicht; Same weiß.

l) Große brune paresseuse. – Graugrüne Blätter mit runden blaßbraunen Flecken; großer, regelmäßiger Kopf, an den Spitzen etwas rot; bildet sich langsam und ist dennoch von kurzer Dauer; Same schwarz.

m) Palatine, Rousse, Brune hollandaise. – Beinahe glatte, mit Rot bezeichnete Blätter; mittelgroßer, aber sehr fester Kopf; Same schwarz.

n) Sanguine. – Schöne Varietät, mit kleinen, rotgestreiften Flecken. Da sie sich bei großer Hitze schnell schließt, so paßt sie besser für den Frühling und Herbst als für den Sommer; Same weiß.

o) Sanguine ä grain noir. – Dem vorigen ähnlich, aber stärker rot gezeichnet und wie geflammt; Same schwarz.

III. Winterlattiche

a) Passion (so genannt, weil er seine Köpfe zur Zeit der heiligen Woche bildet). Ist mehr grün als gelb, spärlich mit roten Flecken besät. Sein Kopf ist weder schön noch zart, was er aber mit allen Winterlattichen gemein hat; Same weiß.

b) Morine. – Etwas grüner als der vorige, mit kleinen Blättern, hält sich länger; Same weiß.

c) Petit crêpe. – Klein; gedeiht im Winter vortrefflich unter Glasglocken; Same schwarz.

IV. Schnittlattiche

Alle Lattiche, vorzüglich die, deren Pflanzen gelblich sind, eignen sich zu Schnittlattichen; aber gewöhnlich zieht man dazu kleine, frühe Gattungen, wie die Crêpes, Gottes usw. Zwei andere Arten verdienen hier besonders Erwähnung, weil sie in viel stärkerm Zustande als die vorigen geschnitten werden können; nämlich die Laitue chicorée und die Laitue épinard, deren Blätter denen der Eiche ähnlich ausgeschnitten sind. Die letzte Art kann sogar mehrmals geschnitten werden, da sie immer wieder ausschlägt. Vor ungefähr zehn Jahren erhielt die französische Gärtnerei unter dem Namen Laitue chicorée anglaise eine dritte vortreffliche Varietät, welche gelb an den Rändern, wellenförmig, jedoch nicht gekräuselt ist.

V. Laitue romaine oder Chicon

a) Romaine blonde maraîchière. – Vortrefflich; bildet einen Kopf, ohne gebunden zu sein; in Paris die gebräuchlichste Art, wovon der allgemeine Name.

b) Romaine verte maraîchière. – Zum Treiben und für die Zucht im freien Lande geeignet; bildet von selbst einen schönen Kopf.

c) Romaine grise maraîchière. – Ist größer, sonst von denselben Eigenschaften.

d) Verte d'hiver. – Mit den vorigen Arten verwandt, widersteht aber der Kälte besser.

e) Rouge d'hiver. – Die am leichtesten im Freien fortkommende Art.

f) Rouge monstreuse. – Sehr schöne Art mit rötlichem Blatt, bildet oft mehrere Köpfe.

g) Rouge de Madeleine. – Eine neue Art, blond mit Rot durchwachsen; großköpfig, zart; schießt nicht leicht und wird außerordentlich geschätzt.

h) Alphange blonde à grain noir. – Sehr groß. Blätter breit, dick, blond. –

i) Romaine blonde de Brunoy. – Sehr groß, blond, den Kopf nicht so gut festhaltend, muß also gleich der Alphange gebunden werden.

k) Romaine panachée oder Sanguine. – Köstlicher, sehr zarter Salat, in zwei Varietäten.

l) Romaine panachée anglaise. – Eine stoffreichere Pflanze als die vorigen; die Panachierung mit wenigern, aber größern Zügen.

m) Romaine rouge dorée. – Eine merkwürdige Mittelgattung zwischen den römischen und Kopflattichen; sehr zart, vortrefflich.

n) Romaine à feuilles d'artichaut. – Eine neue Varietät, die auch in Deutschland Verbreitung verdient. Blätter groß, lang, stark, wie an der Artischocke ausgeschnitten; bildet einen umfangreichen Busch, der zart und von vortrefflichem Geschmack ist, besonders wenn er gebunden worden. Vorzüglich als ein köstlicher Spätsalat zu empfehlen.

Von dem weißen Lattich, den die Alten süßer fanden als die andern Arten, kannten sie schon drei Varietäten: den langblätterigen, den runden und den, welchen sie Scolymos nannten. Sie hielten den Stengel für nahrhafter als die Blätter; den Sommerlattich zogen sie dem des Herbstes vor, den sie trocken und weniger nahrhaft fanden. Sie rührten gewürzreiche Kräuter und Käse im Mörser als Zutat zum Salat. Die Griechen zogen allen Salatpflanzen die Lattichart mit gradestehenden Stengeln vor; sie fanden (Athenäus, 2. Buch, 28. Kap.) die weißfarbigen besonders süß und wohlschmeckend. Der Salat galt ihnen im allgemeinen für kühlend, aber auch für narkotisch; sie behaupteten, daß der zarte und wohlschmeckendste zugleich der nahrhafteste sei, und umgekehrt der harte und trockene der am wenigsten gedeihliche, ferner daß der schwarze Lattich sehr erfrischende Eigenschaften und der Stengel durststillende habe. Da, wie schon gesagt, das Herz des Salats überall das Beste ist, so bedauere ich sehr, daß unter den verlorenen Schriften Plutarchs sich auch die Abhandlung befindet: Warum essen die Frauen nicht das Herz vom Salat?

In die Nomenklatur des Lattichs der deutschen Gärtner ist noch schwieriger einzudringen wie in die der französischen; es ist auch weniger Übereinstimmung darin, ja auch weniger Methode. Hier hat man gelben holländischen Prinzenkopf, englischen und rotkantigen desgleichen; bunten Forellenkopf, frühgelben Steinkopf, Zuckerkopf; braunen Winterkopf, gelben desgleichen; gelben Kopf Montrée, krausen, roten Kopf Montrée. Diese Latticharten haben sämtlich weißen Samen. Dagegen haben schwarzen Samen: der gelbe Berliner, brauner Prahl, großer Mogul, Blut-Forellen-, bunter Forellen-, fast brauner und grüner Steinkopf. Endlich hat der große Kaiserkopf gelben Samen.

Jung und zart, haben fast alle Latticharten einen süßen, milchigen Saft; wenn sie aber den Stengel getrieben haben, wird der Saft bitter. Sie sind kühlend, eine die Fäulnis hindernde Speise. Die Samenstengel lassen sich, aber nur vor der Blüte, in Scheiben geschnitten als Spargel zurichten und vertreten dessen Stelle in Suppen. Viele Lattiche kommen schon in der Fastenzeit, obgleich wie alle Frühpflanzen sehr zart und ohne Aroma. Der Luxus sucht sie möglichst zeitig; aber sie werden erst nach Ostern wahrhaft schmackhaft. Die besten Arten – die Longifolia – sind, wenn gestreift, am schmackhaftesten. Sie müssen stets mit dem genossen werden, was die Franzosen Fourniture nennen, aber immer ohne Eier. Man ißt sie vom Mai bis Ende Herbst; dann ersetzt sie die sogenannte petite chicorée, eine verwandte Pflanze.

2. Die Endivie (Cichorium endivia, französisch Chicorée). – Man ißt sie roh, aber (namentlich in Frankreich) auch wie Spinat gekocht und mit Sauce Béchamel als ein vortreffliches Gemüse, welches sehr fein gehackt und dann lange und anhaltend fast zu einem Brei zusammengerührt wird. Die Zichorie wird erst am Ende des Sommers vollkommen. Man sucht die zartesten, weißesten Pflanzen aus. In Frankreich legt man auf den Boden der Schüssel des Zichoriensalats eine mit Knoblauch geriebene Brotkruste (Le chapon genannt), die nicht gegessen wird und nur dazu dient, dem Salat einen pikanten Beigeschmack zu geben.

Die gewöhnlichsten Zichorienpflanzen, die uns zum Salat dienen, sind:

a) Cichorium intybus, die wilde Cichorie, wovon das frisch ausgeschlagene Blatt zwar etwas bitter, aber sehr erfrischend ist. Eine Varietät davon ist der in Paris unter dem Namen Barbe de capucin beliebte weiße Wintersalat. Die wilde Zichorie entwickelt bei ihrer Aufbewahrung im Keller, wegen des Mangels an Licht, eine Menge zarter Blätter, die man recht frühzeitig abschneidet, um sie in bester Güte zu haben. Der französische Name dieser Pflanze ist: Chicorée sauvage; aber der berühmte französische Samenhändler Jacquin hat davon eine Varietät gezogen, der er den Namen Chicorée sauvage améliorée gegeben, welche beinahe die Dichtigkeit von Kopfsalat hat; ihr Herz sieht wie das der weißen Zichorie aus. Diese Art läßt sich, wie der Kapuzinersalat, bleichen, wodurch man eine reichere Ernte und einen guten Salat gewinnt.

b) Cichorium endivia crispa, gekrauste Endivie und Cichorium latifolia. Die erste Art muß sehr sorgfältig von Schmutz und Ungeziefer gereinigt werden und ist durch den ganzen Winter im Keller zu halten. Die besten Varietäten derselben sind: die Endivie von Maux, welche wenig gesucht ist; die italienische, die sich voller und schneller schließt; die kleine dunkelgrüne, sehr geschlitzte. Sie ist sehr geschätzt, weil ihr Herz weich, gelb und zart ist, nur läßt sie sich nicht lange aufbewahren. Bei der Verpflanzung derselben ist darauf zu sehen, daß das Herz der Pflanze nicht mit Erde bedeckt, daß ihr ein Teil der Blätter und Wurzeln abgeschnitten werde; endlich muß sie, wenn sie ihre vollkommene Größe erreicht hat, gebleicht werden, was ihr einen süßen Geschmack gibt. Die immer weiße Varietät wird wenig kultiviert, weil sie ihr Herz beinahe gar nicht füllt, weshalb sie auch nicht verpflanzt, sondern jung abgeschnitten und wie Lattich verspeist werden muß.

c) Die Scariole oder breitblätterige Endivie hat folgende Varietäten: die weißblühenden und lattichblätterigen sind die zartesten; sie erfordern weniger Feuchtigkeit, verderben aber sehr leicht und werden deshalb nur von den vortrefflichsten Gärtnern gehegt; ferner die große runde, die in vollkommenem Zustande ein beinahe kopfförmiges Herz hat.

Die Endivien sind vortreffliche Salatpflanzen, fast die einzigen, die auch ein schwacher Magen verträgt, ja die denselben stärken, wenn sie nicht, was freilich bei uns gewöhnlich der Fall ist, mit Essig überschwemmt werden. Ihre angenehme Bitterkeit, die balsamische Natur derselben tritt am lebendigsten hervor, wenn sie, im Keller in den Sand verscharrt, ihre grüne Farbe verloren haben. Sie reinigen das Blut, sind gut gegen skorbutische, gichtische, hypochondrische und asthmatische Zufälle.

Gegen Ende des Winters erscheint das obenerwähnte sogenannte Kapuzinerkraut. Diese Pflanze ist eine schlechte Endivienart, bitter, selten gut, nur die Blätter im Salat genießbar, doch können die Blumenknospen sowie der unreife Samen in Essig eingelegt werden, und dann sind die erstem den Kapern und die letzten den Gurken an Geschmack ähnlich. Das Kapuzinerkraut kann man konservieren auf dieselbe Weise wie die Zichorien.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß man den Lattich bei weniger fetten, weil er fetter ist, den Endiviensalat aber nach fetten Braten genießen muß, weil er seifenartig ist: ein Umstand, dessen Nichtbeachtung vielen Gourmands oft die Verdauung gestört hat.

3. Rapunzchen (Valeriana locusta). Ein zweijähriges Salatgewächs, von welchem Blätter und Wurzeln benutzt werden. Die Engländer schätzen es sehr hoch und bringen es zugleich mit den Radieschen als Zugemüse zum Rindfleisch auf die besten Tafeln. Es ist eine sehr kräftige, nahrhafte Salatpflanze, vom Herbst bis zum Frühling gut, aber in der Hitze des Sommers steht sie fast allen Salatpflanzen nach und schmeckt hölzern. Im Winter, zumal wenn es Frost ohne Schnee gibt, wird man gut tun, nur die kleinsten Blätter zu gebrauchen, weil die großen alsdann bitter werden, und selbst diese muß man mit heißem Wasser abbrühen. Ihre knolligen, rötlichen Wurzeln sind von zartem Geschmack, taugen aber nur solange zum Salat, als sie keine Stengel getrieben haben; dann werden sie hart und unverdaulich. Wessen Magen schwächlich ist, wer nicht viel Fett und viel innere Wärme besitzt, oder gar von Magensäure geplagt ist, muß sich vor dem zu häufigen Gebrauch dieses Salats hüten, sich auch nur besten Öls und Weinessigs bedienen. Ein Beisatz von Zucker oder hartgesottenen Eiern ist in diesem Falle erlaubt, schon weil dadurch eine innigere Verbindung von Essig und Öl bewirkt wird.

4. Sellerie. – Von allen Arten desselben ist derjenige der zuträglichste und schmackhafteste, der von den Pflanzen mit rotgestreiften Wurzeln kommt. Bloßer Sellerie ist ein guter Wintersalat, er darf sich auf den besten Tischen präsentieren. Man muß mit ihm aber eine Saucière herumgehen lassen, welche Öl und Moutarde wohl vermischt enthält. Der Sellerie ist eines der nützlichsten Gartengewächse, der fast immer verwahrlost und schlecht behandelt, oft zu tief gesetzt wird, so daß sogar die Samenblätter in den Boden kommen. Der Sellerie liebt viel Wasser. Knollensellerie ist eine bekannte Sellerieart, von der sowohl das Kraut als die großen runden Wurzeln gut sind. In Berlin versteht man unter Sellerie nur die Wurzel, in Paris nur das Kraut, welches aber gar nicht in der dortigen Gegend wächst, sondern von Straßburg kommt, daher man es Sellerie de Strasbourg nennt, und den Berliner Sellerie en branche. Die Selleriewurzel ißt man in Paris roh und in Berlin gekocht.

5. Kresse. – Schon Xenophon, dieser bewunderungswürdige Schriftsteller, sagt, daß es angenehm sei, Kresse zu essen (Athenäus, 2. Buch, 14. Kap.). Die Abart der Kresse mit großen gelben Blättern ist die fleischigste und beste. Die kleinen jungen Pflänzchen der Gartenkresse (Lepidum sativum) sind im Frühling vortrefflich. Sie ist eine einjährige Pflanze, welche sehr schnell wächst. Man baut vorzugsweise zwei Sorten, die eine mit breiten, die andere mit krausen Blättern. Beide sind aber nur gut, wenn sie ganz jung abgeschnitten werden. Im Sommer schießt die Kresse oft schon nach zehn oder zwölf Tagen, und ebenso schnell geht es alsdann mit dem Blühen und Samentragen. Gartenkresse gibt einen sehr gesunden Salat und wird auch zur Fourniture verwendet.

Brunnenkresse (Sisymbrium) ist eine perennierende Pflanze, die in Frankreich, namentlich in der Umgegend von Paris, solche Fortschritte gemacht hat, daß z. B. Herr Faussier bei St. Denis neun artesische Brunnen hat graben lassen, um seinen Kressepflanzungen hinlängliches Wasser zu verschaffen. Die gesunden Eigenschaften der Brunnenkresse sind sprichwörtlich geworden, daher sie auch in Paris als Santé du corps ausgerufen wird. Die indianische Kresse (Tropaelum) ist eine der gesundesten Salatpflanzen.

Keine Kresse darf auf den Tischen von Eßkünstlern allein, sie muß immer mit andern Salatpflanzen vermischt erscheinen; höchstens wenn ein Berg von Krebsen, eine Poularde auf ihr ruht. Kresse ist bekanntlich ein vortreffliches Antiskorbut; sie erfordert viel Essig und wenig Öl. Gartenkresse ist beinahe die zeitigste aller Kressen; sie ist aber auch nur in ihrer zartesten Jugend gut, im Alter verliert sie ihr Aroma und fast allen Geschmack. Brunnenkresse besitzt vielen flüchtigen Saft und ist blutreinigend; verlangt aber wegen ihren eigenen vegetabilischen Säuren einen starken Magen; schwächliche Personen müssen sie ganz meiden. Sie ist im Winter viel zarter als im Sommer.

Soweit von den Hauptsalatarten. Eine Menge anderer Pflanzen werden teils zu andern Salatarten gemischt, teils gehackt zur Fourniture verwendet, teils selbst ungemischt genossen. Die bekanntesten sind:

Raute, von welcher die jungen Sprossen zu Kräutersalat verwendet werden.

Mangold (Beta vulgaris). – In Essig ist er gut in einen Kartoffelsalat. Zu den vorzüglichsten Spielarten dieser Pflanze gehört die Bassano-Rübe in Venedig (Betterave de Chioggia), die äußerlich dunkelrot, innerlich aber weiß und mit roten Adern durchzogen ist und ein gutes, saftiges Fleisch hat. Sie muß, bevor sie ihre nötige Reife erlangt hat, genossen werden; denn später ist sie holzig. Man macht sie, wie rote Rüben, in Scheiben geschnitten mit Essig, Kümmel und Meerrettich ein und ißt sie als Salat. Da ihr Fleisch zarter und saftiger ist als das der gewöhnlichen roten Rübe, so ist sie dieser vorzuziehen.

Portulak (Portulaca oleracea). – Kann nur sparsam gebraucht und mit linder schmeckenden Kräutern vermischt genossen werden, ist auch nur im Frühling zu genießen. Diese Pflanze ist sehr empfindlich gegen den Frost. Trotz alledem wird sie doch bei uns als Salat sehr geschätzt; im ganzen Norden und vorzugsweise in Belgien ist Portulak ein Hauptbestandteil der beliebten »grünen Suppen«. In Frankreich liebt man ihn nicht mehr. Unter Ludwig XIV. aber war er ein Küchengewächs, das bald gekocht, bald als Salat auf jeder Tafel erscheinen mußte.

Löwenzahn (Leontodon taraxacum), bei uns überall wild wachsend, ist als ein sehr gesundes und frisches Salatgewächs geachtet; besonders die jungen Sprossen vortrefflich, wie auch sein Herz, sobald es sich etwas gefüllt und gebleicht hat. In Frankreich hat man durch eine verständige Gartenkultur denselben viel besser.

Kerbel (Scandix caerefolium) leidet durch die Sonnenhitze; liebt überhaupt den Schatten. Er ist gewürzreich und nervenstärkend wegen seiner angenehmen Bitterkeit. Der spanische (Scandix odorata) ist größer und stärker als der unserige; er schmeckt nach Anis. Man kann von ihm nicht bloß die Blätter, sondern auch die wohlschmeckenden Wurzeln genießen. Den wilden Kerbel, welcher dem Gartenkerbel ähnlich ist, aber zu einem anderen Geschlechte gehört, fressen seines üblen Geruchs wegen nach Blumenbach) bloß die Esel.

Boretsch (Borago officinalis) ist, klein geschnitten, sehr gesund.

Krausenminze (Mentha crispa) ist magenstärkend.

Dragun (Artemisia dracunculus), Estragon. – Eine ausdauernde, in Sibirien einheimische, aber bei uns gegen Spätfröste äußerst empfindlich gewordene Pflanze, deren junge Blütenstengel und Blätter eine der angenehmsten, gewürzhaftesten Zutaten zu Salaten geben.

Ranunkeln. – In vielen Varietäten, die aber fast alle zu scharf sind. Unter den wenigen Arten, die zu einem pikanten Salat anwendbar sind, gehört obenan Ranunculus ficaria, mit herzförmigen Blättern und zahlreichen Stengeln; dieses Gewächs vegetiert aber bloß im ersten Frühling.

Rapunzel (Campanula rapunculus), wegen des deutschen Namens sehr oft mir voriger Pflanze verwechselt, ist eine sehr beliebte und bessere Salatpflanze als jene. Im Frühling ist sie ganz als Salat zu verspeisen, selbst die Wurzeln, die weiß, fleischig und fest sind. Man hat zwei Varietäten, eine glatte und eine behaarte; man kultiviert sie aber nicht besonders, sondern durcheinander.

Löffelkraut, Pimpernelle, Becherblume (Poterium sanguisorba). – Die Blätter dieser Pflanze sind gut in einem gemischten Salat, obgleich ihr Geschmack nicht jedermann zusagt; diese Pflanze muß aber oft abgeschnitten werden, weil sie sonst schießt.

Spargel wird, klein geschnitten, vielen Salatarten beigegeben.

Pastinak ist gesund und leicht verdaulich und wird häufig als Karotte benutzt.

Valeriana locusta, französisch Mâche, Doucette, eine kleine Salatpflanze, die sehr jung genossen sein will; die Valeriana coronata (Mâche d'Italie) ist eine besondere Art mit breiteren, etwas gelblichen Blättern. Die Valeriana cornucopiae ist eine hübsche aus Algier gekommene Neuigkeit, die einen besseren Salat gibt als die vorigen Arten.

Skorzeneren. – Dieser Name stammt von dem spanischen Worte Scurso oder Scurzo, womit die Viper bezeichnet wird, gegen deren Biß die Scorzenera hispanica ein vorzügliches Gegengift sein soll. Von den gewöhnlichen spanischen Skorzeneren hat man mehrere Spielarten. So fand Edmund Boissière in der Provinz Malaga eine Skorzenere mit krausen, an den Rändern gezähnten Blättern, die eine genießbare Wurzel hat. Seit einigen Jahren baut man in den belgischen Gärten eine Skorzenere mit weißen Wurzeln, während die gewöhnliche schwarze hat. Die weißen Wurzeln sind dicker und wohlschmeckender. Herr Gussone macht mit einer besonderen Art bekannt, die er Scorzenera deliciosa nennt, deren Wurzeln die Neapolitaner in Zucker einzumachen pflegen. Sie hat eine knollige, längliche Form. Die spanische Skorzenere hat viel Ähnlichkeit mit der Kardone und war schon im Altertum als Nahrungsmittel geachtet; bei uns ist sie erst seit einigen Jahren eingeführt. Sie hält den Winter unter einer leichten Strohdecke ganz gut aus, und es läßt sich erwarten, daß sie bald so akklimatisiert sein wird, daß sie die Kälte so gut wie die gewöhnliche Skorzenere ertragen wird, die übrigens auch zuerst aus Spanien zu uns gekommen ist. Das Herz der spanischen Skorzenere ist gewöhnlich sehr holzig, deshalb spaltet man es der ganzen Länge nach, schneidet die holzige Mitte heraus und bindet das übrige büschelweise zusammen. Weiß man erst mit dieser trefflichen Pflanze in deutschen Gärten und Küchen umzugehen, so wird man auch einsehen, daß damit ein sehr gutes Gemüse gewonnen ist. Alle Skorzeneren haben vor den anderen Wurzelgewächsen das voraus, daß sie, wenn sie auch schon einmal geblüht haben, fortwachsen, und ihre völlige Entwickelung erst nach zweisommerlichem Tragen erreichen. In der Gegend von Lyon werden die Skorzenerenwurzeln schon geschabt verkauft.

Hopfen. – Der zahme oder Gartenhopfen treibt im Mai junge Sprößlinge, die, solange sie noch jung sind, einen gewürzten, etwas bitteren Geschmack haben. Guter Hopfen soll grünlich oder gelbbraun aussehen und so wenig wie möglich einzelne Blätter haben.

Zu der Salade de volaille gehören fette Hühner, Fasanen und Rebhühner. Von allen werden dazu recht schmale Stücken, und zwar nur die von den Knochen, dicht an denselben, abgeschält. Auf den Boden der Schüssel gehört Lattich; einige Schnitten Sardellen und einige Pfeffergurken machen dies Gericht ganz besonders pikant. Salade de volaille ermuntert und reizt die Eßlust, ist auch ein vortreffliches Gabelfrühstück, führt aber sehr uneigentlich und mit Unrecht ihren Namen.

In Frankreich bereitet man auch einen Salat aus kleinen getrockneten Zwiebeln, sehr kleinen Pfeffergurken, Sardellen, diversen aromatischen Kräutern und schmalen Stücken Thunfischen; dieser Salat ist so schmackhaft wie teuer. Solche wie jede andere Salatmischung wird nur durch viel Übung erworben, durch genaue Kenntnis der Eigenschaften der verschiedenen Salatpflanzen, die alle eine besondere Behandlung erfordern. Es ist wünschenswert, daß jeder Amphitryon diese diversen Manipulationen kenne. Schärfster Essig, möglichst frisches öl sind sehr selten bei uns zu haben, und das Zuwenig und das Zuviel davon, wie von verschiedenen Salatpflanzen und der Fourniture, die Mischung zu dieser selbst, sind die Skyllen und Charybden der Salatbereitung.

Oft mischt man bei uns in fast alle angeführten Salatarten ein wenig kleingehackte Petersilie; ein so allein employiertes und obendrein schlechtes Kraut, welches holzig und nur im Verhältnis mit anderen Zutaten genießbar ist, wird keinen Salat verbessern.

In Paris und in ganz Frankreich erhält jeder Käufer mit der Salatpflanze verschiedene kleingehackte Kräuter. Diese Mischung besteht aus Pimpernelle, Kerbel, Schnittlauch, Kresse, Zwiebeln, Petersilie, Schalotten usw. Die Gemüsehändler geben, ohne Anfrage, diese Mischung sorgfältig verpackt, sie wird die Fourniture genannt. Salat ohne Fourniture würde der Koch dem Verkäufer an den Kopf werfen, weil Gras nur die Hunde fressen. Hier nun kommt es, wie bei der Öl- und Essigmischung, sehr darauf an, welcher Teil der Fourniture bei einem bestimmten Salat vorherrschen muß; im allgemeinen verzieren die Franzosen, wie bei andern Künsten, auch bei dem Salat zuviel. Bei Lattich braucht man wenig Öl und Essig; am wenigsten bei dem Waldlattich. Bei den Endivien braucht man besonders viel Öl; bei den Rapunzchen marinierte rote Rüben und Sellerie. Zu dem schlechtesten Kopfsalat mag man alle mögliche fremdartige Zutat nehmen: jede Veränderung ist eine Verschönerung, selbst Bohnen, vor denen die alten Ägypter Abscheu hatten, und die man (nach Bruce) auch heutzutage weder in Ägypten noch in Abessinien findet. Es ist zweckmäßig, den genannten Salat in einer großen Schüssel zu präsentieren, worin er mit Leichtigkeit manipuliert werden kann. Auch Eier nehme man hinein; aber nicht zu geizig, nicht ein Ei auf dem Grunde der Schüssel, lieber sechs Eier für ebenso viele Gäste. Moutarde gehört zu Endivien, weil sie oft wässerig sind, wozu das sehr gebräuchliche und ebenso unnütze Waschen beiträgt.

Gargantua verschlang sechs Pilgrime in einem Salat. Das mag wohl jene schlechteste Sorte von Kopfsalat gewesen sein, von dem eben die Rede war, und jene freilich etwas kräftige Mischung mag ihn verdaulich gemacht haben. Jedenfalls bin ich der Meinung jenes Gaskogners, der da sagte: Wenn zum Salz und Essig des Witzes gutes Öl käme, so diene er gern zum Salat. Bei der Fourniture kommt es aber auch auf die Jahreszeit, die Güte, die Mischung wie auf die Personen an, die davon genießen sollen. So müssen z. B. schwächliche Personen die Brunnenkresse meiden; Schwindsüchtigen ist sie sogar schädlich. Mancher Salat will zart behandelt sein, mancher geknickt und geknackt, wie die menschlichen Glieder in einem orientalischen Bade. Man muß dabei nicht jenem Narren gleichen, der sich fürchtete, den Salat anzufassen; im Gegenteil muß man fast bei allen Salatpflanzen keck darüber herfallen. Gewisse Salatpflanzen wollen gebrochen werden, wie die Salade romaine; andere zerknickt, noch andere zerrissen. Variatio delectat, sagte der Teufel und fraß den Salat mit der Ofengabel. Bei gewissen Salatsorten müssen die Herzen herausgenommen und auf einen besonderen Teller gelegt werden, die man dann in Essig und Öl und dreimal fetter versenken muß als den übrigen Teil des Salats, dem sie zuletzt beigemischt werden. Schon Rousseau bemerkt, daß es für die Schmackhaftigkeit des Salats nichts Besseres gebe, als wenn die zarten Händchen eines Mädchens von fünfzehn bis achtzehn Jahren ihn bereiteten.

In Italien ist der Salat des Papstes Sixtus V. sprichwörtlich als ein sehr guter Salat bekannt. Sixtus V. hatte, als Bruder Felix, als unbekannter Mönch, mit einem armen Advokaten in großer Freundschaft gelebt, der ihn aber seit vielen Jahren aus den Augen verloren hatte, und der unterdes in noch größere Dürftigkeit gekommen war. Er wendete sich, krank geworden, an den Leibarzt Seiner Heiligkeit, der ihn bei demselben in Erinnerung brachte. Einige Tage darauf sagte der Papst seinem Arzte, daß er dem Advokaten einen Salat gesandt habe, der ihm gewiß helfen würde. Dies Mittel schien dem Arzte, so sehr er an die Unfehlbarkeit des Heiligen Vaters glaubte, doch etwas neu; er ging zu dem Kranken, den er auch vollkommen hergestellt und in großer Zufriedenheit antraf, und fragte ihn nach dem wundervollen Kraute, welches ihm so schnell geholfen habe. Wundervoll? sagte der Advokat; ja, das ist das rechte Wort! Ich bin sicher, daß es in der ganzen Botanik kein wundervolleres Kraut gibt. Der Advokat brachte den Korb, der aber nichts enthielt als ganz gewöhnliche Kräuter, das eigentliche Heilkraut lag auf dem Grunde des Korbes in einer mit Zechinen wohlgefüllten Börse. Diese Handlung ist in Italien sprichwörtlich geworden. Wenn man von jemand spricht, der Geldhilfe nötig hat, so sagt man: Es fehlt ihm der Salat Sixtus V.

Die große chemische Frage: ob Salat als Edukt oder Produkt Etwas neu Erzeugtes, dessen Elemente nur in seinen konstituierenden Teilen nachgewiesen werden können, wie z. B. Schwefeläther, nennt man Edukt; Produkt aber dasjenige, was sinnlich aus seinen konstituierenden Teilen wahrnehmbar ist, wie Zinnober, der aus Schwefel und Quecksilber besteht. zu betrachten sei, kann niemandem, dem wahre Humanität – wozu das Salatessen, wie schon gesagt, gehört – am Herzen liegt, gleichgültig sein; denn die Ordnung, in welcher die einzelnen Elemente zueinander gemischt werden, hängt mit der Entscheidung dieser Frage höchst wesentlich zusammen. Wie aber die Kunst in ihrer höchsten Vollendung der Wissenschaft allenthalben davonläuft: so wird auch ein wirklicher Salatkünstler verschmähen, sich bei der Chemie Rat zu holen; der Takt ist hier, wie so oft im Leben, alles. Beiden aber wird, wenn auch aus verschiedenen Gründen, einleuchten, daß das Salz sich völlig in Essig aufgelöst haben muß, um mit dem nötigen Öl eine innige Vereinigung einzugehen, auf welche, wie bei jeder Ehe, alles ankommt. Daher sagt schon Äschylus im Agamemnon:

Wer Öl und Essig, mischend, gießt in ein Gefäß,
Sieht stets sie, unbefreundet, fremd, einander fliehn.

So bestimmt auch der Mathematiker das Verhältnis der Töne in Zahlen und Größen, welche der Musikkenner aber nicht gebrauchen kann; daher die Temperatur oder Schwebung, d. i. Vermittlung zwischen Kunst und Wissenschaft in der Musik. Es ließe sich vielleicht fragen, ob die Schriften der Philanthropen nicht etwas Salatähnliches enthalten; aber es fehlt mir hier an Raum, diese Frage zu beleuchten.

Um so eiliger kehre ich zu unserem Gegenstande zurück, als ich von einer Essig- und Ölmischung sprach, ohne anders als im Vorbeigehen erwähnt zu haben, daß der Salat, ähnlich dem Universum, aus vier Elementen besteht: nämlich der Salatpflanze, Öl, Essig und Salz. Denn Fourniture ist nur Ausschmückung, und zu guten Salaten gehört nichts anderes; Kalbfleisch aber und Eier, Sardellen, Fleischbrühe und andere Beimischungen mehr, worauf sich schlechte Esser – besonders unter den Engländern Lord Byron huldigte nicht diesem verdorbenen Nationalgeschmack: er sagt: Eine große Familie ist wie ein Gemisch von verschiedenartigen Ingredienzen, die man zu einem Salat mengt; ich habe ein solches Gemenge nie geliebt (Byrons Briefwechsel mit Dallas). – etwas zugute tun, kann ich ebensowenig als Salatelemente anerkennen wie Pfeffergurken, Kapern und Oliven. Parmesankäse und eine Zitronenscheibe, deren sich die Lombarden in großer Hitze bedienen, mag hingehen, aber Schmand und Speck, Butter und Milch sind so schändliche Surrogate als etwa Zichorien und Möhren für den edlen Kaffee.

Merkur, oder vielmehr, da ich von dem Saitenspanner reden will, Hermes, hat zum ersten Akkord nur vier Saiten aufgespannt, und die Ätolier verbannten den Anaximander, der einen Ton zu ihrer Lyra hinzufügen wollte, weil sie den Staat dadurch bedroht sahen. So sollte man auch in eigentlichen Salatländern jeden verbannen, der dem Salat noch ein Element hinzusetzen wollte.

Dieser Grundsatz erwarb dem großen Gaudet, der so glücklich war, den Salatkultus in England auf seine ursprüngliche Reinheit zurückzuführen, seinen bleibenden Ruhm – führte ihn zur Unsterblichkeit. Aber es ist dennoch nötig, die Verdienste dieses großen Mannes auseinanderzusetzen; lebt noch ein salatessendes, denkendes Wesen, das den Namen des Mannes nicht kennt, der leben wird, solange noch eine Salatstaude grünt und gedeiht?

Gaudet, der große Gaudet, floh zu Anfang der französischen Revolution ohne Mittel und Freunde nach England, und es würde ihm wie so manchem seiner Unglücksgefährten an den fremden Küsten ergangen sein, hätte er nicht, gleich dem alten Weltweisen, ruhig nach dem Schiffbruche sagen können: Was mich betrifft, ich trage alle meine Schätze in mir! Diese Schätze bestanden in einem winzigen, aber artigen Talent, welches in Frankreich kein seltenes ist. Denn wo versteht man zierlicher Salat zu bereiten als hier! Die Schönsten der Schönen haben dort bekanntlich das Vorrecht, ihn mit den Fingern wenden und zerpflücken zu dürfen, und die Herren sehen mit Wohlgefallen zu. Da verstummt das laute Tischgespräch und macht stiller Bewunderung Platz. Wie beneidete ich da so oft die Salatblätter und ersehnte den glücklichen Augenblick, sie mit den Lippen berühren zu dürfen in zärtlichem Heißhunger. Dies Vorrecht abgerechnet, war Gaudet ein großer Salatkünstler! Wie genau verstand er das Nichtzuviel und Nichtzuwenig der Salz-, Öl- und Essigmischung, die Anwendung der richtigen Fourniture, dem Salat, der Jahreszeit, den Umständen angemessen, und dann jenes unbekannte Etwas, womit er dies wichtige Geschäft verschönte! Welche Manier! Welche Fingerbewegung! Welche köstliche Zubereitung! Und dazwischen erzählte er tausend Kleinigkeiten von und über Salat. Dann lachte er über sich selbst; sein Ernst unterhielt die ganze Tafel und verschaffte dem Salat doppelten Abgang! Mitunter bewies er seine Unentbehrlichkeit, da der Salat, nach alter Sitte, dem Haushofmeister überlassen, nie glücken könne, weil er eine ungeteilte Aufmerksamkeit verlange, der sich dieser, so mannigfach in Anspruch genommen, bei bestem Willen und Wissen nicht hingeben könne. Gaudets Ruf war bald in London allgemein verbreitet, kein großes Gastmahl, wozu er nicht eingeladen war. Bald fuhr er im eigenen Kabriolett von Diner zu Diner. Beneidenswertes Los! – Er kam so in Mode, daß er zehn Guineen für eine Bereitung forderte – und erhielt. Hab' ich nicht mit eigenen Augen ein Billett von ihm gelesen, worin er dem Herzog von Devonshire den Rat erteilt, sein Diner eine Stunde später zu geben, weil er um acht Uhr schon versagt sei? Hab' ich nicht eine seiner Anzeigen gesehen, worin er ersucht: man möge es ihn acht Tage vorher wissen lassen, wenn man, besonders bei feierlicher Gelegenheit, seiner bedürfe, weil er meist soweit hinaus versagt sei? Glaube man aber nicht, daß des großen Mannes Glück nichts als Folge englischer Originalität oder vielmehr Bizarrerie war; man gönne dem Verdienste seine Krone!

In Berlin gab es am Ende des vorigen Jahrhunderts, zwischen den achtziger und neunziger Jahren, eine berühmte Salatkünstlerin, Madame Drake, Wirtin zur Stadt Rom, damals das berühmteste Hotel Berlins. Wenn sie sich zum Salatmachen anschickte, so bat sie, mit deutschem Ernst, daß man sie nicht störe, weil, solle der Salat glücken, sie ganz ungeteilt dabei sein müsse; sie wolle und könne sich daher bei dieser Beschäftigung von niemandem stören lassen, selbst nicht, wenn der Papst käme. Der verstorbene Geheime Rat Schöll, ein großer Gourmand, hat mir oft mit Wohlgefallen von ihren runden weißen Armen erzählt. Nachdem sie mit langen weißen Handschuhen gegessen, wusch sie sich in Gegenwart der Gesellschaft, und nun fatiguierte sie den Salat.

Auf der Offizierstafel zu Potsdam, erzählt Festmann im »Leben Friedrich Wilhelms I.«, machen Ihre Majestät sich wohl auch das Vergnügen, selber eine Schüssel Salat mit den Händen zu bereiten, und dies geschieht in einer solchen Art, daß man mit dem größten Appetit davon essen muß. Denn Ihre Majestät waschen Ihre Hände wohl drei- bis viermal und trocknen sich ebensooft an drei bis vier Servietten ab.

Es gehört überhaupt der Salat seit den ältesten Zeiten zu den ausgesuchtesten Speisen. Selbst die Götter Griechenlands genossen außer Nektar und Ambrosia auch noch Salat. Hebe überaß sich einmal am Salat; über die Folgen, die dies hatte, schlage man Lucians Werke (in der Wielandschen Übersetzung, 2. Band, S. 45) nach. Wie schmerzlich es auch dem Hiob in seinem Unglück vorgekommen ist, des Öls zu entbehren, geht ganz offenbar aus dem 29. Kapitel, Vers 6, hervor, wo er, als er von seiner vorigen Glückseligkeit redet, sagt: Da ich meine Tritte wusch in Butter und die Felsen mir Ölbäche gössen. Wenn aber Josephus sagt: die Verfluchung Nebukadnezars, frisches Heu zu essen, habe in nichts anderem bestanden als im grünen Gras-, folglich Salatessen, so ist dies nicht nur eine willkürliche, sondern ganz falsche Auslegung; denn es heißt im Daniel (Kap. 4, Vers 30): »Von Stund an ward das Wort vollbracht an Nebukadnezar, und er ward von den Leuten verstoßen und aß Gras wie ein Ochs«, d. h. ohne Salz, Essig und Öl – was wirklich eine Art Verfluchung sein mag.

Einige Schriftsteller sind der Meinung, daß Johannes in der Wüste einen vortrefflichen Salat gegessen habe; es heißt nicht, daß er daselbst Heuschrecken (Akrides), sondern die Spitzen (Okrides), also das Beste gewisser Kräuter genossen habe. Für diese originelle Meinung erklärt sich der heilige Athanasius in seinem Scholion zum Neuen Testamente. Auch Isidorus Pelusius (im ersten Buche seiner Bibeltexte) sagt: es wären Pflanzen gewesen, die Johannes gespeist, welche den Krebsen sehr ähnlich sehen, und nicht Spitzen, sondern Keime der Kräuter gewesen. Merkwürdig genug zitiert Albulensis in seinem Kommentar dieser Stelle den Brocardus, welcher erzählt, daß nahe am Jordan viele Klöster wären, welche sich von einem gewissen Salat nähren, den sie Krebse des heiligen Johannes nennen. Wir freilich, wie sehr willkommen uns diese Meinung auch sein müßte, können uns nicht dafür erklären, weil wir schon bei Plinius finden, daß die Äthiopier und ein Teil der Inder Heuschrecken zu ihren Lieblingsspeisen zählten, ja diese Völker bei Diodor sogar schlechthin Heuschreckenfresser heißen, auch Heuschrecken zu den Speisen gehörten, die den Juden erlaubt waren.

Daß Kräuter, mit Essig und Salz bereitet, zu den vornehmen Speisen der Alten gehörten, erhellt aus Plautus (Rudens, Akt 4), wo ein Fischer einen Mantelsack findet, worin er große Schätze zu entdecken hofft. Als er aber denselben öffnet und nichts als Flachs darin sieht, ruft er aus: »Lebt wohl, ihr königlichen Speisen! Du Kraut mit Essig und Salz, dessen Geschmack ich schon auf der Zunge empfunden!« Aristoxenos von Cyrene war ein solcher Freund des Salats, daß er des Abends seinen Lattich mit Milch und Wein begießen ließ, und am anderen Tage sagte: die Erde habe ihm grünen Kuchen geschenkt. – Als die Pest während der Belagerung von Troja in der Stadt wütete, untersagte Palamedes alles Fleischessen und empfahl den Griechen Kräuter und Salat, und die Pest verschonte das Lager der Griechen.

Der heilige Antonius erzählt: daß der heilige Hieronymus, der 105 Jahre alt geworden, die letzten 90 Jahre in der Wüste bloß von Brot und Wasser gelebt habe; aber dennoch konnte er in den letzten Jahren dem Gelüste nach Salat nicht widerstehen, wie wir dies bei dem heiligen Athanasius Der heilige Athanasius erregte durch eine strenge Kirchenzucht den Haß der Geistlichkeit und des Volks; es verbreitete sich die Sage, daß er einen ruchlosen Esel, der den Salat eines Klostergartens gekostet, in den Bann getan habe. finden.

In den frühesten Zeiten türkischer Herrschaft mußten die Janitscharen im Felde zu zwanzig und dreißig wegen ihrer Mahlzeit zusammentreten, von denen jeder eine besondere Schüssel zur Tafel zu stellen hatte. Bei einer solchen Gesellschaft durfte nie einer fehlen, welcher in Essig und Öl gelegte Kräuter mit sich führte.

Der italienische Dichter Molza, der ein langes Gedicht über den Salat geschrieben, sagt darin, daß Adam im Paradiese den Salat gefunden habe: Er behauptet: gegen den Salat verschwinde das Verdienst von Lorbeeren und Myrthe; selbst die edelsten Soßen müßten seinem Verdienste nachstehen. Er verdiene, so schließt sein Gedicht, von allen besungen zu werden; glücklich sei derjenige, der sich zu ihm wende, und selig der, der in ihn alle Hoffnungen setze.

Mannigfach hat man, namentlich in Frankreich, die Salatmischung besprochen und nicht nur das Verhältnis von Salz, Öl und Essig untereinander erwogen, sondern auch das dieser drei gegen den Salat. Es stellten die größten Köpfe ihre Meinungen gegeneinander. Von den beiden großen Chemikern Fourcroy und Chaptal haben wir zwei Vorschriften über Salatfertigung. Der letztere hat auch hier seinem Kollegen den Rang abgelaufen. Zu dem Salat à la Chaptal gießt man, je mehr je besser, Öl und Essig, mengt nun denselben tüchtig durcheinander und schüttelt ihn lange zwischen zwei schief zu haltenden Schüsseln, daß viel des Öls und Essigs abläuft. Es bleibt dann, so sagt man, viel Öl, wenig Essig und von beiden soviel als nötig ist zurück, und gibt die vortrefflichste Mischung. Aber abgesehen davon, daß dies Ablaufen des fetten Überflusses einen unerfreulichen Anblick gewährt: so ist über die Salzmischung gar nichts gesagt. Von dem mehr oder weniger Schütteln hängt auch das Fetter- und Trockenerwerden des Salats ab, wenn auch das Verhältnis von Öl und Essig richtig gehalten sein mag. Des großen Gaudet Salat gab Bestimmteres nach Maß und Gehalt, leider nur nicht ausgesprochen in Zahl und Form. – So also steht nun das beste Rezept noch zu erwarten. Darin glaube ich mich nicht zu irren, wenn ich vier Löffel Öl auf einen Liter Essig gebe; ein Verhältnis, das in Frankreich gebräuchlich, bei uns leider umgekehrt angewendet wird! Auch unser Friedrich Schlegel, der einer der geistreichsten Esser unserer Zeit war, besprach und behandelte diesen Gegenstand gleich zierlich. Seine mir bei fröhlicher Tafel einmal hingeworfene Bemerkung, daß die Salade romaine klein zerrissen werden müsse, damit sie aussehen möge wie die Cumulae, die weiblichen Wolken des Plinius, verdient Beachtung.

Sei es mir erlaubt, hier eine Anekdote zu erwähnen, die Friedrich Schlegels geistreiches kulinarisches Wissen in das hellste Licht stellt. Er erkannte in der berühmten Büste, welche Cavaceppi und, ihm nachplaudernd, Böttiger für einen begeisterten Plato ausgegeben, einen in den Freuden der Tafel schwelgenden Epikur. Indes ist jener Irrtum sehr zu entschuldigen. Ein verständiger Esser wird im Augenblicke des höchsten Genusses allerdings für einen begeisterten Plato genommen werden können und ihm ähnlich sehen – bis auf die Unterlippe, versteht sich; denn diese ist vorgeschoben, dick (die Zunge dafür um so spitziger, in naher Verwandtschaft mit dem Saugerüssel gewisser Tiere). Nur die ausgezeichnete Büste von Crassus, die dem verstorbenen Fürsten Poniatowski in Florenz gehörte, für welche ihm der vorige König von Bayern vergebens 15 000 Taler geboten haben soll, macht von dieser Lippenbildung eine Ausnahme. Mir ganz unerklärlich. Wäre ich ein Winckelmann, so würde ich diese Zweifel aufzulösen suchen, die sich mir immer bei dieser herrlichen Büste aufdrangen.

Mit allem Geiste, den man haben mag, ist man ebensowenig wie mit aller Weisheit allein imstande, einen guten Salat zu bereiten; es gehören grundeigentümlich hierzu durchaus vier Menschen: ein Verschwender, der das Öl gibt und gießt, ein Geizhals für den Essig, ein Weiser zum Salz und ein Narr zum Wenden und Mengen der vier Elemente. In den Sprichwörtern Salomonis (Kap. 21, Vers 20) heißt es sehr schön: Im Hause des Weisen ist ein lieblicher Schatz und Öl; aber ein Narr verschlemmt es.

Mit diesem großen und bedeutenden Worte ist aber die Befugnis zu meiner Salatautorschaft bewiesen, meine Aufgabe gelöst und meine Behauptung am Eingang dieser Abhandlung beurkundet, nämlich daß derjenige, der einen guten Salat zu bereiten versteht, unstreitig imstande sein müsse, ein gutes Buch zu schreiben. Denn was kann man von einem wahrhaft großen Schriftsteller mehr verlangen, als daß er verschwenderisch sei und geizig, beides zur rechten Zeit; daß er Wissenschaften und Künste kenne und das Maß ihrer Wirkungen festhalte im Gefühle, und daß er wo möglich mit Grazie vereine sein schönes Talent?


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